That Girl (eBook)
368 Seiten
Harpercollins (Verlag)
978-3-7499-0662-8 (ISBN)
Sie wusste nie, wer sie war. Das war ihr Geheimnis.
Avocadotoast zum Frühstück, Coworking im Lieblingscafé, abends zum Pilates in Hannovers Szenestadtteil Linden: Tess Raabe ist ein That Girl, schön, erfolgreich, glücklich, und all das hält sie in ihren Vlogs fest, die sie auf ihrem erfolgreichen Social-Media-Account teilt. In ihrem Buch DATE ME schreibt sie über Tinderdates, sie tritt für die richtigen Werte ein, predigt Selbstliebe - und alle kaufen es ihr ab, schließlich ist Tess authentisch und nahbar.
Doch der Schein trügt, und das fällt Tess besonders dann auf, als sie Leo kennenlernt. Leo, der ihr den Kopf verdreht, Leo, mit dem sie so viel Spaß hat, Leo, der sich nicht entscheiden kann. Er wirft alles über den Haufen, was Tess zu sein vorgibt, und so muss sie sich am Ende die Frage stellen: Wer ist sie eigentlich wirklich, und welche Rolle spielt da die Liebe?
<p>Gabriella Santos de Lima, geboren 1997 in São Paulo, studierte Kreatives Schreiben in Hildesheim. Sie war Flugbegleiterin, bevor sie sich ganz dem Schreiben widmete. Mit ihren Romanen für junge Erwachsene stand sie auf der Bestsellerliste.<br/>Weitere Informationen zur Autorin auf Instagram unter @gabriellasantosdelimaa oder auf TikTok unter @gabriellasantosdelima</p>
ACHT
Mein Bauch hasste mich.
Ich hasste meinen Bauch.
Es war eine Art Zusammenspiel. Eine Art kosmische Vereinbarung, die wir niemals mehr durchbrechen würden. Ganz egal wie oft ich dazu mit Heilsteinen auf dem Nabel meditierte oder ich mich vor meinen Spiegel stellte, die Hände auf den Unterleib gepresst, um mein neustes Selbstliebemantra zu verinnerlichen. So lang ich zurückdenken konnte, zog ich ihn ein, versteckte ihn in Bauchweghosen und hinter Sofakissen, wenn ich in einem fremden Wohnzimmer hockte. Ich dachte ständig an ihn, an schmeichelhaftere Sitzpositionen und effektiviere Fitnessübungen. Im Grunde wollte ich ihn nie ansehen, aber wenn ich an einem Spiegel vorbeilief, konnte ich nicht anders. Dafür machte er mir schon immer das Leben schwer. Denn am liebsten gab er sein Hungerschreikonzert in Gegenwart von Männern. Laut und knurrend, damit mein Gegenüber mich fragen konnte, ob ich denn nicht Hunger habe.
So wie jetzt. Na ja, oder so ähnlich.
»Hast du Lust auf Pommes?«
»Bitte?«
»Dein Magen hat geknurrt. Klang ehrlich gesagt ziemlich schmerzhaft. Ich kenne da einen guten Laden für Pommes, ist gar nicht weit.«
»Dir ist bewusst, dass wir uns eigentlich gar nicht kennen, oder?«
»Na und?«
»Fremde sind eigentlich nicht so nett.«
»Ich schon.« Er zuckte die Achseln. »Außerdem …«
»Außerdem was?«
Er zögerte, während ich am liebsten mit meinen Haarsträhnen gespielt oder die Finger ineinander verhakt hätte, weil ich Stille nicht aushielt. Er war nicht so. Er einen Moment betrachtete er mich einfach nur mit offener Miene. Als hätte er rein gar nichts auf dieser Welt zu verstecken.
»Du siehst so aus, als solltest du gerade nicht alleine sein.«
»Ich bin gerne alleine.«
»Aber du hast doch Hunger. Eine Pommes«, sagte er. »Komm schon.«
»Und was hast du davon?«
»Pommes.«
»Die könntest du auch ohne mich haben. Oder mit deinen Freunden. Wo sind die eigentlich?«
»Die sind bestimmt schon zu Hause. Dort wollte ich auch hin, bevor …«
»Bevor du diese Frau mit verschmierter Wimperntusche vor einem Buchladen gefunden hast?«, unterbrach ich.
»Exakt.« Er räusperte sich. »Außerdem ja, du hast recht. Ich könnte auch alleine Pommes essen, aber wenn ich dich mitnehme, sammle ich dabei ein paar Karmapunkte.«
»Karmapunkte also, hm?«
Ich versuchte lässig zu klingen, doch dachte eigentlich nur daran, dass ich mich mit der Leere in meiner Wohnung und dem Chaos in meinem Kopf auseinandersetzen müsste, wenn ich sein Angebot ablehnte. Zu Hause würde ich schwach werden und mich an der Grenze zwischen Alleinsein und Einsamkeit zu einer Hochrisikoaktion verleiten lassen. Dahlia auf Instagram suchen zum Beispiel, weil heute immer noch ihr Geburtstag war, obwohl ich das mit dem Social-Media-Stalking seit Monaten nicht mehr tat. Oder Juli noch einmal schreiben.
Ich weiß nicht, was du meinst. Ich weiß nicht, was du meinst. Ich weiß nicht, was du meinst.
»Okay«, sagte ich schnell.
Aber es war nicht okay. Es war seltsam, wie wir zu zweit in Richtung der Köpke-Station gingen, vorbei an grölenden Feierenden und Bierdosen neben Mülleimern. Ich begutachtete Schaufenster geschlossener Restaurants und fremde Gesichter im Kerzenschein schummriger Bars, bis wir plötzlich an einem der wenigen noch geöffneten Lokale stehen blieben. Das Leuchtschriftschild über der Tür sagte Hannah loves Fries in knalligem Neongrün. Bereits beim Blick durch die Fenster erkannte ich, wie riesig und modern das Restaurant war. Die Tische und Stühle strahlten Industrial-Charakter aus, die unverputzten Ziegelsteinwände harmonierten perfekt damit. Etliche Bilderrahmen und Leuchtschriftschilder hingen an Letzteren, wobei der Gastraum mit unzähligen Pflanzen gefüllt war. Ich war noch nie hier gewesen, hatte aber das Gefühl, ich wäre es doch. Es sah aus wie alle extravaganten Lokale in Berlin mit jungen Geschäftsführenden und selbst aufgebrühtem Eistee in verrückten Geschmacksrichtungen. Neu, aufregend und unbedingt einen Besuch wert, weil selbst die Soßenbehälter fotogen waren. Ganz egal, ob man für seinen durchschnittlich leckeren Burger dreiundvierzig Minuten anstehen musste.
Die Gäste an den Tischen schienen das Essen bereits vertilgt zu haben und nippten nun an bunten Cocktails, während das Personal hinter der Theke Gläser polierte.
»Ich habe nur zwei Fragen«, sagte der Typ. »Erstens: scharf oder nicht scharf?«
Ich kräuselte die Stirn. »Lässt du mich etwa nicht in die Karte schauen?«
»Brauchst du nicht, wenn du mich hast. Ich kenne sie sowieso in- und auswendig und weiß, was am besten schmeckt.«
»Ah ja.«
»Also? Scharf oder nicht scharf?«
»Nicht scharf.«
»Und jetzt die Fragen aller Fragen: Ketchup oder Mayo?«
»Ketchup.«
»Ketchup?«, wiederholte er und sog scharf die Luft ein, während er sich an seine linke Brust fasste. »Ich muss zugeben, dass das eigentlich eine rhetorische Frage war, aber ist okay, ich verzeihe dir.«
Ich hob die Hände. »Sorry, ich wusste nicht, dass Ketchup zu mögen ein Verbrechen ist.«
»Kein Ding. Jetzt weißt du es ja.«
Ich schüttelte den Kopf, doch meine Mundwinkel zuckten, und ich wusste, dass ihm das nicht entging. Keinen Augenblick später verschwand er im Laden, während ich draußen auf ihn wartete. Ich drehte mich in Richtung Straße um, wobei aus dem Lokal Lady Gaga ertönte. Reflexartig checkte ich mein Handy. Keine Antwort von Cora, keine weitere Reaktion von Juli. Hastig verstaute ich es wieder in meiner Tasche, aus Angst, dass meine Finger (wieder mal) ein Eigenleben entwickeln, Instagram öffnen und Dahlias Namen doch in die Suchleiste eintippen würden.
Ich wollte die Bilder einfach nicht sehen.
Die Bilder voller Drinks, Ballons und fremden Menschen in ihrem mir fremden Leben. Im Grunde wäre es bloß selbstverletzendes Verhalten gewesen, und ich wollte nicht die Freundin sein, die alle retten konnte, bloß nicht sich selbst.
»Das werden die besten Pommes, die du jemals gegessen hast«, verkündete mein Begleiter schließlich, nachdem er herausgetreten war und die Eingangstür wieder hinter ihm zufiel.
Misstrauisch begutachtete ich die Pappschale, die er mit entgegenhielt. »Du weißt, dass das einfach nur Pommes mit Ketchup sind, oder?«
»Probier sie einfach. Sie verändern dein Leben, versprochen.«
Skeptisch nahm ich die Portion Pommes entgegen und kostete.
»Und?«, fragte er ganz aufgeregt.
»Ich muss zugeben, dass mir das noch nie passiert ist.«
»Dass du so gute Pommes gegessen hast?«
»Dass ein Fremder so daran interessiert ist, mir die besten Pommes meines Lebens zu enthüllen.«
»Ist bestimmt wahrscheinlicher, als die Liebe deines Lebens zu finden.«
»Ich schätze, du hast nicht ganz unrecht.«
»Das war genau das, was ich hören wollte.« Jetzt nahm auch er eine Pommes aus seiner Schale, identisch zu meiner, nur mit Mayo.
»Sie sind schon gut«, sagte ich und griff nach einer weiteren.
»Ich weiß. Sind vierfach frittiert und mit einem geheimen Gewürz bestreut.«
»Du bist also Fan von …« Langsam trat ich einen Schritt nach hinten, um das Leuchtschild besser lesen zu können. »… Hannah loves Fries?«
»Sagen wir es so: Ich bin öfter hier.«
»Ah ja.« Ich nickte Richtung Fußgängerpassage und teilte ihm anschließend mit, dass ich dort entlang nach Hause müsse.
»Ich auch«, sagte er. »Ich muss noch bei einem Freund vorbeischauen.«
In jeder anderen Situation hätte ich es für einen miesen Annäherungsversuch gehalten. Wie schnell er das sagte, wie abgeklärt und selbstverständlich, als gehörte es zu seinem Plan, mich nach Hause zu begleiten, mir so näher und dann an meine Nummer zu kommen. Doch der Typ hielt sich nicht mal damit auf, nach meinem Namen zu fragen.
»Wieso hast du eigentlich geweint?«, fragte er stattdessen an der ersten roten Ampel.
»Keine Ahnung.« Instinktiv blies ich die Wangen auf. »Schätze, alles in allem war mein Tag nicht so gut.«
»Und wieso?«
»Ich bezweifle, dass wir betrunken genug für diese Art von Gespräch sind.«
»Welche Art meinst du?«
»Na ja, die, in der sich zwei Fremde, meistens Mann und Frau, ihre Herzen ausschütten, ein tiefgründiges Gespräch nach dem nächsten führen und sich am Ende irgendwie verbunden fühlen.« Ich schüttelte den Kopf. »Wenn es dir nichts ausmacht, würde ich diesen Part gerne überspringen und gleich zum Ende kommen, wo wir uns einfach friedlich anschweigen.«
Eigentlich war ich nicht derart forsch, aber es war ein langer Tag gewesen. Außerdem beschritten wir wirklich nur einen Nachhauseweg. Wir führten kein betrunkenes deepes Gespräch, in dem ich meinem Gegenüber auf den Zahn fühlte, mich an seinen Aussagen festbiss und nicht lockerließ, weil ich keinen Small Talk konnte.
Du erzählst die Wahrheit. Deine Beiträge sind so ehrlich. Bei dir fühle ich mich immer gesehen. Danke, dass du du bist, @tessteilt.
Kommentare zu meinen Social-Media-Posts blinkten vor meinem geistigen Auge auf, doch ich schob sie hastig beiseite. Ich wollte kein seelenöffnendes Gespräch führen. Ich wollte diese Situation in meinem Kopf auch nicht zu einem Ding machen, sie romantisieren und mir...
Erscheint lt. Verlag | 19.3.2024 |
---|---|
Sprache | deutsch |
Themenwelt | Literatur ► Romane / Erzählungen |
Sachbuch/Ratgeber ► Gesundheit / Leben / Psychologie ► Partnerschaft / Sexualität | |
Schlagworte | Bestsellerautorin • Bücher Liebesromane • Coming of Age • Dating • dolly alderton • Frauenfreundschaft • Freundschaft • Geschlechterrollen • Große Liebe • Partnerschaft Betrug • Romance • Sad girl • sally rooney • Selbstdarstellung • Soziale Medien • Spiegel-Bestellerautorin • TikTok • tinder • toxische Beziehung • Vlog |
ISBN-10 | 3-7499-0662-9 / 3749906629 |
ISBN-13 | 978-3-7499-0662-8 / 9783749906628 |
Informationen gemäß Produktsicherheitsverordnung (GPSR) | |
Haben Sie eine Frage zum Produkt? |
Größe: 873 KB
DRM: Digitales Wasserzeichen
Dieses eBook enthält ein digitales Wasserzeichen und ist damit für Sie personalisiert. Bei einer missbräuchlichen Weitergabe des eBooks an Dritte ist eine Rückverfolgung an die Quelle möglich.
Dateiformat: EPUB (Electronic Publication)
EPUB ist ein offener Standard für eBooks und eignet sich besonders zur Darstellung von Belletristik und Sachbüchern. Der Fließtext wird dynamisch an die Display- und Schriftgröße angepasst. Auch für mobile Lesegeräte ist EPUB daher gut geeignet.
Systemvoraussetzungen:
PC/Mac: Mit einem PC oder Mac können Sie dieses eBook lesen. Sie benötigen dafür die kostenlose Software Adobe Digital Editions.
eReader: Dieses eBook kann mit (fast) allen eBook-Readern gelesen werden. Mit dem amazon-Kindle ist es aber nicht kompatibel.
Smartphone/Tablet: Egal ob Apple oder Android, dieses eBook können Sie lesen. Sie benötigen dafür eine kostenlose App.
Geräteliste und zusätzliche Hinweise
Buying eBooks from abroad
For tax law reasons we can sell eBooks just within Germany and Switzerland. Regrettably we cannot fulfill eBook-orders from other countries.
aus dem Bereich