Das Helfersyndrom (eBook)

Hilfe für Helfer
eBook Download: EPUB
2023 | 1. Auflage
350 Seiten
Rowohlt Verlag GmbH
978-3-644-01123-6 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Das Helfersyndrom -  Wolfgang Schmidbauer
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Ihr Beruf ist es, zu heilen, zu schützen und zu pflegen, aber ihre wahre Aufgabe ist es, mehr zu tun als ihre Arbeit, nämlich darum zu ringen, dass die, die Hilfe benötigen, nicht völlig aus der Gemeinschaft herausfallen. Immer mehr Menschen aus helfenden Berufen geraten dabei selbst an den Rand ihrer Kräfte. Für Sozialarbeiter, Therapeuten, Ärzte, Psychologen, Drogenberater und viele mehr fasst Wolfgang Schmidbauer in diesem Buch die wichtigsten Inhalte seiner drei «Helfer-Bestseller» zusammen und führt zeitgemäß in das Thema ein. Eine echte Hilfe für Menschen in helfenden Berufen.

Wolfgang Schmidbauer wurde 1941 geboren. 1966 promovierte er im Fach Psychologie an der Ludwig-Maximilians-Universität München über «Mythos und Psychologie». Er lebt in München und Dießen am Ammersee, hat drei erwachsene Töchter und arbeitet als Psychoanalytiker in privater Praxis. Neben Sachbüchern, von denen einige Bestseller wurden, hat er auch eine Reihe von Erzählungen, Romanen und Berichten über Kindheits- und Jugenderlebnisse geschrieben. Er ist Kolumnist und schreibt regelmäßig für Fach- und Publikumszeitschriften. Außerdem ist er Mitbegründer der Münchner Arbeitsgemeinschaft für Psychoanalyse und der Gesellschaft für analytische Gruppendynamik.

Wolfgang Schmidbauer wurde 1941 geboren. 1966 promovierte er im Fach Psychologie an der Ludwig-Maximilians-Universität München über «Mythos und Psychologie». Er lebt in München und Dießen am Ammersee, hat drei erwachsene Töchter und arbeitet als Psychoanalytiker in privater Praxis. Neben Sachbüchern, von denen einige Bestseller wurden, hat er auch eine Reihe von Erzählungen, Romanen und Berichten über Kindheits- und Jugenderlebnisse geschrieben. Er ist Kolumnist und schreibt regelmäßig für Fach- und Publikumszeitschriften. Außerdem ist er Mitbegründer der Münchner Arbeitsgemeinschaft für Psychoanalyse und der Gesellschaft für analytische Gruppendynamik.

Einleitung


Das Helfersyndrom ist 2007 dreißig Jahre alt geworden. Peter Jacobs, Pflegedirektor und Fortbilder von Pflegekräften in München, hat mir einmal erzählt, dass er zu fragen pflegt, wer von den Anwesenden den Begriff «Helfersyndrom» kenne. Die meisten melden sich. Fragt er nach dem Buch «Die hilflosen Helfer», melden sich bereits deutlich weniger; den Namen des Autors, der diesen Begriff prägte, weiß kaum einer.

Wie kam ich dazu, das Helfersyndrom zu finden? Ich hatte Psychologie studiert, weil ich mir zu unsicher war, dem Kindertraum zu folgen, «Dichter» zu werden, der sich aus einer langen Zeit alles verschlingenden Lesens ergeben hatte. Aber die unbewusste Tendenz war stärker. Aus einem Studentenjob im Archiv einer medizinischen Zeitschrift wurde seit 1961 eine kleine Karriere als Wissenschaftsjournalist.

Mein Chef, Ildar Idris, der Gründer und Herausgeber von «Selecta», redete mir zu, das Psychologiestudium aufzugeben. Er bot mir eine Stelle als Redakteur an. Aber ich wollte nicht abhängig sein; es widerstrebte mir, etwas Begonnenes abzubrechen. Ich verliebte mich in eine italophile Frau, machte mein Diplom, promovierte und kaufte mit ihr zusammen ein verlassenes Haus in der Toskana. Dort lebte ich zwischen 1966 und 1971 als freier Autor. Die Pressearbeit lieferte Brot und Butter; daneben begann ich, nicht mehr Gedichte, sondern Sachbücher zu schreiben.

1971 beschloss ich, meinen papierwurmartigen Beruf als Science Writer zurückzustellen. Ich wollte doch noch etwas Praktisches mit dem Psychologiestudium anfangen. Mein Eintritt in die Helfer-Welt war recht dramatisch und vermittelte mir Eindrücke, dass es dort recht irrational zugehen kann. Durch meine Artikel und Bücher war Günter Ammon auf mich aufmerksam geworden. Er schmeichelte mir, zog mich in seinen Kreis und belebte den Wunsch, eine analytische Ausbildung zu machen.

Ich fühlte mich in der Welt der Helfer immer ein wenig wie ein Ethnograph. Das mag daran liegen, dass meine frühen Interessen in die Richtung der Kulturanthropologie gingen. Ich hatte im Ausland gelebt, ich hatte über Mythen promoviert und eine Weile meinen eigenen ethnologischen Dilettantismus gegen den der Humanethnologen der Lorenz-Schule gesetzt.[1]

So erschien mir die Welt der Psychotherapeuten, in die ich mit der Absicht geriet, mein theoretisches Wissen durch praktische Kenntnisse in Psychoanalyse und Gruppentherapie aufzubessern, wie ein Dschungel abseits der großen Strömungen der Naturwissenschaft (die ich aus meiner Zeit als Science Writer gut kannte), von einem bunten Gemisch der unterschiedlichsten Stammeskulturen besiedelt. Sie erinnerte an das, was ich über Neuguinea gelesen hatte: Bereits nach einer Tagereise verstehen die Angehörigen des einen Volkes die Sprache des nächsten nicht mehr. Jede Sprachgruppe ist der festen Überzeugung, dass jenseits der Berge mit der eigenen jede Zivilisation endet und ein Reich der Dämonen beginnt.

Nachdem ich in meiner Dissertation[2] Mythologie und Dogmatik der einzelnen psychotherapeutischen Glaubensrichtungen studiert hatte, kam ich nun mit dem konkreten Verhalten der Helfer in Berührung. Ich war Reporter genug geblieben, um zu erkennen, dass die offenkundigen Widersprüche zwischen dem Glaubensbekenntnis und der Lebenspraxis ein interessantes Thema boten. Es wiederholte sich, was mich bereits als Kind, sobald ich anfing, die frommen Katholiken meiner Passauer Heimat genauer zu beobachten, ebenso gefesselt wie dem katholischen Glauben entfremdet hatte: Verhalten und Verhaltensbegründungen passten nicht zusammen.

Da hatte ich den psychosozialen Helfern, die doch wissenschaftlich fundiert und weltlich arbeiteten, etwas anderes zugetraut. Ich dachte, dass Ärzte besonders gesund leben müssten, dass Pädagogen sich gerne anderen Erziehern aussetzen und Therapeuten, die doch die Wohltat des offenen Ausdrucks preisen, bereitwillig über ihre Gefühle sprechen. Jetzt war es aber wieder ähnlich, ja noch krasser, denn die Religion hatte viele Bilder für die menschliche Schwäche angesichts des Erhabenen, die Helfer aber verstummten hilflos, wenn es um die Anwendung ihrer eigenen Aussagen auf sie selbst ging. So kam ich auf das Bild des hilflosen Helfers, und es wurde zu meiner Arbeitshypothese, dass Menschen manchmal deshalb Helfer werden, weil es ihnen so schwer fällt, sich helfen zu lassen. Aus diesem Grund delegieren sie Abhängigkeit nach außen, an ihre Schützlinge.

Es gehörte zur Ausbildung bei Ammon, dass Anfänger sehr schnell und ungeschützt praktizieren sollten. So arbeitete ich schon seit 1973 selbst mit Gruppen und suchte Kontakt zu anderen Therapeuten, deren Gemeinsamkeit vor allem ihre Distanz zu den etablierten Therapieausbildungen war, die wir als zwanghaft, verschult, kurzum als reaktionär ablehnten. Damals lernte ich durch Günter Ammon auch Siegfried Gröninger kennen, einen schillernden Charakter mit großem Organisationstalent.

Es war eine bewegte und bewegende Zeit, in der ich Illusionen über die Möglichkeiten, durch Gruppenanalyse «befreite Gebiete» in einer repressiven Gesellschaft zu schaffen, aufbaute und wieder revidierte. Gröninger motivierte Ammon, in München ein eigenes Institut aufzubauen. Ammon wusste ebenso wenig wie ich, worauf er sich da eingelassen hatte.

Nach etwas über einem Jahr hatte Gröninger eine Gruppe um sich gesammelt und dazu gebracht, sich von Ammon wieder zu trennen, dessen tyrannische Ansprüche nicht nur mir die Nähe zu ihm ebenso verleideten, wie er mich angezogen hatte, solange ich ihn nur aus seinen Schriften kannte.

So wurde ich 1972 Gründungsmitglied und eine Weile auch Vorstand in zwei analytischen Instituten. Als der Autor an Bord erfand ich die Namen («Gesellschaft für analytische Gruppendynamik» und «Münchner Arbeitsgemeinschaft für Psychoanalyse», abgekürzt GaG und MAP). Ich schrieb die ersten Ausbildungsordnungen nach unseren Vorstandsbeschlüssen. Es kennzeichnet die Dynamik von Institutionen, dass meine damaligen Texte drei hektographierte Seiten umfassten, während heute unsere Ausbildungsrichtlinien einen Schnellhefter mit zweihundert Seiten füllen.

Beide Institute haben sich im Lauf der Zeit die Anerkennung der Dachverbände beziehungsweise der Ärzte- und Psychotherapeutenkammern erkämpft. Vom Nutzen der Gruppenarbeit in Therapie und Erwachsenenbildung wurde ich bleibend überzeugt. Nach rund zehn Jahren gab ich meine Ehrenämter in den Vorständen auf und wandte mich wieder verstärkt dem Schreiben zu. Die therapeutische Praxis habe ich behalten und empfinde sie als große Anregung für meine Arbeit als Autor.

Meine psychoanalytische Selbsterfahrung absolvierte ich außerhalb des Ammon-Kreises, bei Edmund Frühmann und Hans Günther Preuss. Das trug dazu bei, dass ich die Trennung von Ammon gelassener hinnahm als er, der mir alle Geschenke zurückschickte und alle Widmungen in seinen Büchern tilgte.

Der Widerspruch zwischen Ammons nach außen deklarierter souveräner Helfer-Fassade und einer kindlichen Kränkbarkeit und Ansprüchlichkeit dahinter hatte mich gerade deshalb irritiert, weil er der erste Analytiker war, den ich persönlich kennenlernte, der mich in der Toskana besuchte und mit mir diskutierte. Ich sah, wie dieser Kritiker des psychoanalytischen Establishments zwar die Scheinheiligkeit anderer aufdeckte, aber in dieser vermeintlichen Entlarvung an eigenen Fassaden bastelte, hinter die auch er nicht blicken lassen wollte. Ich habe noch öfter miterlebt, wie schnell in alternativen Gründungen die Ausgrenzungsmechanismen und Richtungskämpfe einsetzen, die man anfangs den Rivalen angekreidet hatte.

In den siebziger Jahren war die persönlichkeitsorientierte Fortbildung eine große Innovation in den sozialen Berufen. Daher wurde die von Gröninger und mir geleitete Ausbildung von analytischen Gruppenleitern für Selbsterfahrungsarbeit in der GaG ein großer Erfolg. Ich verbrachte viele Wochen dieser Jahre damit, Selbsterfahrungsgruppen zu leiten, in denen Lehrer, Sozialpädagogen, Psychologen und Ärzte «etwas für sich tun» wollten. Dabei schälte sich ein bestimmter Menschentypus, eine spezifische Charakterstruktur heraus, die ich erst das «soziale Syndrom» und später das Helfersyndrom nannte.

Das Buch «Die hilflosen Helfer» erschien 1977. Der Reformoptimismus der Achtundsechziger verebbte. Die Bewegung hatte sich zersplittert, auf dem langen Marsch durch die Institutionen aufgezehrt. Ich war bis 1970 die meiste Zeit in Italien, in einer ländlichen Idylle gewesen und hatte mich nur theoretisch mit der Studentenbewegung (die ein Jahr nach meinem Examen einsetzte) beschäftigt.

Der Erfolg des Buches überraschte mich sehr. Ich hatte bisher zwölf Bücher veröffentlicht, durchaus achtbare Erfolge, einige waren in verschiedene Sprachen übersetzt worden, und dasselbe Schicksal erwartete ich auch von diesem Text. Ich hatte ihn als einen Werkstattbericht verstanden. Es ging um Fragen, die sich aus der Arbeit ergaben, in die ich hineingestolpert war: Was sind die problematischen Anteile an den Beweggründen, anderen zu helfen? Wie hängen sie mit der Gesellschaft und mit den Institutionen zusammen, welche das Schicksal der Samariter von heute prägen?

«Die hilflosen Helfer» hatten die Stärken und Schwächen des Autors, der den Psychoanalytiker und den Schriftsteller in sich trägt und nicht immer vereinen kann. Für ein populäres Sachbuch setzte der Text zu viele psychoanalytische Kenntnisse voraus; für die Rezensenten der wissenschaftlichen Zeitschriften war er zu allgemein und zu wenig empirisch und statistisch abgesichert.

Aber die wichtigste Gruppe für einen Autor...

Erscheint lt. Verlag 13.6.2023
Verlagsort Hamburg
Sprache deutsch
Themenwelt Sachbuch/Ratgeber Gesundheit / Leben / Psychologie Krankheiten / Heilverfahren
Schlagworte Gemeinschaft • Gesellschaft • Helfender Beruf • Psychoanalyse
ISBN-10 3-644-01123-0 / 3644011230
ISBN-13 978-3-644-01123-6 / 9783644011236
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