Hui Jia! Shanghai, ich will noch nicht gehen -  Petra Kindermann-Erfort

Hui Jia! Shanghai, ich will noch nicht gehen (eBook)

eBook Download: EPUB
2024 | 1. Auflage
376 Seiten
tredition (Verlag)
978-3-384-16909-9 (ISBN)
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Im Winter 2019 fällt für die fünfköpfige Familie der Autorin die Entscheidung, aus beruflichen Gründen für drei Jahre nach Shanghai zu ziehen. Um die Kinder nicht mitten im Schuljahr aus ihrer vertrauten Umgebung zu reißen, begibt sich ihr Mann kurz darauf zunächst alleine auf die Reise. Gemeinsam möchten sie auf beiden Seiten der Welt ihren Umzug vorbereiten, um nach den Sommerferien ihren neuen Wohnort in China zu beziehen. Doch als sich im Januar 2020 genau dort Corona zur Pandemie entwickelt, drohen ihre Pläne zu scheitern. Die Autorin erzählt, wie die Familie es dennoch schafft, ihr Vorhaben zu realisieren und schildert die Anstrengungen und Hürden, die mit den Vorbereitungen in Deutschland verbunden sind. In China angekommen, berichtet sie von den zahlreichen Erlebnissen unter dem starken Einfluss von Covid-19, beginnend mit der strapaziösen Einreise und der darauffolgenden zweiwöchigen Quarantäne in Qingdao über die erstaunlich positiv verlaufende Anfangszeit und den Aufbau eines neuen Lebens in Shanghai bis hin zum zweimonatigen harten Lockdown in 2022. Es zeigt sich, dass die Pandemie durchaus auch positive Auswirkungen auf das freundschaftliche Zusammenleben in einem deutsch-französischen Compound haben kann. Die Bewohner werden so zusammengeschweißt, dass selbst eine für deutsche Verhältnisse unvorstellbar konsequente Ausgangssperre mit Engpässen bei der Lebensmittellieferung der engen Expatgemeinschaft nichts anhaben kann. Neben Corona werden dabei Themen wie Einreisebestimmungen, Schule, das Erlernen der chinesischen Sprache, soziale Kontakte, Reisen und die Bewältigung des alltäglichen Lebens in China behandelt, ebenso wie die besonderen kulturellen Eigenheiten, die für Ausländer voller Tücken stecken. Auf den strengen Lockdown mit all seinen Schrecken und damit einhergehenden psychischen Belastungen folgt die abrupte und unfreiwillige Beendigung der Auslandsentsendung, die für die gesamte Familie inmitten der Herausforderungen des umgekehrten Kulturschocks zur Zerreißprobe wird.

3.

Wie rasch ist Abschied genommen, wie lange dauert es bis zum Wiedersehen!

(Konfuzius)

Pünktlich am 1. Januar 2020, wir waren extra früh an Silvester zu Bett gegangen, saß mein Mann im Flieger. Wir hatten ihn natürlich alle recht betrübt zum Frankfurter Flughafen begleitet, und das Letzte, was wir von ihm sahen, war seine blaue Winterjacke von hinten, als er durch die Sicherheitskontrolle ging.

Nun stand ich da mit unseren drei weinenden Töchtern.

Ich riet ihnen, sich einfach vorzustellen, dass ihr Papa auf Dienstreise ging und alle sechs Wochen zu Besuch zurückkommen würde (was noch nicht einmal gelogen war, denn so hatten wir es bis zu unserer eigenen Ausreise zumindest geplant).

Natürlich wären wir alle lieber zu Jahresanfang mit ihm nach Shanghai gegangen. Im Nachhinein hätten wir das auch getan, wenn wir auch nur im Entferntesten geahnt hätten, was auf uns zukommen würde. Wir mochten die Kinder aber nicht aus ihrem Schuljahr reißen und planten, im Juli nachzukommen. Auch hatten wir vor, unser Haus für die vorgesehene Expatzeit von drei Jahren zu vermieten, was sorgfältige Vorbereitung erforderte. Ein sogenannter Look-and-See-Trip für April war ebenfalls geplant, um Stadt und Leute kennenzulernen und uns einen Überblick über in Frage kommende Compounds und Häuser zu verschaffen.

Niemand konnte ahnen, dass alles anders kommen würde - Corona eroberte die Welt und warf all unsere Pläne über den Haufen. Aber nur fast!

Ein guter Anfang ist die Hälfte des Erfolges

(Konfuzius)

Die Killer-App

Was tut man mit seinen drei in Tränen aufgelösten Mädchen, wenn Papa mal kurz auf die andere Seite der Welt jettet? Wir verbrachten noch einige Zeit im Frankfurter Flughafen, aßen eine Kleinigkeit und legten uns schließlich eine umfangreiche, farbenfrohe Koffersammlung zu, um gut vorbereitet auf unseren langen Flug nach Shanghai zu sein. Kurz zuvor hatten wir nämlich während eines Familienurlaubs erlebt, wie es sich anfühlt, vier Tage ohne Koffer auszukommen – eine Erfahrung, die wir in Zukunft tunlichst vermeiden wollten. Dazu besorgten wir natürlich kabinentaugliche Teile, die uns später bei der Ausreise nicht viel nutzten. Unsere Umzugsmänner hatten so schnell gearbeitet, dass die Koffer allesamt im Container unseres Umzugsunternehmens landeten.

Zu Hause angekommen, verfolgten wir gedanklich den Flug meines Mannes. Eigentlich war es nichts Besonderes, wenn er auf Dienstreise ging. Schließlich war es nicht das erste Mal, dass er unterwegs war. Der Unterschied diesmal war die Gewissheit, dass auch wir bald denselben Weg nehmen würden. Wir konnten es jedenfalls kaum erwarten, von ihm zu lesen und zu hören, wie es in unserer zukünftigen neuen Heimat wohl sein würde und wie wir uns trotz der gefürchteten Firewall verständigen könnten.

Alleine unsere große Tochter Hedi hatte es geschafft, WeChat, quasi die chinesische Variante von WhatsApp nur mit sehr viel mehr Funktionen, herunterzuladen. Und hier kommt meine erste und wichtigste Warnung: Ohne WeChat ist man in China aufgeschmissen. Am besten lädt man es sich noch vor der Ausreise herunter. Die Kombination von Handy und WeChat ist in China mehr als unverzichtbar. Hätte mir das jemand vorher gesagt, ich hätte diesem nicht den Vogel gezeigt, sondern Himmel und Hölle in Bewegung gesetzt, um mir nicht nur diese App zu installieren (was ich bereits getan hatte), sondern auch alles dafür gegeben, dass sie auch einwandfrei funktioniert. Mein Konto wurde nämlich genau einen Tag nach der anfänglich erfolgreichen Installation auf meinem Handy aufgrund angeblicher „illegaler Handlungen“ stillgelegt, obwohl ich es gar nicht genutzt hatte. Ich denke, die Chinesen mochten meine deutsche Nummer einfach nicht. Alle Versuche, wieder Zugriff auf die App zu bekommen, waren erfolglos.

Ich gab auf und beruhigte mich damit, dass ich, solange ich keine chinesische Nummer besaß, einfach wichtige Nachrichten auf dem Handy meiner Tochter Hedi lesen würde. Im Nachhinein hätte ich mir wirklich die Mühe machen sollen, sogar noch in Deutschland eine neue Nummer zu besorgen und es mit dieser zu versuchen. Denn wenn eine Person mit einer bestimmten Nummer quasi zur „persona non grata“ in der WeChat-Welt wird, ist alles vorbei.

Die ursprüngliche Planung sah vor, dass mein Mann mir während einer seiner vorgesehenen Dienstreisen aus China eine chinesische SIM-Karte nach Deutschland mitbringen würde. Mit chinesischen Telefonnummern gibt es in der Regel bei WeChat keine Probleme. Bedauerlicherweise blieb es jedoch bei einem einzigen Besuch, aber auch das konnte man im Voraus nicht wissen.

Zurück zu unserem Abschied: Als wir zu Hause ungefähr kalkuliert hatten, dass mein Mann in seinem neuen Domizil, einem sogenannten Serviced Apartment in der French Concession, einem bei Ausländern sehr beliebten Viertel mit von Platanen gesäumten Straßen, angekommen war, erwarteten wir gespannt irgendeine Art von Nachricht von ihm.

Unsere Freude kannte keine Grenzen, als auf Hedis WeChat plötzlich ein Foto nach dem anderen auftauchte. Zuerst erblickten wir seine uns wohlbekannte blaue Winterjacke vom Frankfurter Flughafen, die auf einer Stuhllehne hing, und riefen alle laut im Chor: „Papa lebt!“.

Er berichtete uns, dass er gut auf dem Flughafen in Pudong gelandet und von seiner Assistentin und seinem Fahrer abgeholt worden war.

WhatsApp funktionierte in den nachfolgenden Tagen gelegentlich, ebenso der Facebook Messenger, meist jedoch nur dann, wenn mein Mann Zugang zu einem stabilen WLAN in China hatte. Ich tröstete mich mit den gut gemeinten Worten einer Bekannten, die häufig nach Shanghai reiste. Sie versicherte mir, dass die Kommunikation viel reibungsloser verlaufen würde, sobald man ein eigenes technisch gut ausgestattetes Zuhause bezogen hätte. Außerdem betonte sie, dass mit einem VPN sowieso alles möglich sei. Ausländern sei dies inoffiziell sogar erlaubt.

Mein Mann hielt uns ständig auf dem Laufenden. Gleich zu Beginn gab es eine Veranstaltung in der etwa 80 Kilometer entfernten Nachbarstadt Suzhou, bei der er zusammen mit seinem Chef und den neuen Kollegen vor Publikum tanzen und eine Antrittsrede halten sollte. Auf den wohlmeinenden Rat seiner bereits in Shanghai tätigen Kollegen hin hatte er sich vorher dafür bereits in Deutschland entsprechend eingekleidet und sich einen Smoking besorgt, den er laut seinen Mitarbeitern sowieso für zahlreiche weitere gesellschaftliche Ereignisse wie den alljährlich in Shanghai stattfindenden Deutschen Ball unbedingt benötigen würde. So hatte er sich vor seiner Abreise einen eleganten Anzug mit Fliege zugelegt, den er letztendlich doch nicht trug.

Stattdessen zeigten uns die zugesandten Fotos Männer in silberfarbenen Anzügen, die große Fliegenbrillen trugen und Mikrofone in den Händen hielten. In einem Video sangen sie fröhlich und schienen bester Laune zu sein. Die gute Stimmung konnten wir geradezu spüren. Seine chinesischen Kollegen wirkten alle recht entspannt und humorvoll. Das beruhigte uns zunächst. Es schien unserem Papa gut zu gehen.

Habe acht auf deinen Namen, denn er wird dir länger bleiben als ein großer Goldschatz

(Chinesisches Sprichwort)

Clare & Co.

Unter den Gästen befand sich auch die Assistentin meines Mannes, die den, wie ich finde, hübschen Namen Clare trug, was mich sofort an eine „Claire“ aus einer berühmten amerikanischen Serie erinnerte. Zwar schrieb sich die chinesische Clare etwas anders, aber phonetisch macht das keinen Unterschied.

Chinesen, die öfters mit dem Ausland zu tun haben, geben sich gerne englische Namen, wurde mir erklärt. Einerseits klingt das natürlich viel cooler, andererseits sind Namen aus dem Westen für uns „laowais“, wie die Chinesen uns Westler nennen - was übersetzt „Langnasen“ bedeutet - viel leichter zu merken und natürlich auch auszusprechen.

Im Laufe der Zeit begegneten mir zum Beispiel eine Apple (meine erste Chinesischlehrerin), eine Summer (die spätere Nachfolgerin von Clare), eine Jenny (meine zweite Nageldesignerin) und, wenn es um männliche Personen ging, ein David (unser erster Fahrer).

Der Nachfolger von David schien nicht allzu viel Gefallen an westlichen Namen zu finden und teilte uns gleich beim ersten Kennenlernen mit, dass er schlicht als Mr. Wang angesprochen werden wollte. „Wang“ ist einer der gebräuchlichsten Familiennamen in China und bedeutet wörtlich „König“. Kein Wunder also, dass er mit seinem Namen trotz der Häufigkeit recht zufrieden zu sein schien.

Was ich zu dieser Zeit noch nicht ahnen konnte, war die Tatsache, dass ich selbst mit meinen beiden typisch deutschen Vornamen (der zweite existiert eigentlich nur auf dem Papier) und meinem viel zu langen Doppelnamen als Nachname (Augen auf bei der Wahl des Ehenamens!) etliche Probleme haben würde. Doch leider konnte ich mir im Gegensatz zu den Chinesen nicht ganz so einfach einen anderen Namen aussuchen.

Wenn...

Erscheint lt. Verlag 14.3.2024
Sprache deutsch
Themenwelt Sachbuch/Ratgeber Gesundheit / Leben / Psychologie Lebenshilfe / Lebensführung
ISBN-10 3-384-16909-3 / 3384169093
ISBN-13 978-3-384-16909-9 / 9783384169099
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