Die Erziehungsgeheimnisse indigener Gemeinschaften (eBook)

Wie Kinder glücklich, gelassen und hilfsbereit werden - SPIEGEL-Bestseller-Autorin
eBook Download: EPUB
2023 | 1. Auflage
384 Seiten
Penguin Verlag
978-3-641-31304-3 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Die Erziehungsgeheimnisse indigener Gemeinschaften -  Michaeleen Doucleff
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Der internationale Erfolg und SPIEGEL-Bestseller jetzt im Taschenbuch
In ihrem internationalen Bestseller führt uns die amerikanische Journalistin Michaeleen Doucleff zu den Ursprüngen der Kindererziehung. Zusammen mit ihrer dreijährigen Tochter Rosie reist sie zu indigenen Völkern und erforscht die oftmals erstaunlichen Erziehungsmethoden dieser alten Kulturen. Ihr Buch ist nicht nur ein faszinierender Bericht darüber, was sie dort erlebt und gelernt hat, sondern gibt ganz konkrete und praktische Anleitungen, wie auch wir unsere Kinder natürlich, gelassen und stressfrei begleiten können, so dass aus kleinen Menschen selbstbewusste und selbstbestimmte große werden.

Das Buch erschien zuerst 2021 unter dem Titel »Kindern mehr zutrauen: Erziehungsgeheimnisse indigener Kulturen. Stressfrei - gelassen - liebevoll« im Kösel Verlag.

Dr. Michaeleen Doucleff hat in Berkeley an der University of California Chemie studiert. Sie hat viele Jahre als Redakteurin für Cell, eines der renommiertesten Wissenschaftsmagazine gearbeitet. Als Radio-Korrespondentin hat sie Preise gewonnen, und sie ist auf NPR (National Public Radio) eine der bekanntesten Blogger. Zahlreiche ihrer Artikel mit gesundheitlichen und pädagogischen Inhalten entwickelten sich auf NPR zu viralen Hits und erreichen dort ein Millionenpublikum. Ihr Buch über die Erziehungsgeheimnisse indigener Kulturen ist ein internationaler Erfolg. Doucleff lebt mit Mann, Tochter und der Schäferhündin Mango in San Francisco.

Die Chefredakteurin von NPR, Vikki Valentine, sagt über Doucleff: »Michaeleen schreibt nicht über neue Paradigmen, sondern sie schafft neue.«

Prolog


Ich erinnere mich noch gut an den Augenblick, in dem ich als Mutter an meinem absoluten Tiefpunkt angekommen war.

Es war fünf Uhr früh an einem frostigen Dezembermorgen. Ich lag im Bett und trug dasselbe Sweatshirt wie am Tag zuvor. Meine Haare hatte ich mir schon seit fast einer Woche nicht mehr gewaschen.

Draußen war der Himmel noch immer dunkelblau, die Straßenlaternen leuchteten noch immer gelb. Drinnen in unserem Haus herrschte eine gespenstische Stille. Alles, was ich hören konnte, war unsere Deutsche Schäferhündin Mango, die auf dem Boden unter dem Bett atmete. Alle schliefen, nur ich nicht. Ich war hellwach.

Ich bereitete mich auf die kommende Schlacht vor, ging wiederholte Male im Kopf durch, was ich bei der nächsten Begegnung mit dem Feind tun würde. Was werde ich tun, wenn sie mich wieder haut? Wenn sie mich schlägt, tritt oder beißt?

Es klingt furchtbar, meine Tochter den »Feind« zu nennen. Gott weiß, dass ich sie über alles liebe. Und in vielerlei Hinsicht ist sie eine wundervolle kleine Person. Sie ist blitzgescheit, unglaublich mutig und so stark wie ein Ochse, körperlich wie mental. Wenn Rosy auf dem Spielplatz hinfällt, steht sie einfach wieder auf, ohne Geschrei oder Heulerei.

Und habe ich schon erwähnt, wie sie duftet? Ich liebe ihren Duft, vor allem den ganz oben auf dem Kopf. Wenn ich für das National Public Radio auf Reportage bin, ist ihr Duft das, was ich am meisten vermisse, ihr Duft nach Honig, Lilien und feuchter Erde.

Dieser süße Duft ist betörend und irreführend zugleich. In Rosys Bauch lodert ein unkontrollierbares Feuer. Dieses Feuer treibt sie an, lässt sie mit wilder Entschlossenheit durch die Welt marschieren. Oder, wie es eine Freundin einmal ausgedrückt hat: Sie zerstört Welten.

Als Säugling hat Rosy viel geschrien, jeden Abend, stundenlang. »Wenn sie nicht gerade trinkt oder schläft, schreit sie«, erzählte mein Mann voller Panik der Kinderärztin. Die zuckte mit den Schultern. Offensichtlich war ihr das alles nicht neu. »Na ja, sie ist ein Baby«, sagte sie dann.

An jenem stillen Dezembermorgen war Rosy drei Jahre alt, und das Schreien hatte sich in Tobsuchtsanfälle und wahre Sturzbäche an elterlicher Beschimpfung verwandelt. Wann immer sie einen Trotzanfall hatte und ich sie auf den Arm nahm, schlug sie mir ins Gesicht. An manchen Tagen verließ ich das Haus mit einem feuerroten Handabdruck auf der Wange. Das tat weh.

Ich lag also im Bett und gestand mir endlich eine schmerzhafte Wahrheit ein: Zwischen Rosy und mir baute sich eine Mauer auf. Ich fürchtete mich mittlerweile vor der Zeit mit ihr, weil ich Angst davor hatte, was passieren würde: dass ich die Beherrschung verlieren würde (schon wieder), dass ich sie zum Weinen bringen würde (schon wieder), dass ich ihr Verhalten nur schlimmer machen würde (schon wieder). Und deshalb fürchtete ich, Rosy und ich würden Feinde werden.

Ich bin in einem Haus voller Wut aufgewachsen. Schreien, Türen zuknallen, sogar mit Schuhen nach anderen werfen – das waren alles grundlegende Kommunikationsmittel für meine Eltern, meine drei Geschwister und mich. Aus diesem Grund habe ich auch auf Rosys Tobsuchtsanfälle zuerst so reagiert, wie meine Eltern mich behandelt hatten: mit einer Mischung aus Zorn, Strenge und manchmal lauten, angsteinflößenden Worten. Doch dieser Schuss ging nach hinten los: Dann nämlich machte Rosy einen Buckel, kreischte wie ein Greifvogel und warf sich auf den Boden. Davon einmal abgesehen wollte ich es besser machen als meine Eltern. Ich wollte, dass Rosy in einer friedlichen Umgebung aufwuchs. Ich wollte ihr Kommunikationsmöglichkeiten beibringen, die produktiver waren, als jemandem einen Schuh an den Kopf zu werfen.

Also konsultierte ich Dr. Google und erklärte »autoritär« zur »optimalen Erziehungsmethode«, um Rosys Tobsuchtsanfälle in den Griff zu bekommen. Anscheinend bedeutete autoritär, »hart« zu bleiben, dabei aber »nicht böse« zu sein. Ich versuchte mich an diesem Balanceakt, musste aber wohl irgendetwas falsch gemacht haben, weil ich mit der autoritären Herangehensweise immer wieder scheiterte. Rosy wusste, dass ich noch wütend war, und so gerieten wir aufs Neue in den Teufelskreis. Meine Wut machte ihr Verhalten schlimmer, was mich wiederum wütender machte. Irgendwann wurden ihre Tobsuchtsanfälle dann richtiggehend gefährlich. Sie biss, schlug um sich, rannte durchs Haus und stieß Möbel um.

Selbst die einfachste Aufgabe – sich beispielsweise morgens für die Kita fertig zu machen – artete regelmäßig in eine heftige Auseinandersetzung aus. »Würdest du dir jetzt bitte einfach die Schuhe anziehen?«, bettelte ich zum fünften Mal. »Nein!«, schrie sie, um sich anschließend auch noch das Kleid und die Unterwäsche vom Leib zu reißen.

An einem Morgen fühlte ich mich so schlecht, dass ich mich in der Küche vor das Spülbecken kniete und lautlos in den Unterschrank brüllte: Warum ist das immer so ein Kampf? Warum hört sie nicht? Was mache ich nur falsch?

Um ehrlich zu sein, hatte ich keine Ahnung, wie ich mit Rosy umgehen sollte. Ich wusste nicht, wie ich ihren Tobsuchtsanfällen ein Ende setzen konnte, ganz zu schweigen davon, wie ich ihr beibringen sollte, ein guter Mensch zu sein – ein gütiger, hilfsbereiter Mensch, der sich Gedanken um andere Menschen macht.

Um noch ehrlicher zu sein: Ich wusste nicht, wie man eine gute Mutter ist. Nie zuvor war ich so schlecht in etwas gewesen, worin ich so gut sein wollte. Nie zuvor war die Kluft zwischen meinem tatsächlichen Können und dem Niveau an Können, das ich anstrebte, so vernichtend groß gewesen.

Und so lag ich in diesen frühen Morgenstunden im Bett und fürchtete mich vor dem Augenblick, in dem meine Tochter – das geliebte Kind, das ich mir so viele Jahre lang sehnlichst gewünscht hatte – aufwachte. Ich lag da und zermarterte mir das Hirn auf der Suche nach einer Möglichkeit, Zugang zu einer kleinen Person zu finden, die häufig wie eine rasende Irre wirkte. Auf der Suche nach einer Möglichkeit, dem Chaos, das ich angerichtet hatte, zu entkommen.

Ich fühlte mich verloren. Ich war müde und ohne jede Hoffnung. Beim Blick in die Zukunft sah ich immer dieselbe Szene vor mir: Rosy und ich, in permanentem Kampf ineinander verbissen, wobei meine Tochter im Laufe der Zeit nur größer und stärker wurde.

Doch das ist nicht geschehen, und dieses Buch erzählt von dem unerwarteten und tief greifenden Wandel, der sich in unserem Leben ereignete. Er begann mit einer Reise nach Mexiko, wo ein Erlebnis mir die Augen öffnete und zu anderen Reisen in andere Ecken der Welt führte – jedes Mal mit Rosy an meiner Seite. Unterwegs begegnete ich einigen außergewöhnlichen Müttern und Vätern, die mir großzügigerweise unglaublich viel über das Erziehen beibrachten. Diese Frauen und Männer zeigten mir nicht nur, wie ich Rosys Tobsuchtsanfälle zähmen, sondern auch, wie ich mit ihr sprechen konnte, ohne zu schreien, zu nörgeln oder zu bestrafen. Sie zeigten mir, wie eine Kommunikation gelingen kann, die das Selbstvertrauen des Kindes stärkt, statt zu Spannungen und Konflikten mit den Eltern zu führen. Und was vielleicht am wichtigsten ist: Ich lernte, wie ich Rosy beibringen konnte, mir, ihrer Familie und ihren Freunden gegenüber freundlich und großzügig zu sein. Und das alles war teilweise deswegen möglich, weil diese Mütter und Väter mir gezeigt haben, auf ganz neue Weise gütig und liebevoll zu meinem Kind zu sein.

Oder, wie die Inuit-Mutter Elizabeth Tegumiar an unserem letzten Tag in der Arktis zu mir sagte: »Ich glaube, du weißt jetzt besser, wie du mit ihr umgehen sollst.« Das weiß ich wirklich.

Ein Kind zu erziehen ist etwas ausnehmend Persönliches. Die Einzelheiten variieren nicht nur von Kultur zu Kultur, sondern auch von Gemeinschaft zu Gemeinschaft, ja sogar von Familie zu Familie. Und doch kann man heute rund um den Globus einen roten Faden erkennen, der sich durch die überwiegende Mehrheit der verschiedenen Kulturen zieht. Von der arktischen Tundra über den Regenwald von Yucatán bis zur Savanne in Tansania und zu den Berghängen auf den Philippinen zeigen sich im Umgang mit Kindern bestimmte Gemeinsamkeiten. Dies trifft besonders auf Kulturen zu, die auffällig freundliche und hilfsbereite Kinder hervorbringen – Kinder, die morgens aufwachen und sofort damit beginnen, den Abwasch zu erledigen. Kinder, die ihre Süßigkeiten mit ihren Geschwistern teilen wollen.

Diese universelle Herangehensweise an die Erziehung von Kindern besteht aus vier Kernelementen. Man kann diese Elemente in kleinen Nischen Europas heute noch beobachten, und vor nicht allzu langer Zeit waren sie in den gesamten Vereinigten Staaten von Amerika weit verbreitet. Oberstes Ziel dieses Buchs ist es, die Besonderheiten dieser Elemente herauszustellen und zu vermitteln, wie wir sie uns zunutze und es uns so leichter machen können.

Angesichts der Verbreitung, die der universelle Erziehungsstil überall auf der Welt und unter Jäger-Sammler-Gemeinschaften gefunden hat, ist er wahrscheinlich schon viele Tausende, wenn nicht Zigtausende Jahre alt. Biologinnen und Biologen können überzeugende Argumente dafür vorbringen, dass diese Form der Eltern-Kind-Beziehung entwicklungsgeschichtlich so vorgesehen ist. Erlebt man die Erziehungsmethode nämlich in Aktion – sei es nun beim Tortillabacken in einem Maya-Dorf oder beim Seesaiblingfischen im Arktischen Ozean –, denkt man unwillkürlich sofort: »Ach, so soll das mit der Erziehung eigentlich funktionieren!« Kind und Elternteil passen zusammen wie eine Nut-Feder-Verbindung.

Ich werde nie...

Erscheint lt. Verlag 14.6.2023
Übersetzer Ulrike Kretschmer
Sprache deutsch
Original-Titel Hunt, Gather, Parent
Themenwelt Sachbuch/Ratgeber Gesundheit / Leben / Psychologie Lebenshilfe / Lebensführung
Schlagworte 2023 • Alternative Erziehungsmethoden • Altes Wissen • Disziplin • eBooks • Eigenständigkeit • Eltern • Elternschaft • Erziehung • Erziehungsratgeber • Gelassen erziehen • Gesundheit • Großfamilie • Hilfsbereitschaft • Hunt, Gather, Parent • Indigene Völker • Kindererziehung • Leben mit Kindern • Leben und Erziehen • Lob • Naturvölker • Neuerscheinung • Pädagogik • pädagogische Konzepte • Potenzialentfaltung • Ratgeber • Selbstvertrauen • Soziale Kompetenz • Wie erziehen?
ISBN-10 3-641-31304-X / 364131304X
ISBN-13 978-3-641-31304-3 / 9783641313043
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