Juliane Francke, Jahrgang 1979, ist Mutter von drei Kindern und lebt und arbeitet in Potsdam. Sie ist seit 2005 examinierte Ergotherapeutin und beendete 2009 ihr Bachelorstudium in Berlin. Ihre Vorliebe und Begeisterung für die pädiatrische Ergotherapie entwickelte sich bereits während der Ausbildung. Seit 2012 ist sie selbstständig tätig und behandelt seitdem ausschließlich Kinder in allen Altersgruppen. Darüber hinaus übte sie unterschiedliche Dozententätigkeiten aus und war sechs Jahre neben ihrer ergotherapeutischen Arbeit in einem Geburtshaus tätig. Sie ist außerdem Fachtherapeutin für Pädiatrie, CO-OP-Trainerin, Grafomotoriktrainerin, Händigkeits testerin nach E. Kraus sowie Säuglings- und Kleinkindtherapeutin und Lehrtherapeutin nach Intra Act Plus. Aktuell arbeitet sie mit ihrem Team in eigener Praxis in Potsdam und engagiert sich in der Aus- und Fortbildung von Ergotherapeut:innen. In ihrer praktischen Arbeit legt sie besonderen Wert auf die Zusammenarbeit mit den Eltern, Erzieher:innen und Lehrer:innen sowie einen betätigungsorientierten Ansatz, der auf den Alltag der Klient:innen zugeschnitten ist.
| Fallbeispiele – Wie sieht der Alltag von Kindern mit einer UEMF aus?
Peter ist fünf Jahre alt. Er sieht seine Mama am Zaun des Kindergartens stehen und rennt ihr freudig entgegen. Er springt an ihr hoch und wirft sie bei der Begrüßung fast um. Bei der Umarmung und dem darauffolgenden Kuss spannt sich Peters Mama an und hält kurz die Luft an. Trotz der stürmischen und unsanften Begrüßung lächelt sie ihren Sohn liebevoll an. Sie betrachtet ihn und sieht deutliche Spuren des Mittagessens auf seinem T-Shirt. Die Frage, was es heute zu essen gab, kann sie sich sparen. Auch haben Peters Hosen ein neues Loch bekommen; diese Woche ist das die dritte Hose, die geflickt werden muss.
Als sie im Kindergarten Peters Sachen holen will, findet sie einen wilden Haufen auf dem Boden vor. Peter schafft es nicht, seine Sachen an den Haken zu hängen. An der Bildergalerie bewundert sie verschiedene Bilder, von Peter kann sie leider kein Bild entdecken.
Peter bewegt sich sehr gerne und sehr schnell. Er ist flink und ausdauernd beim Rennen und Toben, aber es passieren immer wieder kleine Unfälle. Langsame und gezielte Aktivitäten wie Balancieren, auf einem Bein hüpfen und Fahrradfahren gelingen ihm noch nicht. Mit seinen Händen ist er sehr ungeschickt, er handelt flüchtig und nimmt sich keine Zeit zum Hantieren. Er führt das Besteck ungelenk, kleckert viel und nimmt deshalb lieber die Finger zum Essen. Malen erledigt er sehr schnell und wenig sorgfältig. Meistens hat er keinen Spaß dabei oder verweigert es sogar.
Kurz & knapp
Peter: 5 Jahre
■ bewegt sich gerne, aber sehr ungestüm
■ setzt meist zu viel Kraft ein
■ passieren kleine Unfälle, die er kaum wahrnimmt
■ hat Probleme beim Balancieren und Radfahren
■ kleckert viel beim Essen
■ fällt der Umgang mit Besteck schwer
■ malt wenig detailliert und sehr schnell
Charlotte ist gerade fünf Jahre alt geworden und geht mit ihrem Papa zusammen auf den schönen Spielplatz um die Ecke. Dort kann man rutschen, auf Baumstämmen und Balken balancieren, aufverschiedenen Schaukeln schaukeln und einen Sandkasten gibt es auch. Charlottes Papa muss eigentlich noch arbeiten und hat seinen Laptop mitgebracht, in der Hoffnung, dass Charlotte mit den anderen Kindern ins Spiel kommt. Aber wie üblich sitzt sie betrübt und still neben ihm, buddelt etwas am Rand des Sandkastens, während die anderen Kinder rutschen, toben und Fangen spielen. Charlottes Papa klappt traurig und enttäuscht seinen Laptop zu und geht mit ihr zusammen spielen. Er hatte so gehofft, dass sie sich heute traut, mit den anderen Kindern zu spielen. An der Rutsche muss er dafür sorgen, dass sie allein und in Ruhe die Leiter erklimmen kann. Erst wenn er unten am Ende steht und sie auffängt, traut sie sich endlich, loszurutschen. Auf die Schaukel klettert sie mittlerweile allein hoch, allerdings muss Papa sie immer noch anstoßen. Das mit dem Schwungholen hat sie einfach noch nicht verstanden. Auch wenn sie weiß, dass sie die Beine vor und zurück bewegen muss, klappt es einfach nicht. Ein anderes Kind spricht sie an und fragt, ob sie mit Fangen spielen möchte. Charlotte verneint, greift nach der Hand ihres Papas und signalisiert ihm, dass sie lieber wieder nach Hause will.
Charlotte vermeidet motorische Anforderungen wie Klettern, Balancieren und Schaukeln. Sie ist dabei unsicher und auf Hilfe angewiesen. Mit anderen Kindern spielt sie nicht gerne, weil sie nicht so mutig ist, sich langsamer bewegt und oft nicht weiß, wie sie etwas machen soll. Außerdem stolpert und fällt sie häufig und wirkt sehr tollpatschig. So spielt sie am liebsten allein und malt in Ruhe. Basteln und Malen kann sie nämlich richtig gut.
Kurz & knapp
Charlotte: 5 Jahre
■ bewegt sich nicht gerne und nur sehr langsam
■ wirkt sehr ängstlich und vorsichtig
■ stolpert oft und fällt hin
■ hat beim Schaukeln Probleme, Schwung zu holen
■ spielt am liebsten drinnen und allein
■ kann sehr gut malen und basteln
Franz ist sieben Jahre alt und geht in die erste Klasse. Seit einem dreiviertel Jahr lernt er schreiben, aber die Buchstaben sehen einfach nie so ordentlich aus wie bei den anderen Kindern. Egal wie sehr er sich auch anstrengt und wie oft er das kleine „s“ auch schreibt, es ist nur krumm, tanzt irgendwo zwischen den Linien herum und sieht jedes Mal anders aus. Sein Geschriebenes kann man meist nicht lesen. Dann wird er wütend und kritzelt alles durch, bis das Papier reißt. Von seiner Lehrerin bekommt er ernste Blicke und er weiß, dass er zu Hause wieder ewig üben muss und nicht zum Fußballtraining gehen darf. Dabei ist ihm das Training so wichtig! Dort kann er sich austoben und ist auch richtig gut, fast jeder Schuss geht ins Tor. Er wird ganz traurig und wütend, wenn er daran denkt. Er hat einfach keine Idee, wie er das mit dem Schreiben schaffen soll.
Franz hat Schwierigkeiten, den Stift richtig zu halten, er wechselt oft die Stifthaltung und drückt zu stark auf. Seine Schrift ist sehr unordentlich und beim Schreibenüben zu Hause gibt es oft Streit, da er sehr lange braucht und er es nicht so schafft, wie seine Eltern und die Lehrerin es gerne hätten.
Kurz & knapp
Franz: 7 Jahre, 1. Klasse
■ Schreiben fällt sehr schwer
■ wechselnde Stifthaltung, sehr angestrengte Stiftführung
■ Buchstaben sind nicht zwischen den Linien, haben keine einheitliche, erkennbare Form
■ wird schnell wütend
■ Streit bei den Hausaufgaben und beim Schreibenüben
■ liebt Fußballtraining, ist guter Torschütze
Sina, sechs Jahre alt, ist schon lange vor dem Weckerklingeln und ihren Eltern wach und trotzdem müssen ihre Eltern sie jeden Morgen drängeln und überreden, sich doch endlich anzuziehen. Nach den Sommerferien wird Sina eingeschult und die Eltern fragen sich schon lange, wie sie das schaffen sollen. Schon jetzt haben sie Mühe, pünktlich loszukommen. Die einfachsten Dinge wie Anziehen, Hosenknopf schließen, Schleife binden und den Reißverschluss an der Jacke zu schließen dauern ewig. Die Eltern werden im morgendlichen Zeitdruck ungeduldig und helfen ihr beim Anziehen und Verschließen der Kleidung. Schließlich müssen auch die jüngeren Brüder versorgt werden und sie selbst müssen pünktlich bei der Arbeit sein. Vor dem Losgehen müsste Sina nur noch die Brotbox und die Flasche in den Rucksack packen, aber auch das gelingt ihr nicht. Die Verschlüsse klemmen, sie bekommt den Rucksack nicht auf und so entscheidet sie, ohne ihre Sachen in den Kindergarten zu gehen. Sie freut sich sehr auf die anderen Kinder und ihre Freundinnen, sie können wunderbar zusammen Rollenspiele spielen und heute darf sie die Ärztin sein.
Für Sina ist Anziehen eine sehr schwierige Aufgabe, sie verdreht Kleidungsstücke, hat Probleme, sie richtig herumzudrehen oder umzukrempeln und bleibt oft mit den Armen im Pullover stecken. Sie schafft es nicht, Hosenknöpfe zu öffnen und zu schließen, und trägt deshalb am liebsten Leggings. Auch andere Verschlüsse wie Steckschnallen, Knoten, Schleifen, Hakenösen lässt sie lieber offen. In der Küche gelingt es ihr nicht, selbstständig Dosen, Flaschen und Verpackungen zu öffnen und zu schließen. Sie hat einfach zu wenig Kraft und keine Idee, wie sie das machen soll.
Kurz & knapp
Sina: 6 Jahre
■ ist langsam beim Anziehen
■ Kleidung ist verdreht und umgekrempelt
■ kann Verschlüsse (Knöpfe, Schleifen, Reißverschlüsse) nicht schließen
■ kann Flaschen und Verpackungen nicht öffnen
■ hat wenig Kraft
■ ist beliebte Freundin und spielt sehr gerne Rollenspiele
Haben Sie sich oder Ihr Kind in einem der Beispiele wiedererkannt? Mithilfe dieses Ratgebers werden Sie verstehen, was mit Ihrem Kind los ist, warum es bei manchen scheinbar alltäglichen Tätigkeiten solche Schwierigkeiten hat und warum es immer wieder zu frustrierenden Momenten...
Erscheint lt. Verlag | 17.10.2023 |
---|---|
Sprache | deutsch |
Themenwelt | Sachbuch/Ratgeber ► Gesundheit / Leben / Psychologie |
ISBN-10 | 3-8248-9874-8 / 3824898748 |
ISBN-13 | 978-3-8248-9874-9 / 9783824898749 |
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