Mittelweg -  Stephanie Wenger

Mittelweg (eBook)

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2023 | 1. Auflage
256 Seiten
boox-verlag
978-3-906037-86-8 (ISBN)
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Wenn aus viel Schmerz plötzlich Sinn entsteht. Der Sinn, mit meiner Geschichte, mit meinem von einer psychischen Erkrankung begleiteten Leben anderen Betroffenen Mut zu machen. Angehörigen die Gefühlswelt aufzuzeigen. Zu zeigen, dass und wie ich mit einer psychischen Erkrankung leben kann. Anders. Aber leben.

Stephanie Wenger, Jahrgang 1988, lebt mit ihrem Partner im Kanton Bern. In ihrem Buch «Mittelweg», das sie 2022 veröffentlichte, schrieb sie ihre Geschichte - ihr Leben mit einer psychischen Krankheit - nieder. Im Buch beschreibt sie, wie es dazu kam, welche Therapien ihr geholfen haben und wie sie heute ein gutes Leben führen darf. Erst schrieb sie das Buch nur für sich und merkte während dem Schreibprozess, dass sie ihre Geschichte teilen möchte, um so Anderen Mut zu machen. Mit ihren Worten bricht sie das Schweigen. Ihre Vision ist es, die Leidenszeit anderer Betroffener zu verkürzen.

Stephanie Wenger, Jahrgang 1988, lebt mit ihrem Partner im Kanton Bern. In ihrem Buch «Mittelweg», das sie 2022 veröffentlichte, schrieb sie ihre Geschichte – ihr Leben mit einer psychischen Krankheit – nieder. Im Buch beschreibt sie, wie es dazu kam, welche Therapien ihr geholfen haben und wie sie heute ein gutes Leben führen darf. Erst schrieb sie das Buch nur für sich und merkte während dem Schreibprozess, dass sie ihre Geschichte teilen möchte, um so Anderen Mut zu machen. Mit ihren Worten bricht sie das Schweigen. Ihre Vision ist es, die Leidenszeit anderer Betroffener zu verkürzen.

Prolog
Was für eine Zeit!
Erste Zeilen
Zurück in die Vergangenheit
Familie ist …
Meine Familie
Arztberichte
Aussprache?
Nicht normal
Erinnerungsfetzen
Sex, Drugs und Verzweiflung
Dissoziieren
Trauer
Essen und ich
Hallo, liebe Depression
Träume, Kontrolle und Vertrauen
Therapieweg
Liebes Monster
Meine Therapien
DBT – Dialektisch-Behaviorale Therapie
EFT – Emotionsfokussierte Therapie
Imagination
Verhaltensanalysen
Medikamente
Die Aussprache(n)
Das Gespräch
Blockade
Wiedersehen mit meinem Jugendpsychiater
Treffen mit meiner Psychologin
Dankbarkeit
Mein Alltag heute
Mittelweg
Zweifel
Allein Sein
Nähe und Distanz
Dunkle Tage und innere Stimme
Frauensache
Energie und Warnsignale
Meine Projekte
In Erinnerung
Danke, Lieblingsmenschen!
Danke, liebe zweite Familie
Danke, meine liebe Familie!
Danke, Lieblingsmensch!
Danke, mein Freund!
Danke, mein Leben!

Zurück in die Vergangenheit


Dieses Wochenende habe ich mir freigeschaufelt, um zu schreiben. Eigentlich wäre ich gestern zu meiner lieben Freundin essen gegangen und heute wäre ich mit meiner Kindheitsfreundin an ein Festival gegangen. Wobei, das Festival haben wir sowieso gecancelt, da ich ein schlechtes Bauchgefühl bei der Vorstellung hatte, dorthin zu gehen. Heute kann ich es mir nahestehenden Menschen sagen, wenn mir etwas Angst macht. Wenn ich in einem Hoch bin, mache oder buche ich leider Dinge, die ich dann nüchtern oder in Ruhe betrachtet eigentlich nicht mehr will. Sie machen mir plötzlich Angst. Sie könnten mich Situationen aussetzen, die für mich schwierig werden könnten. Es ist nicht so, dass ich aus Angst Dinge grundsätzlich nicht tue. Ich habe mich wohl allen meinen Ängsten gestellt. Dabei habe ich jedoch gelernt, wo meine Grenzen liegen und wann ich mich schützen und abgrenzen möchte. Es ist ein sehr befreiendes und bereicherndes Gefühl zu wissen, wo meine Grenzen sind und wann ich mich schützen möchte. Dabei fühle ich mich nicht mehr schlecht, anders oder schwach, wie ich das früher empfunden hatte. Ich fühle mich stark und es erfüllt mich mit Stolz, meine Grenzen zu kennen und mich dabei so wichtig zu nehmen, um mich vor gewissen Gefahren zu schützen. Es erfüllt mich mit Stolz, Menschen in meinem Leben zu haben, die dies akzeptieren und darauf eingehen, ohne mich zu verurteilen und von mir enttäuscht zu sein. Ich bin unsagbar dankbar für diese Menschen in meinem Leben. Sie geben mir alle ein Zuhause.

Nun bin ich gestern nach der Arbeit in den Bus gestiegen mit dem Wissen, dass ein sogenanntes Stifäli-Wochenende vor mir liegt. Ein kurzer Moment kam dann doch, in dem ich dachte, wie gut doch jetzt ein Bier mit lieben Menschen in der Abendstimmung wäre. Einfach, um die anstrengende, wenn auch gute Arbeitswoche abzuschließen. Immerhin habe ich es mir verdient. Doch ich kenne mich: In dieser Laune ein Bier trinken zu gehen in der wunderschönen und gemütlichen Altstadt von Bern, in der schönen, warmen Abendsonne, da macht es »zack« und ich kenne kein Halten mehr. Nun, mittlerweile eben doch. Stunden würden verstreichen, ein zweites und ein drittes Bier dazukommen, ich würde nach Hause gehen, einschlafen und am nächsten Tag nie richtig wach werden. Das wollte ich eben genau nicht, an meinem Stifäli-Wochenende – ein Wochenende, wo ich nur für mich bin, mir Zeit für mich nehme und Dinge tue, auf die ich Lust habe und die ich brauche. An diesem Wochenende soll es das Schreiben sein.

So kam ich also gestern zu Hause an, während mein Freund schon bei seinem wohlverdienten Feierabendbier war. Ganz so ruhig sein konnte ich nicht. Etwas Unruhe breitete sich in mir aus. Mein Hirn benötigt noch etwas Zeit und Training, bis es weiß, dass alles gut ist und mein Freund wieder nach Hause kommt. Dass das Leben zusammen weitergeht wie bisher. Das sage ich mir immer in diesen Momenten, in denen sich mein Kopfkino einschaltet. Ich sage mir, dass alles gut ist, und erinnere mich daran, dass ich, falls dann etwas plötzlich doch nicht gut sein sollte, alles meistern kann. Es sind Welten zu früher und doch hat es noch etwas Luft nach oben. Ich bin zufrieden mit mir. Zufrieden, weil ich allein sein kann, weil ich mich nicht mehr ablenken muss und weil diese Unruhe durch mein Denken dann schnell wieder vorbeigeht. Gut.

Ich habe mir dann zu Hause ein Bier gegönnt, eine Zigarette gedreht und erst einmal die veganen Tortellini ins Wasser geworfen. Es ist nicht so, dass ich Veganerin bin, doch ich probiere gerne Neues aus und finde, ab und an auf Fleisch- und Milchprodukte zu verzichten, ist eine gute Sache für mich, Mensch, Tier und Umwelt. Da ich Fleisch sowieso noch nie mochte, selten davon gegessen habe und viel zu mitfühlend mit Tieren bin, habe ich mich vor Jahre zur Vegetarierin erkoren. Umso mehr genieße ich dann nach einem strengen Ausgang meinen geliebten Cheeseburger aus dem McDonald’s oder einen fetten Döner »mit allem und scharf«. Wenn schon, dann richtig. Typisch ich. Diese paar Fleischtage im Jahr kann ich dann ohne schlechtes Gewissen und auch fast ohne Graus genießen. Hallo, Mittelweg!

Die veganen Tortellini waren gut. Ich genoss sie vor dem Fernseher mit meinen beiden Katzen neben mir. Fernsehen schaue ich nur selten. Manchmal wochenlang nie, dann plötzlich eine Serie nach der anderen und, eben wie gestern, eine unglaublich doofe Sendung, wo es nur um Fake-Liebe, Brüste und muskulöse Körper geht. Völliger Unsinn. Und doch ziehe ich mir solche Sendungen manchmal hinein und kann dabei abschalten.

Abends um halb neun musste ich dann meine Medikamente nehmen, die mich noch heute unterstützen, und wollte mich bereit machen, um zu schreiben. Ich richtete auf der Galerie unserer Wohnung das ausziehbare Sofa ein, machte es mir gemütlich und meine Katzen legten sich zu mir. Meinem Freund schrieb ich eine Nachricht, dass er mich dann nicht im Bett suchen müsse, dass ich mich auf die Galerie verzogen habe. Da bin ich auch jetzt noch. An einem der wenigen sonnigen Tage in diesem Jahr. In der eher dunklen Galerie, wo neben einem weiteren ungebrauchten Fernseher Regale voller CDs, DVDs und Bücher stehen, am Boden eine wunderschöne grüne Matratze bei meinem Ich-Platz, den ich (leider) nur selten benutze, mit meinem Tonstudio und der Musikecke, wo ich meine Lieder schreibe, mit meinen zwei Katzen neben mir und dem Laptop auf mir. Um genügend Licht zu haben, musste ich die Stehlampe zu mir holen. Sie steht nun mitten im Raum und ersetzt mir heute die Sonne.

Gestern Abend schrieb ich über meine kurz dauernden Freundschaften und ein wenig über meine depressiven Episoden. Es lief ganz gut. Wie immer bis jetzt, wenn ich schreibe. Ich kann vollkommen darin versinken. In die Sätze, in den Ton, wenn ich die Tasten anschlage, in die Gedanken und in die Gefühle von damals. Dabei bin ich sehr achtsam, mache eine Pause oder schließe ab, sobald ich merke, dass es mir zu viel wird. So wie heute.

Heute Morgen haben mich meine Katzen ausnahmsweise ausschlafen lassen. Ich stand auf, fütterte sie, ließ mir einen Kaffee aus der Maschine und kuschelte mich wieder zurück in meine neu angelegte Schreiboase auf der Galerie. Ich legte gleich los. Ich schrieb über meine Familie, die eine Großfamilie hätte sein können, aber klein geblieben ist. Ich schrieb über ein belastendes Erlebnis in meiner Schulzeit, als ich von der Schule davonlief, und über die Konfliktfähigkeit oder eben -unfähigkeit in meiner Familie. Es lief ganz gut.

Wie immer nach einer Stunde Schreibzeit brauchte ich eine kurze Pause. So ging ich wieder nach unten, machte mir einen weiteren Kaffee und drehte mir eine Zigarette. Ja, am Wochenende rauche ich leider schon morgens. Ich telefonierte mit meiner großen Schwester. Sie war eine Woche in Adelboden und würde morgen weiter nach Italien fahren. Ich wollte natürlich wissen, wie die Adelboden-Woche gelaufen war. Sie hatte eine anstrengende, aber erfolgreiche und erkenntnisreiche Woche. So schön, dass meine Schwester das alles erleben darf. Nach einer Stunde legten wir auf.

Mein Freund war mittlerweile aufgestanden und kam mit kleinen Augen aus dem Schlafzimmer. Wir verbrachten etwas Zeit zusammen, bevor ich mich wieder nach oben in die Schreiboase verzog und im Estrich die Kisten und Blechdosen mit meinen Erinnerungsstücken hervorholte. Ich habe viele Bücher, Skripts und Notizen meiner Therapien immer in meiner sogenannten Therapiekiste aufgehoben. All meine Tagebücher aus der Kindheit und Jugend habe ich vor nicht allzu langer Zeit entsorgt. Diejenigen von den Klinikaufenthalten und noch einige weitere habe ich behalten. Heute dienten sie mir für mein Buchprojekt und mein Ziel war es, sie zu durchstöbern und zu sortieren. Nicht so einfach, wie ich gedacht hatte. Wobei, dass es nicht einfach würde, das war mir bewusst. Doch dass es dann doch so auf meine Stimmung schlagen würde, wollte ich dann eigentlich doch nicht. Ich las kurze Textpassagen aus einer Zeit, in der ich lange in der psychiatrischen Klinik war. Sechs Monate und etwas mehr, um genau zu sein. Die Zeilen, die ich heute las, haben mich erschrocken. Wie viel Hass, wie viel Trauer, wie viel Wut und wie viel Ungeklärtes in mir doch war. Die Briefe, die ich behalten habe, Fotos aus der Zeit – alles sehr aufwühlend. Ich brauchte eine Pause.

So ging ich wieder nach unten auf den Balkon und drehte meine nächste Zigarette. Ich merkte, dass ich mehr in die Zeit, in der ich heute zum Glück nicht mehr lebe, zurückgekehrt war und dies mehr, als mir lieb war. Ich merkte, wie eine Stille in mir einkehrte. Keine angenehme Stille. Eine unruhige Stille. Mein Freund bemerkte es und so sagte ich ihm, dass diese Konfrontation gerade sehr schwierig sei. Mein für gewöhnlich verlegenes Lächeln versuchte ich zu unterdrücken, denn zum Lächeln war mir nicht zumute. Ich merkte, dass ich mir einen Plan, oder anders gesagt: einen Sicherheitsplan auf- stellen musste. Mich den ganzen Tag mit dieser Materie zu beschäftigen, ist nicht gut für mich. Es braucht Inseln dazwischen, die ich mir einbauen will. Eine Dusche nehmen, eine leckere und gesunde Zwischenmahlzeit einnehmen, vielleicht eine Meditation, ein Tanz, eine Yogaeinheit. Einfach Pausen. Auch für solche Situationen habe ich mir Strategien antrainiert, damit ich nicht in diesen Sog gerate. So legte ich mich kurz zu meinen Katzen – ja, ihr merkt, die sind immer bei mir –, stoppte meine Gedanken und auch das Pläne-Schmieden. Ich versuchte zur Ruhe zu kommen.

Mein Freund kam zu mir, strich mir über das Gesicht und fragte mich, ob er sich Sorgen machen müsse. Nein. Es ist schön, dieses Wort mit völliger Sicherheit aussprechen zu können...

Erscheint lt. Verlag 31.10.2023
Zusatzinfo 1 Grafik Autorinnen Porträt
Verlagsort Urnäsch
Sprache deutsch
Themenwelt Sachbuch/Ratgeber Gesundheit / Leben / Psychologie Lebenshilfe / Lebensführung
Schlagworte Dankbarkeit • DBT - Dialektisch-Behaviorale Therapie • EFT - Emotionsfokussierte Therapie • Familie • Jugendpsychiater • Psychiatrie • Psychische Erkrankung • Psychologe • Reflektion • Verhaltensanalyse
ISBN-10 3-906037-86-X / 390603786X
ISBN-13 978-3-906037-86-8 / 9783906037868
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