Von wegen aufgeklärt! -  Jan-Uwe Rogge

Von wegen aufgeklärt! (eBook)

Sexualität bei Kindern und Jugendlichen
eBook Download: EPUB
2024 | 1. Auflage
256 Seiten
Rowohlt Verlag GmbH
978-3-644-01977-5 (ISBN)
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Aufgeklärt, aber ahnungslos Es geht heute nicht einfach um Aufklärung, sondern um Sexualerziehung und darum, dass gerade Sexualität in der modernen Gesellschaft bei Kindern und Jugendlichen viele Fragen offenlässt.  Aus dem Inhalt:  «Warum schmeckt das Kondom nach Erdbeere?» Wenn der Wissensdurst die Sprache verschlägt «Was mach ihr denn da?» Der Blick ins Elternschlafzimmer «Das macht so'n Spaß!» Über Selbstbefriedigung «Wie bin ich denn in deinen Bauch gekommen?» Wichtige Fragen und wahrhaftige Antworten «Ist einfach nur geil!» Vom Umgang mit der Pornografie «Ich muss bei dir Fieber messen!» Über Doktorspiele «Das machen doch alle!» Über (zu) frühen Sex in der Pubertät «Mein Kind fasst alles an!» Vom Schmusen und Streicheln «Wie kann ich's ihnen erklären?» Über Sexualität reden

Jan-Uwe Rogge gilt als Deutschlands erfolgreichster Erziehungsexperte. Er ist Familien- und Kommunikationsberater sowie Buchautor. Seit Jahrzehnten liefert er Antworten auf Fragen, die Eltern bewegen. Er hält Vorträge und führt Seminare im In- und Ausland durch. Seine Bücher sind Klassiker der Elternliteratur und Bestseller, sie wurden in mehr als 20 Sprachen übersetzt. Er ist als Experte regelmäßiger Gast in zahlreichen Rundfunk- und Fernsehsendungen. Rogge lebt in der Nähe von Hamburg.

Schmusebär und Trotzkopf Vom Säugling zum Kleinkind


Der Mensch – so die alltägliche Beobachtung von Eltern und das Ergebnis von vielen wissenschaftlichen Untersuchungen – hat vom ersten Tag an sexuelle Gefühle. Sexualität fängt bereits mit der Geburt an. So leicht sich diese Feststellung schreibt, sie ist für viele nicht einfach zu akzeptieren. Sexuelle Handlungen und Reaktionen – gerade von Babys oder Kleinkindern – werden übersehen, nicht wahrgenommen, gar tabuisiert.

Lange Zeit – bis in die Gegenwart hinein – war es allgemeine Meinung, Kinder hätten keine sexuellen Gefühle und deshalb habe man sie so lange wie möglich von allem fern zu halten, was auch nur im Entferntesten mit Sexualität zusammenhängt oder die sexuelle Neugier eines Heranwachsenden wecken könnte. Sexualerziehung war eben nicht vonnöten oder wurde als Kampf gegen etwas inszeniert, was es nicht zu geben hat. Man betrachtete Kinder als a-sexuelle Wesen. Lust- und Körperfeindlichkeit war oberste Prämisse. Alles, was man mit Sinnlichkeit in Zusammenhang bringen konnte, war verpönt oder untersagt.

Dabei können Babys vom ersten Schrei an nicht nur durch ihre Geschlechtsorgane, sondern durch ihren Körper Lust empfinden. Sie sind entsprechend neurophysiologisch ausgestattet.

Sigmund Freud nannte Säuglinge und Kleinkinder «polymorph pervers» – ein sehr nüchterner Ausdruck, der die Empfindungen der Kinder bis zum zweiten Lebensjahr eher abstrakt umschreibt. «Polymorph pervers» – mit vielgestaltig empfindend oder veranlagt positiv übersetzt – umschreibt die Fähigkeit der ganz «Kleinen», sich über Mund- und Hautkontakt Lustgefühle zu verschaffen.

Mit dem Mund erobert und erkundet es seine Welt: Die Finger werden in unendlichen Wiederholungen in den Mund gesteckt, der Daumen landet im Mundwinkel, und es wird – mal versonnen, mal heftig – daran genuckelt, verschiedene Gegenstände – mal große, mal kleine – werden mit den Lippen abgetastet und wie die Kuschelpuppe mit Speichel benetzt, damit sie zu unverwechselbaren Objekten der Beruhigung und Begierde werden.

Mit dem Mund saugt das Baby an der mütterlichen Brust, später an der Milchflasche. Der Hautkontakt, das liebevolle Streicheln gibt dem Kind das Gefühl der Geborgenheit, des Gehaltenwerdens, des Aufgehobenseins. Das Baby wird gebadet, gewickelt, eingecremt. Arme und Beine, Brust und Rücken, der Po, die Scheide oder der Penis werden vorsichtig berührt, vielleicht liebkost, alles begleitet von einem elterlichen Lächeln. Das Kind fühlt sich wohl, mit seinem ganzen Körper angenommen. Es entspannt sich, lässt sich fallen, lächelt zurück, will immer mehr in unendlichen Wiederholungen. Alle Lust will Ewigkeit.

Fehlt die körperliche Berührung, erlebt das Kind keine Zärtlichkeit, kann es das als Ablehnung, Abneigung oder unpersönliche Distanz deuten. Nur über den Hautkontakt erfährt der Säugling Liebe, Nähe und Zuneigung. Die Wärme kann durchaus stimulierend sein. Mancher Junge bekommt eine Erektion. Doch ist solch «reflexhafte sexuelle Reaktion» – so die Psychologin Bettina Schuhrke – allerdings schon im vorgeburtlichen Zustand zu beobachten.

 

«Als Jonas etwa drei Monate alt war, hat der mit einem Mal einen steifen Penis», erzählt eine Mutter. «Ich war ziemlich irritiert. Ich dachte, was das denn zu bedeuten habe? Und als mein Mann das sah, lachte der nur. Das ginge bei dem ja schon früh los. Aber im Grunde genommen war der genauso irritiert wie ich!» «Als ich das mal einer Freundin erzählte, dass Arne mit zwei Monaten schon einen kleinen Ständer hatte», erinnert sich eine andere Mutter, «da sagte meine Schwiegermutter, ich solle einen kalten Waschlappen drauf legen, dann würde das schnell vergehen!»

«Reflexhafte sexuelle Reaktionen» sind Zeichen für eine normale emotionale und körperliche Entwicklung, in der sich das Kind wohl fühlt.

 

Erektionen haben nichts mit sexuellem Begehren zu tun, sondern deuten auf drei ganz unterschiedliche Hintergründe hin:

  • Die Erektion, bei Mädchen ist es die feuchte Vagina oder die leicht gereizte Klitoris, kann darauf hinweisen, wie aufgehoben sich das Kind fühlt. Wenn diese sexuelle Regung unterbleibt, ist das aber noch längst kein Hinweis darauf, dass sich das Kind abgelehnt oder ungeliebt vorkommt.

  • Eine Erektion kann ganz vordergründig auf eine volle Harnblase oder ein dringendes Bedürfnis: «Ich muss mal!» hindeuten.

  • Schließlich haben Erektionen mit starken Muskelanspannungen zu tun, wie sie in Stresssituationen, bei gefühlsmäßigen Unsicherheiten oder physiologischer Unruhe auftreten. Solche Erektionen weisen darauf hin: «Ich habe Angst!» oder: «Ich fühle mich nicht wohl!»

Mitte des ersten Lebensjahres kommt es – vor allem bei Jungen – zu ersten, meist zufälligen Berührungen der Genitalien. Diese eher spielerischen Berührungen, die bei Mädchen etwas später beginnen, verändern sich um den zwölften Lebensmonat in eine durchaus bewusste, mit Absicht herbeigeführte Stimulation. Das Kind genießt dies – allerdings sollte man dann nicht von Selbstbefriedigung reden.

Das Berühren der Genitalien geht freilich mit Symptomen körperlicher Erregung einher: Die kleinen Kinder lächeln versonnen, die Haut rötet sich, viele fangen an zu schwitzen, das Gesicht weist eine lustvolle Mimik auf, und aus dem Mund ertönen wohlige Laute. Dabei überrascht viele Erwachsene die Heftigkeit, mit der sich die kleinen Kinder stimulieren. «Wie der seinen Penis in die Länge gezogen hat», schüttelt die Mutter des zweijährigen Jannik den Kopf, «also ich dachte, der reißt sich seinen Zipfel ab. Das tut doch weh, habe ich zu ihm gesagt, aber der hat nur gegrinst und ihn noch länger gezogen. Also ich weiß nicht! Das geht doch auch behutsamer!» «Meine Anna», lächelt die Mutter, «die hat ja keinen Penis, an dem sie zupfen kann, aber die ist nun knapp zwei, holt sich ihren Teddy, den presst sie zwischen die Schenkel und ab geht die Post: Sie schaukelt, sie schaukelt sich hoch, sie steigert sich da völlig rein! Knallrotes Gesicht, Schweißperlen auf der Stirn! Das kann man kaum glauben, wie die sich da reinschafft!» Ob nun Säuglinge oder kleine Kinder schon orgasmusfähig sind – wie der Sexualforscher Kinsey vermutet hat – oder ob die Selbststimulation dazu benutzt wird, einen als angenehm empfundenen Erregungszustand herzustellen, die Motive für die Selbstbefriedigung in diesem Alter sind ebenso vielschichtig wie vielfältig:

  • Die Masturbation dient dazu, auf eine selbst bestimmte Art und Weise lustvolle, intensiv erlebbare Gefühle herzustellen, sich an diesen Emotionen zu berauschen, sich in ihnen zu verlieren. «Wenn ich diese glasigen Augen meines Sohnes sehe, wenn er die Vorhaut hin- und herschiebt, dann wird mir angst und bange», berichtet die Mutter des zweijährigen Michael. «Der ist völlig unansprechbar!»

  • Manche Kinder befriedigen sich, um sich zu beruhigen, Spannungen abzuleiten, eine ausgeglichene physiologische Balance herzustellen. «Immer wenn mein Benjamin irgendwie besonders aufgeregt war», so beobachtet die Mutter ihren zweijährigen Buben, «dann zieht er sich zurück, spielt an seinem Penis und kommt wie verwandelt zurück.» «Genau, das bemerke ich auch», lächelt die Mutter der zweijährigen Tina. «Da ist sie wegen irgendetwas völlig aufgedreht, da nimmt sie sich ihr Kuscheltier, rubbelt darauf herum, wie verrückt, hin und her und her und hin. Sie atmet immer schneller, immer schneller. Mit einem Mal bricht sie ab, legt sich hin, Daumen in den Mund, und dann pennt sie plötzlich ein!»

Häufiges Onanieren kann aber – besonders ab dem dritten Lebensjahr, wenn es nicht in einem intimen Rahmen geschieht, sondern vor aller Augen und Ohren, ein Hinweis auf eine unbefriedigende, unausgeglichene, spannungsvolle und emotionale Lebenssituation sein. Das Kind macht dann durch sein öffentliches Handeln darauf aufmerksam.

Jungen befriedigen sich früher als Mädchen

«Am Penis zu ziehen oder ihn zu rollen», so Bettina Schuhrke, «mag für Jungen besonders stimulierend sein, für Mädchen ist es vor allem ein Hin- und Herschieben des Gewebes der Genitalregionen, das Reiben und das Ausüben von Druck.» Dabei kann man im Masturbationsverhalten durch Erziehung bedingte Unterschiede zwischen Jungen und Mädchen festmachen. Jungen greifen ihren Penis früher an als Mädchen ihre Klitoris. Buben entdecken ihr Glied schneller als ein Körperteil, mit dem man sich selber Lust bereiten kann. Mädchen weisen demgegenüber häufiger – wie die Sexualwissenschaftlerin Stein-Hilbers formuliert – ein «indirektes Stimulationsverhalten» auf. Sie benutzen Puppen oder Stofftiere, sie nehmen Gegenstände zwischen die Oberschenkel und pressen diese zusammen. Während die Jungen ihren Penis unmittelbar berühren, stimulieren Mädchen ihre Klitoris weniger direkt. Sie bleibt als wichtiger Punkt sexueller Empfindungen für viele Mädchen ebenso unklar wie unbenannt.

Während für die Jungen der Penis für Lust und «gute» Gefühle steht, bleibt die Klitoris für die Mädchen – im wahrsten Sinne des Wortes –...

Erscheint lt. Verlag 12.3.2024
Sprache deutsch
Themenwelt Sachbuch/Ratgeber Gesundheit / Leben / Psychologie Familie / Erziehung
ISBN-10 3-644-01977-0 / 3644019770
ISBN-13 978-3-644-01977-5 / 9783644019775
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