Socken unterm Sofa (eBook)
Oskar Holzberg, Paartherapeut und Autor von »Liebe braucht Liebe«
In vielen Partnerschaften ist Unordnung ein großes Streitthema. Wenn Paare sich dem stellen und den dahinterliegenden Konflikten nachgehen, räumen sie nicht nur ihre Wohnung oder ihr Haus auf, sondern gehen auch möglichen Problemen in der Beziehung auf den Grund.
Anhand von konkreten Fallbeispielen aus ihrer gemeinsamen Praxis analysieren die erfahrenen Aufräumcoachs Johanna Lemke und Sabrina Rox - bekannt als »Hempels Schwestern« - typische Problemfelder und geben praktische Lösungen: Wie können wir als Paar Ordnung schaffen und damit gleichzeitig etwas für unsere Beziehung tun? So vermitteln die Autorinnen mehr als nur praktische Ordnungstipps: Sie beleuchten immer auch die emotionale Ebene und laden Paare ein, sich mit der eigenen Beziehung auseinanderzusetzen und konkrete Weiterentwicklung zu ermöglichen.
Johanna Lemke, geboren 1981, arbeitet als leitende Redakteurin im Ressort Kultur/Gesellschaft der Sächsischen Zeitung sowie als Autorin u.a. für Brigitte. Ihr Instagram-Kanal »die_fragensammlerin« hat zahlreiche Follower. Zusammen mit Sabrina Rox berät sie seit 2020 mit dem Aufräumcoaching »Hempels Schwestern« Kundinnen und Kunden in Sachsen und virtuell in ganz Deutschland. Beide Autorinnen entwickeln dabei maßgeschneiderte Pläne für eine langfristige Ordnung. Gemeinsam mit ihren Klientinnen und Klienten räumen sie Zimmer, Wohnungen und Häuser auf und ermutigen die Paare, nicht nur am Ordnungsverhalten, sondern auch an ihrer Beziehung zu arbeiten.
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»Dein Zeug ist überall«
Konsum reduzieren, Verbindung schaffen
An einem sonnigen Apriltag stehen wir vor einem kleinen, aber wunderschönen Haus am Rand einer Kleinstadt. Es erscheint vor uns wie das Titelbild eines Einrichtungsmagazins: Durch einen malerischen Wildblumengarten führt ein gewundener Steinweg zur Haustür, alte Obstbäume stehen in voller Blüte im Garten. Wir öffnen das Gartentor, gehen ein paar Schritte auf das Haus zu, das in diesem Moment sein eigentliches Highlight offenbart: Im Hintergrund kann man in der Ferne ein malerisches Bergpanorama erkennen.
In diesem Traumhaus wohnen Lydia und ihr Mann Ben mit ihren vierjährigen Zwillingen. Lydia hatte sich per Mail an uns gewandt: »Meine Klamottenberge wachsen mir über den Kopf! Ich hab einfach zu viel. Mein Mann ist ziemlich genervt davon und hat schon mit Auszug gedroht.«
Lydia öffnet uns die Tür, begrüßt uns freundlich. Im Flur stolpern wir fast über noch verschlossene Kartons einer großen Modefirma. »Entschuldigt, der Paketbote war gerade da, ich hab noch nicht geschafft, das alles wegzuräumen«, sagt Lydia und lächelt etwas nervös. Sie ist schlicht, aber erkennbar teuer gekleidet. Als wir in der brandneuen Einbauküche am Esstisch sitzen, erzählt Lydia von ihrem Schmuckladen, den sie in einer Nebenstraße betreibt. Frei heraus berichtet sie, dass sie diesen nur mithilfe der Unterstützung ihrer Mutter finanzieren konnte. »Meine Mama und ich verstehen uns super, sie wohnt im Haus nebenan und passt oft am Wochenende auf die Zwillinge auf«, sagt Lydia und fügt fast beiläufig hinzu: »Das Haus hat sie uns geschenkt.«
Wir wollen die Klamottenberge kennenlernen, von denen Lydia uns geschrieben hatte, und gehen in das Ankleidezimmer, das sie sich mit ihrem Mann Ben teilt. Auch im Flur auf dem Weg dahin stapeln sich leere und sogar noch ungeöffnete Kartons, die Lydia mit dem Fuß zur Seite schiebt. Im Vorbeigehen sehen wir, dass die Garderobe von Jacken und Mänteln überquillt, Mützen und Handschuhe ragen aus Körben und Schubladen, Schals sind auf den Boden gefallen, weil sie auf den völlig überladenen Haken keinen Platz mehr fanden.
Im Ankleidezimmer zeigt sich uns ein ähnliches Bild. An zwei Wänden des Zimmers ziehen sich mehrere Meter lange Regale entlang, und jedes einzelne Fach ist vollgestopft mit Klamotten. Die Kleiderstangen sind schwer behangen, darunter liegen Berge an Schuhen ungeordnet durcheinander. Sofort fällt uns auf, dass an vielen Klamotten noch die Etiketten hängen. Und auch in diesem Zimmer stapeln sich auf dem Boden Kartons.
»Ihr seht, ich liebe Mode«, sagt Lydia. Sie beginnt damit, uns ihr System zu erklären, mit dem sie versucht, Ordnung in ihrem Kleiderschrank zu halten. »Ich habe gelesen, dass man Klamotten nach Farbe sortieren soll«, sagt sie, »aber irgendwie haut das nicht hin, bei Schwarz zum Beispiel ist das Regal dann superschnell voll gewesen, da wusste ich nicht, wie ich weitermachen soll.«
Uns ist schon beim ersten Blick in das Zimmer klar geworden, dass wir nicht mit Aufräumen beginnen können, ohne vorher gründlich Klamotten auszusortieren – es ist rein räumlich nicht möglich, all das, was Lydia besitzt, in diesem wirklich sehr geräumigen Ankleidezimmer unterzubringen, ohne dass es einfach gestopft wirkt. »Wir würden erst einmal ausmisten, okay?«, sagen wir zu Lydia, die mit diesem Satz schon gerechnet hatte – froh scheint er sie trotzdem nicht zu machen. »Hm, ja, mal sehen«, sagt sie, ist aber schon wieder abgelenkt: Es klingelt an der Tür. »Ah, das ist bestimmt mein neuer Bikini!«, sagt sie und eilt zum Fenster, um zur Haustür hinunterzuschauen. Doch offenbar steht nicht der Paketbote vor der Tür: »Ach, bloß Ben, er hat bestimmt wieder seinen Schlüssel nicht dabei«, sagt Lydia.
Ben kommt gerade von seiner Arbeit als Sozialarbeiter in einer Jugend-WG. Lydia geht in den Flur, um ihn zu begrüßen, während wir weiter den Schrank sichten und feststellen: Es gibt von allem viel mehr, als Lydia in einem Jahr tragen könnte, selbst wenn sie jeden Tag ein anderes Outfit wählen würde. Bestimmt 30 Sommerkleider fasst der Schrank, zahllose Oberteile und Röcke, mehr als ein Dutzend Hosenanzüge. Auch die Unterwäsche- und Sockenschubladen quellen über, ebenso die Fächer mit den Pullovern und Strickjacken – eine gesamte Kleiderstange ist für Mäntel und Jacken reserviert. Die Sortierung nach Farbe sorgt hier überhaupt nicht für mehr Übersichtlichkeit.
Kurz darauf kommen Ben und Lydia wieder zu uns. Wir begrüßen Ben, der im gesamten Ankleidezimmer nur drei Regalfächer ganz oben beansprucht. »Ich bräuchte keine Aufräumberatung«, sagt Ben halb scherzend, aber durchaus stichelnd. Wir merken schon, dass hier ein Konflikt droht. »Du kannst ja immer mal reinschauen und gute Tipps geben«, sagen wir, um die Stimmung aufzulockern. »Und vielleicht willst du ja auch mehr Platz für deine Sachen haben?« Wir holen einen großen Plastikbeutel aus Bens Regal und fragen: »Was ist hier eigentlich drin?« Ben greift in die Tüte und holt ein Paar Kletterschuhe und Wanderklamotten heraus. »Tja, die können eigentlich weg«, sagt er etwas patzig. »Seit Yosemite hatte ich sie nicht mehr an.« Wir wollen wissen, was er meint. »Bevor Lydia schwanger wurde, waren wir auf Wander- und Kletterreise in den USA«, erzählt Ben. »Kennt ihr nicht den Yosemite-Nationalpark? Ein mega Klettergebiet, der Wahnsinn!« Nun schaltet sich auch Lydia ein: »Ben und ich haben uns beim Klettern kennengelernt. Früher waren wir jedes Jahr mehrmals unterwegs, in Italien, Frankreich und dann halt auch in den USA.« »Da wohnt ihr hier ja genau richtig, mit den Bergen quasi vor der Haustür«, sagen wir. Lydia lächelt, hebt aber in einer hilflosen Geste die Arme: »Seit die Kinder da sind, waren wir weder wandern noch klettern.«
Während Lydia nun davon berichtet, wie fordernd die Kinder sind und wie wenig Freizeit sie und Ben noch haben, fällt uns schon auf, wie sich Ben windet. Er ist offenbar nicht einverstanden mit dem, was sie sagt. Als Lydia schließt mit: »Na ja, mit Kindern ändert sich eben alles«, platzt er heraus: »Ach komm, an den Kindern liegt es doch nicht. Wir haben viele Freunde, die mit der ganzen Familie wandern und sogar klettern gehen.« Lydia sieht ihn überrascht an, aber Ben fügt noch hinzu: »Ganz ehrlich, es wäre eh kein Geld für Kletterwochenenden oder gar größere Reisen da, Lydia! Das ganze Geld fließt in dein Online-Shopping. Aber Sparsamkeit ist in deiner Familie ja eh nicht so eine Stärke.«
Kurz sind alle still. Weil Ben merkt, dass Lydia verletzt ist, versucht er noch, diesen Angriff mit einem Lächeln etwas abzumildern. Doch Lydia geht schon in den Abwehrmodus: »Mode ist halt mein Hobby, so wie du permanent ins Fitnessstudio rennst«, sagt sie. Ben zieht die Augenbrauen hoch und verkneift sich einen Kommentar. »Was denn?«, fragt Lydia herausfordernd. »Na ja«, rückt Ben heraus, »ich habe halt das Gefühl, dass du die ganzen Sachen nicht mal wirklich trägst. Trotzdem verschwindet so viel Geld in diesen Kaufeskapaden.«
Die Situation ist ziemlich angespannt. Es offenbart sich ein Grundkonflikt in der Beziehung von Lydia und Ben und wir wollen gern mehr erfahren. »Würdet ihr denn gerne wieder wandern oder klettern gehen?«, fragen wir. »Keine Ahnung«, sagt Lydia und wirkt tatsächlich ratlos. »Am Geld liegt es jedenfalls nicht«, fügt sie hinzu. Ben erklärt, warum er sich mit Lydias hohen Ausgaben so unwohl fühlt: »Bei uns zu Hause gab es nicht so viel Geld. Ich kapiere einfach nicht, wie man so verschwenderisch sein kann. Aber ich habe aufgehört, mit ihr darüber zu diskutieren.« Als Lydia zur Gegenrede ansetzen will, fällt Ben ihr ins Wort: »Wir müssen ja auch nicht in die USA fahren, Lydia. Wir haben die Berge doch gleich hier bei uns. Aber irgendwie machen wir überhaupt nichts mehr zusammen.« Lydia schaut nun nicht mehr wütend, sondern betroffen.
»Ihr habt erzählt, dass Lydias Mutter am Wochenende oft auf die Kinder aufpasst«, versuchen wir die Diskussion in eine konstruktivere Richtung zu drehen. »Was macht ihr denn an den kinderfreien Tagen?« »Ich gehe meistens ins Fitnessstudio«, sagt Ben. »Und ich bin oft einfach k. o. und bleibe zu Hause«, meint Lydia.
Wir halten es für sinnvoll, erst mal mit dem Ausmisten loszulegen, und geben Lydia den Auftrag, auch die neuen Sachen aus den noch unausgepackten Kartons ins Ankleidezimmer zu holen, damit wir wirklich alles sichten können, was sie besitzt. Währenddessen widmen wir uns weiter Bens Regalfächern. »Ich brauche nicht so viel«, sagt er fast entschuldigend. Im weiteren Gespräch finden wir heraus, dass Ben in einer Familie mit eher weniger Geld aufgewachsen ist und bis heute einen sehr sparsamen Lebensstil hat. Viele seiner Klamotten hat er in Kisten verstaut. »Das ist meine Käppi-Sammlung«, sagt er und zieht einen Karton hervor, in dem mehrere Mützen aufeinandergestapelt liegen. Liebevoll erklärt er uns zu jedem einzelnen Käppi, wo er es gekauft und welche Bedeutung es für ihn hat. Als Lydia wieder zu uns stößt, klappt Ben den Karton zu und schiebt ihn zurück ins Regal.
Was ist da los?
j Lydia und Ben haben einen unterschiedlichen finanziellen Background. Ist das ein Problem?
Bis zur Geburt der Kinder haben Lydia und Ben die finanziellen Möglichkeiten zu genießen gewusst, die sie durch Lydias Familie hatten. Sie konnten sich tolle Reisen und Erlebnisse leisten. Als die beiden durch die Babys erst einmal viel zu Hause sein...
Erscheint lt. Verlag | 13.11.2024 |
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Sprache | deutsch |
Themenwelt | Sachbuch/Ratgeber ► Gesundheit / Leben / Psychologie ► Lebenshilfe / Lebensführung |
Schlagworte | 2024 • anika schwertfeger • aufräumcoach • Aufräumen • Beziehung • Beziehungsratgeber • Disziplin • eBooks • Entrümpeln • Gesundheit • hempels schwestern • Kommunikation • Liebe • Magic Cleaning • Marie Kondo • Neuerscheinung • Paarbeziehung • Partnerschaft • Ratgeber • räum dich glücklich • Selbstdisziplin • Wohnung |
ISBN-10 | 3-641-32089-5 / 3641320895 |
ISBN-13 | 978-3-641-32089-8 / 9783641320898 |
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