Jetzt hab ich keinen Bock mehr! -  Mag.a FH Sabrina Martina Mayr

Jetzt hab ich keinen Bock mehr! (eBook)

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2023 | 1. Auflage
Buchschmiede von Dataform Media GmbH (Verlag)
978-3-99152-523-3 (ISBN)
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Etwas in mir ... meine unermessliche Verzweiflung, mein flehender, seelischer Ruf nach Befreiung, die Sehnsucht nach Erlösung und Entlastung, mein täglicher Blick auf die Dachbodenbalken und mein unfassbarer, unbändiger Lebenswille ... ist bereit, die Wahrheit ans Tageslicht zu bringen. -JETZT- hab ich keinen Bock mehr! ist die Biografie einer jungen Frau mit psychischer Erkrankung, die im Rahmen der Mobilen Sozialpsychiatrischen Betreuung unverblümt Einblick in ihre Lebens- und Gefühlswelt gewährt. Eine Achterbahnfahrt von Chaos, Klarheit, Erkenntnissen, Verhaltensmustern und Sichtweisen auf dem mutigen Weg von der Krankheit zur Gesundheit, von der Vergangenheit ins -JETZT-. Für Betroffene, für Angehörige, für Interessierte, für Tabubeuger, für dich!

Sabrina Martina Mayr ist 1985 in der Steiermark (Österreich) geboren, absolvierte die Ausbildungen zur Elementarpädagogin und Sozialarbeiterin. Zusätzlich bildete sie sich im Bereich Klang, Mental Training und Tanz weiter. Ihre Liebschaft ist es, tabuisierte, stigmatisierte, unsichtbare Themen sichtbar zu machen und diesen Raum, Stimme und Gehör zu verleihen. Desgleichen ist sie Mitglied im 'Ver-rückt? Na und!' VNU Team Steiermark, Autorin im Namen von VNU Steiermark für feel-ok (Styria vitalis) mit dem Fokus: mentale Gesundheit für den Jugendbereich, Mitglied bei HPE Steiermark (Hilfe für Angehörige psychisch Erkrankter) und engagiert sich bei artverwandten Projekten im Bereich der Prävention und Gesundheitsförderung, wie z. B.: Go-ON Suizidprävention 'Weiter Gehen - Reden rettet Leben'.

Der Seelenaufbruch-Zusammenbruch

Ein neuer Tag beginnt. Ich nehme bereits den ersten Schluck meines frisch gebrühten Kaffees und halte noch einige Minuten inne, ehe ich in den Arbeitstag starte. An manchen Tagen benötige ich mehr Zeit, um mich zu sammeln, zu fokussieren, mich den Lebenswelten, Konzepten und Geschichten zuzuwenden. Heute ist ein solcher Tag.

Ich habe einige Klienten von meiner Vorgängerin übernommen und mich damals dazu entschlossen, nur einen Teil ihrer Geschichte zu lesen und einen flüchtigen Blick ins ICD-10 zu werfen. Das ICD-10 ist ein internationales Klassifikationssystem für Erkrankungen, Diagnosen und verwandte Gesundheitsprobleme der WHO (Weltgesundheitsorganisation). Soweit mir bekannt ist, etabliert sich seit 2022 nach und nach das ICD-11 mit erweiterten Klassifikationen.

Generell war und ist wichtig, zuallererst den Menschen kennenzulernen, ein Gefühl für die Persönlichkeit und das jeweilige Lebenskonzept zu entwickeln und die Überschrift, die Diagnose vorerst hinten anzustellen. In der Mobilen Sozialpsychiatrischen Betreuung, der Begleitung, wie ich sie nenne, vertraue ich neben der fachlichen Kompetenz auch auf meine Lebenserfahrung, auf mein Gefühl, auf meine Art zu sehen, zu beobachten. Es gibt auch ein Wissen, das aus der Lebenserfahrung resultiert – dass jeder, so auch ich, teilweise sicher un-ent-deckt bereits in sich trägt und gesammelt hat. Lebenswissen und Pragmatismus. Dieses Wissen unterstützt das Verfolgen der zu Beginn jeder Begleitung vorerst festgelegten Ziele – der Zurück-ins-Leben-Ziele, wie Klientin 10.06. sie liebevoll betitelt. Das Spannende in der Begleitung ist der gemeinsame Entwicklungsprozess und das Abändern und Definieren von Teilzielen. Neben der Grundsicherung, sprich, wenn die Grundversorgung des täglichen Bedarfs gesichert ist, schauen wir wie ein Architekt auf die Bedürfnisse, was gebraucht wird, wie es umgesetzt werden kann und welche Materialien wir dafür benötigen oder welche helfenden Hände wir hinzuziehen können. Hinzu gesellt sich die Kreativität, die künstlerische Ader, die uns bei der Gestaltung und Umsetzung der Bausteine und auch beim Erschaffen von Bewältigungsstrategien unter die Arme greift. Immer wieder kommt es zu Anpassungen, da erst im Prozess tatsächlich ersichtlich wird, was entschieden gebraucht wird und was nicht auf dem Papier steht. Wie ein Künstler und Architekt – flexibel, kreativ, fokussiert und lösungsorientiert. Und manchmal auch ein Stück lebenswert chaotisch.

-Jetzt-

Ich schaue auf die Uhr, nehme meinen Kalender zur Hand und sehe, dass ich in einer halben Stunde meinen letzten Termin für heute habe. Jeden Mittwoch um dieselbe Zeit treffe ich sie seit ungefähr einem dreiviertel Jahr. Noch etwa drei Monate läuft die Bewilligung der Mobilen Sozialpsychiatrischen Betreuung. In zwölf Wochen endet unsere gemeinsame Zeit. Sie, 10.06, ist eine beeindruckende Persönlichkeit, mit reichlich Mut, Herz und Kraft im Gepäck. Unglaublich. Die Klientin ist wieder stabil, voll Freude am Leben, weiß, wie sie sich selbst wieder in Balance bringen kann, wo sie Hilfe bekommt, und ist dabei, ihre Zukunftsperspektiven zu realisieren. So wie sie es für sich zu Beginn in den Zurück-ins-Leben-Zielen unserer Betreuungsvereinbarungfestgehalten hat. Stabil und arbeitsfähig werden. Ihre Selbstwirksamkeit, ihre Selbstreflexion und Eigenverantwortung haben sich noch mehr aufgebaut, vertieft. Sie hat sich selbst stets Zeit und Zuwendung geschenkt, auch wenn sie ihren eigenen Geduldsfaden gelegentlich etwas strapaziert, bleibt sie dran und lässt sich selbst von vermeintlichen Rückschritten nicht abschrecken, weiterhin ihren Weg zu gehen. Bemerkenswert – des Merkens wert.

Klientin 10.06 | Mittwoch, 14 Uhr Innenstadt – am Fluss

Sie kommt aufgeregt auf mich zu, ihr Haar weht im Wind, ihr Mantel umtanzt ihren Körper, als sie zielgerichtet vor mir stehen bleibt. Die Emotionen und Worte überrollen sie und auch mich. Sie hatte soeben einen Facharzttermin beim Psychiater. Voller Freude und gleichzeitig außer Atem bleibt sie vor mir stehen und erzählt mir mit einem Strahlen im Gesicht, dass ihr langjähriger Facharzt sie dabei begleitet, die Medikamente, die sie nun seit vielen Jahren einnimmt, zu reduzieren. Sie haben Alternativen besprochen und Wege, wie sie selbst ihren Körper, ihre Psyche und ihre Seele dabei unterstützen kann. Nach einigen Minuten des ruhigeren Atmens und des Entrollens der Emotionen gehen wir Richtung Fluss. Wir spazieren oft am Fluss entlang – hier ist es herrlich kühl, entspannt können Gedanken, Gefühle und Erinnerungen fließen. Zu Beginn tauschen wir uns immer wieder über Musik, Filme, Bücher, Autoren, Kunst und Rezepte aus, ehe sich die Klientin öffnet und von einem Thema erzählt, das sie innerlich bewegt. Sie erzählt, dass sie am Wochenende ein Interview mitverfolgt hat, in dem ein psychisch erkrankter Mensch seine Lebensgeschichte geschildert hat. Davon inspiriert, habe sie sich Gedanken gemacht und Mut gefasst. „Ich werde bereits seit einem dreiviertel Jahr mobil sozialpsychiatrisch betreut, da ich nach der Rückkehr in meine Heimat erneut zusammengebrochen bin. Ich wusste, dass es schwierig werden würde, aber das Ausmaß war mir nicht bewusst. Ich habe mir Hilfe geholt und mir überlegt, was ich in einem Jahr erreichen will. Ich fühle mich mittlerweile wieder gut und erlebe eine wiedergewonnene Stabilität. Ich möchte mit meiner Vergangenheit, meiner Erkrankung Frieden schließen, wieder im Leben stehen und arbeitsfähig sein. Wie ich schon sagte, habe ich über die Geschichte, die ich gehört habe, nachgedacht und ich möchte meine Geschichte aufschreiben und sie der Welt erzählen. Ich weiß, dass du gerne schreibst und ich glaube auch zu spüren, dass du ein Gefühl dafür hast. Würdest du mit mir bei jedem weiteren Treffen einige Themen nochmals Revue passieren lassen und diese gemeinsam aufschreiben?“, fragt sie mich mit hoffnungsvollem Blick. „Es ist an der Zeit, dass darüber gesprochen wird, dass Ängste und Unsicherheiten minimiert werden und sich die Menschen die Hände reichen und Tabus und Stigmatisierungen aus ihren Köpfen streichen. Ich weiß, dass meine Geschichte die Kraft dazu hat, etwas zu bewirken“, vollendet sie ihre Bitte an mich. Ich sehe sie an. Ich bin berührt. Ich sehe, wie wichtig ihr dieses Thema ist. Ich sehe eine mutige, offene, warmherzige, wundervolle Frau vor mir. Eine Frau, einen Menschen und nicht die Erkrankung. Ich spüre, wie mich ihre Bitte zutiefst bewegt. Mit einem Lächeln öffne ich meine Tasche und ziehe einen Notizblock heraus. Nachdem wir einige Rahmenbedingungen vereinbart haben, beginnen wir, ihre Geschichte, ihre Chronik aufzuschreiben. Wir reisen ins Jahr 2015. Dorthin, wo ihre Seele, wo sie selbst bereit war, aufzubrechen und lautstark nach Hilfe und dem Leben zu schreien.

Der Seelenaufbruch-Zusammenbruch

Ich habe keine Idee, wann genau ich, meine Seele, mein Körper krank geworden sind. Ich habe so eine Ahnung, dass meine Erkrankung bereits vor mehr als fünfzehn Jahren begonnen hat. Es ist ein Echo. Eine Kettenreaktion verschiedener Vorkommnisse, bei denen sich Verhaltens-, Interaktions-, Beziehungs- und Gedankenmuster immer wieder vertieft haben. Eines Tages hat man sich so sehr verlaufen, dass man sein Verhalten und seine Gefühle nicht mehr erklären kann und man die Orientierung fürs Leben, für den Sinn und die eigenen Bedürfnisse verloren hat. Irgendwann, so ist der Welten Lauf, wird die Seele unglaublich laut, schreit vielleicht sogar nach uns und bricht auf. Ich kann mich noch gut an meinen Seelenaufbruch-Zusammenbruch erinnern. So, als wäre es gestern gewesen …

März 2015. Ich sitze allein in meiner Dachgeschosswohnung in Graz und gebe wieder einmal vor, an einer Darmgrippe erkrankt zu sein, um von der Arbeit zu Hause bleiben zu können. Es ist knapp vor 10 Uhr vormittags. Ich telefoniere mit meinem Vater. Mein Leidensdruck, meine Scham über mein inneres Hide-and-seek-Programm und meine tiefe Sehnsucht, aus dem Lebenschaos auszusteigen, lassen den Seelen-Korken“ knallen. Ich bin bereit, mich ohne postpubertären Widerstand auf die systemische ManagementGesprächsführung meines Vaters einzulassen. Etwas in mir, eine unermessliche Verzweiflung, mein flehender, seelischer Ruf nach Befreiung, die Sehnsucht nach Erlösung und Entlastung, mein täglicher Blick auf die Dachbodenbalken und mein unfassbarer, unbändiger Lebenswille, sind bereit, die Wahrheit ans Tageslicht zu bringen. Schlagartig durchbricht meine Seele meinen Schutzwall. Die Worte finden ihren Weg. Schluchzend und nach Atem ringend, spreche ich in den Hörer:

„Papa, ich bin krank.“

Stille. Ein lautes Durchatmen ist zu hören, ehe ich im Widerhall seiner
Stimme die für mich entlastenden und heilsamen Worte vernehme:

„Ja, ich weiß.“

Das war der Moment, auf den mein Vater, meine Familie und ziemlich sicher auch meine Seele und ich gewartet haben.

Mein Vater hätte, stellvertretend für meine...

Erscheint lt. Verlag 4.8.2023
Sprache deutsch
Themenwelt Sachbuch/Ratgeber
ISBN-10 3-99152-523-2 / 3991525232
ISBN-13 978-3-99152-523-3 / 9783991525233
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