Wie Selbsthilfe funktioniert

Wir befinden uns in einem Spannungsfeld, das sich gut mit dem Satz „Ich will doch, aber ich kann nicht mehr“ ausdrücken lässt: Eine Vielfalt an Aufgaben und damit Teilhabe am gesellschaftlichen Leben zu haben, ist ein Geschenk und ermöglicht viele Erfahrungsräume. Wenn du an dein individuelles Lebensumfeld denkst, beflügelt dich sicher die Tatsache, dass du an vielen Stellen wirken kannst. Auf der anderen Seite fühlst du dich vielleicht zu oft überfordert, weil du eben nicht einfach unablässig leistungsstark funktionierst. Die Überforderung ist allzu verständlich, wenn wir uns bewusst machen, mit welcher körperlichen Anspannung wir als Endometriose-Betroffene unterwegs sind.

Um diesem Zwiespalt auf dem Spielfeld unseres funktionsorientierten Lebens zu begegnen, können wir einen Selbsthilferucksack packen. Von Pfarrer und Naturheilkundler Sebastian Kneipp (1821–1897) stammt der Spruch: „Gesundheit bekommt man nicht im Handel, sondern durch den Lebenswandel.“ Auf meiner Reise gab es einiges, das sich durch die Endometriose gewandelt hat. Genauer gesagt, nicht durch die Endometriose, sondern durch mein Handeln konnte sich etwas wandeln. Das Endo-Chamäleon gab aber den Anstoß dafür, dass ich handlungsfähiger, mutiger und entschlossener wurde. Manchmal entschließe ich mich auch ganz bewusst dafür, nicht zu funktionieren, sondern abzuschalten, denn selbst ein Hamster läuft nicht unablässig in seinem Rad, er kuschelt sich auch gern in sein mit Watte gefülltes Häuschen und genießt die weiche, warme Nestwärme.

Kenne deine Bedürfnisse

In Anbetracht unserer menschlichen Bedürfnisse und individuellen Sehnsüchte lassen sich für die Endometriose-Therapie individuelle Selbsthilfemaßnahmen ableiten. Stellen wir uns einmal eine Topfsammlung vor, die bildlich unsere „Bedürfnistöpfe“ darstellt. Die Töpfe in dieser Sammlung sind unterschiedlich und werden dementsprechend, je nach Material, Größe und Aussehen, auch mit unterschiedlichen Dingen gefüllt.

• Ein empfindsamer Topf aus sensiblem Porzellan sollte keine schweren, harten Dinge in sich aufnehmen müssen. Dieser zarte Topf braucht Achtsamkeit.

• In einem anderen Topf, besonders schön und auffällig aus Ton handgefertigt und filigran verziert, finden die Anerkennung und Bestätigung ihren verdienten Platz.

• Ein schön gefärbter, blickdichter Topf, der sich mit einem Deckel schließen lässt, bietet einen Schutzraum für das Bedürfnis nach Privatsphäre, Alleinsein, Schutz und Sicherheit.

• Ein großer, stabiler, vielseitig einsetzbarer Topf aus schlichtem Edelstahl passt für Sehnsüchte nach Autonomie, Entfaltung und Spaß.

• Und dann gibt es noch einen Glastopf, der transparent seinen Inhalt präsentiert und Bedürfnisse beinhaltet wie Klarheit, Akzeptanz und Freundschaft.

Bedürfnistöpfe hat jeder Mensch! Vielleicht musst du deine erst suchen, ordentlich aufstellen und auf Vordermann bringen, aber sie sind da. Die Gestaltung der Töpfe und die Inhalte der Dinge, die wir brauchen, sind allerdings sehr individuell.

Was du über deine Töpfe wissen musst: Ob ein Topf gefüllt ist oder leer, entscheidet über dein Gefühlsleben und deine Empfindungen. Wenn alle Töpfe mindestens halb voll sind, sind wir in unserer Kraft und verfügen über genug Ressourcen, um energiegeladen unsere Aufgaben zu erledigen und sogar die Töpfe unserer Mitmenschen zu füllen. Wenn aber jemand aus deinem Umfeld Wertschätzung braucht und dein eigener, schön verzierter Topf vollständig leer und unbeachtet ist, dann hast du nichts, woraus du schöpfen kannst. Wie willst du jemandem Wertschätzung entgegenbringen, wenn sich keine Wertschätzung in deinem Topf befindet?

Nicht immer gefällt es unseren Mitmenschen, wenn wir uns um unsere Töpfe kümmern. Schließlich haben andere auch ihre Bedürfnistöpfe, da können diese schon mal aufeinanderprallen. Es ist auch nicht immer einfach, die eigenen Bedürfnisse offen und ehrlich zu äußern.

Die Maslowsche Bedürfnispyramide

Abraham Maslow (1908-1970), ein Vertreter der humanistischen Psychologie, stellte die wesentlichen Bedürfnisse eines Menschen in einer Pyramide dar:

Die Bedürfnispyramide verdeutlicht auf Stufe 1, wie grundlegend die Befriedigung der körperlichen Grundbedürfnisse in der Gesundheitsförderung ist. Sie bilden das Fundament, um den menschlichen Organismus zu erhalten. Grundsätzlich braucht jeder Mensch zum Leben Luft, Nahrung, Flüssigkeit und Schlaf.

Über die lebensnotwendigen Grundbedürfnisse hinaus brauchen wir Menschen in Stufe 2 auch das Gefühl von Sicherheit. Geborgenheit und Schutz der eigenen Person sind die Bedürfnisse der zweiten Ebene. Beispiele hierfür sind ein Dach über dem Kopf, ein gesichertes Einkommen oder eine friedvolle Umgebung.

In Stufe 3 geht es um die Sehnsucht nach Zugehörigkeit und Liebe. In unseren Sozialbeziehungen suchen wir nach diesem Gefühl in Partnerschaft, Familie, Freundschaften und Gruppenzugehörigkeit.

Darüber sind in Stufe 4 Anerkennung und Achtung dargestellt, die nach Maslow sowohl im beruflichen als auch im privaten Bereich wenigstens einigermaßen befriedigt werden sollten. Wir brauchen eine klare Rolle und unseren Platz innerhalb der Gesellschaft. Zuspruch und Wertschätzung sind dabei große Motivatoren. Wer sich nicht gesehen und unbeachtet fühlt, wird diesen Mangel an Achtung spüren. Unzufriedenheit hat oftmals mit fehlender Anerkennung zu tun.

Stufe 5 beschreibt die Selbstverwirklichung. Sie bedeutet, seine ganz eigenen Veranlagungen, Begabungen und Fähigkeiten zum Ausdruck bringen zu können. Nach Maslow ist diese Verwirklichung nicht möglich, wenn die unteren Ebenen nicht ausreichend befriedigt sind. In unserem Kulturkreis streben viele Menschen nach Selbstverwirklichung, was bedeutet, dass wir in einem Umfeld leben, in dem es uns recht gut geht, zumindest haben wir immer sauberes Wasser zur Verfügung und müssen keinen Hunger leiden.

Betrachte diese Bedürfnispyramide ruhig ein bisschen länger und überlege, auf welchen Ebenen du besser für deine Töpfe sorgen solltest. Dir über deine Bedürfnisse im Klaren zu sein und einen Weg zu finden, diese zu erfüllen, nützt nicht nur dir, sondern auch deinen Mitmenschen. Wer seine eigenen Bedürfnisse wahrnehmen kann, erlangt damit auch die Fähigkeit, die Bedürfnisse anderer wahrzunehmen und zu achten.

Unsere Gefühle sind dabei Wegweiser, die uns darauf aufmerksam machen wollen, wenn wir einen Mangel erleben. Folgende Gefühle können sich in uns rühren, wenn Bedürfnisse nicht erfüllt werden:

Sind unsere Bedürfnistöpfe gut gefüllt, zeigen uns unsere Gefühle auch das an. Wir fühlen uns dann...