Die Sprache der Seele (eBook)
360 Seiten
Schattauer (Verlag)
978-3-608-12335-7 (ISBN)
Ingo Schymanski, Dr. med., studierte Medizin in Marburg und Freiburg. Anschließend Facharztweiterbildung in internistischen und chirurgischen Krankenhausabteilungen in Berlin. Als Facharzt fu?r Allgemeinmedizin mit den Tätigkeitsschwerpunkten Suchtmedizin, Psychosomatik und Psychotherapie in Ulm und seit 2017 in Zürich niedergelassen.
Ingo Schymanski, Dr. med., studierte Medizin in Marburg und Freiburg. Anschließend Facharztweiterbildung in internistischen und chirurgischen Krankenhausabteilungen in Berlin. Als Facharzt für Allgemeinmedizin mit den Tätigkeitsschwerpunkten Suchtmedizin, Psychosomatik und Psychotherapie in Ulm und seit 2017 in Zürich niedergelassen.
2 Wege zur Gesundung
Es ist irrelevant, auf welche Weise und aus welcher Motivation heraus wir beginnen, unser Verhalten zu ändern. Sei es aus intellektueller Einsicht, sei es aus Sorge vor möglichen Schäden, sei es aus Verzweiflung, weil das Leben vor Schmerz und Verstrickungen kaum mehr erträglich ist, oder aus dem Ansporn heraus, aus uns und unseren Talenten das Beste zu machen – viele Motivationen sind vorstellbar. Die Hauptsache ist, dass wir damit anfangen.
Auch die längste Reise beginnt mit dem ersten Schritt.
Chinesisches Sprichwort
Es ist nicht entscheidend, ob wir einen Weg wählen, auf dem wir bewusst Begebenheiten aus unserer Kindheit und Jugend bearbeiten, um uns neue Horizonte zu erschließen, mit Körperarbeit oder rein sinnlichen Erfahrungen – bedeutsam ist, dass wir nach der Entscheidung für ein intensiveres, wahreres, wirklicheres Leben überhaupt eine Veränderung einleiten: Weg von schädlichem Verhalten hin zu dem, was uns guttut, uns mit uns selbst in Übereinstimmung bringt, uns Kraft schenkt und uns löst von allem, was uns unserer positiven Energien beraubt, hin zu jenem Ziel, das uns als Perspektive wahr und erstrebenswert erscheint.
Es geht darum, altes Verhalten loszulassen, um Raum zu schaffen für neues, weniger schädliches, weniger aufreibendes. Es ist dabei nicht notwendig, sofort alle fragwürdigen Muster abzulegen und zu überwinden – wichtig ist der erste Schritt.
Man sollte in einem relativ unbedeutenden Bereich beginnen, schädliches Verhalten durch ein sinnvolles zu ersetzen: Der Verzicht auf schnellen Lustgewinn mit schlechtem Nachgeschmack wird zunehmend von nachhaltigem Erfolgserleben belohnt. Hieraus entwickelt sich eine Eigendynamik. Die Erfahrung, dass mit ein wenig Ruhe und Geduld ein neues Verhalten lebbar ist und zu befriedigenden Resultaten führt, bewirkt oft Wunder: Energien, die zuvor in schädliches Verhalten flossen, können plötzlich sinnvoll und nachhaltig gewinnbringend eingesetzt werden.
Wenn ein Mensch seine alten Verhaltensmuster aufgibt und lernt, dass auch er ganz andere Möglichkeiten besitzt als an körperlichen Beschwerden, sozialen Konflikten oder Depressionen zu verzweifeln, entsteht eine Eigendynamik, die den Betroffenen mit Hochgeschwindigkeit Entwicklungen nachholen lässt, die er sich über Jahre und Jahrzehnte nicht zugetraut hatte. Am besten passt zu dieser Situation der Ausdruck: »Gesundheit bricht aus!« Sobald es dem Betroffenen gelungen ist, seine überkommenen Muster durch neue, ihm angemessene zu ersetzen, infiziert ein neues, gesundes Verhalten einen Lebensbereich nach dem anderen.
Es ist einer der schönsten Momente der Medizin und insbesondere der Psychotherapie, wenn ein Mensch beginnt, ineffektives, selbstschädigendes Verhalten zu verlassen, um es durch kreatives, seinen wahren Möglichkeiten entsprechendes Verhalten zu ersetzen. Hat ein Patient das Selbstvertrauen gewonnen, wirkliche Veränderungen zu wagen, ist es oft atemberaubend, wie er sich einen Lebensbereich nach dem anderen vornimmt und auf seine neu entdeckten, wirklichen Verhältnisse abstimmt. Am Ende steht er vor einem ganz anderen Leben, einem, das wirklich seins ist, eines, das er wirklich selbst gestaltet hat, in dem er keinen scheinbaren Bedürfnissen mehr hinterherhechelt, sondern wirklich achtsam mit sich, seinen Ressourcen, den Menschen in seiner Umgebung und seiner Umwelt umgeht. Einem Leben, in dem er jeden Tag seiner persönlichen Idealvorstellung Stück für Stück näher rückt.
Es ist ein gutes Stück Arbeit, diesen Zustand der Ausgeglichenheit und Achtsamkeit zu erreichen. Allerdings gibt es auch keine sinnvolle Alternative zu diesem Ziel. Nicht Geld macht glücklich, nicht Macht, kein Konsum, auch keine »auf Verschleiß« angelegte Beziehung, ebenso wenig die endlose Suche nach dem »richtigen« Antidepressivum, der »richtigen« Droge oder der alle Probleme beseitigenden Kur. In Übereinstimmung mit den eigenen Werten und Idealen zu leben, seinen Gefühlen Raum zu geben, sein wahres Ich zu entdecken und zu leben: Das ist die Antwort auf immer wiederkehrende psycho-somato-sozialen Probleme. Und diese Antwort bestimmt niemand anderes außer jeder Einzelne für sich selbst.
Träume verhelfen zu neuen Perspektiven
Wunschträume als Wegweiser für Werte und Ideale
Viele Menschen wissen allerdings gar nicht, ob sie Ideale haben. Viele von uns waren ihr ganzes Leben lang damit beschäftigt, den Anforderungen der Eltern, der Schule, der Chefs, der Partner, der Freunde und Bekannten zu entsprechen. Sie mussten sich nie wirklich fragen, was sie eigentlich selber vom Leben erwarten. So blieben ihnen ihre ureigenen Bedürfnisse und Sehnsüchte lebenslang verborgen.
Eine gute Übung ist in diesem Fall, sich vorzustellen, wie das eigene Leben idealerweise aussehen sollte – ohne Rücksicht auf die realen finanziellen Möglichkeiten, die familiären und sozialen Bindungen. Auch wenn Sie bereits eigene Ziele im Leben verfolgen, möchte ich Sie an dieser Stelle zu einem Gedankenexperiment einladen:
Nehmen Sie sich bitte eine halbe Stunde Zeit und träumen Sie Ihren Traum, losgelöst von allen rationalen Notwendigkeiten, allen materiellen Beschränkungen. Träumen Sie und beantworten Sie sich jede einzelne der auf der nächsten Seite folgenden Fragen. Schwelgen Sie in dem Gefühl, das mit jeder Frage in Ihnen aufsteigt, und genießen Sie jede Ihrer Antworten, Fantasie um Fantasie. Je radikaler und verrückter Sie sich Ihr ideales Leben ausmalen, desto mehr werden Sie vom Ergebnis des Experiments profitieren.
Wie sähe mein Leben im Idealfall aus? |
Wie würde mein Tag beginnen? |
Wie würde ich wohnen? |
Wo würde ich wohnen? |
Was würde ich frühstücken? Zu Mittag essen? Zu Abend? |
Würde ich arbeiten? Was würde ich arbeiten? |
Was täte ich, wenn ich keiner Arbeit nachgehen müsste? |
Welche Freunde hätte ich? |
Lebte ich in einer Partnerschaft? Wie wäre mein Partner? Was würde er tun? |
Hätte ich ein Auto? Welches Auto? Wozu würde ich es benutzen? |
Hätte ich Familie? Kinder? Eltern im Haus? Ein Haustier? Welches? |
Hätte ich ein Hobby? Welches? |
Wäre ich kreativ? Was würde ich gestalten? |
Was würde ich besonders genießen? |
Wie würde ich aussehen? Wie würde ich mich kleiden? |
Würde ich ein spirituelles Leben führen? |
Was wäre mein Ziel im Leben? Mein Lebenssinn? |
Tab. 2-1: Wunschträume als Wegweiser.
Auch wenn sich durch keine dieser Fragen eine direkte Antwort ablesen lässt, welche Dinge für einen selbst im Leben wirklich wichtig sind oder ob und welche Ideale dahinterstehen mögen, so entsteht doch bei einer längeren Beschäftigung mit der Frage »Wie sähe mein Leben im Idealfall aus?« ein Gefühl für die eigenen Werte, eine Sensibilität für die Dinge, die uns im Herzen berühren.
Viele Menschen haben im Laufe ihres oft rauen Lebens das Gefühl für ihre Herzensneigungen regelrecht verlernt. Scheinbare Notwendigkeiten, eine Lebensorientierung an hohlen, oft über Werbung vermittelten Scheinwerten lassen sie das Gespür für die wirklich wichtigen Dinge im Leben verlieren.
Für jeden Menschen ist es wichtig, sich ureigene Träume zu gestatten. Und das ist das Ergebnis unseres Experiments: Wunschträume geben uns ein Gefühl für die Richtung, in die sich unser Leben entwickeln soll. Sie geben unserem inneren Kompass das Magnetfeld, unserem Streben Halt und unserem Leben Sinn.
Träume nicht dein Leben – lebe deine Träume!
Autor unbekannt
Um Träume zu leben, muss man Träume haben. Schon an diesem Punkt scheitern viele Menschen mit psycho-somato-sozialen Beschwerden. In unserer modernen Welt fehlt vielen der Raum zum Träumen. Jede Wunscherfüllung muss schnell geschehen. Genuss und wirkliches Erleben bleiben dabei leicht auf der Strecke. Es fehlt die Muße, Gefühle aufsteigen zu lassen. Eigene, ursprüngliche Werte bleiben unentdeckt. Wir leben im Vergleich mit anderen und verlieren das Gefühl für unsere individuellen Bedürfnisse. Die uns beherrschende Leere überdecken wir mit Aktionismus, Konsum und Medikamenten. Wir schwelgen in der Illusion oberflächlicher Ablenkungen wie in einem Drogenrausch, der uns daran hindert, unser Leben wirklich zu leben, ehrlich und intensiv, wahr und wirklich.
Weniger ist häufig mehr. Wer seine naiven Sehnsüchte kennt, wird falsche und oberflächliche Werte als Orientierung loslassen. Der Schlüssel zu mehr Befriedigung und Tiefe heißt nicht »immer mehr« (vom Falschen!), sondern Verzicht, Entschleunigung und Konzentration auf das, was uns der Erfüllung unserer wirklichen, ursprünglichen Sehnsüchte näherbringt.
Zu dieser Einsicht (und der Fähigkeit, sie auch zu leben!) gelangt der Mensch, wenn er seine inneren Spannungen verstanden, abgebaut und ihre Ursachen als Teil seiner Persönlichkeit begriffen hat.
Süchte und Abhängigkeiten sind Veränderungswünsche. Nur werden diese Veränderungen nicht in der Realität gelebt. Im Gegenteil: Der eigentliche...
Erscheint lt. Verlag | 17.8.2024 |
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Verlagsort | Stuttgart |
Sprache | deutsch |
Themenwelt | Sachbuch/Ratgeber ► Gesundheit / Leben / Psychologie ► Lebenshilfe / Lebensführung |
Schlagworte | Angst • biopsychosoziale Erklärung von Krankheit • funktionelle Beschwerden • Grundlagen psychischer Gesundheit • Psyche und Körper • Psychische Gesundheit • Psychosomatik • Psychosomatische Krankheiten • Schmerzen als Signale • Somatoforme Störungen • Soziale Probleme • Stress |
ISBN-10 | 3-608-12335-0 / 3608123350 |
ISBN-13 | 978-3-608-12335-7 / 9783608123357 |
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