Der Rücken-Doc: Skoliose (eBook)
128 Seiten
Trias (Verlag)
978-3-432-11771-3 (ISBN)
<p><strong>Univ.-Prof. Dr. med. Tobias L. Schulte</strong> ist Direktor der Orthopädischen Universitätsklinik am St. Josef-Hospital Bochum. Als einer der renommiertesten Spezialisten auf dem Gebiet der Wirbelsäule und der Skoliose hat er das „Skoliose Zentrum Ruhr“ (<a href="http://www.skoliose.ruhr">www.skoliose.ruhr</a>) gegründet.</p> <p>Neben der universitären Lehre und Weiterbildung in der Klinik organisiert er Online-Weiterbildungen für Studierende, Ärzte und Physiotherapeuten auf dem Gebiet der Orthopädie und Wirbelsäulenmedizin: Orthopädie und Unfallchirurgie TO GO (OU TO GO) (<a href="http://www.outogo.de">www.outogo.de</a>) sowie SPINE TO GO (<a href="http://www.spinetogo.org">www.spinetogo.org</a>) und für Laien die »Rückenvisite« (<a href="http://www.rueckenvisite.ruhr">www.rueckenvisite.ruhr</a>). Er ist sehr aktiv als Referent auf den verschiedensten Kongressen und Veranstaltungen, national wie international. Auch auf dem Gebiet der Forschung steht die Wirbelsäule im Vordergrund. Prof. Schulte zählt zu den TOP-Medizinern für »Wirbelsäulenchirurgie« und »Chronische Schmerzen« der FOCUS-Ärzteliste und ist von der Deutschen Wirbelsäulengesellschaft DWG zertifiziert. Als Vertreter der DWG war Prof. Schulte federführend als Hauptautor und Organisator beteiligt an der 2023 erschienenen neuen S2k-Leitlinie »Adoleszente Idiopathische Skoliose«.</p> <p><strong>Frauke Mecher</strong> arbeitet als Physiotherapeutin in Braunschweig. Schwerpunkt in ihrer Praxis ist die Behandlung von Säuglingen, Kindern und Jugendlichen mit neurologischen und orthopädischen Krankheitsbildern. Sie ist Beiratssprecherin, Leiterin der Arbeitsgemeinschaft Vojta sowie Mitglied der Fachkommission Physiotherapie in der Pädiatrie im Berufsverband der Physiotherapeuten /Physio-Deutschland. Als Mandatsträgerin hat sie an pädiatrischen Leitlinien, u.a. zur Adoleszenten Idiopathischen Skoliose mitgewirkt und war als Co-Autorin für Fachbücher tätig. Sie ist für den Berufsverband die Ansprechpartnerin zu allen Fragen der Physiotherapie in der Pädiatrie.</p>
Diagnostik der AIS
Wie bei jedem medizinischen Problem steht am Anfang die genaue Abklärung. Tatsächlich kann der erste Schritt selbst gemacht werden.
Wie erkenne ich selbst eine Skoliose?
Bei vielen Betroffenen liegt ein Schultertiefstand auf einer Seite vor, d. h., beim Blick in den Spiegel fällt auf, dass die eine Schulter höher bzw. tiefer steht als die andere Schulter.
Zusätzlich haben viele Patienten eine Asymmetrie der »Taillendreiecke«. Auch dies ist im Spiegel selbst zu erkennen: Die Einwölbungen (Taillen) rechts und links am Bauch sind bei frontaler Ansicht im Spiegel von vorne nicht ganz symmetrisch.
Der Rippenbuckel und der ▶ Lendenwulst sind vom Patienten selbst beim Blick in den Spiegel in der Regel nicht gut zu erkennen, weil sie hinten am Rücken liegen. Häufig fallen diese beiden Veränderungen allerdings den Familienangehörigen auf. Der wichtigste Diagnostik-Test zur Bestimmung von Rippenbuckel und Lendenwulst ist der »Vorneige-Test«. Bei diesem steht der Patient aufrecht und beugt dann den Rumpf bei gestreckten Beinen nach vorne. In dieser Vorneige kann man bei Aufsicht von hinten auf den Rücken den Rippenbuckel und den Lendenwulst optimal sehen. Wenn in Vorneige der Rücken rechts und links unterschiedlich hoch wirkt, sollte ein Arzt aufgesucht werden, der eine Skoliose-Diagnostik in die Wege leiten kann.
Ein weiterer Faktor ist der Rumpfüberhang: Normalerweise ist der Oberkörper mittig über dem Becken positioniert. Bei Skoliosen wandert häufig der Oberkörper etwas nach rechts oder links in Bezug zum Becken. Fällt man im Stand ein Lot von der Halswirbelsäule nach unten, so kommt es im gesunden Fall genau in der »Poritze« zum Liegen. Bei Skoliosen fällt das Lot häufig einige Zentimeter rechts oder links daneben. Dieser Effekt kann in der Regel nicht vom Patienten selbst gesehen werden, wohl aber von Familienangehörigen.
Oben: Rippenbuckel und Lendenwulst im Stand und in Vorneige.
Mitte: Im Idealfall rechts und links symmetrische Verhältsnisse beim Gesunden in der Transversalebene.
Unten: Situation bei Skoliosen: (a) Im Scheitel der Skoliose sind Wirbel und angrenzende Rippen verdreht um die Körperlängsachse. Zudem ist die Form der Rippen konkavseitig (b) und konvexseitig (c) ungleich. Beide Effekte führen zu Rippenbuckel und Lendenwulst.
Wenn bereits eine Skoliose bei einem Familienmitglied bekannt ist, sollte man besonders wachsam auf die genannten Auffälligkeiten achten, da die adoleszente idiopathische Skoliose, wie bereits erwähnt, zum Teil genetisch bedingt ist.
Siehe auch ▶ »Was gehört zu einer klinischen Untersuchung?«.
Wie entstehen Rippenbuckel und Lendenwulst?
Bei einer Skoliose sind die einzelnen Wirbelknochen vor allem im Bereich des »Skoliose-Scheitels« (des Wirbels, der in der Frontalansicht am weitesten von der Mittellinie des Körpers entfernt ist) um die Längsachse der Wirbel verdreht. Dies nennt man Wirbelrotation.
Im Bereich der Brustwirbelsäule sind rechts und links Rippen an den Wirbelknochen fixiert. Wenn der Wirbel sich im Rahmen der Skoliose nun um seine Längsachse verdreht, so drehen sich die Rippen auf der einen Seite nach hinten und bilden den Rippenbuckel, auf der Gegenseite drehen die Rippen sich nach vorne und bilden das sogenannte Rippental. Zu diesem Dreheffekt der Rippen, welcher zum Rippenbuckel beiträgt, kommt hinzu, dass die Form der Rippen rechts und links bei Skoliose-Patienten nicht symmetrisch gleich ist, sondern dass die Rippen in der Regel komplett asymmetrisch gewachsen sind.
Im Bereich der Lendenwirbelsäule, an der es keine Rippen gibt, führt die Verdrehung der Lendenwirbel dazu, dass die Rückenmuskulatur, die auf den Querfortsätzen der Wirbel rechts und links liegt, auf der einen Seite nach hinten vorgewölbt wird, hier entsteht der Lendenwulst. Auf der anderen Seite schiebt sich die Rückenmuskulatur nach vorne.
Rippenbuckel und Lendenwulst zeigen sich besonders gut, wenn der Patient mit gestreckten Beinen steht und dann den Oberkörper nach vorne beugt (Vorneige-Test).
Was gehört zu einer klinischen Untersuchung?
Bei der klinischen Untersuchung einer adoleszenten idiopathischen Skoliose verschafft sich der Therapeut einen grundlegenden Überblick über die körperliche Situation des Patienten. Dazu gehören eine orientierende orthopädische sowie eine neurologische Untersuchung. Die Bestimmung von Körpergröße und Körpergewicht sowie die Suche nach gegebenenfalls vorliegenden Schmerzen und deren genauem Herkunftsort sind wichtig. Da die Behandlung einer adoleszenten idiopathischen Skoliose abhängig vom Alter des Patienten ist, ist der Zeitpunkt der ersten Regelblutung bei Mädchen wichtig.
Die klinische Untersuchung wird immer bei entkleidetem Oberkörper im entspannten aufrechten Stand durchgeführt, da das Ausmaß einer Verkrümmung der Wirbelsäule im Stand unter Belastung der Wirbelsäule durch das Gewicht des Oberkörpers größer ist als im Liegen. Sonst besteht die Gefahr einer Unterschätzung des Ausmaßes einer Skoliose.
Zu den spezifischen klinischen Untersuchungsmerkmalen einer Skoliose gehören die Bestimmung des Schulterstandes, des Beckenstandes und eines Rumpfüberhanges in der frontalen Ebene (Ansicht von hinten) sowie die Bewertung der Symmetrie der Taillendreiecke und die Quantifizierung des Rippenbuckels und des Lendenwulstes mittels eines Skoliometers (Wasserwaage). Fällt bei der klinischen Untersuchung ein Rippenbuckel oder ein Lendenwulst von 5° oder mehr auf, sollte zur Diagnosesicherung ein Röntgenbild angefertigt werden. Zudem wird nach Rumpf- und Rippen- bzw. Brustkorbasymmetrien geschaut.
Bei der klinischen Untersuchung ist eine Berücksichtigung einer Beinlängendifferenz wichtig. So kann eine echte Beinlängendifferenz z. B. zu einer »funktionellen Skoliose« führen, welche eine echte adoleszente idiopathischen Skoliose vortäuschen kann.
Gibt es Labortests?
Laboruntersuchungen spielen in der normalen Diagnostik einer adoleszenten idiopathischen Skoliose derzeit keine Rolle. Es gibt keine einfachen Laborparameter, die man aus einer Blutprobe oder einer Urinprobe bestimmen könnte, welche die Wahrscheinlichkeit einer Entstehung einer adoleszenten idiopathischen Skoliose oder einer Krümmungszunahme einer Skoliose vorhersagen können.
Derzeit gibt es auch keinen eindeutig empfehlenswerten Gentest, der das Risiko einer Skoliose-Entstehung oder Skoliose-Verschlechterung vorhersagen könnte. Es gibt zwar immer mehr Studien, die die Genetik der adoleszenten idiopathischen Skoliose untersuchen und die auch einzelne Gene finden, die mit ihr assoziiert sind. Ein klinisch verlässlicher Routinetest für den Alltag liegt aber noch nicht vor.
Wie hilft uns das Röntgen?
Es ist wichtig, dass im Rahmen der Skoliose-Diagnostik Röntgenbilder angefertigt werden, auf denen die gesamte Wirbelsäule abgebildet ist (Ganzwirbelsäulen-Aufnahmen). Das Anfertigen von einzelnen Röntgenbildern (z. B. der Brustwirbelsäule und getrennt davon der Lendenwirbelsäule) wird nicht empfohlen. Die Position der Wirbelsäule im Raum ist sehr wichtig: Im Liegen wirken deutlich weniger Kräfte auf die Wirbelsäule als im Sitzen oder im Stehen. Es ist daher entscheidend, dass die Röntgenaufnahmen, wenn möglich, im Stehen gemacht werden, da nur dann die gesamte Last des Oberkörpers auf die Wirbelsäule einwirkt und die Krümmung im Stand in der Regel größer ist als z. B. im Liegen. Im Liegen wird eine Skoliose also oft massiv unterschätzt.
Liegt eine Beinlängendifferenz vor, so sollte beim Anfertigen der Röntgenbilder diese Beinlängendifferenz ausgeglichen werden, z. B. durch das Unterlegen von Holzbrettchen unter das zu kurze Bein. Die Wirbelsäule ist über dem Becken positioniert und das Ausmaß einer Skoliose ist unter anderem abhängig davon, ob die Wirbelsäule auf einem horizontalen Becken oder auf einem schräg abfallenden Becken steht. Das wahre Ausmaß einer Skoliose kann nur bei horizontalem Becken bestimmt werden.
Das Ausmaß einer Skoliose-Krümmung wird üblicherweise durch den »Cobb-Winkel« bezeichnet. Der gemessene Winkel hilft bei der Beurteilung des Schweregrads der Skoliose und bei der Entscheidungsfindung bezüglich der besten Behandlungsoption. Ein Cobb-Winkel von 10° und mehr wird als Skoliose diagnostiziert. Ein Winkel unter 10° wird als »skoliotische Fehlhaltung« diagnostiziert. Zu beachten ist, dass es beim Bestimmen des Cobb-Winkels einen Messfehler von ca. 3° gibt: Das bedeutet, dass je nach Untersucher beim Ausmessen derselben Krümmung im selben Bild durchaus kleine Unterschiede der Winkelbestimmung auftreten können.
Beispiel der Vermessung des Cobb-Winkels (grün) einer rechtskonvexen thorakalen Krümmung. Quelle: Katholisches Klinikum Bochum gGmbH
(© Katholisches Klinikum Bochum gGmbH)
Neben den normalen Röntgenbildern der ganzen Wirbelsäule...
Erscheint lt. Verlag | 10.4.2024 |
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Reihe/Serie | TRIAS Rücken-Doc |
Sprache | deutsch |
Themenwelt | Sachbuch/Ratgeber ► Gesundheit / Leben / Psychologie ► Krankheiten / Heilverfahren |
Schlagworte | Behandlung Skoliose • Diagnose Skoliose • Entstehung Skoliose • Idiopathische Skoliose • Korsett • Krankengymnastik • krumme Wirbelsäule • Kyphose • Operation Skoliose • OP Skoliose • Physiotherapie • Prognose Skoliose • Rippenbuckel • Rückenschmerz • Schroth-Therapie • Skoliose • Skoliose Korsett • Skoliose OP • Skoliose Schlafposition • Symptome Skoliose • Therapie Skoliose • Übungen Skoliose • Untersuchung Skoliose • Ursache Skoliose • Wirbelsäule |
ISBN-10 | 3-432-11771-X / 343211771X |
ISBN-13 | 978-3-432-11771-3 / 9783432117713 |
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Größe: 4,2 MB
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