Geschichten vom Leben und Reisen in Tansania -  Brigitta James

Geschichten vom Leben und Reisen in Tansania (eBook)

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2024 | 1. Auflage
374 Seiten
Books on Demand (Verlag)
978-3-7583-8970-2 (ISBN)
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"Es regnet seit den frühen Morgenstunden in Strömen, es ist neblig und die Sicht nicht weiter als 20 Meter. Man meint, es sei November, wenn nicht das Thermometer knapp über 20 Grad anzeigen würde und ich in T-Shirt und Sommerrock hier sitze. Wir befinden uns im Monat Mai und es ist große Regenzeit in Arusha und Umgebung." Brigitta James nimmt die Leserin und den Leser auch in ihrem dritten Buch wieder mit in den tansanischen Alltag. Sie beschreibt in ihren Geschichten, was sie erlebt und was sie beschäftigt. Sie gibt Einblicke, die kein Reiseführer beschreiben kann. Im zweiten Teil nimmt sie die Leserinnen und Leser auf einige Reisen mit, die fernab der üblichen Touristenrouten liegen.

Brigitta James wurde 1959 in Bremen geboren. Als Sozialarbeiterin hat sie in verschiedenen Berufsfeldern und Orten gearbeitet, bis sie eine Urlaubsreise und Safari im Jahr 2011 nach Tansania führt. Es folgt eine unerwartete Wende ihres Lebens. 2013 siedelt sie endgültig nach Arusha in Tansania über.

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Mit der Geschichte über James Kifutumo und seinen Enkel Binam erzähle ich ein bißchen aus der Familiengeschichte.

Seit ich in Tansania und mit James zusammen bin, ruft immer mal wieder ein fröhlicher Mann an, um James und mich (unbekannterweise) zu grüßen.

Er heißt Onkel Hermann und lebt in Shinyanga, einer Region in grober Richtung des Lake Victoria.

Ich weiß gar nicht genau, ob es wirklich ein Onkel von James ist.

Und in den Jahren, in denen ich hier bin, tauchten auch immer mal wieder andere Verwandte aus dem Sukuma-Land auf. Ich nenne es Sukuma-Land, weil James zum Volk der Sukuma gehört und diese Sukuma sind unter anderem in der Region Shinyanga ansäßig.

Der Sukuma-Stamm ist einer der größten in Tansania. Sie halten Viehherden und betreiben Feldwirtschaft. Besonders viel wird Baumwolle, Tabak und Erdnüsse angebaut, aber auch Reis.

Die Verwandten kommen zu uns nach Arusha anläßlich von Beerdigungen oder Hochzeiten, manchmal schicken sie ihre Kinder auch hierher zur Ausbildung. Aber ich hatte irgendwie keinen Durchblick, wer wer ist. Es war ein einziges Wirrwarr.

James kam mit seinen Eltern und zwei etwas älteren Geschwistern mit 6 Jahren nach Arusha, weil James Vater hier in Arusha Arbeit in einer Reifenfirma gefunden hatte.

Jedes 2. Jahr, wenn James Vater Ferien hatte, fuhr die ganze wachsende Familie zurück ins Heimatdorf Usheto. Deswegen besteht bis heute ein guter Kontakt zu den Verwandten dort, die alle als Kleinbauern tätig sind. Dorthin gereist ist James aber lange nicht mehr.

Ich wollte so gerne mal dorthin reisen, aber James war zögerlich. Zum einen erwarten sie, dass James viel Geld und Geschenke dort verteilt, weil er im Vergleich zu den Leuten dort als „reich“ gilt, und wer mit einer Weißen verheiratet ist, muß „superreich“ sein. Zum anderen meint James, das Leben wäre so einfach und so traditionell dort, dass ich einen Kulturschock bekommen würde. Es fängt schon damit an, dass James nicht weiß, wo wir schlafen sollen, denn die Betten der Dorfbewohner seien voller Wanzen, aber die seien das gewöhnt.

Wenn Ihr, liebe Leserin und lieber Leser weiter lest, werdet Ihr noch entdecken, dass ich Onkel Hermann inzwischen, wenn auch erst in einem zweiten Anlauf, kennen gelernt habe.

Bis dahin aber haben wir fleißig weiter mit ihm telefoniert.

Irgendwann haben James und ich uns mal mit Stift und Papier hingesetzt und haben seinen Stammbaum mütterlicherseits aufgeschrieben, um Orientierung in diesem Wirrwarr zu bekommen.

Und dann entdeckte ich auch,warum immer dieses Wirrwarr entstand.

James fing bei seinem Großvater Kitufumo an.

Kifutumo hatte zwei Frauen gleichzeitig. Polygamie ist bis heute in Tansania verbreitet.

Wenn man vor dem Staat heiratet, kreuzt man an, ob es sich um eine monogame oder polygame Ehe handelt. Wer in einer der christlichen Kirchen heiratet, darf nur eine monogame Ehe führen. Bei den Maasai, auch bei einigen anderen Ethnien sind mehrere Ehefrauen durchaus üblich, und bei Männern, die den Islamischen Glauben haben, auch. Ich denke, es geht zum einen um viele Kinder, zum anderen auch darum, viele Hände für die Feldarbeit zu haben. Das wandelt sich langsam und ist in den Städten auch nicht so verbreitet wie auf dem Land. Aber diese Wurzeln sitzen tief. Und die Sache mit der Liebe ist hier auch nicht so wichtig. Dass es funktioniert, ist wichtig.

Aber nun nochmal 80 Jahre zurück zu Kifutumo. Er war reich, denn in der Gegend gab und gibt es Gold im Boden, womit er handelte. Er unternahm weite Handelsreisen. Beide Frauen hatten inzwischen ein Kind, eines war Angela, James Mutter. Das Kind der anderen Frau war Hermann.

Hermann ist also wirklich der Onkel von James.

Als Kifutumo eines Tages mal wieder nicht zuhause war, kam eine eifersüchtige Nachbarin, die den beiden Frauen Kifutumos einen angeblichen Gesundheitstrank gab. Die Menschen zu allen Zeiten waren und sind wohl anfällig dafür. Dieses Gebräu bewirkte allerdings in Wirklichkeit, dass die beiden Frauen keine weiteren Kinder mehr bekamen. Das war das Ansinnen dieser Frau gewesen.

Das schien aber soweit ganz in Ordnung gewesen zu sein, denn erst 30 Jahre später nahm Kifutumo sich eine weitere Frau, eine sehr junge Frau, die ihm noch 5 weitere Kinder gebar.

Auch Onkel Hermann hat zwei Frauen und jede dieser Frauen hat eine Menge Kinder. James kann sich an einige Namen erinnern, aber nicht an alle.

Und nun weiß ich auch, warum ich immer solche Schwierigkeiten habe, dieVerwandtschaftsverhältnisse zu entwirren: es sind einfach zuviele Frauen im Spiel und dazu kommen noch irgendwelche Nebenfrauen bzw. Seitensprünge. Und dann sind die Generationen auch nicht mehr klar zuzuordnen, da alte Männer mit jungen Frauen auch noch viele Kinder bekommen.

Ich möchte noch über Kifutumos Enkel Binam schreiben, denn seine Geschichte ist eigentlich eine typische.

Als ich noch gar nicht in Tansania lebte und mit James regelmäßig telefonierte, tauchte der Name Binam plötzlich auf. Binam war und ist Dalla Dalla-Fahrer in Arusha.

Eines Tages war der Motor heißgelaufen, Binam stoppte seine Dalla Dalla und öffnete das Kühlwassergefäß. Der Druck war so groß, das ihm das Kühlwasser heiß entgegen spritzte und seinen Körper verbrannte. Schnellstens kam er ins Krankenhaus, wo er einige Zeit zubrachte. Immer einer der Freunde bzw. männlichen Verwandten mussten nun Tag und Nacht in Schichten bei ihm im Krankenhaus sein und ihn versorgen. So ist das System hier und so hörte ich das erste Mal von ihm.

Später traf ich ihn hier und da mal, aber es gab keinen engeren Kontakt, bis eine Pechsträhne sein ganzes Leben durcheinander brachte. Er brauchte nun kräftige finanzielle und tätige Hilfe und ich begann, mich für seine Geschichte zu interessieren.

Er lebte in Usheto im Sukuma-Land und half dem Vater, Onkel Herman, in der Landwirtschaft. Er heiratete ein Mädchen aus dem Dorf, das bald schwanger war. Irgendwann gab es unter einer Gruppe von jungen Männern Konflikte um Viehdiebstähle, auch die Polizei wurde eingeschaltet, aber es klärte sich nichts, sondern vergiftete das Klima im Dorf.

Binam zog es vor, wegzugehen und tauchte bei James und seinen Brüdern, seinen Cousins, in Arusha auf. Das war vor ungefähr 15 Jahren.

Binam ist das Kisuaheli-Wort für Cousin. Eigentlich heißt Binam Deo Gratias, was „Gott sei Dank“ heißt. Niemand kann diesen Namen aussprechen, so blieb es bei Binam.

Ein Schlafplatz war schnell im Raum von James jüngeren Brüdern gefunden.

Nun fehlte noch Arbeit. James war seit einiger Zeit schon Safariguide und schenkte seinem Cousin seine alte Dalla Dalla, mit der er selber als Fahrer viele Jahre Geld verdiente.

Ein Führerschein war auch schnell „gefunden.“

So arbeitete Binam fleißig als Dalla Dalla-Fahrer, konnte bald eine kleine Wohnung anmieten und Frau und Kind nachholen.

Es lief anscheinend viele Jahre einigermaßen gut, obwohl Binams Frau mit der Verwandschaft in Arusha keinen Kontakt wollte und darauf drängte, ans andere Ende Arushas zu ziehen. Ein zweites Kind kam nach 5 Jahren. James Dalla Dalla war inzwischen zu alt und Binam kaufte auf Kredit eine neue alte Dalla Dalla.

Aber irgendwann müssen die Eheprobleme angefangen haben. Die Frau hatte Liebhaber, zog mal aus, zog mal wieder zurück, nahm mal die Kinder mit, brachte sie mal zurück. Ein elendes Hin und Her. Schließlich bekam sie von einem anderen Mann ein Baby, zog mit nun drei Kindern zu dem Mann, zog nach kurzer Zeit mit den drei Kindern zu Binam zurück bis sie schließlich Binams Kinder zu ihm zurück brachte und ganz und gar davon zog.

Dass das einem Menschen zu schaffen macht, seine Konzentration auf die Arbeit beeinträchtigt und nicht folgenlos vorbei geht, kann sich jeder gut vorstellen.

Binam hatte zwei schwere Verkehrsunfälle mit seiner Dalla Dalla. Einmal fuhr er einen Mann auf dem Zebrastreifen an, der sich glücklicherweise nur ein Bein brach, aber für viele Wochen arbeitsunfähig war.

Ein anderes Mal vergaß er die Handbremse anzuziehen und rollte mit Karacho in ein anderes teures Auto. Es gab viele Kosten für Krankenhaus und Wiedergutmachung für den angefahrenen Fußgänger, Autoreparatur des teueren Autos, Polizei- und Gerichtskosten. Es springt keine Versicherung ein, nur die Cousins halfen ein bißchen. Zähneknirschend. Wenn das Telefon ging und man Binams Nummer sah, mochte man nicht mehr abnehmen.

Binams Geld war alle, die tansanische Wirtschaftslage war schlecht, der Verdienst gering. Die Dalla Dalla mußte repariert werden, aber Binam hatte kein Geld. Er mußte Steuern zahlen, Binam hatte kein Geld, die jährliche Lizenz mußte bezahlt werden, Binam hatte kein Geld. Die Miete mußte bezahlt werden, Binam hatte kein Geld, die Polizei stoppte ihn und es gab Strafen für Fahren ohne Lizenz, Binam hatte kein Geld. Aber er mußte seinen Kindern Schulgeld zahlen und brauchte etwas zu essen. Also fuhr er weiter ohne Lizenz. So geht es weiter, ein Kreislauf aus dem er nicht mehr herauskam, bis seine Dalla Dalla komplett zusammenbrach und der Vermieter Binam und...

Erscheint lt. Verlag 17.1.2024
Sprache deutsch
Themenwelt Sachbuch/Ratgeber
ISBN-10 3-7583-8970-4 / 3758389704
ISBN-13 978-3-7583-8970-2 / 9783758389702
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