Fußball unterm Hakenkreuz
- Titel gebraucht verfügbar
- Artikel merken
...gebraucht verfügbar!
gegenüber der NS-Diktatur untersucht.
Verband wie Vereine, Funktionäre wie Mäzene, Trainer wie Spieler ließen sich von den bombastisch aufgezogenen Massenveranstaltungen und der Atmosphäre in den Stadien faszinieren. Die Beibehaltung und Vermehrung ihrer materiellen Privilegien war für viele wichtiger als der Widerstand gegen ein verbrecherisches Regime. Obwohl nur wenige von ihnen der menschenverachtenden NSIdeologie anhingen, trugen die meisten Mitglieder des DFB zur Stabilität der NS-Herrschaft bei und machten sich dadurch mitschuldig. Nils Havemann schildert nicht nur die Geschichte des DFB, sondern zeigt an diesem Beispiel, mit welchen Mitteln es den Nationalsozialisten gelang, an sich unpolitische Vereine und Verbände für ihre Zwecke zu vereinnahmen – und wie leicht sich viele Menschen verführen ließen.
Nils Havemann, Dr. phil., studierte Geschichte, Romanistik und Politische Wissenschaften in Bonn, Paris und Salamanca. Er promovierte 1996 an der Universität Bonn und arbeitet als Lektor in Mainz.
1. Kapitel
Einleitung
2. Kapitel
Der Gründungsgeist des DFB: Größe, Einheit,
Macht und Prosperität im Namen der Nation
Die nationale Tradition des deutschen Sports
Die Anfänge des deutschen Fußballs und des DFB
Militarismus und Nationalismus beim DFB
Die Zeit der Weimarer Republik
3. Kapitel
Der DFB und der Aufstieg des Nationalsozialismus (1929-1933)
Die Entscheidungsträger des DFB: Felix Linnemann und
Georg Xandry
Die Auswirkungen der Weltwirtschaftskrise auf den DFB
Linnemanns Verhandlungen mit der nationalsozialistischen
Regierung über die Zukunft des Sports
4. Kapitel
Die Konsolidierung des DFB im nationalsozialistischen
Staat (1933-1935)
DFB-Repräsentanten in der NSDAP
Der DFB als Nutznießer der ersten "Gleichschaltung"
des deutschen Sports
Der internationale Aufstieg des deutschen Fußballs
Antisemitismus beim DFB und die Ausgrenzung der Juden
aus dem Sport
5. Kapitel
Der DFB im Fahrwasser der Kriegsvorbereitungen (1935-1939) 173
Fußballverein oder Hitler-Jugend: Streit um den Nachwuchs
Die zweite "Gleichschaltung" des Sports
Nationalsozialistische Vorzeigevereine
Propaganda und Politik bei der Planung und Durchführung
von Länderspielen
6. Kapitel
Im Dienste der nationalsozialistischen Außenpolitik - das Reichsfachamt
Fußball in der ersten Kriegshälfte (1939-1942) 237
Pläne der Reichssportführung zur "Gleichschaltung" des
internationalen Sports
Die FIFA im Fadenkreuz des Reichsfachamtes Fußball
Der deutsche Fußball im Einsatz für den nationalsozialistischen Krieg
7. Kapitel
Der Untergang des deutschen Fußballsports im
"Dritten Reich" (1942-1945) 273
Die Haltung der Repräsentanten des deutschen Fußballs zur
Judenverfolgung und zum Rassenmord
Die Fußballspieler im "Dritten Reich" zwischen Frieden und Krieg
Die Funktionäre: Täterschaft, Mitläufertum und Insubordination
8. Kapitel
Schlussbetrachtung
Anhang
Anmerkungen
Quellen und Literatur
Abkürzungen
Aufbau des DFB bis 1933
Organisation des DFB (im DRL) von 1934 bis 1936
Das Reichsfachamt Fußball (im DRL bzw. NSRL) ab 1937
Offi zielle Länderspiele der deutschen Nationalmannschaft von
1933 bis 1942
Endspiele um die deutsche Meisterschaft (1933-1944)
Endspiele um den deutschen Pokal (1935-1943)
Abbildungsnachweis
Personen- und Vereinsregister
Im Juni 1943 erschien in Das 12 Uhr Blatt eine von Nerz verfasste Artikelserie, in welcher der ehemalige Reichstrainer, mittlerweile zum Direktor der Reichsakademie für Leibesübungen in Berlin avanciert, fast alle antisemitischen Klischees auf die Juden im Fußball übertrug: "Auch auf dem Gebiet des Sports konnte sich der Jude nur so betätigen, wie es seinem Blut und seiner Rasse entspricht. Nirgends sehen wir den Juden aufbauend. Überall nützt er die Konjunktur aus, verdrängt die eigentlichen Pioniere und setzt sich an ihre Stelle. Genau wie im Wirtschaftsleben." Der Jude habe stets die "Rolle des Schiebers hinter der Kulisse" gespielt, "schwamm wie das Fettauge auf der Suppe" und habe die guten Spieler immer nur "wie Rennpferde" behandelt. Mit der Herrschaft der Nationalsozialisten sei endlich auch sein schädlicher Einfluss auf den Sport beschnitten worden: "Der jetzige, vom Juden entfachte Weltkrieg hat die verräterische Rolle des Juden auch auf dem Gebiet des Sports noch offenkundig gemacht. Die Völker Europas sind dabei, daraus die Folgerungen zu ziehen. Sie konnten aus der Nähe beobachten, welchen gewaltigen Aufschwung der judenfreie deutsche Sport nach 1933 nahm. Sie haben aber auch am eigenen Leibe die nihilistische Wühlarbeit des Juden erlebt. Ein Volk nach dem anderen schüttelt das Joch des Juden ab. Am Ende steht das judenfreie Europa mit einem judenfreien Sport." Herberger, der diese Hetzartikel ausschnitt und in einer Akte sorgfältig aufbewahrte, hielt auf einer undatierten Notiz in Stichworten fest, wie er auf diese Publikationen reagierte. Seiner Schilderung zufolge stellte er Nerz am Eingang zum Reichssportfeld, erinnerte ihn an gemeinsame Mannheimer Zeiten, als ihr jüdischer Gönner Max Rath sie für ihre sportlichen Leistungen großzügig entlohnte, und fragte ihn, wie er vor dem Hintergrund dieser gemeinsamen Erfahrung "so etwas schreiben" konnte. Nerz soll sinngemäß geantwortet haben: "Juden alle nette Menschen. Bis zu einer gewissen Grenze, dann alle Juden". Herberger fügte seiner knappen Darstellung hinzu, "Wochen danach" gehört zu haben, dass selbst Arno Breitmeyer, nach dem Tod von Tschammer und Ostens 1943 zum kommissarischen Reichssportführer ernannt, Nerz' Artikelserie nicht goutiert habe: "Das ist eines Direktors der Akademie unwürdig." Auch wenn die allermeisten DFB-Vertreter diese extrem antisemitischen Auffassungen ähnlich wie Herberger ablehnten, war die Überzeugung von der Andersartigkeit der Juden virulent und ging einher mit der maßlosen Unterschätzung ihrer verheerenden Auswirkungen. Sie führte, wie am Fall Gustav Schumm, Fachwart im Gau 15 (Württemberg), nachvollzogen werden kann, zur Ignorierung offensichtlicher Verbrechen, zur Verdrängung der Mitverantwortung und schließlich nach Ende des Krieges zum Erschrecken über das gesamte Ausmaß der Katastrophe. Schumm, 1888 in Stuttgart geboren, stammte aus einer Kaufmannsfamilie, legte 1907 an einer Oberrealschule die Reifeprüfung ab und studierte danach an der Technischen Hochschule Stuttgart sowie an der Universität Tübingen Mathematik und Physik. Im September 1913 begann er sein Vorbereitungsjahr für den Schuldienst, das fast zeitgleich mit dem Ausbruch des Ersten Weltkrieges endete. Ob er vom nationalen Überschwang erfüllt war, mit dem viele Deutsche damals an die Front zogen, kann nur schwer beantwortet werden - in seinen ausführlichen Erläuterungen zu seinem Werdegang, die er während seines Entnazifizierungsverfahrens verfasste, schwieg sich Schumm über diese Zeit aus. Er schrieb darüber lediglich, dass er 1916 als Leutnant der Reserve wegen Asthma aus dem Kriegsdienst entlassen wurde. Eine frühe nationale Prägung ist aber wahrscheinlich, da Schumm schon in der Schulzeit und vor allem während seines Studiums den Kontakt zur deutschen Turnbewegung suchte, der er sich zunächst weitaus mehr verbunden fühlte als dem Fußball. Zum runden Leder kam er über den VfB Stuttgart, der ihm nach seiner Rückkehr aus dem Krieg die Möglichkeit eröffnete, alleinverantwortlich die Jugendabteilung zu betreuen. Während er als Lehrer an einem Realgymnasium seinen Lebensunterhalt verdiente, arbeitete er in seiner Freizeit regelmäßig mit durchschnittlich 300 Jugendlichen, wobei er zwecks Vereinbarung von Freundschaftsspielen Kontakt zu anderen Vereinen aufnahm und dadurch "immer mehr in die Verwaltung" hineinwuchs. 1928 übernahm er als Sportwart im Süddeutschen Fußballverband die Leitung des Spielplanes. Politisch trat er in der Weimarer Zeit kaum in Erscheinung. Eigenen Angaben zufolge war er nach 1918 "längere Zeit" Mitglied der SPD. Was ihn in diese Partei zog und was ihn wieder aus ihr trieb, erläuterte er nicht. Schumm charakterisierte sich selbst als einen Menschen mit "einer mangelnden politischen Erfahrung", der sich in den zwanziger Jahren immer weniger für das Parteiengezänk interessiert habe. Doch nach Beginn der Weltwirtschaftskrise übten Hitler und die NSDAP eine zunehmend größer werdende Faszination auf ihn aus, der er sich spätestens seit der Machtübernahme im Januar 1933 nicht mehr zu entziehen vermochte: "So fi ng ich an, die Reden, die Hitler als Reichskanzler hielt, entweder im Radio zu hören oder nachträglich in der Presse zu lesen, und kam zu der Überzeugung: Das ist ja alles ganz gut und sozial, was der Mann will." Was Schumm am Nationalsozialismus "sozial" fand und was ihn schließlich im Mai 1933 "im guten Glauben, eine lautere […] Sache zu unterstützen", zum Beitritt in die NSDAP bewog - darauf gab er keine konkrete Antwort. Es lässt sich aber aus den Vorstellungen und Werten herauslesen, die er als Jugendtrainer den jungen Menschen zu vermitteln versuchte: Zucht, Ordnung, Kameradschaft, Solidarität, Gemeinschaftssinn, Nationalstolz und ein Höchstmaß an Disziplin, was selbstverständlich einschloss, "als vernünftiger Sportler Alkohol und Nikotin abhold" zu sein. Schumm war derart überzeugt von der Richtigkeit der "nationalen Erhebung", dass er beim VfB Stuttgart intensiv für den nationalsozialistischen Staat warb. Der VfB-Führer Hans Kiener schrieb im Februar 1935 über den Gaufachwart in Württemberg, dass er gemeinsam mit Gustav Bluthardt "der Jugendarbeit eine Richtung gewiesen " habe, "die ganz im Sinne des Staates" sei. Die Ermittlungen des öffentlichen Klägers in Bad Cannstatt während des Entnazifi zierungsverfahrens 1946 ergaben, dass Schumm als "überzeugter Anhänger" der NSDAP "durch nationalsozialistische Lehre oder Erziehung die Jugend an Geist und Seele vergiftet" habe. Allerdings vermochten weder der öffentliche Kläger noch die Spruchkammer bei Schumm einen rassenideologisch motivierten Hass oder gar eine Beteiligung an Verbrechen gegen Juden festzustellen. Dennoch gibt es einige Hinweise, die darauf schließen lassen, dass Schumm die Juden als andersartig betrachtete. So behauptete er beispielsweise, jüdische Mitbürger sofort als solche identifizieren zu können. Woraus sich diese Überzeugung von ihrer Besonderheit speiste, ist nicht festzustellen. In jedem Falle trug sie dazu bei, dass sich Schumm über die systematische Verdrängung der Juden aus dem politischen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Leben nach 1933, wie sie beispielsweise durch ihren Ausschluss vom normalen Sportbetrieb, den Aufruf zum Boykott jüdischer Geschäfte und schließlich durch die Nürnberger Gesetze sichtbar wurde, nicht entrüstete. Er hatte den Eindruck, dass diese Maßnahmen von nahezu allen Deutschen, ja selbst von den ausländischen Staaten, die Hitler regelmäßig "am Neujahrestag oder seinem Geburtstag die offiziellen Glückwünsche ihrer Regierungen durch die Botschafter überbringen" ließen, zumindest toleriert würden, und sah daher keinen Grund, dagegen einzuschreiten. Unbehagen empfand er erst 1938 bei den "öffentlichen Ausschreitungen", die er nicht nur "aus rein menschlichen Gründen" ablehnte, sondern "auch für politisch ganz verfehlt" hielt. "Gewaltmaßnahmen " habe er "unbedingt verabscheut".Von "den Greueln in den KZ's" wollte Schumm während des gesamten Krieges "nichts" gewusst haben. Er kannte zwar "dem Namen nach" Dachau und erfuhr 1939 von der Existenz eines Lagers in Welzheim, in das sein Schwager für ein Jahr wegen "Begünstigung von Juden" eingesperrt worden sei; doch welche Verbrechen in den Konzentrationslagern verübt wurden, habe er sich nicht vorstellen können. Das Einzige, was ihm an Misshandlungen zu Ohren gekommen sei, sei 1944 der Einsatz von Sträflingen in Dotternhausen beim Ölschieferabbau gewesen.
Zusatzinfo | 26 s/w Abbildungen |
---|---|
Sprache | deutsch |
Maße | 152 x 228 mm |
Gewicht | 867 g |
Einbandart | gebunden |
Themenwelt | Sachbuch/Ratgeber ► Geschichte / Politik ► 20. Jahrhundert bis 1945 |
Schlagworte | Bauwens, Peco • Deutscher Fußball-Bund • Deutscher Fußball-Bund (DFB) • Deutschland • Drittes Reich • Drittes Reich / 3. Reich • Fussball • Fußball • Fußball, Geschichte • HC/Sachbücher/Geschichte/20. Jahrhundert (bis 1945) • Herberger, Sepp • Linnemann, Felix • Nationalsozialismus • Nationalsozialismus (Ideologie) • Sport • Sportgeschichte • Walter, Fritz |
ISBN-10 | 3-593-37906-6 / 3593379066 |
ISBN-13 | 978-3-593-37906-7 / 9783593379067 |
Zustand | Neuware |
Haben Sie eine Frage zum Produkt? |
aus dem Bereich