Der Weg der Stoa in der Führung (eBook)
288 Seiten
REDLINE Verlag
978-3-96267-606-3 (ISBN)
Alexander Zock ist promovierter Geophysiker, Planetenwissenschaftler und Experte für Stoizismus. Er arbeitet als selbstständiger Organisationsentwickler und Führungskräfte-Coach. Mit dem Stoizismus beschäftigt er sich u. a. auf seiner Website »Der Weg der Stoa«, zudem betreibt er einen Podcast und leitet eine Meetup-Community.
Alexander Zock ist promovierter Geophysiker, Planetenwissenschaftler und Experte für Stoizismus. Er arbeitet als selbstständiger Organisationsentwickler und Führungskräfte-Coach. Mit dem Stoizismus beschäftigt er sich u. a. auf seiner Website »Der Weg der Stoa«, zudem betreibt er einen Podcast und leitet eine Meetup-Community.
1.1 Der existenzielle Grund von Führung
Steigen wir also ein in die Welt der Führung.7 Worum geht es in Führung und wie können wir das Phänomen der Führung so greifbar machen, dass wir für die nachfolgenden Kapitel klar erkennen können, an welcher Stelle eine Verbindung des Phänomens Führung mit einer lebensphilosophischen Praxis von Bedeutung sein kann? Hier zeigt sich gleich von Beginn an ein großes Problem. Führung ist nicht nur ein sehr vielschichtiger, sondern auch ein sehr diffuser Begriff. Befragte man fünf Fachleute, so würde man sechs Meinungen erhalten, was Führung ausmacht und was Führung nicht ist. Hinzu kommt, dass die Diskussion über Führung oft nicht ideologiefrei geführt wird und somit jede Darstellung über Führung sich ihrer eigenen Annahmen und Begrenzungen bewusst sein muss. Führung ist in unserer Gesellschaft ein so omnipräsentes Phänomen, dass derjenige, der das Narrativ über Führung kontrolliert oder auch nur dominiert, damit gleichzeitig über die Verteilung von Macht und Privilegien in unseren modernen Organisationen und Gesellschaften mitentscheidet.8
Ich versuche daher, in diesem Kapitel zunächst einmal die Phänomenologie von Führung greifbar zu machen, um dann in den nächsten beiden Kapiteln (Kap. 1.2 und 1.3) in ein systematischeres Verständnis von Führung überzugehen.
Beginnen möchte ich mit einer Sichtweise auf Führung, welche von James March, einem renommierten amerikanischen Organisationstheoretiker und Managementvordenker, formuliert wurde. James March beschreibt sie in seinem 2005 mit Thierry Weil herausgegebenen Buch On Leadership, welches auf einem seiner Führungskurse basiert, den er in den Jahren 1980 bis 1994 an der Stanford University gehalten hat. Er formuliert zu Beginn des Buches drei Überzeugungen, welche diesem Kurs zugrunde lagen:9
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Die wesentlichen Herausforderungen von Führung sind von denen des Lebens nicht zu unterscheiden. Eine angemessene Diskussion dieser Themen muss daher auch die großen Dilemmata der menschlichen Existenz beinhalten, wie sie sich auch im Kontext von Führung zeigen.
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Literatur ist eine angemessene Quelle, um über diese Herausforderungen zu reflektieren. Relevante, von ihm in diesem Kontext zitierte Werke sind unter anderen: Othello von Shakespeare, Don Quijote von Miguel de Cervantes oder Krieg und Frieden von Leo Tolstoi.
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Eine Ausbildung zum Thema Führung, einschließlich der Kurse an Business Schools, sollte nicht versuchen, den Studenten nur Rezepte oder Anleitungen für den Erfolg in der Praxis von Führung zu liefern. Eine derartige Ausbildung sollte vielmehr dabei helfen, Wege zum Verständnis der wesentlichen Dilemmata der menschlichen Existenz und des Wesens des menschlichen Geistes zu finden.
Betrachtet man diese Überlegungen von March, so fällt auf, dass Führung in diesem Verständnis nicht nur eine methodisch-instrumentelle Seite besitzt, wie sie von ihm im dritten Punkt unter den Begriffen »Rezepte« und »Anleitungen« beschrieben wird. Führung besitzt in seinem Bild vor allem auch eine existenzielle Tiefe, welche er in seinem ersten Punkt mit der allgemeinen existenziellen Dimension menschlichen Lebens gleichsetzt. Gleichzeitig betont March in seiner Auflistung auch, dass es neben den instrumentellen Aspekten vor allem diese existenzielle Perspektive auf Führung ist, welche den Rahmen für eine Beschäftigung mit ihr darstellen sollte – eine sicherlich ungewöhnliche Perspektive auf die Auseinandersetzung mit Führung. Im Kontext der Überlegungen in diesem Buch verweist dieser Blick von March aber punktgenau auf einen Bedarf im Umgang mit Führung, der in vielen praktischen Kontexten kaum Aufmerksamkeit erhält. Um diese Tiefendimension praktisch greifbar zu machen, denke man nur an Situationen, in denen Personen in Organisationen schwer erkranken, Angehörige verlieren, Straftaten begehen oder auch entlassen werden müssen, auch wenn hierdurch existenzielle Notlagen aufseiten dieser Personen entstehen.
Es sind genau solche Situationen, welche von den an der Führung Beteiligten einen verlässlichen inneren Kompass erfordern, der kaum auf instrumentell-methodischer Ebene vermittelt werden kann. Auch die Existenz von Sozialdiensten, Betriebsräten, Ethikvorschriften oder aber Codes of Conduct entbindet Personen, die an Führung beteiligt sind, nicht davon, dass sie durch ihre Entscheidungen erheblichen Einfluss auf diese Situationen ausüben. James March zieht in seinem Buch aus dieser Gegebenheit den Schluss, dass an Führung Beteiligte sich intensiv mit Literatur beschäftigen sollten, da diese uns in besonderer Art und Weise hilft, von den Missgeschicken und Schicksalsschlägen der Charaktere in diesen Büchern zu lernen. Durch diese Form der Auseinandersetzung kann es uns dann seiner Meinung nach auch gelingen, den vorher bereits angesprochenen inneren Kompass auszubilden, um somit der existenziellen Anforderung durch Führung besser begegnen zu können. Dieser Gedanke erscheint nicht abwegig, und nicht umsonst finden wir in den Biografien vieler erfolgreicher Führungskräfte Hinweise darauf, dass diese sich mit Literatur beschäftigt haben. Von besonderer Bedeutung scheint hier das Genre der Autobiografien beziehungsweise Biografien historischer Personen zu sein.
Spannenderweise ist der Gedanke, sich über die Auseinandersetzung mit historischen Personen oder auch literarischen Werken in seinem eigenen verantwortlichen Tun zu reflektieren, schon sehr alt. Bereits im antiken Griechenland wurden die Werke Homers intensiv studiert, analysiert und in ihrer Aussagekraft für das praktische Handeln in der damaligen Führungselite interpretiert. Auch die Begründer der stoischen Philosophie setzten sich in ihren Werken intensiv mit Homer und den Werken der antiken Dramatiker wie Euripides oder Aischylos auseinander. Chrysipp von Soloi (281 – 208 v. Chr.), das dritte Schuloberhaupt der stoischen Schule, war berühmt dafür, dass er in seinen Büchern große Passagen der klassischen Werke zitierte und interpretierte. Plutarch10 (45 – 125 n. Chr.), ein griechischer Schriftsteller aus dem 1. bis 2. Jahrhundert n. Chr., verfasste vergleichende Studien bekannter griechischer und römischer Personen, in welchen er anhand ihrer parallelen Lebenswege Lehren über das Leben vermitteln wollte. Trotz dieser umfassenden Tradition der literarischen Bildung in der Antike entwickelte sich in der Nachfolge des griechischen Philosophen Sokrates (469 – 399 v. Chr.) sowie seiner bekanntesten Schüler Platon (428 – 348 v. Chr.) und Antisthenes (445 – 365 v. Chr.) sowie weiterer philosophischer Strömungen aus der vorsokratischen Zeit eine neue Tradition, welche versuchte, eine systematischere philosophisch instruierte Lebenspraxis zu vermitteln. Die bekanntesten Schultraditionen dieser Zeit waren die Akademie des Platon, die Schule seines Schülers Aristoteles (384 – 322 v. Chr.), die Schule des Epikur (341 – 271 v. Chr.) sowie die stoische Schule, welche von Zenon von Kition (333 – 262 v. Chr.) begründet wurde. In diesen Schulen wurden nicht in erster Linie Philosophen ausgebildet, wie man dies heutzutage im akademischen Betrieb philosophischer Institute vermutet. Sie bildeten vielmehr die junge Elite der zunächst griechischen und nach der Eroberung Griechenlands durch Rom im 2. Jahrhundert v. Chr. auch römischen Oberschicht aus. Diese Ausbildung zielte dabei insbesondere darauf ab, die Schüler sowohl in wichtigen Fertigkeiten wie Rhetorik und Dialektik als auch in lebensphilosophischen Fragen der Ethik oder der eigenen Lebensgestaltung auszubilden. Teil dieser Tradition war, wie vorher bereits erwähnt, auch die Auseinandersetzung mit den literarischen Werken der antiken Zeit, wie den Werken Homers et cetera. Diese Auseinandersetzung erfolgte dabei aber im Rahmen philosophischer Reflexionen.
Vergleichen wir diese Tradition mit unserer heutigen Situation, so fällt auf, dass wir im Hinblick auf die existenzielle Perspektive auf Führung weder auf eine ausgesprochene Tradition der Vermittlung literarischer Werke noch auf die vorher beschriebene Tradition lebensphilosophischer Schulen zurückgreifen können. Betrachten wir die Ausbildungsprogramme für Führungspersonal sowohl an Universitäten und Hochschulen als auch an Weiterbildungsinstituten, so finden wir sehr viele instrumentell-methodische Angebote, eine Auseinandersetzung mit der existenziellen Perspektive auf Führung findet sich aber kaum.
Es ist diese Lücke in den Curricula zum Thema Führung, welche in diesem Buch unter anderem adressiert werden soll. Die hinter diesem Gedanken stehende erste Leithypothese lässt sich dabei wie folgt formulieren:
Leithypothese 1:
Wer in existenziellen Situationen führen oder an Führung beteiligt sein will, benötigt eine explizite Lebensphilosophie. Wer eine solche nicht besitzt, mag führen, diese Führung wird aber keine nachhaltige Linie besitzen und unter widrigen Umständen ihre...
Erscheint lt. Verlag | 13.10.2024 |
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Verlagsort | München |
Sprache | deutsch |
Themenwelt | Sachbuch/Ratgeber ► Beruf / Finanzen / Recht / Wirtschaft ► Bewerbung / Karriere |
Schlagworte | Achtsamkeit • Angst • Antike • Arbeit • Balance • business • Der tägliche Stoiker • Entspannung • epiklet • Epikur • Erfolg • flow • Führung • Gelassenheit • Glück • Marc Aurel • Motivation • Philosophie • Resilienz • Ruhe • Ryan Holiday • Seneca • Sokrates • Stoa • stoische Philosophie • Stoizismus • Weisheit |
ISBN-10 | 3-96267-606-6 / 3962676066 |
ISBN-13 | 978-3-96267-606-3 / 9783962676063 |
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