Viele Wege führen nach Santiago -  Hans-Dieter Mursch

Viele Wege führen nach Santiago (eBook)

Zwanzigmal auf Jakobswegen
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2023 | 1. Auflage
230 Seiten
Books on Demand (Verlag)
978-3-7578-9350-7 (ISBN)
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Der Autor nimmt den Leser mit auf 20 seiner zahlreichen Caminos, die er in Spanien zwischen 2008 und 2022 gewandert ist. Anhand seiner Tagebuchaufzeichnungen schildert er detailliert seine Eindrücke und Erfahrungen. So mancher Peregrino, so manche Peregrina wird sich darin wiederfinden. Diejenigen, die vorhaben, eine Camino zu gehen, erhalten hilfreiche Anregungen.

Dr. Hans-Dieter Mursch, Jahrgang 1943. arbeitete in Hofheim am Taunus als HNO-Arzt.

Via de la Plata, 2008


Am 18.April 2008 begab ich mich auf eine große Wanderung, die mich von Sevilla nach Salamanca führen sollte. Ich hatte mich sehr gut vorbereitet. In den letzten Wochen vor Reisebeginn lief ich jeweils 50 bis 70 Km pro Woche. Ich fühlte mich fit. Zwei Tage vor Abreise bekam ich jedoch große Zweifel, ob ich diese Tour mit 10 Kg Gepäck und vielen Imponderabilien schaffen würde.

1.Tag – 18.04.2008

Um 6.30 geht der Flieger über Mallorca nach Sevilla. Jeannine bringt mich zum Flughafen.

Ich habe meine Wandersachen schon an. Es gibt im Prinzip keine andere Kleidung. Ein Hemd angezogen, eines im Rucksack; eine Unterhose an, eine im Rucksack er ist perfekt gepackt und wiegt ohne Wasser 8 Kg. Für den Flug habe ich ihn besonders verpackt. Kein Gurt sollte sich irgendwo verfangen. In Sevilla angekommen warte ich vergebens auf meinen Rucksack. Er ist in Mallorca vom Band gefallen. Statt gleich nach Guillena zu laufen, muss ich bis 17 Uhr warten. Zwischenzeitlich hatte ich mir schon eine Frist gesetzt, nach der ich auch ohne Rucksack losgelaufen wäre. Alles was wichtig ist, habe ich bei mir – GPS, Fotoapparat, Handy, Geld, Pass, MP3+Diktierfunktion. Doch gegen 17 Uhr kommt mein Rucksack.

In Sevilla suche ich mir ein adäquates Hotel, d.h. preisgünstiges Hotel für Wanderer. Nach Verhandlung hat es immer noch 42 € gekostet. Es ist ca. 2 x 3,5 m groß und hat ein Fenster zum Flur. Gegen Abend finde ich noch einige mir bekannte Bars, in denen ich Tapas verspeise. Die Stimmung in den Bars ist in Andalusien besonders heiter.

2.Tag – 19.04.2008

Gegen 7 Uhr verlasse ich mein Hostal „Roma“ und begebe mich bei Dunkelheit und Regen auf den Weg. Die Via ist vom Hotel noch ca. einen Km entfernt und ich nehme mit meinem GPS völlig unbekannte Wege. Einer führt durch einen unbeleuchteten Tunnel, ein anderer über eine abenteuerliche Brücke. Nach einiger Zeit wird der Regen so stark, dass ich mir in einer Telefonzelle die Regenhose anziehen muss. Ich bin gut gegen den Regen geschützt, doch wird es etwas warm unter den Regensachen. Ich erreiche den ersten nennenswerten Ort: Santiponce. In einer Bar suche ich vor den Regenmassen Zuflucht. Bei einem Café con leche lerne ich die erste Mitwanderin kennen. Christine 67 Jahre. Sie ist mit einem kleinen Wanderwagen unterwegs, auf dem ihr Rucksack befestigt ist. Sie hat sehr viel Zeit zur Verfügung – keiner wartet auf sie. Unsere Wege trennen sich nach ca. 1 Km. Sie läuft mit ihrem Wagen die Landstraße und ich gehe den Weg, vor dem wegen Überflutung in der Bar gewarnt wurde. Es geht unendlich weit geradeaus. In der Ferne sehe ich einen Turm. Dort wird der Fluss die Straße überflutet haben. Die Geschichte kannte ich schon aus dem Internet. Ich habe mich mit zwei großen Plastiktüten auf die Durchquerung eingestellt. Ich will die Tüten einfach über Schuhe und Hose ziehen.

Die Furt ist da. Zunächst suche ich – wie gelesen – einen seitlichen Übergang. Es soll hier einen Baum geben, auf dem man den wilden Bach überqueren kann. Auf der linken Seite ist nichts zu finden. Keine Stelle eignet sich zur Überquerung. Ich gehe nach rechts durch sumpfiges hohes Unkraut. Ich finde den besagten Baum. Man kann über ihn den Bach überqueren. Aber Vorsicht ist geboten. Der Stamm ist rutschig und es gibt keine Möglichkeit sich festzuhalten. Ich rutsche langsam und vorsichtig auf dem Hosenboden den Stamm entlang. Unter mir braune reißende Wassermassen. Ich erreiche das lehmige Ufer. Die Gefahr ist noch nicht vorbei, da der Abhang sehr rutschig ist. Ich hangele mich von einem Strauch zum anderen. Noch 10 Meter und die Straße ist wieder erreicht. Welch ein kleines Abenteuer. Die Wanderung hätte auch hier schon zu Ende sein können. Vor Aufregung vergesse ich ein Foto vom Baum zu machen.

Locker gehe ich bis nach Guillena. Vor dem Ort gibt es noch eine Furt, die man nicht überqueren kann. Ich gehe am Fluss entlang, bis ich die Landstraße erreiche. Über eine Brücke erreiche ich den Ort und gehe zum Hostal Frances. Dort bekomme ich ein Doppelzimmer mit Dusche und Toilette für 40 €. Nach einigen Tapas lerne ich weitere Mitpilger kennen.

Spanier, Schweizer und Deutsche. Auch Christine kommt nach Stunden. Ich werde sie nach dem heutigen Tag nie wieder sehen. Sehr spät kommt ein mächtiger Kerl mit Poncho und Wanderstab – es ist Anton aus Bilbao.

Die Kneipe gegenüber macht mit lauter spanischer Musik Stimmung. Ich fühle mich wohl nach diesem ereignisreichen Tag.

3.Tag – 20.04.2008

Um 7 Uhr bei Dunkelheit mache ich mich nach einem Café con leche auf den Weg. Ich bin auf Regen eingestellt. Doch der fällt bei mir heute aus. Als die Sonne aufgeht, komme ich auf den königlichen Wanderweg. Er ist mehr lehmig als königlich. Die Schuhe kleben nahezu am Untergrund und ich schleppe noch ein Kilo Lehm mit mir. Ich komme in meine erste Dehesa.

Man soll die Gatter immer so hinterlassen, wie man sie vorgefunden hat. Ich öffne also den Drahtverschluss und schließe ihn wie vorgefunden.

Das Wetter verspricht besser zu werden. Ich entferne den roten Regenschutz von meinem Rucksack und ziehe meine Regenjacke aus. Kaum bin ich wieder auf dem Weg, kommt mir eine Gruppe Stiere entgegen. Ich weiß ja: Stiere sind farbenblind und meine rote Regenhaube würde sie nicht interessieren. Aber sicher ist sicher: Ich verlasse den Weg und die Rindviecher ziehen von dannen, ohne mich zu beachten.

Die Strecke ist beschwerlich. Deshalb ist es vorteilhaft, dass ich viele Fotos mache. Die Motive sprechen wahrscheinlich nicht jeden an, bleiben mir aber in lebhafter Erinnerung. In vier Stunden habe ich diese kurze Tagesetappe geschafft. Am Ortseingang wartet das allen bekannte Hotel, doch mich zieht es weiter in den Ort. Ich meine, im Internet von einem weiteren Hostal gehört zu haben. Ich frage den nächsten älteren Herren, wo sich hier noch ein Hostal befindet. Nach seinen Angaben finde ich in 300 m Entfernung ein renoviertes Hostal. Der Wirt bringt mich in ein herrliches Zimmer mit Himmelbett und riesigem Badezimmer. Ich ruhe mich aus, wasche Strümpfe und ordne meine Sachen. Dann zieht es mich bei tollstem Fotografierhimmel in den Ort, der seinem Namen Ehre macht: Castilblanco. Die Bilder sind herrlich geworden. Ich treffe lediglich Pepe und Angel, die nur 1 Woche unterwegs sein werden und bis Merida laufen wollen. Da es kaum Abwechslung gibt, gehe ich früh ins Bett. Der morgige Tag mit über 30 Km wird die erste größere Herausforderung sein. Ich schlafe gut.

4.Tag - 21.04.2008

Um 6 Uhr stehe ich auf und brauche eine Stunde bis ich fertig bin. Um 7 Uhr schließt mir der Wirt das Hotel auf und ich mache mich mit dem GPS auf den Weg. Am Ende des Ortes hat eine Bar auf, in der ich noch einen Café con leche trinke. Einen angekündigten Supermercado verpasse ich aber. Die Strecke führt die ersten 20 Km die Landstraße entlang. Am frühen Morgen ist starker Verkehr, der sich aber allmählich legt. Die Landschaft ist traumhaft. Begleitet von aufgehender Sonne und untergehendem Mond erscheint die Landschaft in den schönsten Farben. Der wilde Lavendel prägt zu dieser Jahreszeit die Dehesas. Der Weg über die Landstraße erweist sich jetzt als Vorteil. Da die Straße etwas erhöht ist, kann ich die Landschaft besonders intensiv in mich aufnehmen. „Der Weg ist das Ziel“ - dieser Satz wird mir hier besonders bewusst. Nicht der Ort Almaden oder Salamanca ist das Ziel, sondern die Summation der Einzelereignisse. - Etwas Besinnung muss sein.

Nach 20 Km mache ich eine Pause. Kurz darauf kommt Anton aus Bilbao und setzt sich zu mir. Er ist immer fröhlich, trinkt seinen Rotwein und isst ein riesiges Baguette mit Thunfisch. Als nächstes kommen die Schnellgänger mit Sportschuhen: ein spanisches Ehepaar. Sie ziehen an uns vorbei. Bevor wir aufbrechen, kommen Jose und Angel. Sie haben mein Tempo und ich schließe mich ihnen an. Wir überqueren zusammen einige schwere Wasserhindernisse, die nur zu dieser Jahreszeit eine Rolle spielen.

Vor Almaden kommt ein anstrengender Aufstieg. Jose eilt voraus und ich will mithalten. Es schlaucht mich ganz ordentlich. Lehre: behalte deinen Rhythmus. In Almaden de la Plata finden wir in der Casa Concha Unterkunft.

Hier sind alle versammelt, die ich bisher gesehen habe. Einige haben diesen Abschnitt jedoch verkürzt und sind mit dem Taxi die 15 Km Landstraße gefahren. Sie haben mit Sicherheit viel versäumt. Nach sehr viel Smalltalk-Talk gehe ich wie üblich früh ins Bett.

5.Tag – 22.04.2008

Früher Aufbruch. Die meisten Mitwanderer werde ich wahrscheinlich nicht mehr wiedersehen, denn nur wenige werden die zwei Etappen zu einer zusammenfügen. Ich gehe vorbei an der Stierkampfarena. Der Weg teilt sich.

Ein Weg führt über die Landstraße, der andere durch eine Dehesa. Ich habe keine Genehmigung zum Durchqueren eingeholt, wie es allgemein empfohlen wurde. Anfangs verlaufe ich mich um ca. 200 m, was ich aber über mein GPS sogleich bemerke. Ich starre nicht jeden Augenblick auf das Gerät.

Die Landschaft ist einzigartig. Wunderschöne Bäume, lieblich...

Erscheint lt. Verlag 29.1.2023
Sprache deutsch
Themenwelt Sachbuch/Ratgeber
ISBN-10 3-7578-9350-6 / 3757893506
ISBN-13 978-3-7578-9350-7 / 9783757893507
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