Die deutsche Krankheit - German Angst

(Autor)

Buch | Hardcover
287 Seiten
2007 | 2., Aufl.
Klett-Cotta (Verlag)
978-3-608-94425-9 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Die deutsche Krankheit - German Angst - Sabine Bode
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Zu diesem Artikel existiert eine Nachauflage
Der Begriff"German Angst"bezeichnete den Hang der Deutschen zum Grübeln sowie ihre merkwürdige Zukunftsangst.
Heute redet man allenthalben von einer gesellschaftlichen Lähmung und der Unfähigkeit, Reformen durchzuführen. Blockiert uns die German Angst? Ist sie eine Art kollektive Krankheit?Aber Angst wovor?
Mutlosigkeit ist in Deutschland ein verbreitetes Phänomen geworden, das lange vor Hartz IV und den Folgen der Globalisierung sichtbar wurde. Ihr können unbewußte vagabundierende Ängste zugrunde liegen, die von unverarbeiteten Kriegserlebnisssen herrühren. Leid und Schuld wurden nicht ausreichend betrauert.
Das führte zu Irritationen, die bis in die heutige Jugendgeneration weitergegeben werden. Die unbewußten Existenzängste der Deutschen in Ost und West wurden lange durch eine kostspielige Staatsfürsorge - im Westen übrigens ebenso wie in der DDR - in Schach gehalten. Wie stark das politische Handeln der Eliten, aber auch vor allem ihr Unterlassen, ihre Furcht vor einschneidenden Reformen auf die Verluste als Kriegskinder zurückzuführen sind, ist uns nicht bewußt. Ihre Kriegserfahrungen haben die meisten kleingeredet. Wie sehr ihnen "das bißchen Krieg" in den Knochen steckte, haben sie erst im Alter gemerkt.
Die kollektiven Ängste aus der Vergangenheit sind eine Last für unsere Zukunft. Dennoch: Wir könnten eine Menge tun, um die German Angst zu überwinden.

Sabine Bode, Jahrgang 1947, begann als Redakteurin beim »Kölner Stadt-Anzeiger«. Seit 1978 arbeitet sie freiberuflich als Journalistin und Buchautorin und lebt in Köln. Sie ist eine renommierte Expertin auf dem Gebiet seelischer Kriegsfolgen. Ihre Sachbücher »Die vergessene Generation«, »Kriegsenkel«, »Nachkriegskinder« und »Kriegsspuren« sind Bestseller und wurden in mehrere Sprachen übersetzt.

Vorwort und Dank
ERSTES KAPITEL: Wie lang sind die Schatten?
Ein Nachkriegsspiel
Langweilige Stille der Nachkriegsjahre
Zerstörung macht Spaß
"Die Deutsche Krankheit".
Warum verkauft sich Angst so gut?
Es fehlt die Tiefenschärfe
Allgemeine Sprachlosigkeit
"Hitler war ja Westdeutscher".
Welche Denkmuster müssen wir auflösen?
Wer ist gut davongekommen?
Die Schlüsselrolle der Kriegskinder
Das Leid fruchtbar machen
Aus Ratlosigkeit wird Hoffnungslosigkeit
ZWEITES KAPITEL: "Nie wieder ..." und die Angst vor dem Nichts
Werden meine Kinder genug zu essen haben?
Endlich im Schlafanzug zu Bett gehen!
Kein Trauerverbot - aber eine Selbstzensur
Die Büchse der Pandora
"Endlich hat mal jemand davon angefangen ..."
Wenn nichts mehr so ist, wie es einmal war
Millionen Menschen litten unter Kriegsfolgen
Das gute Beispiel von Dresden
Unbewußte Prägungen
Tüchtig, unauffällig und "emotional gebremst"
Die Kohl-Ära führte in den Reformstau
Lachende Franzosen: die Deutschen als Angsthasen
Hans Koschnick und die Kriege
Statt Familiengeschichten nur dunkle Andeutungen
Große Aufregung über "Heuschrecken"
Ein pessimistischer Grundzug mit Tradition
DRITTES KAPITEL: Zwischen Rentenillusion und Panikmache
Eine schlecht gelaunte Sprache
Steinbrück und die etwas andere Sozialisation
Was war für die Bundesrepublik identitätsstiftend?
Ohne Psychologie nicht zu erklären
"Man kann ja doch nichts machen ..."
Eine Sanierung, die zu spät kommt, wird teuer
Norbert Blüm: "Eine Mentalitätskrise"
"Christian von der Post" kämpfte
Neid und Intrigen in der eigenen Partei
Es fehlte ein Machtwort
VIERTES KAPITEL: Kinder des Krieges in Zeiten des Friedens
Was die Gewalt lehrt
Moral statt Nüchternheit.
Zeitgeschehen, das Biographien prägt
Das Trauma einer Familie
"Im Graben des Überlebens"
Angst, die Kindern eingeredet wurde
Blümchen auf Panzer
Die skeptische Generation
Eine ausgeschlagene Erbschaft
Dieter Wellershoff und die Freiheit
Ein einfühlsamer älterer BruderDer Tod der Mutter
FÜNFTES KAPITEL: Die verletzten Idealisten
Kriegsängste und ideologischer Kampf
Kein Blut für Öl
Bloß keine Psychologie!
Die Katastrophen und die Kriegerin
Vorbild Albert Schweitzer
1968 - in eigener Sache
Verbotene Partys.
Die Kinder waren Schulversager
Unruhige Studenten
Schluß mit dem braunen Geist!
SECHSTES KAPITEL: Der Blick von außen
Die Angst vor Liebe und vor Frieden
Wenn endlich alles gut wird, kommt der Teufel
Der Wiedervereinigung folgte die Depression
Kornblum - ein kenntnisreicher Ausländer.
"Das Vergangene ist nicht tot ..."
Deutschlands Problem heute: von Freunden umgeben
Warten auf den Mißerfolg
Das Gift des Mißtrauens
SIEBTES KAPITEL: Der Blick nach innen
Darauf warten, daß etwas schief geht
Der verdächtige Kuchen vom Kindergeburtstag
Kleine Kinder merken nichts?
Grausame Märchen wurden umgeschrieben
Partnerersatz für die Mutter
Was Generationen erben können
Hoffnungssignal Währungsreform
Das Drama der Erziehung
Verständnis für elterliche Gewalt
ACHTES KAPITEL: Können Vaterlose führen?
Am Grab eines Fremden
Eine Schockreaktion auf Panzer
"Vati kommt nie mehr zurück"
Die Sehnsucht nach einem vergessenen Helden
Peter Härtling, der große Bruder
Blinde Flecken in der Psychotherapie.
Die Heimkehrer: deprimiert und kriegsversehrt
Von der Vaterlosigkeit zur Kinderlosigkeit
Der Faktor Zukunftsangst
Schwierige Ehen
Ein Buch über mutige Eltern.
Der Vater wanderte aus
NEUNTES KAPITEL: Der vergiftete Boden
Kinder als Zeugen von Gewalt
Mißtrauen gegenüber den eigenen Landsleuten
Reflexe des Unbehagens auf deutsche Symbole
"Sei bereit, dein Land zu verlassen"
Die jungen "Unverkrampften"
Die blinden Flecken der Mitscherlichs
Konfrontation mit einem grauen Land
Die jüdische Herkunft störte.
Keine echte Empathie für die Überlebenden
"Suchte die Revolution ein gutes Ende?"
Schuldgefühle - in eigener Sache
Das Ende der Verdrängun

"Die Deutsche Krankheit

Es gibt in unserem Land Auswirkungen von NS-Vergangenheit und Krieg, die würde niemand bestreiten: die deutsche Teilung und die daraus resultierenden Probleme der Wiedervereinigung, die Kriegsnarben vieler unserer Städte und daß noch immer irgendwo im Lande Bomben entschärft werden. Das Projekt Europa gehört dazu und die große Sehnsucht nach Frieden. Und daß sich angesichts einer Anhäufung von Schwarz-rot-gold und beim Hören des Deutschlandliedes Wohlgefühl nur selten einstellt, es sei denn, es handelt sich um sportliche Spitzenereignisse wie die Fußballweltmeisterschaft im eigenen Land.

Aber Angst? Oder German Angst, wie die Angelsachsen ein Phänomen nennen, das für sie in den achtziger Jahren erstmals erkennbar wurde? Oder gar"German Disease"-"Die Deutsche Krankheit", ein Begriff, auf den man sich inzwischen rund um den Globus geeinigt hat, um sich darüber zu verständigen, daß das über Jahrzehnte gültige Bild von den zupackenden, leistungsstarken Deutschen mit ihrem mustergültigen Sozialstaat revidiert werden muß. Die deutschen Urlauber, so heißt es in der internationalen Tourismusbranche, erkennt man an herunterhängenden Mundwinkeln. Ja gut, das ist für uns nichts Neues. Seit Jahren schon wird der Mangel an Optimismus in unserer Bevölkerung von Politikern und Medien kritisiert, und seit die große Koalition regiert, werden in Fernsehspots regelmäßig Appelle zur kollektiven Stimmungsaufhellung verbreitet. Die Regierung Angela Merkel schenkte den Deutschen eine Phase des Durchatmens: keine harten Einschnitte im ersten Jahr, keine neue Welle kollektiver Ängste ... Es beruhigte die Bevölkerung tatsächlich ein wenig und führte in Politik und Medien zu einem verblüffenden Klimaumschwung. Plötzlich ist die Stimmung besser als die Situation des Landes. Da staunt man schon, wurden doch gerade die Massenblätter und das Fernsehen - und sie wiederum mit kräftiger Unterstützung der Politiker - nicht müde, neue Bedrohungen auszugraben und die Zukunft als eine einzige Kette von katastrophenähnlichen Zuständen darzustellen. Was soll sie daran hindern, genau dies zu wiederholen, wenn die Preise steigen und die Arbeitslosenquote nicht nennenswert sinkt?

Mag sein, wir haben es bei"Bad news are good news"mit Selbstläufern zu tun, die alle westlichen Gesellschaften irritieren, aber leider unkontrollierbar wie das Wetter sind. Gegen Regen schützt ein Schirm. Was aber hilft, um die Überdosis von schlechten Nachrichten zu ertragen, wie sie uns tagtäglich das Fernsehen verabreicht? Wie ignoriert man die einladenden Schreckensnachrichten (Bild:"Als Kassenpatient bist du der letzte Arsch!"), womit der Opferjournalismus an jedem Kiosk, an jeder Haltestelle auflauert? Wie hätte man unbeeindruckt bleiben können, als auf einem Titelblatt Kinder mit furchtsam geweiteten Augen ihr angeblich von Hartz IV bedrohtes Sparschwein in die Kamera hielten? Wie hält man die permanenten Bedrohungsszenarien ("Die Erdachse kippt!") auf Abstand?

Warum verkauft sich Angst so gut?

Als während der Unruhen in Frankreich im Herbst 2005 jede Nacht 1000 Autos in Flammen aufgingen und bekannt wurde, daß die Brandstifter erste Nachahmer gefunden hatten, wußte der Kölner Express zu berichten, auch in Deutschland wachse die Angst. Es war eine Angst, die er gerade erst mit seinem Aufmacher produziert hatte:"Auch in Berlin brennen die Autos". - In der Tat. Drei Wagen waren angezündet worden, 997 weniger als in Frankreich. Aber die klang verheißungsvoll. Ein Anfang, so versprach sie, ist gemacht. (...)"

Sprache deutsch
Maße 134 x 210 mm
Gewicht 420 g
Einbandart gebunden
Themenwelt Sachbuch/Ratgeber Geschichte / Politik Zeitgeschichte ab 1945
Geisteswissenschaften Psychologie
Schlagworte Angst / Angstbewältigung • Deutschland; Politik/Zeitgeschichte • Kriegserlebnisse • Kriegskinder • Psychologie • Trauma • Zeitgeschichte • Zukunft
ISBN-10 3-608-94425-7 / 3608944257
ISBN-13 978-3-608-94425-9 / 9783608944259
Zustand Neuware
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