Das eigene Familiensystem verstehen (eBook)

Ein Leitfaden zur Entschlüsselung von Mustern und Dynamiken für ein selbstbestimmtes Leben
eBook Download: EPUB
2024 | 1. Auflage
240 Seiten
Goldmann (Verlag)
978-3-641-31113-1 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Das eigene Familiensystem verstehen -  Elaine Carney Gibson
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Ganz gleich, wie die Beziehung zur eigenen Familie heute aussieht, die Familiendynamik hat einen enormen Einfluss darauf, wie wir uns fühlen, wie wir uns der Welt gegenüber präsentieren und wie wir mit anderen umgehen. Von Mythen, Geschichten und Geheimnissen in der Familie über unausgesprochene Regeln, Rollen und Muster: Wenn uns die Dynamiken und familiären Rollen nicht bewusst sind, bleiben wir meist an sie gebunden und werden eventuell durch sie belastet. Wenn wir die Dynamiken jedoch an die Oberfläche bringen, können wir dieses Wissen nutzen, um uns zu verändern, zu wachsen und ein erfülltes Leben zu führen. Dieser leicht verständliche Leitfaden verhilft anhand von Beispielen aus der Therapeutenpraxis, aufschlussreichen Übungen und Reflexionsfragen dazu, sowohl sich selbst als auch die eigene Herkunftsfamilie besser verstehen zu können. Dieses Buch bietet darüber hinaus kraftvolle Wege, die Wunden der eigenen Vergangenheit zu heilen und gleichzeitig die eigenen Stärken zu wertschätzen.

Elaine Carney Gibson ist seit fast fünfzig Jahren praktizierende Psychotherapeutin. Sie behandelt Einzelpersonen, Paare und Familien. Sie hat viele Jahre lang Ehe- und Familientherapie unterrichtet und ist Direktorin des Ausbildungsinstituts für Ehe- und Familientherapie des Link Counseling Center in Atlanta, Georgia.

Kapitel 1

Warum ist das alles so wichtig?

Warum muss man verstehen,
wie das Familiensystem funktioniert?

»Jeder Mensch ist ein Zitat aller seiner Vorfahren.«

Ralph Waldo Emerson

»Wer andere kennt, ist klug.
Wer sich selbst kennt, ist erleuchtet.«

Laotse

»Erkenne dich selbst«

Vielleicht war es nur ein Traum, aber ich erinnere mich an einen Mann, der von der Kanzel predigte und mit dröhnender Stimme verkündete: »Das größte Geschenk, das man Gott machen kann, ist, sich selbst zu erkennen.«1

Als neugierige und philosophisch interessierte Neunjährige machte ich mir viele Gedanken über diesen Satz. Ich bin mir sicher, dass es gerade diese Art zu denken war, die mich zur Psychotherapie und ganz besonders zum Gebiet der Ehe- und Familientherapie brachte.

Meine Großmutter »Bobba«, die Mutter meines Vaters, schickte mich auf die Entdeckungsreise zu mir selbst. Sie erzählte ganz begeistert Familiengeschichten. Ich brauchte nicht lange, um zu verstehen, dass es wirklich unsere Geschichten und die Botschaften in jenen wirklichen oder erfundenen Erzählungen sind, die bestimmen, wie wir über uns, unser Leben und das der anderen denken.

Sich selbst zu »kennen« oder zu »erkennen«, ist ein großes Geschenk, das man sich, der Partnerin oder dem Partner und den Kindern machen kann. Wir können unmöglich wissen, wer wir sind, ohne etwas über unsere Herkunft, also unsere Herkunftsfamilie zu wissen. Und es ist ganz klar, dass die Ereignisse und vor allem die Beziehungen in der Kinderzeit fortdauern und bestimmen, wie wir als Erwachsene sein werden. Die Gedanken, die wir heute haben, werden von unseren Erfahrungen in der Vergangenheit beeinflusst.

Familienwerte, Familienkrisen

Der Begriff Familienwerte wird derzeit in der sozialen und politischen Szene gern benutzt – und missbraucht. Wenn ich über Familienwerte schreibe, beziehe ich mich auf die Absichten, Erwartungen und Ziele der Familie: Wie unterstützt die Familie ihre Mitglieder? Wie reagiert die Familie auf Entwicklungsaufgaben, die oft Verwirrung und Streit zwischen den Familienmitgliedern stiften, und wie erfüllt sie diese?

Die »alten« Geschichten helfen uns, die Werte zu verstehen, die unsere Familie prägen. Sie helfen uns, zu erkennen, wer und was wichtig ist. Sie helfen uns, zu definieren, wer wir sind und was unser Platz in der Welt ist. Dabei prägen uns nicht nur die Geschichten, in denen uns erzählt wird, wer wir sind, sondern auch die Geschichten, die wir uns selbst erzählen. Schließlich reden wir viel mehr mit uns selbst als mit anderen. Und: Natürlich werden wir auch von dem »programmiert«, was wir außerhalb der Familie sehen, hören und erleben.

Die Mitglieder einer Familie teilen nicht nur eine Geschichte, sondern auch Annahmen und Überzeugungen, die sie von sich selbst, den anderen und vom Funktionieren der Welt haben. Wir lernen in unseren Familien, wie wir einander begegnen, indem wir uns umeinander sorgen, Essen und Trinken bereitstellen und uns auf unseren Wegen unterstützen – aber auch, indem wir uns verletzend und zerstörerisch verhalten und einander schaden.

Für mich ist eine »gesunde« Familie nicht eine Familie ohne Probleme, sondern eine Familie, die belastbar ist und ihre Ressourcen nutzt, um über Krisen und Zeiten voller Schwierigkeiten hinwegzukommen. Solche Krisen entstehen oft bei einem vorhersagbaren Ereignis in der Familiengeschichte, wie etwa einer Hochzeit, Adoption oder Geburt, der Pubertät der Kinder, ihrem Auszug, einem Umzug oder dem erwarteten Tod eines älteren Familienmitglieds.

Dann gibt es noch Familienkrisen, die weder vorhergesagt noch erwartet werden, etwa der frühe Tod eines Kindes, von Geschwistern oder der Eltern. Andere Ereignisse, die Familienkrisen verursachen, sind: Konkurs, Klinikaufenthalt, Geldprobleme, Untreue, Scheidung, Sorgerechtsstreit, Wiederverheiratung, Bildung einer Patchworkfamilie, Trennung durch Wehrdienst oder die Arbeit, Alkoholismus, Drogenabhängigkeit, Missbrauch, Fragen der sexuellen Identität oder Selbstmord.

»Am schönsten ist es zu Hause«

Die Familiensystemtheorie, von der dieses Buch handelt, ist ein auf Beziehungen fokussiertes Modell zum Verstehen der menschlichen Psyche. Anders als in der traditionellen psychoanalytischen Theorie steht in der Familiensystemtheorie vor allem die Dynamik zwischen Familienmitgliedern im Mittelpunkt und nicht so sehr die Psyche jedes Einzelnen. Diese Dynamik aus Zug und Druck, um in Beziehungen Nähe und Distanz zu erhalten, zählt zu den Hauptfaktoren, die dem menschlichen Verhalten zugrunde liegen.

Die Familiensystemtheorie berücksichtigt nicht nur die Personen, die zusammen in einem Haushalt leben, sondern die gesamte Familie über die Zeiten und Generationen hinweg. Zu dieser »erweiterten« Familie oder Großfamilie gehören neben der Kernfamilie aus Eltern und Kindern die Großeltern, Tanten, Onkel, Geschwister, Cousins und Cousinen. Die meisten Familientherapeuten glauben, dass es wichtig ist, das Familiensystem über mindestens drei Generationen zu betrachten, unabhängig davon, ob die Personen noch leben oder schon tot sind, und unabhängig davon, ob sie in der Nähe oder weit entfernt wohnen.

Die Therapeutinnen und Therapeuten glauben, dass die Kraft und der Einfluss von Beziehungen, die wir mit anderen Familienmitgliedern haben, über das Grab hinausreichen. Weder der räumliche Abstand noch der Tod befreien uns vom Einfluss unserer Familie. Entscheidend für unser Wohlergehen ist, wie wir mit diesem Einfluss umgehen.

Dorothy Gale behauptet im Zauberer von Oz: »Am schönsten ist es zu Hause.« Das stimmt. Für manche. Vielleicht sind Sie in einer Sicherheit und Geborgenheit bietenden Familie voller Liebe aufgewachsen, was mit sehnsuchtsvollen und zärtlichen Erinnerungen verbunden ist. Vielleicht sind Sie aber auch in einer chaotischen Familie aufgewachsen, die keine Sicherheit bot. An das »Zuhause« zu denken, kann dann traurige, schmerzvolle oder sogar traumatische Gefühle wecken.

Verletzungen und Heilung

Wir alle wurden schon mal verletzt. Ich habe bis jetzt niemanden getroffen, der nicht irgendeine Erfahrung in seinem Leben gemacht hat, unter der er emotional gelitten hat. Vielleicht haben wir jemanden verloren, den wir gernhatten, oder ein geliebtes Haustier ist gestorben. Vielleicht sind wir irgendwann tyrannisiert worden oder wir hatten das Gefühl, ungerecht bestraft zu werden. Ich erinnere mich zum Beispiel an eine Freundin in meiner Kindheit, die immer einen Monat lang Hausarrest bekam, wenn sie von der Schule keine Eins mitbrachte.

Die Glücklicheren unter uns sind nur selten traumatisiert worden – und dann nicht allzu schwer. Die Unglücklicheren haben dagegen schwere emotionale und psychische Verletzungen erlitten, die sie langfristig beeinflussen. Sie sind mit einem oder mehreren Ereignissen konfrontiert worden, die sie emotional überwältigt haben. Sie wurden davon betäubt, zutiefst verängstigt und oft ohne Verbindung zu sich selbst oder anderen zurückgelassen.

Leider haben viele Menschen schwersten emotionalen, physischen und verbalen Missbrauch durch Familienmitglieder erlitten. Missbrauch in der Familie ist meiner Ansicht nach die tiefgreifendste, finsterste und verheerendste Form von Verrat.

Wer eine solche Erfahrung überstanden und überlebt hat, wird oft von Schuld- und Schamgefühlen verfolgt – gleichgültig, ob die Traumatisierung von wiederholten Verletzungen in der Kindheit stammt oder auf ein einmaliges traumatisches Erlebnis als Erwachsener zurückgeht. Wer ein Trauma überlebt hat, neigt zu Depressionen, Angstzuständen und einer geringen Selbstachtung und berichtet oft von Schwierigkeiten in persönlichen Beziehungen, insbesondere mit den Personen, die ihm am nächsten stehen.

Für die Traumatisierten besteht aber durchaus die Möglichkeit, von den Wunden an Körper, Seele und Geist zu genesen. Das Heilen dieser Wunden braucht Zeit und viel Mühe. Catherine McCall hat in ihren inspirierenden Erinnerungen Never Tell. A True Story of Overcoming a Terrifying Childhood über ihre Heilung und die Heilungsmöglichkeiten für Überlebende von sexuellem Missbrauch und deren Partner berichtet.

Die Heilung traumatischer Verletzungen ist eine Entwicklungsreise, die Körper, Seele und Geist umfasst. Es geht um die Heilung des traumatisierten Gehirns und der Wunden, die Beziehungen so schwierig machen. So soll ein ausgewogeneres und positiveres Gefühl von sich selbst und gegenüber anderen entstehen. Weiß man mehr über die eigene Familiendynamik, hilft das sicher dabei, neue Entscheidungen zu treffen und auf gesündere, produktivere Weise mit der Gegenwart umzugehen.

Familientherapie und Feedbackschleife

Die Familiensystemtheorie begann ihre Entwicklung in den 1940er und 1950er Jahren. Während des Zweiten Weltkriegs konstruierten Mathematiker und Ingenieure Maschinen, die nach dem Prinzip von Feedback- oder Rückkopplungsschleifen funktionierten. Die Idee war, dass aus einem System gewonnene Informationen wieder in das System eingegeben werden und es darauf reagiert.

Abb. 1.1: Feedbackschleife

Wie hat diese neue theoretische Idee die psychotherapeutische Praxis beeinflusst?

Die Familientherapie basiert auf einer systemischen Sichtweise. Das heißt, dass die Familie als ein Ganzes gesehen wird, als ein System, in dem alle Mitglieder einander beeinflussen. Zuvor arbeiteten...

Erscheint lt. Verlag 24.1.2024
Übersetzer Carl Freytag
Sprache deutsch
Original-Titel Your Family Revealed
Themenwelt Sachbuch/Ratgeber Gesundheit / Leben / Psychologie Lebenshilfe / Lebensführung
Schlagworte 2024 • Bert Hellinger • Beziehung • Beziehungskrise • Beziehungsmuster • Beziehungsratgeber • Das Kind in dir muss Heimat finden • eBooks • Eltern-Kind-Beziehung • Familienaufstellung • Familiendynamik • Familienpsychologie • Familiensystem • Familientherapeut • Familientherapie • Gesundheit • Inneres Kind • Neuerscheinung • Persönliche Entwicklung • Persönlichkeitsentwicklung • Ratgeber • Selbstreflexion • Stefanie Stahl • Urvertrauen • Wertesystem
ISBN-10 3-641-31113-6 / 3641311136
ISBN-13 978-3-641-31113-1 / 9783641311131
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