Physiognomik – ein Aufbruch

Geschichte der Physiognomik, 1. Band.

(Autor)

Buch | Hardcover
320 Seiten
2008 | 1., Aufl.
Carl-Huter-Verlag
978-3-03741-112-4 (ISBN)
26,20 inkl. MwSt
Die Bedeutung der Physiognomik für die Entwicklung von Humanität, Kultur und Wissenschaft.

Von der Antike bis zu Johann Caspar Lavater.

Ohne Gefühlsphysiognomik gibt es keinen Kontakt zwischen Menschen, keine Kommunikation, kein Austausch von Gedanken und Gefühlen, kein Mitteilen von Bedürfnissen und Absichten. Ohne Physiognomik gibt es kein Verstehen von Mitmenschen.
Physiognomisches Schließen ist eine notwendige und unvermeidliche Grundleistung des menschlichen Wahrnehmungsapparates. Deshalb hat Physiognomik im täglichen Leben wie auch beim Erbringen gewisser besonderer Leistungen eine besondere Bedeutung.
In welcher Weise die allen Menschen eigene Gefühlsphysiognomik und die bewusst geübte Physiognomik sich auf die Entwicklung von Humanität, Kunst und Kultur im europäischen Raum auswirkten, wird in diesem Band dargestellt. Es eröffnet einen gänzlich neuen Blick auf die großen kulturellen Leistungen der Menschheit.
Es ist dies eines der schönsten Physiognomik-Bücher. Der Inhalt ist wissenschaftlich fundiert und mit einem reichen Bildmaterial illustriert und dokumentiert.

Vorwort 9

1 Die Anfänge der Physiognomik 11
Der ‹Kluge Hans› und ‹Kurwenal› • Urmenschen und Physiognomik • Der Neandertaler • Wissenschaft und Besserwissenschaft • Anthropologie im Banne der Rassenlehre • Physiognomie und Charakter des Neandertalers • Carl Huter über den Neandertaler

2 Erkenne dich selbst! 41
Die Anfänge bewussten physiognomischen Deutens, die Quelle von Religion, Philosophie, Humanität, Wissenschaft und Kultur.
Eindruck und Ausdruck • Nachempfindung und Nachahmung • Weltanschauung und Vorstellung • Empathie, Mimesis und Physiognomik • Platon • Sokrates • Medeas Klage • Lavater über Sokrates • Aristoteles, Demosthenes und Theophrast • Die Gefühlsphysiognomik als geheime Schöpferin jeder alten und neuen Gesellschaftsordnung • ‹Eigentum ist Diebstahl›: Die Kyniker • ‹Der Mensch ist das Maß aller Dinge›: Die Sophisten

3 Von der Antike ins Mittelalter 89
Das frühe und mittelalterliche Christentum • Der Verlust der Porträts und die Abwendung von Physiognomik
Der Ursprung des Christentums • Streit unter Christen • Märtyrertum erstrebenswert • Christlicher Universalismus und christliches Weltmachtstreben • Die einzig wahre Lehre • Das Christentum erhält den Schutz des Staates • Die Anfänge christlicher Architektur und Kunst • Das Christentum wird Staatsreligion • Die Zerstörung nichtchristlicher Heiligtümer • Die Heiligkeit des Papstes • Umdeutungen und Fälschungen • Sünde, Beichte und Buße • Der freie Wille und die Fähigkeit zur Wahl zwischen Gott und Teufel, Gut und Böse • Das Leben der Menschen im Mittelalter • Das Ende der platonischen Akademie, die Scholastik und die Inquisition • Der Ausdruck des geistlichen und weltlichen Ranges • Die Macht mittelalterlicher Bilder • Physiognomik und Moral

4 Physiognomik im Humanismus und in der Renaissance 143
Francesco Petrarca • ‹Die Menschen sind von Natur aus und vor Gott gleich› - oder doch nicht? • Das Volk Gottes • Erste christliche Porträts • Eine neue Zeit bricht an: Humanismus und Renaissance • Giovan Battista Della Porta • Zeichen und Signaturen • Das Wiedererwachen physiognomischen Geistes • Physiognomik-Studien nach Albrecht Dürer • Thesen

5 Weimarer Klassik 185
Empirismus, Rationalismus und Materialismus • Zwischen Humanismus und Weimarer Klassik • Aufklärung • Winckelmann, Mengs und Graff • Von Aristoteles über Della Porta zu Lavater • G. E. Lessing • Johann Sebastian Bach • Von Shakespeare zu Schiller

6 Johann Caspar Lavater 229
Carl Huter über Lavater • Die zehn Thesen der Lavaterʼschen Physiognomik • Lavaters Talenttest • Lichtenberg und Lavater • Lavater über sein Werk • Lavater im Kunsthaus Zürich • Pfarrer und Physiognom • Lavaters Sprache • Lavaters Mittel • Lavaters Grenzen • Lavater und die Wissenschaft • Von der Ungleichheit der Menschen • Die Freiheit des Menschen • Lavater und der Sozialismus • Die Würde des Menschen • Schönheit und Güte • Jesus - der vollkommenste Mensch • Lavater und Nietzsche • Lavater über das Studium der Physiognomik • Physiognomie und Verhalten • Lavater
und Goethe • Lavater und die französische Revolution • Lavater an die große Nation • Lavater an das ‹Helvetische Direktorium› • Nachricht von einem fatalen Vorfall

7 Physiognomik - ein Aufbruch 297
Physiognomie • Physiognomik • Phrenologie • Pantognomik • Huterʼsche Psychophysiognomik • Physiognomisches Schließen ist unvermeidlich

Namensverzeichnis 307

Literaturverzeichnis 311

Bildquellen 317

Vorwort Es gehört zum Faszinierendsten, den Weg der Physiognomik aus dem Dunkel der Vorgeschichte zu den Hochkulturen und von diesen bis in die Neuzeit zu verfolgen. Die Früchte, die physiognomisches Wahrnehmen und Schließen zutage förderten sind zahlreich und wesentlich. In der gesamten näher bekannten Geschichte sehen wir, dass die wesentlichen kulturellen Leistungen stets unter der Leitung der Gefühlsphysiognomik standen. Man kann mit gutem Grund sagen: ohne Gefühlsphysiognomik keine Kultur, keine Humanität und keine Naturwissenschaft. Gefühlsphysiognomik war durch die ganze Kulturentwicklung hindurch ein ganz besonderer, zur geistigen Entwicklung und Entfaltung drängender Motor. Physiognomisches Wahrnehmen war, nicht nur beim Homo sapiens sapiens von besonderer Bedeutung, wie wir sehen werden. Physiognomisches Wahrnehmen und Schließen ist sinnes- und neurophysiologisch verankert und unvermeidlich. Selbst diejenigen, die sich als Antiphysiognomen gebärden, nehmen laufend gefühlsphysiognomisch wahr. Wenn also etwa ein Psychologieprofessor sagt, Physiognomik sei Humbug, dann kann man mit ihm und den Studentinnen und Studenten, die ihm glauben, sowie dem Steuerzahler, der ihn finanziert, nur Mitleid haben, denn er weiß nicht, was er sagt und tut. Ehrlicherweise müssten Antiphysiognomen auch darauf verzichten, gefühlsphysiognomisch zu schließen. Die Gefühlsphysiognomik hat ganz andere Grundlagen als die von einer Ideologie zur nächsten getriebene universitäre Psychologie. Gefühlsphysiognomik nimmt die Menschen und die anderen Lebewesen sinnlich wahr und fühlt sich durch die Vermittlung von deren Physiognomie in deren Innenleben ein. Die alten Griechen nannten dies Empathie. Gefühlsphysiognomisches Bemühen will verstehen ̶ und zwar auf realer Grundlage. Es ist die Grundlage jeder Wahrnehmung von Innerweltlichem, Psychischem bei anderen Menschen und Lebewesen. Diese können sich nur mitteilen, indem sie sich in der gesamten Daseinseigentümlichkeit, in ihrem Leben und Sein, in ihrem Empfinden, in ihren Gefühlen und in ihrem Wollen manifestieren. Ohne sich auszudrücken können sie weder wahrgenommen noch verstanden werden. Der gefühlsphysiognomisch verstehende Mensch macht in sich ein Bild, ein Abbild des anderen Menschen, den er verstehen will. In gewisser Weise lotet er dessen Innenwelt aus, indem er in sich ein Abbild von demselben macht und in dessen Haut schlüpft, ihn ausfühlt und nachahmt. Die alten Griechen nannten diese weitere Leistung Mimesis. Jedenfalls ist jeder normal begabte Mensch ausgestattet mit der gefühlsphysiognomischen Leistungsfähigkeit. Diese steuert sein gesamtes Leben und Verhalten. Dieses gefühlsphysiognomische Vermögen ist eine Grundleistungsfähigkeit des menschlichen Zentralnervensystems. Es ist vorhanden und nachweisbar in allen Kulturen und unter allen Menschen, über die man nähere Kenntnis hat. Es ist auch zu beobachten bei Tieren. Auch diese schätzen ihre Umwelt ein, verstehen die Ausdruckssprache ihrer eigenen Art und auch die anderer Arten. Wenn etwas dermaßen allgemein im Seelenleben, in den Sinnen und im Zentralnervensystem verankert ist, ist es auch nicht sehr verwunderlich, wenn sich dieses in den kulturellen und anderen Leistungen der Menschen ebenfalls in zentraler Weise spiegelt. Das vorliegende Werk zeigt die Wirkung gefühlsphysiognomischen Wahrnehmens und Schließens in Kunst, Philosophie, Kultur und Wissenschaft auf. Es entwickelt dabei eine eigene, bisher vernachlässigte Sicht auf die historischen Dinge auf der Basis der Huterʼschen Psychophysiognomik. Dieses Werk ist nicht denkbar, ohne die Leistungen von Carl Huter (1861-1912). Es ist vorgesehen, dessen Werk in einem zweiten Band im Rahmen der Entwicklung der Physiognomik im 19. und 20. Jahrhundert ausführlich darzustellen. Indem man einen anderen, einen neuen Blick auf die Geschichte wirft, verändert man zwar nicht die historischen Fakten, wohl aber verändert man deren Interpretation. Mit neuem Blick erschließt man neue, bisher zwar auch immer vorhanden gewesene, jedoch unbeachtet gebliebene Aspekte derselben. Es ist heute auch notwendig, will man nicht Gefangener einer verfahrenen und sterbenden Sache sein und bleiben, gewisse Dinge zu kritisieren. Es soll mit dem psychophysiognomischen Wissen von heute etwas aufgebrochen werden, das bisher weitgehend unbeachtet blieb, um es in den Diskurs zu bringen und um daraus Nutzen zu ziehen. Es soll mit dem psychophysiognomischen Wissen von heute aber auch, aus der Geschichte lernend, ein Aufbruch in der Gegenwart, wenn nicht ausgelöst, so doch gefördert werden. Wie das zu verstehen ist, das wird im Folgenden deutlich werden. Das vorliegende Werk ging aus meiner Lehrtätigkeit in der Carl-Huter-Akademie hervor. Der Inhalt entspricht ungefähr einem Teil des Lehrgangs «Geschichte der Physiognomik I». Zu Dank verpflichtet bin ich Konrad Aerni für die Lösung mancher Informatikprobleme und für die kompetente Herstellung der Druckdaten. Frau Dr. Barbara Peters-Kümmerly danke ich für das Lektorieren des Buches. Elisabeth Aerni, die mich bei der Bildbeschaffung unterstützte, und Maria Amsler, die mich in Archiv- und Bibliotheksarbeit unterstützte, waren immer auch meine Gesprächspartnerinnen, die sich im Laufe vieler Jahre sowohl eine mehr als professionelle Kompetenz in der Huterʼschen Psychophysiognomik wie auch in der Historie der Physiognomik angeeignet haben. Zürich, im März 2008 Fritz Aerni

2 Erkenne dich selbst! Die Anfänge bewussten physiognomischen Deutens, die Quelle von Religion, Philosophie, Humanität, Wissenschaft und Kultur. «Wär nicht das Auge sonnenhaft, Die Sonne könnt es nie erblicken; Läg nicht in uns des Gottes eigne Kraft, Wie könnt uns Göttliches entzücken?»18 Goethe sprach mit diesen Zeilen in poetischer Sprache aus, was die zünftige Wissenschaft erst weit später im Einzelnen bestätigte: das Auge ist so gebaut, dass es aufnahmefähig ist für das Licht, und es wurde im Laufe eines evolutionären Prozesses so gebaut, dass es das Licht aufnehmen kann. Es ist in diesem Sinne ganz sonnenhaft. Der Zweck des Auges ist einmal die Aufnahme und Umwandlung des Lichtes, der bildhaften Außenwelt in neuronal leitbare Informationen. Diese werden afferent zum Zentralnervensystem geleitet. Das Zentralnervensystem beantwortet efferent über das Auge die anfallenden Reize, es drückt überhaupt die innere Befindlichkeit, Gefühle, Emotionen und Gedanken, Gesundheit und Krankheit, aus. Das Auge spiegelt das Innenleben, es ist zuerst aber vor allem durch die Gesetze des Lichtes, der Optik, gebildet. «Am farbigen Abglanz haben wir das Leben»19, meint Goethe. Sinnentsprechend ähnlich verhält es sich mit den übrigen Sinnesorganen. Mit den Ohren werden die Geräusche, Laute und Töne wahrgenommen, sie gehorchen den Gesetzen der Akustik. Mit dem Geruchssinn werden die Gerüche, Duft und Gestank, mit dem Geschmackssinn die chemische Beschaffenheit, die Zuträglichkeit oder Bekömmlichkeit von fester und flüssiger Nahrung wahrgenommen. Nase und Mund sind so beschaffen, dass chemische Substanzen und Gase geprüft und aufgenommen werden können. Die Haut schließlich informiert über die Temperatur, die Windverhältnisse und das Tastbare, das Begreifbare und über das Berührende. Die äußeren Sinnesorgane spiegeln also die Gesetze der Außenwelt, sie haben sich im Laufe der Evolution an diese angepasst. Dasselbe hat das Gehirn getan, nämlich die Informationen über die Umwelt in sich aufgenommen. Die Außenwelt oder die Gesetze der Außenwelt wurden somit zu einem Bestandteil des Inneren. Carl Huter (1861-1912) bezeichnet diese Gesetzmäßigkeit als «biomechanisches Grundgesetz». Danach ist an der Physiognomie eines Lebewesens stets die Außenwelt erkennbar, in der es sich in evolutionärem Sinn entwickelt hat. Dabei bleibt es im normalen Lebensprozess aber nicht. Die aufgenommenen Reize lösen im Innern etwas ihnen Entsprechendes und Angemessenes, Empfindungen und Gefühle, letztlich einen Bewertungs- und Verständnisprozess aus. Dieser wirkt vom Zentralnervensystem zurück zur Peripherie und verändert diese im Sinne der Empfindungen, der Gefühle und des Verständnisses, also im Sinne der subjektiven inneren Verarbeitung der anfallenden Reize. Manchmal wirkt dieser efferente Vorgang nicht nur bis zur Peripherie, sondern auch hin zur Umwelt durch Laute, Sprache und Handlungen. Erst mit diesem Vorgang ist der Wahrnehmungsprozess abgeschlossen. Dass in der Wahrnehmungspsychologie lediglich die Hälfte dieses Vorganges näher, zudem vollständig abhängig von der Sinnes- und Neurophysiologie, behandelt wird, nämlich der Vorgang von außen nach innen, nicht aber den Vorgang von innen nach außen, das ist eben eine der vielen Halbheiten und Unzulänglichkeiten der universitären Psychologie. Eindruck und Ausdruck Mit den aktuellen Informationen, die die äußeren Sinnesorgane aufnehmen, erzeugen sie im Zentralnervensystem ein Abbild, eine Kopie der aktuellen Außenwelt oder einzelner Teile der aktuellen Außenwelt. Dies geschieht genau in der Eigenart und Zuverlässigkeit, die durch den allgemeinen und individuellen Bau und die Funktion der Sinnesorgane und des Zentralnervensystems sowie deren aktuelle Disposition möglich ist. Damit ist der Vorgang des Wahrnehmens aber, wie eben erwähnt, noch längst nicht abgeschlossen, sondern er beginnt jetzt eigentlich erst. Die anfallenden Informationen hinterlassen nämlich nicht nur einen Eindruck, sie werden auch, wie die Neurophysiologie inzwischen darstellt und damit die Huter’sche Psychophysiognomik in diesem Punkt bestätigt, interpretiert und erzeugen einen den Eindruck beantwortenden Gefühls-, Bewertungs- und Verständnisvorgang und den entsprechenden Ausdruck. Der so gewonnene Ausdruck enthält aber nicht nur die erhaltenen objektiven Informationen, er ist angereichert mit den subjektiven Empfindungen, Bewertungen und Gedanken, die durch den äußeren Eindruck ausgelöst wurden. Der Ausdruck ist also nicht lediglich ein Echo, er enthält Objektives und Subjektives. Nachempfindung und Nachahmung Um die Eindrücke interpretieren zu können, werden sie vom Gefühl ‹erfüllt›. Der Gefühlssinn tastet die Eindrücke, Formen, Laute, Gerüche nach ihrem Informationsgehalt und Wert ab. Eine Erscheinung wird nach dem Inneren, dem Charakter, der Tiefe ausgelotet. Es wird die aufgenommene Sache also nicht nur abgebildet, sondern recht eigentlich in ihrer Charakteristik nachgezeichnet oder nachgeahmt. Es wird ein physisches und ein psychisches Abbild.... 18 J. W. von Goethe: Zahme Xenien III 19 J. W. von Goethe: Faust II, Vs. 4727

Erscheint lt. Verlag 25.4.2008
Sprache deutsch
Maße 170 x 240 mm
Gewicht 890 g
Einbandart gebunden
Themenwelt Sachbuch/Ratgeber Geschichte / Politik Vor- und Frühgeschichte / Antike
Geisteswissenschaften Geschichte
Geisteswissenschaften Psychologie
Schlagworte Charakter • Erkenne dich selbst • Gefühlsphysiognomik • Geschichte • HC/Psychologie • Johann Caspar Lavater • Lavater • Menschenkenntnis • Physiognomik • Psychologie • Psychophysiognomik
ISBN-10 3-03741-112-0 / 3037411120
ISBN-13 978-3-03741-112-4 / 9783037411124
Zustand Neuware
Haben Sie eine Frage zum Produkt?
Mehr entdecken
aus dem Bereich
Glanz und Elend der Römischen Kaiser von Augustus bis Nero

von Tom Holland

Buch | Softcover (2024)
Klett-Cotta (Verlag)
16,00