The man who can´t be moved -  Marc Mucha

The man who can´t be moved (eBook)

(Autor)

eBook Download: EPUB
2024 | 1. Auflage
410 Seiten
Books on Demand (Verlag)
978-3-7597-2735-0 (ISBN)
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Wie tief sitzt der Verlust eines geliebten Menschen? Wie sehr wird ein Kind von seinem Umfeld beeinflusst? Vor allem aber, mit welcher Kraft übersteht man Schicksalsschläge? Und was zum Teufel hat es mit den Kugeln auf sich? Marc ist ein kreativer Kopf, der auf beeindruckende und einzigartige Art eine Reise schildert, die einer Therapie gleicht. Mit einer Kombination aus Charme, Humor und tiefgründigen Gedanken arbeitet er Verlorenes auf, überwindet Hürden und vereint bildhaft seine Vergangenheit mit der Gegenwart. Seine schwere und berührende Geschichte erzählt er, ohne euch selbst mit ins Dunkel zu ziehen. Dieser autobiografische Reiseroman bricht dabei mit dem typischen Genre: Er erweitert das Wort des Reisens und nimmt euch mit in eine authentische Wahrheit. Durch persönliche Worte inspiriert er uns, unsere eigene Vergangenheit zu beleuchten, traumatische Erfahrungen zu heilen und unseren ganz eigenen Weg zu innerem Frieden und Selbstverwirklichung zu finden. Begleitet ihn auf dieser bewegenden Reise und entdeckt, wie schön es sein kann, die eigene Geschichte neu zu schreiben. Fühlt euch in den Hintern getreten und animiert, euch ein Lächeln aufzusetzen, euer Herz geradezurücken und loszuziehen.

Marc lebt seine Kreativität sehr unkonventionell aus. Seien es DIY-Projekte, das Schreiben von Songs oder sich auf seinen Reisen stets herauszufordern. Dabei vereint er eine sehr verletzte und tiefgründige Seite mit einer Seite voller Humor und Glück. Die Erfahrungen als thailändischer Mönch, die unglaublichen Menschen und Kulturen und die atemberaubenden Orte formen und wandeln ihn. Die Persönlichkeitsentwicklung, die damit einhergeht, analysiert er in seinen Büchern. Dabei spricht er über Verluste, Macken und seine Überwindung, aus dieser Blase auszubrechen. Lasst euch mitnehmen in eine Gedankenwelt, die mit beeindruckender Bildsprache ausgedrückt wird und euch animiert, loszuziehen.

ED SHEERAN – SUPERMARKET FLOWERS


Angefangen hat alles, als ich am 12.08.01 im Alter von elf Jahren, am Abend ihres einundvierzigsten Geburtstages, auf dem klebenden schwarzen Ledersofa saß. Sie war, wie nicht ungewöhnlich, die größte Bezugsperson für mich, ich war also durch und durch ein Mama-Kind. Sie war immer da, half mir bei den Hausaufgaben, kochte mein Lieblingsessen, wann immer mir danach war, und erzog mich im Alleingang.

Es war die klassische Rollenverteilung, wie sie am Ende der neunziger Jahre noch häufiger vertreten war. Mein Vater, der zu dem Zeitpunkt eine Firma leitete und dadurch unter immensem Stress stand, arbeitete, während Mama uns erzog. Er war in meiner Erinnerung da, wann immer es möglich war, war aber niemals so präsent wie meine Mutter. Deshalb war ihr Einfluss auf mich prägend und die Grundlage meiner heutigen Einstellung. Sie war gelernte Friseurin, arbeitete aber in der Zeit, als ich die Schule besuchte, als Aushilfe bei diversen Supermärkten. Sie war eine Frohnatur und immer hilfsbereit, wenn ich Sorgen hatte. Freunden und Nachbarskindern schnitt sie die Haare, wann immer sie konnte. Sie liebte es zu tanzen und das Leben zu genießen, hatte ein Faible für Modern Talking und liebte die Farbe Blau.

An dem besagten Abend stießen wir mit einem Schluck Sekt an, also sie und ihre Schwester, ich wollte zwar immer nippen, aber durfte nie. Mama trank nie viel, sie musste zu früh lernen, was Alkohol aus Leuten macht, wie sie die Kontrolle verlieren und es nicht schaffen, sich aus diesem Sog zu befreien. Sie verlor so im jungen Alter ihren Vater. Umso erstaunlicher fand ich es, wie sie ihr Leben gemeistert hat, wie sie ihre Jugendliebe heiratete und zwei Kinder großzog, weshalb sie bis heute für mich ein Alltagsheld bleibt, ein Vorbild.

So blieb es auch an diesem Abend bei zwei Gläsern, wobei sie das zweite nicht einmal austrank. Als meine Tante sich gegen halb neun abends verabschiedete, sanken wir auf die Couch. Wir schauten den Film „Air Bud“, der zufällig auf Super RTL lief. Er handelt von einem Basketball-spielenden Hund, der sich irgendwann vom Protagonisten verabschieden musste. Ich erinnere mich grob an diese Szene, wie sie den Hund aussetzten und davonfuhren. Mir kullerten die Tränen, die ich sofort versuchte zu verbergen.

Mama schaute mich gelassen an und sagte: „Marc, es ist vollkommen okay, wenn du Tränen weinst, solange du sie vor jemandem weinst, der diese versteht, nicht über dich urteilt und für dich da ist.“ Eine weitere Weisheit, die ich verinnerlicht habe, bevor wir schlafen gingen. Ich war so vernarrt in Mama, dass ich fast jeden Abend bei ihr mit im Bett schlief, während sich Papa oben in mein Bett legte.

Das letzte, was ich vernahm, bevor sich meine Augen schlossen, war der kleine Spalt Licht aus der Tür im Gästebadezimmer. Mama bekam irgendetwas nicht, doch sie sagte, ich solle mir keinen Kopf machen, morgen sei immerhin Schule und ich bräuchte den Schlaf, sie käme schon zurecht.

Meine Augen schossen auf, blickten auf die signalrote Anzeige meines elektronischen Weckers, 6:40 Uhr, ein paar Minuten, bevor der Wecker mich aus meinen Träumen reißen sollte. Nein, bevor er mir signalisieren sollte, dass mein altes Leben nun schlagartig vorbei war.

Die Tür schlug auf, Papa stürmte hektisch ins Zimmer, leise „Nein, Nein“ wimmernd. Er war aufgelöst, weinte. Mama lag in seinem Arm, sie war kreidebleich, blass, leblos. Ihr Arm sprang auf und ab als habe sie keine Kontrolle über ihn. Sie sah kalt aus, bewegte sich nicht. Friedlich und puppenähnlich zugleich löste dieses Bild bei mir Gänsehaut aus. Er legte sie neben mir aufs Bett, ich war in Schockstarre, wusste nicht, was und wie mir geschah, ich schaute sie einfach an, weinte. Sie sah nicht aus wie am Abend zuvor, sah nicht aus wie jemals zuvor, sie wirkte fremd. Ich begriff aber bis dato nicht, was dies bedeutete.

Papa blickte mich an, mit einem dieser Blicke, die sich direkt in den Schädel bohren. Ich war immer noch starr, er schrie förmlich, ich solle mich anziehen und meinen Bruder holen. Dieser machte ein paar Straßen weiter eine Bäckerlehre. Wie im Film zog ich mich an, T-Shirt aus dem Bulgarien-Urlaub, welches mir Nummern zu groß war, Socken wie sie gerade herumlagen, Jogginghose falsch herum, irgendwie so, dass alles zusammenhielt. Die Schuhe an und ich rannte los, so schnell ich konnte, heulend, die Straße hoch zur Hauptstraße, über die Ampel. Die elektronische Eingangstür schwang auf, alle starrten mich an. Die Bäckereifachverkäuferin sah mich an, fragte, was los sei und ob sie mir helfen könne.

Ich schrie: „HOLEN SIE MEINEN BRUDER BENNI, BITTE!“

Sie verschwand, er kam nach einer Minute raus, blickte mich verdutzt an, ich stammelte: „Es, es ist was mit Mama, du musst mitkommen, jetzt.“ Wir liefen zurück, es fühlte sich an, als wäre ich auf einem entgegengesetzten Laufband, welches mich ausbremste, verlangsamte. Obwohl ich immer einer der schnellsten im Schulsport war, war ich kaputt, bekam kaum Luft, weinte und atmete im selben Rhythmus. Als wir zu Hause ankamen, wollte ich nur noch zu Mama, aber Papa hielt mich davon ab, bat mich draußen zu warten und den Rettungsdienst anzuweisen, während mein älterer Bruder hineinging.

Da stand ich nun an der Straße, mit der ich so schöne Erinnerungen teilte, wo so viele meiner Freunde wohnten und die am Morgen so idyllisch dalag. Ich weiß noch, wie ich durch die Baumwipfel hindurch auf die schnell vorbeiziehenden Wolken blickte. Es regnete leicht, die Blätter formten Tropfen, die auf meinem Arm niederschlugen und langsam hinunterliefen. Ich sah sie, aber fühlte sie nicht. Ich fühlte in diesem Moment nichts außer Verzweiflung und eine immer größer werdende Leere. Es vergingen sicherlich nicht mehr als zehn Minuten, doch noch nie in meinem Leben kam mir die Zeit auf dieser Straße so ewig vor. Ich stand nur da, wartete und hoffte.

Die Sanitäter trafen ein, kurbelten das Fenster hinunter und fragten mich, ob sie hier richtig seien. In meiner Starre dachte ich mir damals bereits, dass die Frage überflüssig sei, wenn ein Kind mit verkehrt herum angezogenen Klamotten weinend am Straßenrand steht. Sie gingen den Vorgarten entlang, vorbei an den Blumen und Sträuchern, und verschwanden in der Tür. Diese gottverdammte Tür, hinter ihr verbarg sich doch mein Zuhause. Doch wirkte sie in diesem Moment wie die Festung Fort Nox, unüberwindbar, egal mit wie vielen Tränen und Bitten ich versuchte sie zu bestechen. Also sank ich davor zu Boden, die Tränen tropften den Pflasterstein voll. Die Minuten schossen an mir vorbei, ich verlor sämtliches Zeitgefühl, beobachtete nur meine aufschlagenden Tränen.

Mein Bruder kam nach einer gefühlten Ewigkeit hinaus, aufgelöst wie ich. Obwohl wir Brüder waren, kann ich mich an keinen Moment im Leben erinnern, in dem wir uns näherstanden. Er sank neben mir nieder, nahm mich fest in den Arm, drückte mich. Der Altersunterschied war wie weggeblasen, es gab nur unsere innige Umarmung und das Hoffen und Bangen.

Papa kam hinaus, blickte über den Vorgarten, kämpfte mit den Tränen. Man sah ihm an, dass er einen Kampf verloren hatte. Noch nie habe ich ihn weinen sehen, noch nie sah ich ihn so verletzt wie in dieser Sekunde. Dann sagte er die Sätze, die ich bis heute nicht vergessen kann und die mit Hammer und Meißel tief in meine Seele gehämmert wurden.

„Eure Mama kommt nicht mehr wieder. Sie ist gestorben. Jungs, ihr müsst nun stark sein und eine Entscheidung treffen. Möchtet ihr Mama noch einmal sehen oder sie so in Erinnerung behalten, wie sie war?“

Ich zerbrach. Das war der Punkt in meinem Leben, in dem ich wusste, nun ändert sich alles.

Ich stelle mir die Seele als eine Kugel aus durchsichtigem Eis vor. Eine perfekte Kugel ohne Makel, komplett. Eine Kugel, so rein und unschuldig, dass man durch sie hindurchblicken kann. Vollkommen, klar und unverzerrt. Mit jedem negativen Erlebnis kommt eine kleine Macke hinein, mit jedem schönen Erlebnis wird versucht, diesen Makel zu bereinigen. Dadurch wird jede Seelenkugel einzigartig, weil jeder eine unterschiedliche Anzahl an schönen und schlechten Erlebnissen hat, die er verarbeiten muss. Dadurch sieht die Oberfläche irgendwann aus wie ein zugefrorener See in einem wunderschönen Winter. Wie ein Gemälde vom Leben gezeichnet.

Der Verlust meiner Mutter in dieser Nacht machte einen so tiefen Riss hinein, dass er die Kugel spaltete. Es gab eine Seite vor dem Verlust und eine danach. Von diesem Tag an war sie nicht mehr durchsichtig. Sie war fortan keine perfekte Kugel mehr, sie wurde milchig, unklar, rau. Ich musste lernen, künftig mit diesem Riss zu leben. Lernen, dass man ihn niemals flicken kann. Lernen, dass er bleibt, egal wie viele schöne Erlebnisse man noch erfahren wird. Wie oft man lachen würde, egal wie viele Glücksmomente es geben wird, sie wird nicht mehr dieselbe sein, genauso wie ich ohne Mama.

Ich zögerte mit meiner Entscheidung, doch ich blieb sitzen, ich wollte meine Erinnerung an die schönen Tage nicht überlagert haben von einem...

Erscheint lt. Verlag 26.7.2024
Sprache deutsch
Themenwelt Sachbuch/Ratgeber
ISBN-10 3-7597-2735-2 / 3759727352
ISBN-13 978-3-7597-2735-0 / 9783759727350
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