Die Geschichte des Körpers im Mittelalter

Buch | Hardcover
224 Seiten
2007 | 1., Aufl.
Klett-Cotta (Verlag)
978-3-608-94080-0 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Die Geschichte des Körpers im Mittelalter - Jacques LeGoff, Nicolas Truong
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Leid, Arbeit, Sexualität - der Körper im Mittelalter
Welche Stellung hatte der menschliche Körper in der mittelalterlichen Gesellschaft? Warum wird er einmal verurteilt, ein anderes Mal verehrt und glorifiziert?
Jacques Le Goff gibt in dieser ersten Gesamtdarstellung zur Geschichte des Körpers im Mittelalter Antworten auf diese Fragen. Auf anschauliche Weise zeigt er, wie die Auffassungen von Körperlichkeit mit den Verhaltensnormen und Wertvorstellungen verknüpft waren.
Traum, Arbeit, Sexualität ... Hin- und her gerissen zwischen Unterdrückung und Freiheit, Fastenzeit und Karneval, war der Körper des Menschen im Mittelalter Schauplatz von Grundgegensätzen wie kaum ein anderer im Abendland. Diese umfassende Geschichte des Körpers, von der Kasteiung der Priester zu den Wonnen des Schlaraffenlandes, vom Aufstieg des Christentums zum gleichzeitigen zähen Verharren heidnischer Bräuche, vom Lachen bis zur"Gnadengabe der Tränen", von der Kleidermode bis zu den Essgewohnheiten, vom Zölibat bis zur höfischen Liebe, vermittelt uns ein Verständnis der Codes, die uns das abendländische Mittelalter bis heute als Vermächtnis hinterließ. Dabei steht die Geschichte des ganzen Menschen, seines Alltags, seiner Kultur und Mentalität im Mittelpunkt.
Aus dem Inhalt:
- Das Tabu von Sperma und Blut
- Die Sexualität: tiefste Erniedrigung
- Der Dünne und der Dicke
- Anatomie: Leichenöffnung
- Tote und Sterbende: erhöht und gequält
- Zwei Ernährungsweisen, zwei Kulturen
- Die guten Manieren
- Der Körper als Metapher

Jacques Le Goff, bedeutendster Vertreter der "nouvelle histoire", Haupterbe und Fortsetzer der Annales-Schule, ist international anerkannter Fachmann für dieses "andere Mittelalter", das er stets aufs Neue zu ergründen sucht. Er erhielt zahlreiche Preise: 1987 den "Grand Prix National d'histoires du ministère de la Culture", 1991 die "Médaille d'or du CNRS", 1994 den Hegelpreis der Stadt Stuttgart, 1996 den "grand prix Gobert de l'Académie française", 1997 den "grand prix d'histoire de la Ville de Paris". "... Er ist der unterhaltsamste Historiker seiner Generation. ..." Dirk Schümer (FAZ, 29.10.2003) Nicolas Truong ist Journalist bei "Le Monde de l'Éducation". Er zeichnet dort für die Rubrik "Bücher" verantwortlich. Er war Herausgeber der Zeitschrift "Lettre".

Vorwort: Die Abenteuer des menschlichen Körpers
Einleitung: Geschichte einer Forschungslücke
1. Fastenzeit und Karneval: Ständiger Wechsel im christlichen Abendland
Umfassende Entsagung 41
Das Tabu von Sperma und Blut 43 Die Sexualität: tiefste Erniedrigung 45 Theorie und Praxis 50 Wurzeln der Verdrängung: Die Spätantike 53 Das Christentum: Ursache des allgemeinen Rückschritts 55 Das Weib sei dem Manne untertan 58 Wundmale und Geißelung 62 Der Dünne und der Dicke 64
Die Rache des Körpers 66
Schlange aus Stein und Weidenkorb in Drachenform 68 Die Arbeit zwischen Mühsal und schöpferischem Tun 71 Die Gabe der Tränen 77 Das Lachen ernst nehmen 83 Die Träume werden überwacht 88
2. Leben und Sterben im Mittelalter
Der Lebensweg 101
Die Lebensalter 102 Minne oder Affären 104 Denn uns ist ein Kind geboren 109 Würde und Bosheit des Alters 113
Krankheit und Medizin 115
Der Kranke: ausgestoßen und auserwählt 120 Die"gute Mi schung"und die Theorie der vier Körpersäfte 120 "Bruder Körper"123 Urin und Blut 125 Galen hat es empfohlen 126 Grenzen der scholastischen Medizin 128 Beistand und Krankenpflege 131 Anatomie: Leichenöffnung 132
Tote und Sterbende: erhöht und gequält 133
Brevier der Sterbenden 135 Anwesenheit der Toten 138
3. Körper und Manieren
Die gula und die Gastronomie 148
Zwei Ernährungsweisen, zwei Kulturen: eine Begegnung 149 Die guten Manieren 153
Darstellung und Aussehen des Körpers 154
Nackt oder bekleidet ? 155 Die Schönheit Evas und der Jungfrau Maria 159 Das Bad 160 Eine Kultur der Gesten 162
Bewegung und Ruhe: Der Körper in seinen Zuständen 164
Monstrum: Körperliche Mißbildungen 165 Sportliche Betätigung? 167
4. Der Körper als Metapher
Der Mikrokosmos Mensch 172
Das Herz: Wahn und Frömmigkeit173 Der Kopf: Führungsaufgabe 174 Die Leber: Verderberin von allem 176 Die Hand: ambivalentes Werkzeug 177
Die Körpermetapher in Politik und Staatstheorie 178
Kopf oder Herz ? 179 Wie die Augen im Kopf 180 Der Staat ist ein Körper 181 Der Kopf verliert den Vorrang 183 Den Kopf auf die Füße stellen 186 Der König und der Heilige 187 Der Körper der Stadt 188
Schluß: Eine Geschichte in langsamen Rhythmen
Anmerkungen
Literatur
Bildnachweis
Personenregister

"Die weibliche Schönheit Evas und der Jungfrau Maria
Eva und die Muttergottes waren die beiden Gegenbilder der Schönheit im Mittelalter. Dieser Gegensatz traf den eigentlichen Kern der damaligen Vorstellung von der Frau. Auf der einen Seite stand Eva, die Verführerin und noch dazu die Sünderin, die aus einer sexuellen Umdeutung des Sündenfalls hervorgegangen war. Aber zugleich hat man auch im Mittelalter nicht vergessen, daß Gott in der Schöpfungsgeschichte die Frau erschuf, damit sie Gefährtin des Mannes sein und der Mann nicht allein bleiben sollte. Deshalb war Eva auch die Helferin des Mannes, der sie so notwendig brauchte. Als Eva erschaffen wurde und bis zum Sündenfall war sie nackt, genauso wie Adam. In der darstellenden Kunst des Mittelalters gehörte das erste Menschenpaar der Schöpfungsgeschichte zu den wichtigsten Bildinhalten. Die weibliche Nacktheit wurde der Gefühlswelt der Epoche nahegebracht.
Durch diesen Bezug zum Paradies, die Nacktheit der Unschuld und die Situation der Verführung entdeckten die Menschen im Mittelalter die weibliche Schönheit. François Villon sagte später voll Bewunderung:"Der weibliche Körper, wie ist er lieblich."Eva gehörte zu den Verkörperungen der Schönheit; auf zahlreichen Porträts konnten die Betrachter die Schönheit des weiblichen Körpers und vor allem des weiblichen Gesichts entdecken.
Aber die Menschen sahen auch die Bilder von Maria, der Mutter Gottes und Erlöserin, mit ihrer sakralen Schönheit, die zur profanen weiblichen Schönheit in starkem Kontrast stand. Der Körper Marias wurde zwar weniger bewundert, aber ihr schönes Gesicht prägte sich ein. Diese beiden Frauengesichter mit je eigenen Schönheit wurden vor allem seit dem 13. Jahrhundert in der gotischen Kunst Leitbilder eines schönen Frauengesichts.7
Dieses Motiv von der Doppelnatur der Frau taucht auch im Gleichnis von den klugen und den törichten Jungfrauen auf (Mt 25,1-13):"Zehn Jungfrauen erwarten die Ankunft des Bräutigams. Als er schließlich eintrifft, haben fünf von ihnen ihre Lampe mit Öl gut versehen und angezündet; das sind die klugen. Fünf sind eingeschlafen und haben die Lampe verlöschen lassen. Das sind die törichten. Der Evangelist schließt mit den Worten:'So wachet nun, denn ihr wißt weder den Tag noch die Stunde.'"Dieses Motiv haben gotische Bildhauer verwendet, um das doppelte Gesicht der Frau zu schaffen und die Aufmerksamkeit auf ihre körperliche Anwesenheit und ihr Verhalten zu lenken."

Übersetzer Renate Warttmann
Zusatzinfo 8 S. farb.
Gewicht 390 g
Einbandart gebunden
Themenwelt Sachbuch/Ratgeber Geschichte / Politik Mittelalter
Schlagworte Geschichte • Körper (menschl.) • Mittelalter • Mittelalter; Geistes-/Kultur-G.
ISBN-10 3-608-94080-4 / 3608940804
ISBN-13 978-3-608-94080-0 / 9783608940800
Zustand Neuware
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