Kopfschmerz (eBook)

Richtig zuordnen, gezielt behandeln
eBook Download: EPUB
2024
248 Seiten
MANZ Verlag Wien
978-3-214-25707-1 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Kopfschmerz - Çiçek Wöber-Bingöl, Christian Wöber
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Fast jeder Mensch ist im Lauf des Lebens von Kopfschmerzen betroffen. Wiederkehrend treten die Beschwerden weltweit bei rund vier Milliarden auf, am häufigsten als Spannungskopfschmerz. Mehr als eine Milliarde Menschen leidet an Migräne und über 360 Millionen verbringen mehr Tage mit als ohne Pochen, Drücken oder Stechen im Kopf.

 

Die Medizin unterscheidet mehr als 250 verschiedene Arten der Volkskrankheit Kopfschmerz. Für die Wahl geeigneter Therapiemaßnahmen ist es entscheidend, (seltene) bedrohliche Ursachen zu erkennen und die Symptome richtig zuzuordnen. Darüber und über viele weitere wichtige Aspekte rund um Kopfschmerzen geben Univ.-Prof.in Dr.in med. Çiçek Wöber-Bingöl und Univ.-Prof. Dr. med. Christian Wöber in diesem verständlichen Ratgeber einen umfassenden und wissenschaftlich fundierten Überblick.

 

Aus dem Inhalt:

  • Migräne, Spannungs- und Clusterkopfschmerz: Tipps zur Behandlung
  • Migräne bei Kindern und Jugendlichen, Schwangeren und Menschen über 60
  • Weitere Kopfschmerzen und ihre Behandlung


Univ.-Prof. Dr. med. Çiçek Wöber-Bingöl, Fachärztin für Neurologie und Psychiatrie, Kinder- und Jugendneurologie sowie Kinder- und Jugendpsychiatrie, hat im Jahr 1991 die österreichweit erste Ambulanz für Kopfschmerz bei Kindern und Jugendlichen am AKH Wien gegründet.


Univ.-Prof. Dr. med. Christian Wöber ist Facharzt für Neurologie und Psychiatrie. Er leitet seit 2005 die Kopfschmerzambulanz am AKH Wien und die Arbeitsgruppe Kopfschmerz der MedUni Wien.

HISTORISCHE ASPEKTE

Kopfschmerz hat den Menschen wahrscheinlich von Anbeginn begleitet. Neben mystischen Zuordnungen finden sich bereits in der Antike Beschreibungen unterschiedlicher Kopfschmerzen, Überlegungen zu Entstehungsmechanismen und Therapievorschläge.

Begleiten Sie uns auf einer Kopfschmerz-Zeitreise von der Steinzeit bis in die Gegenwart!

STEINZEIT

Ein Schädel aus der Jungsteinzeit um 7000 v. Chr. (Abb. 1) und ein ähnlicher Fund in Anatolien könnten die ersten Zeugnisse einer Kopfschmerzbehandlung sein. Auch wenn wir den Grund für die Schädeltrepanationen, die chirurgische Öffnung des Schädels, naturgemäß nicht kennen, so ist es durchaus denkbar, dass unerträgliche Kopfschmerzen Anlass für die Eingriffe waren. Zweifelsfrei ist erkennbar, dass die Patient:innen den Eingriff überlebt haben, weil die Ränder der Öffnung auf einen Heilungsprozess hinweisen.

Abb. 1: Schädeloperation in der Jungsteinzeit.

ALTES ÄGYPTEN

In einem ägyptischen Papyrus aus der Zeit um 1200 v. Chr. wurde der Heiler angewiesen, ein Krokodil aus Ton mit etwas Getreide im Maul zu fertigen und eine Beschwörung über diese Figur zu sprechen. Danach sollte ein Streifen aus Leinen mit den Bildern von Göttern beschriftet, das Krokodil am Kopf des Patienten befestigt und dieselbe Formel ein zweites Mal gesprochen werden. Das Ritual sollte auf magische Weise den Schmerz in die Tonfigur übertragen.

Auch wenn wir Kopfschmerzen längst nicht mehr auf böse Geister zurückführen, ist über die Jahrtausende eines gleich geblieben: die enorme Bedeutung der Zuwendung von Ärzt:innen an ihre Patient:innen.

MESOPOTAMIEN

Im 7. Jahrhundert v. Chr. wurden tausende Texte aus allen Ecken des assyrischen Reiches in die Hauptstadt Niniveh gebracht und damit die erste Bibliothek der Menschheitsgeschichte geschaffen.

Unter den Schriften fand sich das Gilgamesch-Epos ebenso wie medizinische Texte und Keilschrifttafeln mit der Überschrift „Wenn der Schädel eines Mannes Hitze (Fieber) enthält“. In einem ersten Schritt sollten „Kopfschmerzen“ mit Verbänden und einer Beschwörung behandelt werden. Blieb dies erfolglos, brauchte es spezielle Therapien. Der Heiler sollte nach der Erstellung der Diagnose eine Gans opfern, einige ihrer Körperteile in das Harz einer Pflanze mischen, diese Mischung mit einer Beschwörung magisch anreichern und das Haupt des Patienten damit salben, um den „Kopfschmerz“ auszurotten.

GRIECHISCHE UND RÖMISCHE ANTIKE

Der griechischen Mythologie zufolge plagten Göttervater Zeus unerträgliche Kopfschmerzen, die ihn veranlassten, Hephaistos – den Gott des Feuers und der Schmiedekunst – aufzufordern, seinen, des Zeus, Kopf zu spalten, um die Ursache der Kopfschmerzen zu finden. Seiner göttlichen Natur gemäß überlebte Zeus den Eingriff und seinem Kopf entstieg Pallas Athene mit Rüstung und Schild.

Hippokrates von Kos (Abb. 2) gilt als Begründer der wissenschaftlichen Medizin und war der berühmteste Arzt der Antike. Er betonte die Notwendigkeit, Krankheitssymptome zu beobachten und zu beschreiben, und ist Namensgeber des Corpus Hippocraticum, einer Sammlung medizinischer Schriften, die zwischen dem 6. Jahrhundert vor und dem 2. Jahrhundert nach Chr. entstanden sind. Kopfschmerz wird darin als häufiges Symptom schwerer Erkrankungen beschrieben mit Fieber, Übelkeit, Erbrechen, Nasenbluten, Krämpfen und Störungen der Sinneswahrnehmung als Begleiterscheinungen.

Abb. 2: Hippokrates (um 460 v. Chr. bis um 370 v. Chr.).

Im Jahr 429 v. Chr. nahm Sokrates in Platons Dialog „Charmides“ gleichsam das bio-psycho-soziale Schmerzmodell (vgl. Seite 48) vorweg.

Nach einem Mittel gegen Kopfschmerzen gefragt, beschreibt Sokrates, was er von einem Arzt in Thrakien gelernt hatte: So wie man nicht versuchen solle, die Augen zu heilen ohne den Kopf, oder den Kopf ohne den ganzen Leib, so könne man auch nicht den Leib heilen ohne die Seele. Die Seele aber werde durch gewisse Gespräche behandelt. Durch solche Gespräche entstehe in der Seele Besonnenheit, und wenn diese entstanden sei, würde es leicht sein, Gesundheit auch dem Kopf und dem übrigen Körper zu verschaffen. Der Arzt aus Thrakien warnte Sokrates, dass er sich von einem Kranken nicht überreden lassen dürfe, den Kopf mit einer Arznei zu behandeln, wenn der Kranke zuvor nicht auch seine Seele dargeboten habe, um sie mit Gesprächen behandeln zu lassen.

Aretaios von Kappadokien verfasste im 1. Jahrhundert n. Chr. ein Lehrbuch über Neurologie, in dem er auch auf Kopfschmerzen einging, eine Kopfschmerzklassifikation vorschlug und die Heterokranie (Migräne) von der Cephalalgie (seltene, leichte Kopfschmerzen) und der Cefalea (häufige starke Kopfschmerzen) abgrenzte.

Im 2. Jahrhundert erweiterte Galen das Konzept und führte die Hemikranie (den halbseitigen Kopfschmerz) auf gelbe Galle zurück, die das Gehirn und die Hirnhaut einer Kopfseite irritiere. Pulsierende Schmerzen würden ihren Ursprung in den Blutgefäßen haben, Spannungsschmerzen in den Sehnen und Nerven.

MITTELALTER

In Mittelasien war Ibn Sina (lateinisch: Avicenna, 980–1037) der herausragende Arzt und Naturwissenschaftler. In seinem fünf Bücher umfassenden Kanon der Medizin stellte Ibn Sina den Stand der medizinischen Wissenschaft und eigene Konzepte systematisch dar. Ins Lateinische übersetzt, blieb das Werk bis ins 16. Jahrhundert eines der wichtigsten Lehrbücher an europäischen Universitäten. Ibn Sina klassifizierte Kopfschmerzen nach ihren Entstehungsmechanismen. Er beobachtete, dass viele Kopfschmerzen nicht auf eine Schädigung des Gehirns zurückzuführen sind und dass Sinneswahrnehmungen nicht gedämpft sind, sondern überaus intensiv sein können, sodass Licht, Geräusche und Gerüche Kopfschmerzen auszulösen vermögen.

Hildegard von Bingen (1098–1179) hat in ihren Schriften Kopfschmerzen und halbseitige Kopfschmerzen unterschieden. Sie war eine teilnahmsvolle Beobachterin und hatte eine originelle Erklärung für den einseitigen Migränekopfschmerz: Niemand könnte derart entsetzliche Schmerzen überleben, bestünden sie auf beiden Seiten des Kopfes. Hildegard beschrieb einen Zusammenhang zwischen Migräne und Melancholie. Ihre Visionen (Abb. 3) wurden auf Migräne-Auren zurückgeführt (vgl. Seite 105).

Abb. 3: Hildegard von Bingen, Vision der Stadt Gottes.

In ihrer „Physica“ führt Hildegard von Bingen mehr als zwei Dutzend Rezepte gegen Kopfschmerzen an. U. a. empfiehlt sie bei Stirnkopfschmerz, zerbissene weiße Erbsen mit Honig zu vermischen und an den Schläfen aufzutragen. Da die Adern der Schläfen die Stärke der Stirn ausmachen, würde damit die Spitze des Schmerzes beseitigt. Der Duft von Bockshornklee, unter die Nase gehalten, würde den üblen Rauch der tosenden Säfte bekämpfen, wenn „jemand in seinem Kopf so große Schmerzen hat, dass er sogar verrückt zu werden scheint“. Oder: „Wer im Kopf Schmerzen hat, so dass er glaubt, dass sein Kopf zerspringt“, soll Törtchen aus zerstoßenem Weihrauch und Semmelmehl mit Eiweiß zubereiten, auf beide Schläfen auflegen und mit einem Tuch locker verbinden. Hildegards Rezepte haben in die moderne Kopfschmerzbehandlung keinen Eingang gefunden. Ob Weihrauch eine Ausnahme darstellt, muss offenbleiben. Berichte über Erfolge bei einzelnen Patient:innen mit Clusterkopfschmerz und anderen heftigen Kopfschmerzen aus unserem Jahrhundert wurden in wissenschaftlichen Studien bislang nicht bestätigt.

15. BIS 17. JAHRHUNDERT

Im 15. und 16. Jahrhundert wurden, wie bereits von Galen beschrieben, pulsierende Kopfschmerzen auf die Blutgefäße und Spannungsschmerzen auf die Nerven zurückgeführt. Im 17. Jahrhundert wurde das Konzept um die Hirnhaut und ihre Gefäße und Nerven erweitert und damit erstmals eine Hypothese formuliert, die auch heute noch aktuell ist. Zudem wurde über Migränesymptome berichtet, die wir heute als Aura bezeichnen. Charles Le Pois, ein Arzt aus Lothringen, beschrieb Migräneanfälle bei einem Mädchen, das er von dessen 12. bis 17. Lebensjahr betreute. Sie hatte starke linksseitige Kopfschmerzen, gefolgt von galligem Erbrechen. Den Kopfschmerzen ging eine Taubheit voraus und „laufende Ameisen“ breiteten sich vom linken kleinen Finger zu den anderen Fingern und den Arm hinauf aus. Spätere Attacken waren weniger stark, oft ausgelöst durch angenehme Gerüche wie Moschus, und immer verbunden mit Taubheit im linken Arm.

Der englische Arzt Thomas Willis schrieb 1672 ein Lehrbuch der Nervenkrankheiten mit zwei Kapiteln über Kopfschmerzen. Unter vielen Annahmen gibt es eine, die davon ausgeht, dass es zunächst zu einer Verengung und dann zu einer Erweiterung der Blutgefäße im Kopf kommen würde – eine Hypothese zur Entstehung der Migräne, die im 20. Jahrhundert allgemein...

Erscheint lt. Verlag 29.4.2024
Reihe/Serie Ratgeber der MedUni Wien
Sprache deutsch
Themenwelt Sachbuch/Ratgeber Gesundheit / Leben / Psychologie
Schlagworte Kopfschmerzen • Migräne • Spannungskopfschmerz • Volkskrankheit
ISBN-10 3-214-25707-2 / 3214257072
ISBN-13 978-3-214-25707-1 / 9783214257071
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