Auf eine Currywurst mit Gregor Gysi (eBook)
224 Seiten
Aufbau digital (Verlag)
978-3-8412-3289-2 (ISBN)
Gregor Gysi - so offen und persönlich wie noch nie.
Gregor Gysi, Legende der Linkspartei und alternativer Elder Statesman, wird auf seinen Lesereisen seit Jahren von Hans-Dieter Schütt begleitet. So kam es zu den Gesprächen am Imbissstand, die in diesem Buch versammelt sind: Gysi in seinem Element, schlagfertig, pointiert, lebensklug. Über Wodka, Fußball und Ostdeutschland, über die Letzte Generation und die erste deutsche Kanzlerin, über die Medien, Sinnlichkeit und Gott. Gysi on tour durchs Leben - wie es ist, wie es sein sollte und wie wir es verändern könnten.
Gregor Gysi, geboren 1948, Rechtsanwalt und Politiker. 1990 bis 2002 und 2005 bis 2015 Fraktionsvorsitzender der PDS bzw. der Partei Die Linke im Bundestag. Dort seit 2020 außenpolitischer Sprecher der Linksfraktion. Bei Aufbau erschienen die Autobiographie »Ein Leben ist zu wenig«, »Was bleiben wird« (mit Friedrich Schorlemmer), »Marx & wir«, »Mein Vater« (mit Gabriele Gysi), »Gysi vs. Sonneborn - Kanzlerduell der Herzen«. Hans-Dieter Schütt, geboren 1948, Journalist. Mitarbeit bei Gregor Gysis Autobiographie »Ein Leben ist zu wenig«, Herausgeber von: »Gregor Gysi, Friedrich Schorlemmer, Was bleiben wird«, »Mein Vater« (Gregor Gysi und Gabriele Gysi im Gespräch), »Gysi vs. Sonneborn - Kanzlerduell der Herzen«, »Dieter Mann, Schöne Vorstellung« und »Landolf Scherzer, Weltraum der Provinzen«.
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DEUTSCHLAND
»Millionen Arten von Grün«
Herr Gysi, bekennen Sie sich zu Deutschland?
In welcher Beziehung? Etwas konkreter sollte das schon sein.
Zur politischen Identität der Linken gehört größtenteils die Ablehnung, »Deutschland« zu sagen, da knirscht es zwischen den Zähnen.
Das nutzen Rechtsextreme und Rechtspopulisten aus und sind erfolgreich. Wenn die Linke weiter daran arbeitet, den Leuten nur eine bestimmte und zwar einseitig kritische Haltung zu Deutschland zuzubilligen, leistet sie indirekt einen Beitrag, die Rechtsextremen und Rechtspopulisten zu stärken. Wir sollten den Menschen die Heimatliebe lassen, trotzdem aber darauf hinweisen, welche ungeheuren gesellschaftlichen Widersprüche es gibt, die durch ein bloßes inniges Heimatgefühl leider nicht beseitigt werden.
Mit welchen drei Begriffen charakterisieren Sie Deutschland?
Im positiven Sinne mit vier Jahreszeiten, mit Millionen verschiedener Grüns in der Natur und einer phantastischen Kultur des vielfältigen, abwechslungsreichen Frühstücks, wie man sie sonst nirgendwo findet, in keinem anderen Land. Im negativen Sinn mit einem stärker werdenden Rassismus und Nationalismus, einer intoleranten politischen Kultur und einem Mangel an Differenzierung.
Differenzierung wobei?
Bei der Betrachtung und Bewertung historischer, politischer und kultureller Vorgänge sowie herausragender Persönlichkeiten der Geschichte. Wir Deutschen sehen alles sehr ideologisch. Selbst die Schlacht im Teutoburger Wald im Jahre neun nach der Zeitrechnung würde ein Unionspolitiker anders interpretieren als ein Linker.
Jeder benutzt alles nur als Transportmittel für die eigene Position?
An der berühmten Kremlmauer in Moskau liegen unter anderem diese zwei Deutschen, Clara Zetkin und Rudolf Decker. Clara Zetkin war eine tapfere deutsche Kommunistin. Sie setzte sich in den zwanziger Jahren mit einer für damalige Verhältnisse fast unvorstellbaren Energie und großem Mut für eine Gleichstellung der Geschlechter ein. Ihre Eröffnungsrede im Herbst 1932, als Alterspräsidentin des Reichstages, war eine mutige Kampfansage an die Nazis.
Die saßen alle in der ersten Reihe.
Hitler, Göring und so weiter. Sie musste, als Hitler die Macht übernahm, in die Sowjetunion emigrieren und lebte dort von Anfang an isoliert, weil sie mit dem Stalin’schen Kurs nicht klarkam.
In der KPD gab es nicht wenige, die sie regelrecht bekämpften.
Einige Monate nach ihrer Emigration starb sie. An der Kremlmauer: ihr Grab und eine Büste. Warum hat noch nie ein Bundespräsident, noch nie ein Bundeskanzler oder eine Bundeskanzlerin es übers Herz gebracht, an dieser Grabstelle eine Blume niederzulegen? Diese gleiche kalte Umgangsart hat auch der kommunistische Gewerkschafter Rudolf Decker nicht verdient. Weder Clara Zetkin noch er haben irgendein stalinistisches Verbrechen begangen oder ließen sich irgendetwas anderes zuschulden kommen, das den Schritt an ihre letzte Ruhestätte nicht rechtfertigte.
Ist das in anderen Ländern anders?
In Frankreich kann man sich kaum gegensätzlichere politische Charaktere vorstellen als Jeanne d’Arc und Napoleon. Aber beide werden gleichermaßen verehrt. Leichtigkeit siegt über Ideologie. Mein Vater erzählte aus seiner Emigration: Auf den Plakaten der deutschen Kommunisten reckten Arbeiter ihre Fäuste, grimmig und drohend, aber die französische KP warb mit einer jungen Schönen, die ein Kind auf dem Arm trug und einen Korb mit Wein und Brot und einer gebratenen Hühnerkeule.
Was ist das Schöne an Deutschland?
Ich sagte ja: die Natur – von den Meeren über die Seen und Flüsse bis hin zu den Wäldern und Bergen. Und es gibt eine spezielle Art von Gemütlichkeit beim Zusammensein.
Gemütlichkeit hat aber auch etwas Spießiges, Hermetisches.
Vielleicht, aber ich habe es gern gemütlich. Übrigens: Ich war in Kairo, wir waren zu sechst, es war Ramadan, die Leute mussten bis zum Sonnenuntergang warten, bis sie etwas essen durften. Als es so weit war, sind wir an vielen Tischen vorbeigegangen, und an jedem einzelnen Tisch hat uns der Tischherr gebeten, wir sollten uns doch dazusetzen und am gemeinsamen Essen teilnehmen. Wie gesagt, wir waren sechs Leute! Da habe ich mich gefragt, wann ich so etwas mal in Deutschland erlebt habe: Jemand öffnet sein Fenster und lädt sechs Ägypter zum Essen ein?
Andere Länder, andere Sitten.
Stimmt, aber es geht mir um etwas anderes: um das starke Bild von Gemeinschaft und Miteinander. Und weil es um den Nahen Osten geht: Ich kenne aus den Medien nur zwei Typen arabischer Menschen – die einen sprengen sich in die Luft, die anderen schreien islamistisch herum …
Besagte andere sind keine Nachricht wert: zu langweilig.
Vielleicht ist gerade diese Langeweile eines alltäglichen Friedens die lohnenswerte Hauptnachricht.
Aber noch mal nachgehakt: Was empfinden Sie beim Begriff Heimat? Er wurde, wie gesagt, zum Kampfbegriff. Sogenannte Antideutsche meinen, der Heimatgedanke sei reaktionär. Der linke Alt-Radikalist Thomas Ebermann sagte in einem Interview für »neues deutschland«: »Wer ›Heimat‹ sagt, negiert die in Klassen fragmentierte Gesellschaft. Wer ›Heimat‹ sagt, meint, wir müssen alle zusammenhalten und sollen Bitteschön nicht hässliche Verhältnisse ökonomischer und kultureller Art aufeinanderprallen lassen zum Zwecke ihrer Überwindung.« Furchtbar. Muss man nicht eine Ehrenrettung dieses Wortes betreiben?
Es gab Zeiten in meinem Leben, da ich ähnlich gedacht habe wie Thomas Ebermann. Ich kann mich aber sehr gut daran erinnern, dass mir ein Förster mal den Wald erklärte, der seine Heimat war und den er sehr liebte. Spätestens seitdem sage ich mir: Wer bin ich eigentlich, dass ich mir anmaße, Heimatgefühle anderer Menschen zu kritisieren, ja zu verachten?
Unter Heimat muss man nicht immer ein ganzes Land verstehen.
Eben. Darunter kann man auch den Ort verstehen, in dem man aufgewachsen ist. Eine bestimmte Gegend, Verhältnisse und Umstände, die man kennt und mit denen man umgehen kann. Es ist aber ebenso legitim, prinzipiell eine positive Beziehung zum eigenen Land zu haben.
Der Mensch ist im Grunde ein begrenztes Wesen.
Die Bewahrung regionaler Sicherheiten gehörte stets zu den Kernpunkten von Heimat. Der Gartenzaun ist kein Kainsmal. Aber eine offene Welt, erträumt von Generationen, gehört ebenso zu den Lebens-Werten unserer Gesellschaft. Internationalismus ist eine Kulturleistung.
Die Welt rückt zusammen, aber die sozialen Welten driften auseinander.
Die Globalisierung macht neugierig, und sie macht Angst. Unsere Aufgabe als Politikerinnen und Politiker ist es nicht, den Leuten vorzuwerfen, dass sie Furcht haben, vor Fremden etwa. Unsere Aufgabe ist es, ihnen diese Angst zu nehmen. Das ist aber schwer.
Bodo Ramelow hat gesagt: »Viele Ostdeutsche singen die Nationalhymne nicht mit, und ich würde mir wünschen, dass wir eine wirklich gemeinsame Nationalhymne hätten.« Teilen Sie diese Ansicht?
Bei der Herstellung der deutschen Einheit wurde an der Symbolik des Landes, obwohl der Osten hinzukam, nicht mal ein Deut verändert. Das gilt für den Namen, für die Fahne, für das Emblem, für die Nationalhymne und für bestimmte bundesdeutsche Einrichtungen. Das war falsch.
Auch die Bürgerinnen und Bürger der DDR waren Deutsche.
Selbstverständlich. Trotzdem waren sie eine andere Bevölkerung und nicht etwa nur Möchtegern-Kopien von Westdeutschen. Als sie hinzukamen, hätte man – und das meint Bodo Ramelow – an der Symbolik etwas ändern müssen. Das ist aber nicht geschehen.
Von Deutschland nach Europa …
Na, das ist ja nun ganz einfach. Meine Mutter erklärte mir vor über sechzig Jahren scherzhaft, dass es zwei Arten von Europa gäbe, ein sympathisches und ein sehr unangenehmes. Beim sympathischen Europa kommt die Polizei aus England, das Essen aus Italien, die Technik aus der Schweiz, die Organisation und Ordnung aus Deutschland und die Liebe ...
Erscheint lt. Verlag | 10.10.2023 |
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Sprache | deutsch |
Themenwelt | Literatur ► Essays / Feuilleton |
Sachbuch/Ratgeber ► Geschichte / Politik ► Politik / Gesellschaft | |
Sozialwissenschaften ► Politik / Verwaltung | |
Schlagworte | Anekdoten • Auf eine Zigarette mit Helmut Schmidt • Bestseller • Biographie • deutsch-deutsche Geschichte • Deutsche Geschichte • Die Linke • Ein Leben ist zu wenig • Elder Statesman • Hans-Dieter Schütt • Helmut Schmidt • Humor • Interviews • Linkspartei • PDS • Politik • Privatleben • SED |
ISBN-10 | 3-8412-3289-2 / 3841232892 |
ISBN-13 | 978-3-8412-3289-2 / 9783841232892 |
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