Typisch Oma, typisch Opa?! (eBook)
264 Seiten
Books on Demand (Verlag)
978-3-7597-4816-4 (ISBN)
Marianne und Reinhard Kopp sind seit mehr als 40 Jahren verheiratet, haben vier erwachsene Kinder, drei Schwiegerkinder und fünf Enkelkinder. In ihrem aktiven Ruhestand haben sie die GroßelternAkademie gegründet. Sie leben in der Nähe von Ulm. Beide sind ehrenamtlich aktiv im Vorstand des Kreisseniorenrates im Alb-Donau-Kreis und arbeiten redaktionell für den Landesseniorenrat in Baden-Württemberg.
AM ANFANG
räumen wir mit dem Mythos auf, dass früher alles besser war und erklären Ihnen, wer die Großelternrolle eigentlich erfunden hat.
Liebe Großeltern,
wenn Sie an Ihre Großeltern denken, was fällt Ihnen ein? Oder auf? Gehen wir zeitlich noch weiter zurück: Besitzen Sie eventuell noch vergilbte Fotos aus der Zeit Ihrer Urgroßeltern, einer Zeit, in der heiß diskutiert wurde, ob Frauen Fahrradfahren dürften? Dass auf solchen Fotos alle angestrengt dreinblicken, lassen wir außen vor. Das war der Fototechnik mit ihren langen Belichtungszeiten geschuldet. Uns fällt auf, dass es sich wirklich um alte Leute handelt, alt im Sinn von hilfsbedürftig, unselbstständig, vulnerabel. Gebrechliche alte Leute. Auch wenn sie auf solchen Fotos aufrecht stehen und mit Würde in die Kamera blicken, lebten die wenigsten von ihnen allein und selbstbestimmt. Viele waren von der nachfolgenden Generation finanziell und sozial abhängig. Nur wenige wurden älter als achtzig Jahre und davor waren sie meist so gebrechlich, dass die Tage mit zunehmendem Alter mühseliger wurden. Nur die wenigsten konnten Großelternschaft mit Enkeln leben oder ein Rentnerdasein genießen, das dem der heutigen Senioren auch nur annähernd vergleichbar wäre.
Die Großeltern unserer Großeltern und die Seniorengenerationen vor ihnen waren eher auf Hilfe angewiesen, als dass sie andern helfen konnten, z. B. im Haushalt oder bei der Erziehung der Enkel. Viele Großväter litten unter Kriegsverletzungen und Altersbeschwerden, unsere Großmütter waren gebeugt von der Last ihrer Jahre. Anstelle von Parfüm gebrauchten sie mit Mitte sechzig Einreibesalben. Ein farbenfrohes Kleid tragen? Das war doch unanständig, alte Leute hatten sich seinerzeit dunkel, mindestens in gedeckten Farben, zu kleiden. Zärtlichkeiten und Sexualität? Vielleicht eine neue Partnerschaft? So etwas schickte sich für Großeltern der vergangenen Jahrhunderte nicht.
Abgesehen vom Äußeren und der gesundheitlichen Lage, wie erinnern Sie Ihre Großeltern sonst? Nett, freundlich, gütig? Oder dominant, herrschsüchtig und zänkisch? Welches Bild haben Sie durch Ihre Großeltern von der älteren Generation mitbekommen? Haben Sie sich eigentlich mal gefragt, wie Sie Ihr Großelterndasein gestalten möchten, oder sind Sie in diese Rolle hineingewachsen, ohne weiter darüber nachzudenken? Gehören Sie zu jener Sorte Großeltern, die glauben, wenn Sie genügend Zeit für die Enkel reservieren, alles getan zu haben? Ist der Trend der »neuen Alten«, der Generation 50 plus, bisher an Ihnen vorüber gegangen?
Vieles, auch bei der Großelternrolle, übernehmen wir durch Nachahmung
Der Großvater hatte immer Sahnebonbons in der Tasche, wenn er Sie besuchte? Denken Sie, Sie sollten es ihm gleichtun? Während Sie seinerzeit gejubelt haben, wenn Opa kam und es Sahnebonbons gab, mault Ihr Enkel und protestiert lauthals, denn er will einen Müsliriegel, Marke Bio. Schon ist man als Opa oder Oma irritiert. Mochten Sie sich seinerzeit wie ein König gefreut haben, als die Großeltern zum Geburtstag ein Mensch-ärgere-dich-nicht als Geschenk brachten, tangiert das Ihren Enkel nur mäßig, denn gesspielt wird inzwischen stundenlang auf dem Handy mit virtuellen Teilnehmern und Sie sind außen vor. Lebensmuster, die jahrhundertelang verbindlich waren, sind in Auflösung. Die rasanten Entwicklungen unserer Zeit machen nicht halt vor unserer überlieferten Großelternrolle und dem traditionellen Familienleben. Statt über Büchern sitzen die meisten Schulkinder gebeugt über einem winzigen Bildschirm und bewgen ihre Daumen in rasender Geschwindigkeit übers Display.
Ein anderes, überkommenes Muster, ist die ständige Verfügbarkeit von Oma und Opa, als hätten die nichts Besseres zu tun, als stets in Rufbereitschaft zu sein. Sich nicht vereinnahmen zu lassen, aber dennoch aktiv am Leben der Kinder und Enkel teilzuhaben, wie soll das gehen? Wie können wir mit unseren Stärken den Kindern helfend zur Seite stehen? Sind wir die Zahlmeister der Familie? Dürfen Oma und Opa ein selbstbestimmtes Leben führen?
Fragen über Fragen, denen wir nachgegangen sind, weil wir selber eine schlüssige Antwort darauf zu finden hofften. Wir haben Erstaunliches entdeckt. Zum Beispiel, dass früher nicht alles besser war.
Früher war nicht alles besser
Um einen Einblick in das soziale Leben der Menschen von vor 400 Jahren zu erhalten, haben Forscher Lebensgeschichten, Leichenpredigten, Testamente, Heiratsurkunden, Klageschriften, Personenstandslisten und sogar Gemälde und Bilder analysiert und Erstaunliches herausgefunden. Statt Ehrfurcht vor dem Alter fanden sie eher Feindseligkeit. Wer nichts zum Lebensunterhalt beitragen konnte, war ein unnützer Esser. Alte, bettlägrige Menschen waren nutzlos. Ihnen blieb nach damaligem Verständnis nur, auf die Gnade Gottes zu hoffen, was für Spott sorgte. Ihnen gebührte nach dieser Lesart keine Ehrfurcht, sondern Verachtung.
Gemälde, auf denen alte Menschen und Kinder miteinander abgebildet sind, wurden lange Zeit als Darstellung eines innigen Verhältnisses der alten und jungen Generation fehlinterpretiert. Die neuere Forschung fand inzwischen heraus, dass hier der Kontrast zwischen der blühenden Jugend und dem vergänglichen, verabscheuungswürdigen Alter dargestellt werden sollte. Genieße die Jugend, so die Botschaft an die damaligen Zeitgenossen, denn allzu schnell kommt das Alter und damit die Vergänglichkeit.
Von Aegidius Albertinus, einem Schriftsteller, sind uns 13 Privilegien alter Leute aus dem Jahre 1610 überliefert. Die Vorrechte, die er alten Menschen zuzugestehen scheint, sind Vorrechte in Anführungszeichen. Albertinus schien alte Menschen zu verabscheuen. Nicht nur, dass er Alter mit Bedrückung und Last gleichsetzte, er verhöhnte die alten Menschen als nutzlos und rückwärtsgewandt, im Bett liegend und auf den Tod wartend. Er war mit seiner Ansicht nicht allein. Alter hatte nach damaliger Auffassung keine Zukunft und war sinnlos. Denn alte, gebrechliche Menschen steuerten nichts zum Familienunterhalt bei. Alte Menschen waren unnütz, lebten von Gnadenbrot. Heute würde solches Verhalten als Altersrassismus gebrandmarkt, auf das sich die Boulevardmedien mit Wonne stürzen würden.
Die damalige ältere Generation hatte ihren Fortpflanzungsauftrag erfüllt und wurde nicht mehr gebraucht. Das innige Band zwischen Großeltern und Enkeln, wie es sich Jahrhunderte später zwischen den Generationen knüpfte, war noch nicht mal am Beginn, das Wort Großeltern noch nicht im Gebrauch. Die Großmutter war die Ahnfrau, der Großvater der Ahnherr.
Im 16. und 17. Jahrhundert entstanden Bürgerspitäler oder Siechenhäuser, in denen alte Menschen lebten. Seine Bewohner warenvon den Enkelkindern und deren Entwicklung getrennt und vom sozialen Leben außerhalb abgekoppelt. Bei der Landbevölkerung lebten die Alten zwar auf dem Altenteil und damit bei der Familie auf dem Hof, jedoch ohne emotionale Beziehung zur jungen Generation. Was uns hier grausam erscheinen mag, war auch dem Verständnis geschuldet, dass Kindheit noch nicht als Entwicklungsphase galt. Schulbildung oder Spiel waren ausschließlich dem Nachwuchs der Wohlhabenden vorbehalten.
Nachkommenschaft hatte in diesen Zeiten einen rein sozialen Aspekt. Für die ärmere Bevölkerung waren Kinder billige Arbeitskräfte und bei den Wohlhabenden als Erben die Garanten, dass der Besitz nicht an Fremde fallen würde. Kinder waren die Altersversicherung vor dem Hungertod. Ein emotionales Verhältnis, wie es heute zwischen Kindern und Eltern besteht, kannte man zu dieser Zeit nicht.
Das Wort Enkel soll vom Wort Ahne kommen, gebildet in der Ansicht, dass Enkelsöhne eine Wiedergeburt des Großvaters seien, weshalb sie oft dessen Vornamen trugen. Verbunden war diese Namensgebung mit der Hoffnung, dass sich die Kraft und die guten Eigenschaften des Großvaters auf das Enkelchen übertragen sollten.
Machen wir einen Zeitsprung ins 18. Jahrhundert. Eine der ersten ausführlichen Beschreibungen großelterlichen Lebens finden wir bei keinem geringeren als dem Dichterfürsten Goethe. Goethe und sein Großvater hatten das, was wir heute eine Enkel-Großvaterbeziehung nennen. Goethes Großeltern lebten in einem eigenen Haus, der Großvater war sogar noch berufstätig, wie sein Enkel Johann Wolfgang berichtet. Aus des Enkels Feder fließt ein gewisses Erstaunen über die Lebensweise alter Leute: Das Mittagsschläfchen, die »altmodische« Gesinnung, die Wohnungseinrichtung. Diese Äußerungen könnten durchaus auch von der heutigen Enkelgeneration stammen. Goethe konnte sich beispielsweise nicht erinnern, dass seine Großeltern sich etwas Neues angeschafft hätten. Großmütter hatten zu Goethes Zeit übrigens keinen eigenen Stellenwert, weshalb sie auch kaum erwähnt wurden.
Zwei Kunstfiguren entstehen
Von den Gebrüdern Grimm wird berichtet, dass sie ihrem Großvater regelmäßig...
Erscheint lt. Verlag | 7.10.2024 |
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Reihe/Serie | Edition GroßelternAkademie |
Sprache | deutsch |
Themenwelt | Sachbuch/Ratgeber ► Beruf / Finanzen / Recht / Wirtschaft ► Geld / Bank / Börse |
Sachbuch/Ratgeber ► Gesundheit / Leben / Psychologie ► Lebenshilfe / Lebensführung | |
Schlagworte | Digitalisierung • Enkelkinder • Generationen • Großeltern • Klimawandel |
ISBN-10 | 3-7597-4816-3 / 3759748163 |
ISBN-13 | 978-3-7597-4816-4 / 9783759748164 |
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