Gips und anderes Gestein (eBook)
92 Seiten
Universitätsverlag Wagner
978-3-7065-6363-5 (ISBN)
Mag. Walter Zirker, geb. 1958 in Lustenau, studierte Geschichte und Germanistik in Wien. Er lebt und arbeitet in Wien als freiberuflicher Historiker. Die Themenschwerpunkte seiner Vorarlberger Geschichtsforschungen umfassen Bildung, Gesundheitswesen, Politik, Energie und Technik.
Mag. Walter Zirker, geb. 1958 in Lustenau, studierte Geschichte und Germanistik in Wien. Er lebt und arbeitet in Wien als freiberuflicher Historiker. Die Themenschwerpunkte seiner Vorarlberger Geschichtsforschungen umfassen Bildung, Gesundheitswesen, Politik, Energie und Technik.
3. Früher Gipsbergbau in St. Anton und Umgebung
In St. Anton findet sich der größte Gipsbruch in einer Waldschlucht, 1,2 km nordnordöstlich der Gemeinde. Aus dem nahe liegenden Tobel fließt der sogenannte Gips- oder Tränenbach, der gelösten Gips mitführt und dadurch eine milchig-weiße Farbe erhält. Der Tobel steigt in nordöstlicher Richtung gegen den Hauptkamm Davennakopf–Itonskopf an. Dieser Kamm besteht aus Hauptdolomit, das Liegende sind Raibler Schichten. Das Gipsband zieht sich hinter dem Bergrücken Davenna– Itonskopf durch und tritt bei der Alpe Itons zu Tage, von wo es sich steil nach Dalaas hin absenkt. Das Gipsband ist bis in eine Seehöhe von ca. 1800 m zu verfolgen. Seine tiefsten Lagen reichen bis ca. 700 m, sind aber wegen Verwitterung unbrauchbar. Die Vertikalmächtigkeit beträgt also etwa 1100 m. Erschlossen sind zwei Abbrüche mit Stollenvortrieben.18 Der erste Abbruch liegt auf einer Seehöhe von 750 m, der zweite auf 850 m mit Stollenvortrieben und Schrägschächten. Der Bachlauf, der ursprünglich durch beide Brüche führte, wurde 1922 an die südliche Grenzzone des Lagers verlegt, um den ungestörten Abbau der Aufschlüsse entlang dem Schichtstreifen in östlicher Richtung vorzunehmen und die besten Mittelschichten des Gipslagers zu erreichen.19
Gipsgestein führt durch seine relative Wasserlöslichkeit leicht zu einer Instabilität des Geländes und dürfte die Bewohner dieses Talabschnittes schon immer geängstigt und verunsichert und so in die Sagenwelt Eingang gefunden haben. Der Pfarrer Johann Leonhard Widerin versuchte in seiner Gemeindechronik von 1817 in unterschiedlichen Erklärungsansätzen den gewaltigen Bergsturz, an den noch heute die Schuttmassen im Garnilentobel erinnern, und den Untergang der legendären Stadt Prazalanz zu erklären. Ein Bergsee im Inneren des Berges habe bei seinem Ausbruch die Talseite der Gipswand hinausgedrückt. So beruft er sich auf einen Zeugen, der
„eine alte Kronik mitgebracht, wo die Stadt, auch die Zeit und Ort der Zerstöhrung nebst der Anzahl der Gebäuden in- u. um die Stadt herum beschrieben war. Davon wußte derselbe doch nichts weiter zu erzählen, als daß in dem Berg ein See geweßen seye, der bey lauger raucher Witterung den Berg ausgedrükt habe.“
Gleichzeitig liefert Widerin auch eine theologische Erklärung und erwähnt einen Pfarrer aus dem Wallis, der „Prazalans als ein Beyspiel des strafenden Gottes der Gottlosigkeit wegen zur Wahrnung seiner Pfarrkinder in der Predig angeführt habe“20. Die Parallelen zu den biblischen Städten Sodom und Gomorrha sind unverkennbar.
Das Ortsbild von St. Anton war schon immer mitgeprägt von der Mächtigkeit der Davenna, die nordöstlich der Gemeinde steil aufsteigt (Foto: VLB, Sammlung Risch-Lau, St. Anton 1959).
An einen möglicherweise alten (Erz-)Bergbau in St. Anton erinnert die Flur „Gavotes“, abgeleitet von „gaves sotes“, die „unteren Gruben“.21 Eine umfassende Arbeit über den Bergbau in Tirol und Vorarlberg nannte schlagwortartig: „St. Anton: Alte Erzgrube, Spuren ‚In dem Loch‘. Alte Erzstraße nach Bartholomäberg und Kristberg. Gebäudespuren ‚In dem Mühlenwald‘, wo Erzniederlage war.“ Die Gipsvorkommen und deren Abbau blieben hingegen unerwähnt.22 Auch die alte Chronik von Pfarrer Widerin bemerkte zum Erzbergbau: „Zu St. Antöni ist eine alte Erz-Grub, wovon man noch die Mündung, u. vor derselben einen großen Höger vom Ausschub wahrnehmen kann, diese liegt an der Bartholomeberger Gränze in dem Loch genannt.“23 Jedoch muss die Annahme eines alten Erzbergbaus in St. Anton etwas kritisch gesehen werden, da geologische Gutachten gegen einen Abbau von erzhaltigem Gestein sprechen.24 Wahrscheinlicher ist der Erztransport von Bartholomäberg über St. Anton, dem alten Saumweg entlang. Es gibt Hinweise, dass im Haus Nr. 13 ein Zwischenlager für das Erzgestein bestand.25
Die historisch belegten Anfänge des Gipsbergbaus in St. Anton reichen bis ins frühe 18. Jahrhundert zurück. Der Bregenzer Thomas Halder, Gastwirt „zum Weissen Kreuz“, suchte in den Jahren 1714/15 beim Vogteiverwalter der Herrschaften Bludenz und Sonnenberg um eine Konzession für den Gipsabbau an. Am 26. Juli 1715 einigten sich schließlich die Vertragsparteien auf einen verbindlichen Vertrag. Die gräfliche Bergvormundschaft verpflichtete sich, eine Gipsstampfe und Mühle im Wert von etwa 50 Gulden zu errichten, deren Benutzung Halder zugestanden wurde. Als Gegenleistung willigte er ein, jährlich vier Gulden, verbindlich auf zehn Jahre, für die Gipsnutzung zu bezahlen. Für jedes Fass Gips entrichtete er zudem einen Gulden; die jährliche Menge bezifferte er auf 30 bis 40 Fass. Halder hatte weiters für alle Abbauund Transportkosten aufzukommen sowie nach der Verarbeitung des Gipsgesteins für den Weitertransport nach Feldkirch.26 Der Spätbarock mit seiner überladenen Ornamentik schuf gewiss einen Marktbedarf für Gips und möglicherweise wollte Halder von dieser baulichen Entwicklung profitieren. Über den weiteren Verlauf dieses Unternehmens, das vertraglich auf mindestens zehn Jahre angesetzt war, ist uns nichts bekannt. Es finden sich weder weitere schriftliche Zeugnisse noch Überreste baulicher Maßnahmen.
In den Jahrzehnten nach Halders Unternehmung war der Gipsbruch wieder Allmendegut der Bewohner von St. Anton. Auf eine Anfrage des Landgerichts Montafon von 1807 wies die Gemeinde darauf hin. Er war Allgemeingut und Teil eines Naturalhandels der Gemeindebewohner, der unter anderem dazu diente, auswärtige Fuhrleute für ihre Leistung mit einer entsprechenden Menge Gips zu entlohnen. Dadurch wurde der Gipsbruch Grundlage für einen bescheidenen Tauschhandel und war ein freies Recht jedes Einwohners. Die Gemeinde erklärte,
„sie hätte denselben nie anderst benutzet, als durch Erlaubnißertheilung statt eines Fuhrlohns gegen fremde Fuhrleute, wenn solche den Innwohnern der Gemeinde St. Antöny etwas hereinführten, und zwar hat diese Erlaubniß ein jeder einzelner Gemeinder für sich ertheilet ohne den Gemeinds-Vorsteher hierum anzufragen“27.
Im Jahre 1807 wandte sich Heinrich Karg an das Königlich-Baiersche Kreiskommissariat mit der Bitte um Überlassung der Gipsbrüche im südlichen Vorarlberg. Die Behörde wandte sich daraufhin an das Landgericht Montafon in Schruns mit einem Ansuchen um Stellungnahme. Das Landgericht erteilte die Auskunft, zwei Steinbrüche befänden sich im genannten Gebiet:
„1) zu Vandans, welcher jedoch der Stadt Bludenz gehöret, und es ist hier unbekannt, ob und wie er von denselben benutzet werde. [...] 2) zu St. Antöny. Dieser Ippsbruch28 [sic] ist beträchtlich, er liegt am Fuße eines Berges von Ipps, und hat einen viel leichteren Zugang als jener zu Vandans. Die Gemeinde St. Antöni behauptet das Eigenthum desselben. [...]
Erst im Sommer 1807 schloß die Gemeinde mit dem Oehlmüller N. Zimmermann von Feldkirch einen Accord [...] für die Benutzung dieses Ippsbruches demselben auf 12 Jahre gegen ein jährliches Pachtgeld von 12 f – unter dem weitern Bedingniß überlies, daß die Gemeinde während diesen 12 Jahren keinem andern die Mitbenutzung dieses Ippsbruches gestatten dürfe.“
Das Landgericht vermerkte jedoch kritisch, die Gemeinde habe den Vertrag ohne dessen Erlaubnis und Wissen geschlossen. Dennoch vertrat es die Ansicht, der Vertrag zwischen der Gemeinde und Zimmermann solle seine Gültigkeit behalten, denn es sei zu bedenken, dass „Karg blos eine Schadloshaltung anbiethet, Zimmermann hingegen ein bestimmtes Pachtgeld bezahlet“29. Auch in Widerins Pfarrchronik findet sich ein Hinweis auf den lokalen Gipsabbau; dabei erwähnt er „einen betrechtlichen Gibsbruch in dem Ganilentobel, auch giebt es in demselben Alabaster von mittlerer Feyne“30.
Auszug aus dem Antwortschreiben des Landgerichts Montafon an das Königlich-Baiersche Kreis-Commißariat 1807 (Abb. VLA, Vorarlberger Akten Rep. 14-022, Nr. 118).
In den ersten Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts ist im Montafon keine Gipsmühle ausgewiesen. Anton Egele aus Vandans ersuchte 1842 das k. k. Landgericht um die Bewilligung zur Errichtung einer Gipsmühle. Er merkte an, allein in Vandans befänden sich vier Gipsbrüche. In seiner Argumentation, die noch heute für infrastrukturschwache Gebiete Gültigkeit hat, verwies er auf einen Verlust an Wertschöpfung sowie erhöhte Materialkosten für das Montafon, da „bisher aus Abgang einer Gyps-mühle in Montafon immer nach Feldkirch, Dornbirn u. Bregenz unverarbeitet verkauft, u. dann das gemahlene Gypsmehl, soviel solches das Thal Montafon benötiget, wieder hereingeführt werden mußte“. Der Gips werde aber in der Landwirtschaft benötigt, um „die Bewohner von Montafon nach ihrem Bedürfniß u. zur beßeren Cultur ihrer Gründe bedienen zu...
Erscheint lt. Verlag | 25.9.2023 |
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Verlagsort | Innsbruck |
Sprache | deutsch |
Themenwelt | Sachbuch/Ratgeber ► Geschichte / Politik ► Regional- / Landesgeschichte |
Geisteswissenschaften ► Geschichte ► Regional- / Ländergeschichte | |
Schlagworte | Artur Breuss • Bergbaugeschichte • Gebrüder Battlogg • Gipsdielen • Gipslagerstätten • Montafon • Rellstal • Tagebau • Untertagebau • Vorarlberg |
ISBN-10 | 3-7065-6363-0 / 3706563630 |
ISBN-13 | 978-3-7065-6363-5 / 9783706563635 |
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