Ein einig Volk von Träumern

Szenen der deutschen Krise
Buch | Hardcover
208 Seiten
2005
DVA (Verlag)
978-3-421-05874-4 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Ein einig Volk von Träumern - Sibylle Krause-Burger
19,90 inkl. MwSt
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Ob sich die Deutschen im Kopftuchstreit verhakeln, ob sie im Wettkampf um Bildung und Ausbildung international abgeschlagen sind oder ob die Gesellschaft zur Beute der Interessenverbände wird: Die Journalistin Sibylle Krause-Burger nennt Versäumnisse und Versäumende beim Namen, macht deutlich, wie notwendige Reformen und Entscheidungen zwischen Lobbyistengruppen zerredet und zerrieben werden. Ihre gleichermaßen scharfsinnigen wie scharfzüngigen Kolumnen verdichten sich zu einem leidenschaftlichen Plädoyer für die Demokratie in Deutschland. Sie will nicht zusehen, wie der Staat zum Spielplatz der Partikularinteressen wird.


Sibylle Krause-Burger, in Berlin geboren, studierte politische Wissenschaften in Tübingen. Sie ist Kolumnistin der "Stuttgarter Zeitung" und schreibt auch für andere große Blätter. Sie wurde ausgezeichnet u.a. mit dem Theodor-Wolff- und dem Karl-Hermann-F

Vorwort Eine Schreckensnachricht jagt die andere: Massenentlassungen, Rentenkürzungen, Pisaverzweiflung, Gesundheitskatastrophen, Kopftuchkämpfe. Täglich nimmt die deutsche Krise schicksalhaftere Züge an. Es hat etwas Unausweichliches, wie das Land in seinen Träumen gefangen zu sein scheint, wie es den Blick auf die Wirklichkeit verweigert, wie es vom Kopf nicht auf die Füße kommen will. Ausreichend Stoff also, um nach Herzenslust zu kommentieren und zu kritisieren. Finden der Kanzler und seine Koalition noch die Kraft, über das schiere Macht- und Parteiinteresse hinauszudenken, also einen echten Aufbruch anzustoßen? Wie kann Deutschland seinen Rückstand aufholen? Werden Ossis und Wessis eines Tages ihre Vorurteile und Befindlichkeiten nicht mehr so wichtig nehmen? Gelingt es, die Ausländer hier um ein Quentchen heimischer zu machen? Das sind Fragen, denen ich in diesem Buch nachgehe. Doch nicht nur die schiere Hochpolitik, auch die Marotten der Mächtigen, die Affären von Regierenden und Opponierenden, dazu die deutsche Neurose, die Rolle der Medien oder die Merkwürdigkeiten des Alltags und nicht zu vergessen die Begegnungen mit ungewöhnlichen Menschen - all das sind Themen, die mich zum Schreiben angeregt haben. Die Stücke dieser Sammlung stammen aus einer Reihe von Kolumnen, die ich in regelmäßigen Abständen für die Stuttgarter Zeitung schreibe. Natürlich habe ich die hier abgedruckten Arbeiten allesamt für den Tag verfaßt. Aber sie mußten sich auch von den aktuellen Kommentaren der Kollegen abheben, mußten einen ungewohnten Blick auf Ereignisse werfen oder in einer Art Ausschnittvergrößerung den Kern einer Sache ans Licht holen. Sie durften glossieren und ironisieren oder frech aufspießen, was im Leitartikel stets kühler abgehandelt werden muß. Diese kleinen Essays sind bisweilen sehr persönlich und - wie ich hoffe - ebenso erhellend wie unterhaltsam. Müßte ich sie einordnen, so würde ich sie gerne unter der Rubrik des politischen Feuilletons ansiedeln. Sie sind also auch aus formalen Gründen nicht an den Tag des Erscheinens gebunden und haben ein eigenes Leben. Was mir aus den letzten drei Jahren nach wie vor als lesenswert erschien, ist nun hier versammelt. Darin spiegelt sich diese Zeit und der Geist, der in ihr gewirkt hat. Von kleinen, dem gegenwärtigen Verständnis dienenden Korrekturen abgesehen, sind die Texte unverändert. Da Kolumnen in der Länge beschränkt sind, konnte ich viele Themen nur anreißen. Es sind eben journalistische Arbeiten. Sie erheben nicht den Anspruch, das jeweils weite Feld eines Problems lückenlos abzudecken. Gleichwohl habe ich den Finger in diese und jene Wunde gelegt, habe alles, was mir auffiel, was mich ärgerte - besonders das - oder was mich verzweifeln ließ, so gründlich wie möglich ausgelotet und so polemisch wie nötig aufs Papier gebracht. Manch böser Brief trudelte mir dafür ins Haus. Aber anders geht es beim Kolumnenschreiben nun mal nicht. Sibylle Krause-Burger, Stuttgart, im Januar 2005 Ein Trauerspiel mit hochgenüßlichen Einlagen Schon am zweiten Tag nach dem Amoklauf von Erfurt nahm das Ereignis eine seltsam unechte Gestalt an. Es begann zu flimmern und zu leuchten, es schillerte in allen Farben, es verklärte sich. Allmählich wurde die ganze Stadt ergriffen von diesem Glühen. Aus dem 16-fachen Mord samt einem Selbstmord, aus einer unsinnigen Bluttat war eine große, alle Bürger Erfurts, ja sogar die ganze Bundesrepublik erfassende Gefühlsaufwallung hervorgewachsen. Begonnen hatte es mit den immer gleichen Bildern: den Bildern von der Vorderfront des Gutenberg-Gymnasiums, von den kleinen Jungen, welche in schöner Klarheit ihre Beobachtungen wiedergaben, vom Lehrer Heise, der seine vermeintliche Heldentat erzählte, von Blumen, die den Ort des Schreckens zierten, von Halbwüchsigen, die sich im Arm lagen und sich gegenseitig übers Haar strichen, von Schülern, die weinten, von Erwachsenen, die wieder und wieder ihre Fassungslosigkeit kundtaten. So fing es an. Dann ging das Ganze in die Endlosschleife - in jeder Nachrichtensendung, in jedem »Brennpunkt«, in »heute spezial«, auf allen Kanälen und Titelseiten: Weinen hier, Umarmen da, die Schule dort, Blumen zuhauf. Das alles senkte sich tief ins deutsche Gemüt. Und als es dort angekommen war und die vielen schönen Emotionen weiter anfachte, da tauchten endlich auch die Chefpolitiker in Erfurt auf. Geschehnisse und Gestalten Um noch rechtzeitig dabeisein zu können, hatten die Spitzenleute der Union sogar die Verkündigung ihres Wahlprogramms verschoben. Nun aber führten die Stoibers, die Schröders, die Merkels und wer sonst noch alles mit von der Partie war, den Zug der Trauernden an, Frauen und Männer, die sonst ganz andere Dinge zu tun haben, nämlich die Republik oder die Welt zu regieren. Hier war von nichts dergleichen mehr die Rede. hier legten sie ihr Gesicht in die traurigstmöglichen Falten und hielten Grabesreden, daß es einem nur so durch Mark und Bein ging, gerade so, als sei hier kein Verbrechen geschehen, sondern als habe jeder einzelne aus dieser Riege der Haupt -und Staatsfiguren soeben seinen engsten Angehörigen verloren. Allen anderen voran brillierte Joschka Fischer, der talentierteste unter den Schmerzensmännern. Seit er Außenminister ist, sieht er eh schon aus, als müsse er das Leid der ganzen Welt tragen. Mit zerknautschter Miene hielt er während des offiziellen Trauerzuges die ihm bis dahin völlig fremde Schulrektorin wie eine Witwe im Arm. Und so geduckt, gebeugt und gebeutelt, schritt er fürbaß, als folge er seinem eigenen Sarg, zum tiefen, tiefen Grab. Frau Doris, die Kanzlergattin, vergoß sogar ein paar Tränchen über den Tod von Leuten, die sie gar nicht gekannt hatte. Hunderttausende weinten mit ihr, »im Regen«, wie eine Bildunterschrift mitteilte, und auch aus des Oberbürgermeisters Augen tropfte es, wie es sich aus solchem Anlaß geziemt. Bernhard Vogel sprach vom Schmerz, der sich in Liebe verwandeln solle. Und Bruder Johannes, weit mehr ein Bundesprediger als ein Bundespräsident, ließ sein ewig gepreßtes Pathos zum Himmel hinaufsteigen, damit es sich von dort flächendeckend wieder auf die Masse Mensch herabsenken konnte. Trauer, schöner Götterfunke. Liebe, nichts als Liebe lag in der Luft. Alle Menschen waren Brüder. Sogar der Mörder, der gute, war mit einbezogen. Was immer er getan habe, sagte Rau über Robert, den Amokläufer: er sei ein Mensch gewesen. Wem da nicht das Herz aufgeht. Nun ist es aller Ehren wert, daß Erfurt trauert, daß im Fernsehen und in sämtlichen Medien darüber berichtet wird, daß die Schüler nicht wieder in ihre Schreckensschule müssen und daß der Unterricht an einem anderen Ort stattfinden wird. Und gewiß übersteigt das Ausmaß des Erfurter Verbrechens alles, was von dieser Art bisher in Deutschland geschehen ist. Aber schlimme und schlimmste Verbrechen passieren täglich und stündlich, überall in der Welt - in Israel und Palästina, in Pakistan oder sonstwo. Auch unser vergleichsweise friedliches Deutschland wird von schrecklichen Untaten nicht verschont. Man denke nur an die Mädchenmorde der letzten Jahre. Vor diesem Hintergrund nahm sich die Erfurter Erregung mit ihrer zur Schau getragenen Trauer doch mehr als seltsam aus. Aus dem Verbrechen war ein Event geworden, die Totenfeier hatte sich in eine Selbstfeier verwandelt, der Gram entfaltete seine genüßlichen Seiten. Welches Bedürfnis wird da befriedigt? Worin liegt der Reiz? Warum bricht wegen eines Verbrechens eine Massenhysterie aus wie einst in England, als Prinzessin Diana starb, oder wie in Holland, nachdem Pim Fortuyn erschossen worden war? Es ist nun mal so, daß der Mensch ergriffen sein will, daß er ein Bedürfnis nach großem Theater hat, nach Sensationen, nach herrlichen Aufregungen und auch nach Schmerz. Der wird bekanntlich dann am lustvollsten erlebt, wenn er andere trifft. So spürt man sich, spürt, daß man richtig lebt, entwickelt große Gefühle in einer gefühllosen Welt, erlebt Gemeinsamkeit, wo so viele unter Vereinzelung leiden. Erfurt, das war ein Verbrechen. Aber Erfurt, das war auch ein großes Erlebnis, ein Ausnahmezustand, ein Abenteuer der massenhaften Verbundenheit. Und nicht zuletzt: Erfurt, das war Futter für die Medien, war Krach und Bum, und Herz und Schmerz. Endlich mal wieder was los. Die Zeit nach dem 11. September war uns doch schon richtig lang geworden. Walle! Walle manche Strecke, daß die Staatskunst endlich fließe Es gibt Tage im Januar, meist um Dreikönig herum, kalt, klar und klirrend, da pustet dir der Wind Adrenalin in die Adern. Die Sonne - so selten um diese Jahreszeit - gibt ihren wintergleißenden Segen dazu, und plötzlich ist alles neu: die Welt, das Leben, die Liebe. An solchen Tagen gibt es nichts, das einem nicht gelingt; an solchen Tagen kann man zaubern. Als dieses Kraft-Wetter zum Beginn von Gerhard Schröders zweiter Amtszeit, wenn auch noch schüchtern, um die Ecke lugte, setzte ich mich ans Fenster, blickte gen Berlin und fand mich auf der Stelle zu allerlei Hexenwerk aufgelegt. Ja, das war der richtige Augenblick, jetzt mußte es sein. Vor mir lag ein Foto der Regierungsmann- und -frauenschaft, ein Konterfei also, für das sie sich alle brav aufgereiht hatten, wie es sich zum Beginn einer Legislaturperiode gehört: Verteidigungsminister Peter Struck etwa, ausnahmsweise einmal lächelnd, und Sparkommissar Eichel, der zur Seite schaut - er weiß natürlich, warum. Oder Edelgard Bulmahn, die ihr verwechselbares Studentinnengesicht in die Kamera hält. Niemand fehlt auf dieser Aufnahme, nicht einmal die Justizministerin, deren Namen keiner kennt. Joschka Fischer, üblicherweise elegant - es sei denn, er muß auf Grünen-Parteitagen auftreten, da holt er die Revoluzzer-Klamotten aus dem Schrank - trägt die feingewirkten Hosenbeine zu Geschehnisse und Gestalten lang, so daß sie sich auf den Schuhen stauen. Sollte ihn seine sonst stets wachsame Eitelkeit ausnahmsweise einmal im Stich gelassen haben? »Manni« Stolpe - so nennen sie ihn in Brandenburg - wie immer sphinxhaft, reiht sich hinten ein, obwohl er so lange Alleinherrscher und ziemlich weit vorne gewesen ist. Gerhard Bundeskanzler strahlt, als ob er Grund dazu hätte, und Heidemarie Wieczorek-Zeul, einst ranke Jungbrünne der Jusos, hat erneut ein paar Pfunde zugelegt. Trittin läßt seinen Silberblick, man kann es kaum glauben, nach rechts schweifen, und Otto Schily schmunzelt nach links, was nicht minder verwunderlich ist. Auch Bruder Johannes ist mit von der Partie, alle zusammenbindend, und macht seinen sorgenvollen Karpfenmund. Aber lassen wir das - es sind Oberflächlichkeiten. Wichtiger ist, wie es drinnen aussieht, weshalb ich auf der Stelle mit meinen Zauberkünsten begann. Denn dies war keinesfalls die Regierung meiner Träume. Also sprach ich mein Abrakadabra und nahm mir alle Hauptdarsteller aus dieser Riege einzeln vor. Zunächst Schmidt eins, die Gesundheitsministerin, deren absolute Hilf- und Wirkungslosigkeit mich schon seit geraumer Zeit erbarmte. So konnte es schließlich mit ihr und mit uns nicht weitergehen. Ich konzentrierte mich heftig, nahm die Glaskugel in beide Hände, und alsbald sah ich den Erfolg: Frau Ulla schaute energisch, man konnte erkennen, daß sie gleich sehr präzise und ohne rheinische Schleifen sprechen würde. Sie wußte tatsächlich, was sie wollen sollte. Keine Frage, künftig würde sie der Gesundheitslobby standhalten und auch den Gesundheitsverbrauchern das Notwendige zumuten. Ich war begeistert und wandte mich Hans Eichel zu. Ihm verordnete ich die klare Linie - alle einsatzwilligen Investoren hinter mir wissend. Er mußte auf der Stelle und unumstößlich sagen, was an Steuern bleibt und was kommt. Und siehe, er tat es. Otto Schily, so wünschte ich es herbei, sollte in allen Zuwanderungs- und Sicherheitsfragen endlich wieder zu den eigenen Überzeugungen zurückfinden und nicht mehr auf die Grünen hören. Erleichtert sagte er es mir zu. Der Blick auf Schmidt zwo hingegen, auf unsere Familienministerin, stimmte mich, allen Zauberkünsten zum Trotz, reichlich hoffnungslos. Im Angesicht der fast unlösbaren demographischen Probleme fragte ich mein Orakel, ob wir nicht doch für diesen so schwierigen Platz einen Haudegen wie den alten Herbert Ehrenberg haben könnten? Was aber tun mit Manni Stolpe? Ich wußte, da würde man den ganzen Osten gleich mitverzaubern müssen. Also wünschte ich ihm einfach nur Glück, damit vielleicht ein bißchen mehr zusammenwächst, was zusammengehört. Peter Struck, dem Versteinerten, verpaßte ich ein zweites Lächeln, obwohl er, weiß Gott, in seinem ungeliebten Job nichts zu lachen hat. Und Wolfgang Clement? Der sollte Kurs halten. Dreimal an Holz geklopft und toi, toi, toi. Bei Gerhard angekommen, dem bisweilen allzu Liebenswürdigen, der nur den Amis gegenüber so verdammt unliebenswürdig sein konnte, fiel mir ein Wort von Manfred Rommel ein: Wer jedermanns Liebling sein will, wird jedermanns Dackel. Also gib's ihnen, Boß, sagte ich beschwörend: nicht außenpolitisch, das ist viel zu gefährlich, sondern innenpolitisch, dräng' die Gewerkschaften, die Chef-Bremser, noch weiter zurück. Du weißt doch ganz genau, was ansteht. Er nickte, und ich sah ihm an, wie Regierungskräfte und Vernunft in ihm wuchsen. Bingo. Ich war's zufrieden. Blieb nur noch Joschka. Doch da zuckte ich zurück. An ihm, dem Hanussen der Politik, müßte ich gewiß scheitern. Mit seinen Künsten, sich selbst immer wieder - mal dick, mal dünn, mal Revoluzzer, mal Regierender - als einen Verwandelten aus dem Hut zu ziehen, würde ich mich auch in meinen hexenhaftesten Momenten nicht messen können. Schluß also mit der magischen Minute. In die Ecke Besen! Besen! Seid's gewesen! Der Blocksberg ist geschlossen. Ich habe getan, was ich tun konnte. Und hat denn der ganze Zauber nicht beim einen oder anderen schon ein bißchen gewirkt? Eine Rede von Lothar de Maiziere und andere Genüsse Es war schon dunkel an einem dieser frostigen Winterabende auf dem Gendarmenmarkt zu Berlin, dem schönsten Platz in »Mitte«, als ein paar gutgekleidete, aber nicht übertrieben aufgezäumte Damen und Herren die Stufen zur Französischen Friedrichstadtkirche hinaufstiegen. Draußen kein Glockenläuten. Drinnen nur geselliges Gebrabbel. Man stand im Gang, ging noch ein bißchen hin und her und bequemte sich schließlich auf die Stühle, von denen erstaunlich viele leer blieben. Es war eine vergleichsweise kleine Gesellschaft, die sich hier auf Einladung der Evangelischen Akademie zusammengefunden hatte, um einen großen Mann aus Anlaß seines sechzigsten Geburtstags zu ehren. Schröder heißt er, Richard, nicht Gerhard mit Vornamen. Und wenn jenen anderen, den Hannoveraner, die Macht auszeichnet, so darf man diesen hier, einen Sachsen, getrost mit Geist in Zusammenhang bringen. Denn von allen gescheiten Ossis ist er - zumindest für mich - der Gescheiteste. Politisch ist er auch, führte einstmals die SPD-Fraktion in der ersten und einzigen frei gewählten Volkskammer zu Ostberlin, ein umfassend gebildeter, belesener, beredter, vernünftig denkender Mann, dazu geistreich, witzig und ein Patriot im besten Sinne des Wortes. Vor der Wahl zum Bundespräsidenten im Jahr 1999 brachte Wolfgang Schäuble ihn als Kandidaten für das höchste Staatsamt ins Gespräch. Mittlerweile sitzt er nicht einmal als Abgeordneter im Deutschen Bundestag. Dabei war dies für ihn einst ein heißersehntes Ziel, und natürlich hätte er das Parlament bereichert, hätte dieser Versammlung aus deutschem Durchschnitt zur Zierde gereicht. Doch seine Partei hat es ihm zu schwer gemacht, womöglich hat auch er der SPD ein paar Hürden aufgebaut. Denn er ist kritisch, unabhängig in seinem Urteil, eigenständig in seinen Handlungsweisen. Mit so außerordentlichen Leuten läßt sich nicht leicht umspringen. Sie wecken den Argwohn der Mafia des Mittelmaßes, die jeden Parteibetrieb beherrscht. Deshalb ist Richard Schröder heute zwar Professor für Philosophie und Theologie an der Humboldt-Universität, was ohne Zweifel seine Nerven schont. Doch zu unser aller Schaden ist er kein Volksvertreter. Und im Gerangel um die Nachfolge von Johannes Rau fielen zwar so bedeutsame Namen wie jener der Frau Leutheusser-Schnarrenberger, aber von Richard Schröder sprach in diesem Zusammenhang schon lange keiner mehr. Und dies nicht nur, weil ein Sozialdemokrat derzeit in der Bundesversammlung sowieso keine Chance hätte. Der Mann ist als Publizist und Kolumnist ja durchaus noch präsent. Aber die Politik hat ihn ausgespieen. Ausgespieen - oder sagen wir besser: abgelegt - hat sie auch einen anderen Gast jenes winterlichen Abends in der Französischen Friedrichstadtkirche. Joachim Gauck heißt er, Stasibeauftragter der Bundesregierung ist er gewesen. Zehn Jahre lang hat er die Behörde geleitet, die für viele immer noch seinen Namen trägt. Wie Richard Schröder zählt er nicht zu den Jammerossis, ist also längst im Westen angekommen, ein eleganter, gewandter, sensibler Feingeist, mittlerweile weitgereist, pragmatisch denkend und ein großes rhetorisches Talent.

Sprache deutsch
Maße 132 x 205 mm
Gewicht 380 g
Einbandart gebunden
Themenwelt Sachbuch/Ratgeber Geschichte / Politik Politik / Gesellschaft
Schlagworte Deutschland; Politik/Zeitgeschichte
ISBN-10 3-421-05874-1 / 3421058741
ISBN-13 978-3-421-05874-4 / 9783421058744
Zustand Neuware
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