Auf der Suche nach Novak (eBook)

Das Phänomen Djokovic - Die große Biografie zum erfolgreichsten Tennisspieler der Welt
eBook Download: EPUB
2024 | 1. Auflage
288 Seiten
Edel Sports - ein Verlag der Edel Verlagsgruppe
978-3-98588-107-9 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Auf der Suche nach Novak -  Mark Hodgkinson
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5. August 2024. Paris, Roland Garros. Im Finale gegen Carlos Alcaraz gewinnt Novak Djokovic jenen Titel, der ihm in seiner Sammlung noch gefehlt hat: Olympisches Gold. Nach seinem Matchball weint der oft so unterkühlt wirkende Serbe hemmungslos. Novak Djokovic ist ein Phänomen. Niemand, weder Federer noch Nadal, keine Steffi Graf und keine Serena Williams, ist erfolgreicher als der serbische Superstar, der bei den US Open 2023 seinen 24. Grand-Slam-Einzeltitel gewann. Doch wer ist der Mensch hinter dem Sportler, der nicht nur mit spektakulären Siegen Schlagzeilen macht, sondern abseits des Platzes für so manche Kontroverse sorgt? Tennis-Autor Mark Hodgkinson zeichnet in seiner umfassenden Biografie, für die er mit Wegbegleitern, Mentoren, Trainern und Rivalen gesprochen hat, das Bild einer ebenso faszinierenden wie komplexen Persönlichkeit, die sich durch ihr Streben nach Perfektion und unkonventionelle Überzeugungen auszeichnet.

Mark Hodgkinson ist Sportjournalist mit dem Schwerpunkt Tennis. Er schreibt regelmäßig für ATP und WTA, das Portal ESPN, GQ, Daily Telegraph und Wimbledon.com. Als Autor veröffentlichte er Biografien über Andy Murray und Ivan Lendl.

Mark Hodgkinson ist Sportjournalist mit dem Schwerpunkt Tennis. Er schreibt regelmäßig für ATP und WTA, das Portal ESPN, GQ, Daily Telegraph und Wimbledon.com. Als Autor veröffentlichte er Biografien über Andy Murray und Ivan Lendl.

DAS GOLDKIND


Tief in Novak Djokovics Luftschutzkeller hinabzusteigen – jenen Ort, an dem er während der Nato-Bombardierungen im Jahr 1999 viele Nächte verbrachte –, fühlt sich an, als würde man in jugoslawischen Beton hinabsteigen. Niedrige Decken, feuchte, fleckige Wände, die erdrückend wirken – selbst die Luft, die hier unten Mangelware ist, riecht schwach nach Beton. Man hat schon oft von der Belgrader Betonlandschaft gehört oder von zubetonierten Stadtteilen. Aber nichts bereitet einen auf das Grau und die Strenge dieses Bunkers vor, der sich ein paar Kilometer südlich des Stadtzentrums unter einem brutalistischen Wohnblock im Banjica-Viertel befindet.

Es ist aber nicht nur der kalte, raue, unversöhnliche Beton, der mehr als irritierend wirkt. Man stellt sich vor, wie sich Djokovic und all die anderen Menschen in diesem Bunker gefühlt haben mögen, und hat das Gefühl, dass es immer noch ein Ort der Angst, Verwirrung und aufsteigenden Wut ist, als ob der Beton um einen herum diese Emotionen aufgesaugt hätte und sie nun daraus abstrahlten.

Für Djokovic, der elf Jahre alt war, als die Nato-Flugzeuge begannen, Serbien zu bombardieren, ist das der Ort, an dem er Angst und Schrecken empfand, wo er „emotional verstört“ war, weil er nicht wusste, was ihn, seine beiden jüngeren Brüder Marko und Djordje und seine Eltern Srdjan und Dijana erwartete. Dies war der sicherste Ort in der Umgebung, ursprünglich errichtet als Atombunker. Um in das Herz des Bunkers zu gelangen, muss man eine Stahltür in der Farbe von frischem, sauerstoffreichem Blut passieren, eine Betontreppe hinabsteigen und zwei Stahltüren öffnen, deren dickere etwa dreißig Zentimeter stark ist – eine Tür, wie man sie sich in einem Banktresor oder U-Boot vorstellt. Die Menschen verschlossen die Türen hinter sich und riegelten sich hermetisch ab, indem sie an den riesigen Rädern drehten, um sich vor Explosionen und Feuer zu schützen.

Aber selbst hier drinnen, in diesen angeblich bomben- und feuersicheren Räumen, wussten sie, dass sie nirgendwo absolut sicher waren, dass selbst ein Atombunker nicht vor einem direkten Treffer schützte. In der fast vollkommenen Dunkelheit starrte Djokovic in das Gesicht seiner Mutter, um zu verstehen, was er fühlen sollte – wenn sie ängstlich aussah, und das tat sie meist, wusste er, dass auch er Angst haben musste.

Versteckt und verewigt in Beton, sieht der Keller noch fast genauso aus wie in den 1990er-Jahren, es ist eine Zeitkapsel, die einen in die Zeit zurückversetzt, in der Djokovic ein verängstigtes, verwirrtes Kind war inmitten vieler anderer verängstigter, desorientierter Kinder und auch Erwachsener. In eine Zeit, in der er auf Tiefflieger horchte, die Löcher in den Belgrader Nachthimmel zu reißen schienen, und dann den verheerenden, endlosen Donner der Bomben und Raketen erleben musste (der zwar durch den Beton gedämpft wurde, was jedoch die Angst der Schutzsuchenden in diesen langen, schrecklichen Nächten nicht minderte).

Wenn man den Bunker betritt, hat man das Gefühl, Djokovic näher zu sein, ihn besser zu verstehen. Der Bunker besteht aus einer Abfolge von kleinen Räumen und düsteren Ecken, und während man herumläuft und sich durch die Spinnweben kämpft, wird einem klar, dass das kein Ort ist, den Djokovics ehemalige Nachbarn oder die neuen Bewohner allzu oft aufsuchen dürften. Er ist selbst nur ein paarmal zurückkehrt, um sich genau daran zu erinnern, wie der Bunker aussieht; was er aber nie vergessen wird, ist die Intensität seiner Emotionen und wie es sich anfühlte, dort unten zu sein.

Alte Sessel und ein paar Korbstühle stehen verstreut herum; wahrscheinlich schon seit 1999. Der Müll auf den Tischen und am Boden dürfte ebenfalls ein Vierteljahrhundert alt sein. Nackte Glühbirnen baumeln von den Decken und verbreiten ein diffuses, chemisch-gelbes Licht, das kaum die Dunkelheit zu durchdringen vermag. Ein Nachbar, der den Keller aufgeschlossen hat, sagt, der einzige Unterschied zwischen damals und heute ist, dass 1999 Matratzen auf dem Boden lagen. Dort fror Djokovic unter einer Decke, als Belgrad eine grausame Premiere erlebte und als erste europäische Hauptstadt von der Nato bombardiert wurde, um den Rückzug des serbischen Militärs aus dem Kosovo zu erzwingen.

Djokovic war, um es in seinen ernüchternden Worten zu sagen, „von Tod umgeben“. Außerhalb des Bunkers, so erinnert er sich, „glühte Belgrad wie eine reife Mandarine“. Die Stadt war entweder verdunkelt oder von Nato-Kampfjets erleuchtet, dazwischen gab es nichts. In 78 aufeinanderfolgenden Nächten kamen die Flugzeuge und warfen ihre Bomben ab. Sobald die Sirenen ertönten, drängte die Familie in den Bunker im Keller des Wohnhauses seines Großvaters Vladimir. Zu Beginn der Bombardierung wohnten Djokovic, seine Brüder und seine Eltern etwa 200 Meter entfernt in einem Gebäude ohne Schutzraum und mussten sich ihren Weg durch die Dunkelheit, das Chaos und den Lärm bahnen.

Laut Novaks Vater, Srdjan Djokovic, löste eine solche Situation im Frühjahr 1999 bei seinem Sohn ein lebenslanges Trauma aus. Am erschütterndsten für Djokovic war eine Nacht in der ersten Woche der Bombardierung, als gegen drei Uhr morgens die Geräusche von Explosionen und berstendem Glas die Familie aus dem Schlaf rissen. Seine Mutter sprang auf, schlug mit dem Kopf gegen einen Heizkörper und wurde ohnmächtig. Eine gefühlte Ewigkeit, vielleicht aber auch nur ein paar Sekunden, lag sie bewusstlos auf dem Boden. Alle drei Kinder weinten. Als Dijana wieder zu sich kam, brachen sie zum Luftschutzbunker auf, konnten jedoch kaum etwas sehen – die Beleuchtung war ausgefallen, und die Straßen waren voller Rauch. Der Lärm der Flieger und der Detonationen war so enorm, dass sie einander nicht hören konnten, selbst wenn sie sich in die Ohren schrien.

Überwältigt und voller Panik stürzte Djokovic zu Boden, und als er mit aufgeschürften Händen und Knien dalag, blickte er auf und sah ein stählernes graues Dreieck „über den Himmel rasen“; einen F-117-Tarnkappenbomber, wie ihm später bewusst wurde. Dieses Bild ist ihm für immer im Gedächtnis geblieben: ein todbringendes Dreieck, das aus dem Nichts kommt und Bomben auf ein wenige Blocks entferntes Krankenhaus abwirft. Der horizontal gelagerte Bau hatte sich in ein „riesiges, mit Feuer gefülltes Sandwich“ verwandelt. Djokovic dachte, er würde sterben. Einen Moment später war der Bomber verschwunden, und die Familie lief weiter zum Bunker. Sosehr sich Djokovic heute bei einem gewonnenen Punkt nach dem Jubel der Menge sehnt, so sehr fürchtet er sich immer noch vor plötzlichen, lauten Geräuschen. Wenn ein Feueralarm losgeht, kann es passieren, dass er vor Schreck aufspringt.

Um näher am Bunker zu sein, zog die fünfköpfige Familie in die Zweizimmerwohnung im ersten Stock des großväterlichen Hauses, die sowohl über eine normale Eingangstür als auch über eine schützende Gittertür verfügte. Außerhalb des Bunkers wurden die Straßen von Explosionen erschüttert; drinnen zitterten die Kinder vor Angst.

Zumindest in den ersten Nächten. Danach verschob sich etwas. Die Familien im Bunker fanden sich allmählich mit ihrer neuen Realität ab, und da sie nun einmal hier unten sein würden, konnten sie genauso gut versuchen, sich abzulenken. Dicht gedrängt – Djokovic schätzt, dass sich etwa 50 Wohnungen in dem Gebäude befanden, sodass jeder Zentimeter Betonboden besetzt war – spielten die Bewohner Karten, sangen oder spielten Monopoly, Risiko und andere Brettspiele. Eine Normalität, die nur vorgetäuscht war, und doch wurden an diesem äußerst unbehaglichen Ort starke, lebenslange Bindungen geknüpft: In dieser Zeit lernte Djokovic einen gleichaltrigen Jungen kennen, Neven Markovic, der ebenfalls im ersten Stock des Gebäudes wohnte. Markovic, inzwischen ehemaliger Profifußballer, Trauzeuge von Djokovic und Jelena Ristic, ist bis heute einer der engsten Freunde des Tennisspielers.

Schon nach ein paar Minuten im Keller sehnt man sich nach Luft und Tageslicht. Allein die Vorstellung, Nacht für Nacht in diesen Bunker zurückkehren zu müssen, ist grauenhaft. Draußen setzen Wandgemälde mit Darstellungen von Djokovic ein paar Highlights in dem grauen Viertel. Hinter dem ehemaligen Zuhause der Familie befindet sich ein Bild von ihm und seinem Großvater auf der einen Seite, auf der anderen eines von seiner ersten Trainerin, Jelena Gencic. Wenn man den betonierten Bolzplatz passiert, auf dem Djokovic als Kind Tennisbälle schlug, stößt man auf ein weiteres Gemälde, darauf steht in serbischer Sprache: „Auf Gott vertrauen wir.“ Ein Nachbar weist auf einen Fehler in dem Bild hin, da es Djokovic beim Schlagen einer Linkshänder-Rückhand zeigt, aber das schmälert kaum die Kraft des Gemäldes und seiner Aussage für die Menschen in Banjica: Einer der Ihren hat es auf die Weltbühne geschafft.

Einige Jugendliche, die sich in der Nähe von Djokovics einstigem Wohnblock die Zeit vertreiben, sprechen in höchsten Tönen von ihm – ihre Großmütter informieren sie immer, wenn seine Matches im Fernsehen laufen, damit sie es sich auch ansehen –, aber weniger wegen seiner sportlichen Leistungen als wegen seiner Großzügigkeit. Sie erzählen davon, wie viel Geld er der Schule vor Ort gespendet hat, um das Nötige zu kaufen, und wie er, wenn er in der Stadt war, die Zeit gefunden hat, den Siegern eines Fußballturniers, das auf den Betonplätzen ausgetragen wurde, ihre Trophäen zu überreichen. Trotz der Schrecken, die Djokovic in Banjica erleben musste, sind auch schöne Erinnerungen geblieben, zum Beispiel, wie er mit seinen Freunden im Freien Fußball spielte (obwohl er sich so oft die Knie auf dem Betonplatz...

Erscheint lt. Verlag 5.10.2024
Verlagsort Hamburg
Sprache deutsch
Themenwelt Sachbuch/Ratgeber Sport Ballsport
Schlagworte Australian Open • Biographie • Champion • Erfolgs-story • Geschenkbuch-Männer • Grand slam • Nowak Diokovic • Olympia-Sieger • Sport-Biografie • Sport-Buch • Sport-Geschichte • Tennis-Buch • Tennis-Fan-Geschenk • Tennis-legende • Tennis-profi • Tennis-spieler • Welt-rekorde • Wimbledon
ISBN-10 3-98588-107-3 / 3985881073
ISBN-13 978-3-98588-107-9 / 9783985881079
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