Das größte Rätsel aller Zeiten (eBook)

Roman

(Autor)

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2024 | 1. Auflage
448 Seiten
DuMont Buchverlag
978-3-7558-1057-5 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Das größte Rätsel aller Zeiten -  SAMUEL BURR
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Aufgewachsen in den heiligen Hallen der mysteriösen >Gemeinschaft der Rätselmacher< weiß Clayton Stumper so einiges über verschlüsselte Botschaften, knifflige Puzzles und verwunschene Labyrinthe. Und über brillante Menschen jenseits der Achtzig, denn von einem Hort der Genialität hat sich Creighton Hall, das Anwesen der Gemeinschaft, mehr und mehr zu einem intellektuell herausfordernden Seniorenheim entwickelt. Weniger versteht Clayton von Menschen seines Alters oder vom Leben außerhalb der Gemeinschaft. Das größte Mysterium ist für Clayton jedoch Clayton selbst: Woher kommt er? Wer sind seine Eltern? Ein letztes Rätsel, das ihm Pippa, die Vorsitzende der Gemeinschaft und seine Ziehmutter, nach ihrem Tod hinterlässt, verspricht endlich Antworten zu geben. Doch das wirkliche Leben stellt den ältesten Fünfundzwanzigjährigen der Welt vor so manche Herausforderung.

SAMUEL BURR hat an der Westminster Film School studiert und arbeitet als Fernsehproduzent. In seiner Freizeit engagiert er sich ehrenamtlich für verschiedene Seniorenhilfsorganisationen. Er lebt mit seinem Partner Tom und seiner Katze Muriel in London. >Das größte Rätsel aller Zeiten< ist sein Debütroman.

2

The Old Queen’s Head, Islington
Dienstag, 7. August 1979

Pippa wollte unbedingt ein Glas Schampus.

Sie stand an der Theke und versuchte die junge Barkeeperin mit den hochtoupierten platinblonden Haaren auf sich aufmerksam zu machen. Die Frau trug die größten goldenen Kreolen, die sie jemals gesehen hatte; drei in jedem Ohr, und wenn sie hinter der Theke hin und her huschte und Pippas erwartungsvollen Blick gekonnt ignorierte, klirrten sie wie winzige Kirchenglocken.

»Nächster!«, blaffte sie und sah an Pippa direkt vorbei zu einem attraktiven jungen Mann, der soeben hinter ihr aufgetaucht war. »Was darf’s sein, Süßer?«

Pippa seufzte und richtete einen verzweifelten Blick zur Decke, während sich der andere um sie herum an die Theke zwängte.

Seitdem Pippa das halbe Jahrhundert voll hatte, kam sie sich vor, als wäre sie nichts weiter als das Produkt ihrer eigenen Einbildung. Denn für den Rest der Welt wurde sie zunehmend unsichtbar.

»Dürfte ich bitte bestellen? Ich sehe ja, Sie haben zu tun, aber ich warte auch schon ein Weilchen.«

»Bin sofort da«, antwortete die Frau, ohne auch nur vom Zapfhahn aufzublicken.

Pippa holte tief Luft.

In den letzten zehn Minuten hatte sie beklommen die Spiegelwand hinter der Theke im Auge behalten. Die Tür, die zum oben gelegenen Versammlungsraum führte, war zwischen einer Flasche Bombay Dry und einer Flasche Bell’s zu erkennen. Sie hatte mindestens zehn Besucher durchschlüpfen sehen, während sie darauf wartete, bedient zu werden. Und jedes Mal war sie erleichtert gewesen. Trotz des ursprünglichen Interesses machte sie sich Sorgen, ob die Leute auch wirklich persönlich erscheinen würden. Das war ja das Problem mit der Rätselgemeinde – in ihr fanden sich eher die introvertierten Typen wieder.

Versammlungsraum erster Stock
Reserviert für Privatveranstaltung
19 Uhr bis letzte Bestellung

Plötzlich tauchte der Wirt neben der Barkeeperin auf: ein stämmiger Typ mit einem perfekt geformten, kugelrunden Bauch.

Pippa versuchte seinen Blick einzufangen, stellte sich auf die Zehenspitzen, um sich größer zu machen, als sie sowieso schon war, aber er war ganz darauf konzentriert, einen Beutel mit Halfpennies in die Kasse zu schütten, während er dazu die Titelmelodie von Ski Sunday pfiff.

Wenn ich mit nichts als meiner Unterwäsche am Leib an der Theke stehen würde, überlegte sie. Wenn ich auch noch das letzte Fitzelchen Kleidung ausziehen würde oder, noch besser, wie ein Mann gekleidet wäre, mit angeklebtem Bart und Melone, dann würde ich vielleicht verdammt noch mal was zu trinken bekommen.

Der Einzige, der ihre Anwesenheit bemerkt hatte, war ein älterer Gentleman einige Barhocker weiter.

Er war makellos gekleidet, trug einen zweireihigen grauen Nadelstreifenanzug und einen braunen Filzfedora, bei sich hatte er eine abgenutzte Lederaktentasche, eine Pfeife und Papier. Aus dem Augenwinkel hatte sie gesehen, dass er einem Lederportemonnaie Münzen entnommen und sie auf der Theke aufgereiht hatte, als würde er sich auf eine Backgammon-Partie vorbereiten.

Er bestellte sich ein Barley Wine und geröstete Erdnüsse, deren Preis – neunundfünfzig Pennies – er bereits exakt vor sich abgezählt liegen hatte.

Sie konnte ihn nicht ganz einordnen, war aber überzeugt, dass sie ihn von irgendwoher kannte. Auch sein Eau de Cologne – eine Mischung diverser exotischer Gewürz- und Holzdüfte – kam ihr bekannt vor: Fabergé Brut. Der gleiche Duft, mit dem sich auch Val Perret-Reers, ein Redakteur, dem sie beim Telegraph zugearbeitet hatte, gewöhnlich dann großzügig eingenebelt hatte, wenn ihm nach einem Lunch-Treffen mal wieder der Duft seiner Geliebten anhaftete.

Damals war sie einundzwanzig gewesen, frisch von der Uni in Cambridge gekommen und hatte große Erwartungen und noch größere Ziele gehabt, als sie Val kennenlernte – einen Mann, wie er ihr noch oft im Leben begegnen sollte, und einer, den sie wie keinen zweiten hasste. Sie hatte seinen Namen anagrammiert – was sie gerne tat, wenn jemand starke Gefühle in ihr weckte. Zu ihren Lieblings-Anagrammen, die sie im Lauf der Jahre erstellt hatte, gehörten:

Eric Clapton. Narcoleptic.

Clint Eastwood. Old West Action.

Margaret Thatcher. That Great Charmer.

Für Val Perret-Reers ersann sie Perverser Alter. Hätte nicht angemessener sein können.

Der Alte neben ihr griff nach seinem Glas Barley Wine, und dabei wurde eine kleine blaue Anstecknadel an seinem Revers sichtbar. Das Emblem eines Globus, umgeben von einem Lorbeerkranz, darüber die Kronjuwelen und die Buchstaben GCHQ. Ein Ehrenabzeichen, wusste sie, das der hochgeheime Nachrichtendienst Mitarbeitern im Ruhestand verlieh, was wiederum bedeutete, dass es sich bei dem Träger um niemand anderen als Sir Derek Wadlow handelte, den legendären Codebrecher und internationalen Schachgroßmeister höchstselbst. Sie hatte vor Jahren eine Vorlesung zur Kryptologie besucht, die er im Savile Club gegeben hatte. Er gehörte zu dem Team in Bletchley Park, das die Enigma entschlüsselt hatte.

Derek – mittlerweile sicherlich Mitte achtzig – verließ die Theke und schlurfte ungewöhnlich langsam davon, fast so, als hätte er etwas sehr Kleines verloren und hielte auf dem Boden danach Ausschau. Dann trat er durch die Tür, die nach oben zum Versammlungsraum führte.

Pippa konnte es kaum fassen.

Sir Derek Wadlow wollte ihrem Rätselclub beitreten? Er, ein Veteran des Bletchley Park, ein Mann, der mitgeholfen hatte, feindliche Chiffriermaschinen zu knacken, sicherlich einer der hochrangigsten Kryptologen in Großbritannien, wenn nicht der ganzen Welt? Was für ein Knüller, welch wunderbare Unterstützung, und das, bevor sie überhaupt richtig losgelegt hatten.

Das Ziel ihrer Gesellschaft war ganz einfach: gleichgesinnte Rätselfreunde zusammenzubringen – Kreuzworträtselautoren, Enigmatologen, Logiker, Trivialisten, Rätselerfinder – für regelmäßige Treffen im Pub. Sie wollte nicht nur Profis ansprechen – denn von ihnen gab es nur wenige –, sondern leidenschaftliche Amateure, jeden, der Freude an komplizierten Spielen und Herausforderungen hatte und dafür die geistigen Voraussetzungen mitbrachte.

Seitdem Pippa das Erstellen von Kreuzworträtseln zu ihrem Beruf gemacht hatte, hatte sie sich eine recht große Gefolgschaft aufgebaut. Oder zumindest ihr Alter Ego. Der Squire of Highbury Hill, London, wie sie sich nannte, erhielt mittlerweile umfangreiche Fanpost; viele gaben ausgeschnittene Kreuzworträtsel mit in den Umschlag, auf denen sie ihre Anfangs- und Endzeit vermerkt hatten und womit sie ihren Grad an Versiertheit demonstrieren wollten. Manchmal schickten sie ihr zur Begutachtung handgezeichnete Kreuzworträtsel mit kryptischen Fragen und legten vorfrankierte Rückumschläge bei, damit sie ihnen ihr Werk, versehen mit dem königlichen Siegel der Zustimmung, signiert zurückschickte.

Einige Wochen zuvor hatte sie an einen ausgewählten Kreis renommierter Rätsler ein Dutzend Einladungen für das Gründungstreffen der Gesellschaft verschickt. Sie hatte sie dazu ermutigt, weitere Bekannte darauf anzusprechen – jeder sei willkommen, hatte sie versichert. Oder vielmehr der Squire of Highbury Hill hatte dies versichert.

Murray Salter – der Kreuzworträtsel-Redakteur des Express – hatte ihr geantwortet und versprochen, seine freiberuflichen Autoren darüber in Kenntnis zu setzen; Clement Banks – Champion der Scrabble-Liga im Vereinigten Königreich von 1967 bis 1972 – sagte, er wolle dafür sorgen, dass die Einladung im Programm des nächsten Turniers, an dem er teilnehme, abgedruckt werde. Es hatte nicht lange gedauert, und die Einladung war in Zeitschriften und Zeitungen erschienen. Bald darauf trudelten die Antwortschreiben ein.

»Hast du die seltsamen Gestalten gesehen, die alle nach oben sind?«, hörte Pippa die Barkeeperin zum Wirt sagen. »Was sind das noch mal für Leute?«

Der Wirt zuckte mit den Schultern. »Hab nur die Buchung entgegengenommen, Pam. Von mir aus könnten die dort oben den Sturz von Harold Wilson planen.«

Pippa hüstelte leise in die Hand.

»Aber wie nennen die sich gleich noch mal?«, entgegnete die Barkeeperin. »Irgendwas mit Gemeinschaft, oder?«

Gib mir Gleichmut, dachte Pippa. Oder wenigstens ein Glas Asti Spumante.

»Und hast du den alten Knacker gesehen? Der sein Kleingeld abgezählt hat?«, fuhr die Barkeeperin fort. »Als hätte er wochenlang darauf gespart.«

Er ist Millionär, wollte Pippa sagen. Der Mann ist Multimillionär, weil er mit seinem Gehirn zur Rettung dieses Landes beigetragen hat. Der hat in einer seiner kleinen Zehen mehr Grips als ihr beiden Knalltüten in euren Hirnen zusammen.

Mit zusammengekniffenen Augen betrachtete der Wirt das Blatt mit den Buchungen, das er neben der Kasse liegen hatte. »Die Gemein … schaft … der … Moment, ich brauch meine Brille.«

»Gemeinschaft der Rätselmacher«, blaffte Pippa. Die beiden drehten sich zu ihr hin.

Plötzlich nahmen sie sie wahr. Sie winkte kurz, als wollte sie ihnen zu verstehen geben, hallo, hier bin ich.

»Sorry, wie war das?«

»Gemeinschaft der Rätselmacher«, wiederholte sie. »Das ist meine Gesellschaft. Es ist unsere Gründungssitzung. Und sie fängt …« Sie sah auf ihre Armbanduhr. »In zweieinhalb Minuten...

Erscheint lt. Verlag 1.8.2024
Übersetzer Karl-Heinz Ebnet
Sprache deutsch
Original-Titel The Fellowship of Puzzlemakers
Themenwelt Literatur Krimi / Thriller / Horror
Literatur Romane / Erzählungen
Sachbuch/Ratgeber Gesundheit / Leben / Psychologie Familie / Erziehung
Kinder- / Jugendbuch
Schlagworte Britisch • Buchliebhaber • Cozy • feelgood • Gemütlich • humorvoll • Liebe • Puzzle • Queer • Queere Literatur • Rätsel-buch • Schmöker • schwule liebesgeschichte • Waisenjunge • Waisenkind • Wohlfühlbuch
ISBN-10 3-7558-1057-3 / 3755810573
ISBN-13 978-3-7558-1057-5 / 9783755810575
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