Warum wir sind, wie wir sind -  Johannes Huber,  Stefan Wöhrer

Warum wir sind, wie wir sind (eBook)

Die Medizin entdeckt das Individuum
eBook Download: EPUB
2024 | 1. Auflage
320 Seiten
edition a (Verlag)
978-3-99001-729-6 (ISBN)
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Jeder Mensch braucht eine andere Ernährung, eine andere Form der Bewegung, einen anderen Lebensstil und im Krankheitsfall andere Medikamente und Dosierungen. Die moderne Medizin hat das erkannt und liefert dazu jeden Tag neue, bahnbrechende Forschungsergebnisse. Prof. DDr. Johannes Huber und Priv. Doz. Dr. Stefan Wöhrer zeigen in diesem Buch, was davon schon jetzt konkret anwendbar ist und wie sich die eigenen Besonderheiten einfach entdecken lassen.

Prof. DDr. Johannes Huber studierte Theologie und Medizin. Von 1992 bis 2011 war er Leiter der klinischen Abteilung gynäkologische Endokrinologie im Wiener Allgemeinen Krankenhaus. Er ist in Wien als Arzt tätig, seine Vorträge und Bu?cher machten ihn im gesamten deutschsprachigen Raum bekannt. Priv. Doz. DDr. Stefan Wöhrer ist Facharzt fu?r Innere Medizin, Hämatologie und Onkologie. Seine Ausbildung absolvierte er an der Universität Wien und dem Vancouver General Hospital in Kanada. 2015 gru?ndete er Permedio, das Zentrum fu?r personalisierte Medizin, fu?r die Umsetzung der genomischen Medizin in die klinische Praxis.

KAPITEL ZWEI


Individuelle Heilung für individuelle Menschen


Wir alle sind bis tief hinein in unsere Systemsteuerung einzigartig. Das bedeutet, dass auch Heilung für uns alle auf einzigartigen Wegen verlaufen kann, selbst wenn die Krankheiten und Symptome, für die wir uns Heilung erhoffen, bei verschiedenen Menschen einander gleichen. Das erfordert einen Erkenntnisprozess, der zu den wichtigsten gehört, zu denen uns das Leben in dieser Welt beruft. Wir müssen zunächst erkennen, wie wir wirklich sind, und das nicht nur auf einer philosophischen, sondern auch auf einer sehr pragmatischen biologischen Ebene. Wie schaffen wir das? Die gute Nachricht lautet: Es ist einfacher, als wir vielleicht denken.

»Das ist einfach unglaublich.« Meine Patientin Irmgard Bader (Name geändert) hob reflexhaft eine Hand vor den Mund.

»Was meinen Sie?«, fragte ich.

»Mein Großvater …«, sagte sie.

Mir wurde klar, dass sie sich erst einmal sammeln musste, und ich gab ihr die Zeit dazu. Vor einigen Wochen hatten wir über angeborene Krankheitsrisiken gesprochen, und über die Möglichkeit, das eigene Genom daraufhin zu untersuchen. Sie hatte etwas darüber gelesen und sich selbst zu diesem Schritt entschieden, zur Sicherheit, wie sie gesagt hatte. Nun lag das Ergebnis vor und wir hatten eben die relevanten Punkte daraus besprochen.

Ihr Großvater sei relativ jung gestorben, erzählte sie mir, nachdem ich ihr ein Glas Wasser gebracht hatte. Für sie als Achtjährige sei das ein schwerer Schlag gewesen. Als sportlicher 62-Jähriger habe er eine an und für sich harmlose Operation nicht überlebt und die Ärzte hatten nicht genau gewusst, was da geschehen war. Hinterher sei einfach von aufgetretenen Komplikationen die Rede gewesen. Dass das Schicksal diesen vitalen Mann aus ihrer Mitte gerissen hatte, hatte sich danach als Trauma durch die weitere Familiengeschichte gezogen.

Nun betraf der wichtigste Punkt der Auswertung ihres Gen-Checks den Fall, dass sie sich selbst einer Vollnarkose unterziehen müsste. Bei ihr bestehe dabei aufgrund einer genetischen Mutation die Gefahr einer malignen Hyperthermie, hieß es in der Zusammenfassung der Auswertung.

»Hyperthermie« bedeutet so viel wie »Übererwärmung« und »maligne« so viel wie »bösartig«. Eine maligne Hyperthermie ist eine seltene, aber potenziell lebensbedrohliche Reaktion auf bestimmte Narkosemedikamente. Menschen, die anfällig für maligne Hyperthermie sind, können während einer Operation eine gefährliche und eben auch tödliche Erhöhung der Körpertemperatur erfahren.

»Das muss es dann wohl gewesen sein«, sagte Irmgard Bader. »Daran ist er gestorben und ich habe es von ihm geerbt.«

Ich nickte. »Sie haben Glück. Andere Menschen in Ihrem Alter waren schon mehrmals unter Vollnarkose.«

»Und was ist, wenn ich in Zukunft eine brauche?«

Die moderne Anästhesie kann dieser Komplikation vorbeugen, vorausgesetzt, sie weiß es vorher.

Die Weisheit der Antike


»Erkenne dich selbst.« Dieser Spruch, der im Original »gnothi seauton« lautet, stand spätestens ab Mitte des fünften Jahrhunderts vor Christus neben einem zweiten, »Nichts im Übermaß« (mēdén ágan), an einer Säule der Vorhalle des Apollontempels in Delphi. Als Urheber dieser Aufforderung zu menschlicher Selbsterkenntnis galt in der Antike der Gott Apollon selbst. Strittig war lediglich, welcher Mensch den Spruch zuerst geäußert haben soll, wer also Apollons Wort vermenschlichte.

Schon vor Beginn des vierten Jahrhunderts führten die Geschichtsschreiber die delphischen Sprüche auf sieben Weise zurück. Einer dieser Weisen, Chilon von Sparta, soll demnach auf Gebot Apollons diese Weisheit allen Menschen weitergegeben haben, die von ihm wissen wollten, was sie am ehesten lernen sollten. Aristoteles wiederum schrieb gnothi seauton in seinem Dialog über Philosophie der Pythia zu, also der damals amtierenden weissagenden Priesterin, die im Orakel von Delphi in veränderten Bewusstseinszuständen ihre Prophezeiungen verkündete.

Wichtiger für uns als die historische Einordnung dieser apollonischen Weisheit ist allerdings ihre Bedeutung. Die Forderung, sich selbst zu erkennen, Selbsterkenntnis zu wagen und zu praktizieren, zielte ursprünglich auf das Eingeständnis der Begrenztheit und Hinfälligkeit des Menschen ab. Im Gegensatz zu den Göttern ist der Mensch sterblich, das sollte er zu erkennen versuchen und den Sinn seines Lebens demgemäß hinterfragen. Es ging um die Menschheit und deren prinzipielle Grenzen als Spezies.

Der Spruch diente auch als Warnung vor der Überschätzung individueller Möglichkeiten. In unzähligen Texten und Erzählungen der griechischen Klassik finden wir die Deutung, der Mensch solle sich seiner Rolle, seiner Sterblichkeit, seiner Unvollkommenheit und seiner Begrenztheit bewusst sein. Doch es ging damit nicht um eine quasi göttliche Demütigung des Menschen.

Erkenne dich selbst und du wirst davon profitieren


Der große antike griechische Philosoph Sokrates lebte nach der Überzeugung, der Mensch solle Wissen über das eigene Nichtwissen erlangen. Auch wenn wir Menschen uns heute unserer Sterblichkeit bewusst sind, auch wenn wir wissen, dass unser Handeln und unser Sein gewissen Begrenzungen und Rahmen unterliegen, so gibt es doch noch so vieles, was wir nicht wissen. Damit sind nicht nur Dinge wie die bis heute unerforschten Gebiete der Schwarzen Materie, die Frage nach dem Sinn des Lebens oder gar nach dem Leben nach dem Tod gemeint. Gemeint ist damit auch ein grundlegendes Verständnis von Prozessen, Codes und Verschiedenheiten, die wir alle in uns tragen, die uns alle beeinflussen und auf die wir selbst ebenso Einfluss nehmen können, wie sie auf uns Einfluss nehmen.

Schaffen wir es, uns selbst auf biologischer Ebene zu erkennen und zu verstehen, können wir Einfluss auf unsere Gesundheit, unser Wohlbefinden und unser gesamtes Leben nehmen.

Der Beginn einer neuen medizinischen Ära


Um dies umzusetzen, sollten wir einen Blick auf die gerade boomende personalisierte Medizin werfen.

Die personalisierte Medizin wird sich durchsetzen, und wir alle können schon jetzt unmittelbar von ihren revolutionären Grundgedanken und Möglichkeiten profitieren, wenn wir uns ihrer bewusst sind und es richtig anstellen.

Bereits vor einigen Jahren hat sich die Erkenntnis etabliert, dass Frauen andere Behandlungen brauchen als Männer, andere Medikationen etwa, sowohl in der Art als auch in der Dosierung. Der Begriff dafür lautet Gendermedizin. Sinnvolle und effiziente geschlechterspezifische Heilungsstrategien setzen voraus, dass Ärzte Männer und Frauen nicht mehr weiter pauschalisieren. Darauf folgt nun als nächster Schritt die personalisierte Medizin. Ärzte pauschalisieren Patienten damit nicht mehr, sehen jeden als das, was er ist, und gehen bei ihren Therapien und Behandlungen auf die jeweiligen Besonderheiten ein. Denn nicht nur Mann und Frau unterscheiden sich voneinander, sondern auch alle Menschen von allen anderen, Brüder von Brüdern, Schwestern von Schwestern, Söhne von Vätern und Töchter von Müttern.

Die Chancen der personalisierten Medizin


Als der österreichisch-amerikanische Psychiater, Physiologe, Neurowissenschaftler, Verhaltensbiologe, Biochemiker und Nobelpreisträger Eric Kandel in den 1960er-Jahren an Meeresschnecken forschte, um elektrophysiologische Analysen an Synapsen zu vereinfachen und auf den Menschen zu übertragen, konnte er nicht ahnen, dass er sechzig Jahre später Namensgeber eines der bedeutendsten und innovativsten medizinischen Institute Wiens werden sollte.

Der 1929 in Wien geborene Sohn eines Spielwarenhändlers musste seine Heimat bereits zehn Jahre nach seiner Geburt verlassen. 1939 flüchtete seine Familie in die USA, um dem NS-Regime zu entkommen. Jahre später erhielt er neben einem Stipendium für die Harvard Universität auch die amerikanische Staatsbürgerschaft.

Inspiriert von den Theorien und Lehren Sigmund Freuds, studierte der junge Kandel Medizin, um schließlich Psychiater und Psychoanalytiker zu werden. Kandels Interesse an dem bewussten und unterbewussten Gedächtnis sowie an der Biologie bildeten seine Motivation. Ähnlich wie Freud war Kandel der Auffassung, alle psychischen Vorgänge und Symptome seien letztlich auf physiologische Vorgänge im Gehirn zurückzuführen. So entschloss er sich auch gegen Ende seiner Studienzeit, seine Forschung der Neurowissenschaft und nicht der Psychoanalytik zu widmen.

Jahre später ging Kandel nach Paris. Dort studierte er, trotz Gegenwind und Spott seiner Kollegen, wirbellose Tiere. Um genau zu sein, beschäftigte er sich mit dem Kalifornischen Seehasen, jener besagten Meeresschnecke. Seine Anstrengungen sollten belohnt werden. Die Meeresschnecke konnte Aufschluss über Formen des...

Erscheint lt. Verlag 14.4.2024
Sprache deutsch
Themenwelt Sachbuch/Ratgeber Gesundheit / Leben / Psychologie
ISBN-10 3-99001-729-2 / 3990017292
ISBN-13 978-3-99001-729-6 / 9783990017296
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