Narben verblassen, aber bleiben ein Leben lang -  Udo Martens

Narben verblassen, aber bleiben ein Leben lang (eBook)

(Autor)

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2022 | 1. Auflage
212 Seiten
Books on Demand (Verlag)
978-3-7568-4971-0 (ISBN)
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Häusliche Gewalt, Stalking, Gewalt im Namen der Ehre. Wer sind die Opfer? Wie schaffen es Frauen zurück in ein normales Leben? Der pensionierte Kriminalhauptkommissar Udo Martens erzählt in seinem ersten Buch die Geschichten von Frauen, die Betroffene und Opfer von Gewalttaten wurden. Er beschreibt eindrucksvoll von seiner täglichen Arbeit und wie er diesen Frauen mit viel Engagement, auch in der Freizeit, helfen konnte. Der "Kampf" mit Behörden und Institutionen gestaltete sich oft schwierig, aber mit Einsatz und Herzblut fand er immer eine Lösung. In diesem Buch gibt Udo Martens all diesen Frauen eine Stimme. Sie berichten offen von ihren Erlebnissen und Ängsten. Für einige Frauen ist der Weg in eine neue Normalität noch nicht abgeschlossen. Die Angst, wieder gefunden zu werden - die Angst vor neuer Gewalt - ist allgegenwärtig. Die Narben verblassen zwar langsam, aber werden ein Leben lang bleiben. Das Buch beginnt mit einem wundervollen Vorwort der Schauspielerin Almila Bagriacik, die Udo Martens den Impuls für sein erstes Buch gab. Almila Bagriacik wurde u.a. bekannt durch ihre Rollen beim "ARD Tatort Kiel" oder der Serie "4 Blocks". Herausragend ist ihre Hauptrolle in dem Kinofilm "Nur eine Frau", in dem es um einen tatsächlich geschehenen Ehrenmord in Berlin geht. Diese Geschichte stellt eine Brücke zwischen Buch und Film her und war Antrieb für Udo Martens, diese Geschichten von Frauen Schicksalen zu erzählen.

Der seit Juli 2021 pensionierte Kriminalbeamte Udo Martens war 43 Jahre und 9 Monate im Dienst der Berliner Polizei. Am 1. Oktober 1977 begann er mit der Ausbildung im Mittleren Dienst. Nach der Ausbildung war er zunächst in einer Einsatzhundertschaft tätig. Dies war zur Zeit der Krawalle und Hausbesetzungen in Berlin. Nach knapp 4 Jahren wechselte er auf den damaligen Polizeiabschnitt 31, mitten im Zentrum des alten West-Berlin. Zunächst war er im uniformierten Funkstreifendienst eingesetzt. Später wurde er Zivilfahnder. Nach der Wende ging er freiwillig in den Ostteil der Stadt, um dort seinen Dienst zu versehen und am Aufbau einer neuen Berliner Gesamt Polizei teilzunehmen. 1995 dann der Wechsel ins LKA Berlin, Bereich Menschenhandel und Prostitution. Zunächst als Sachbearbeiter, nach dem Aufstieg in die gehobene Laufbahn der Polizei, in der sogenannten Milieustreife im "Rotlicht" unterwegs. 2008 Wechsel in die Abteilung der Rauschgift Kriminalität. Seine letzten 6 Dienstjahre verbrachte er von 2015 - 2021 im Bereich der Gefährdungsbewertung und Opferbetreuung.

WER IST UDO MARTENS?


Ich habe fast 44 Jahre bei der Berliner Polizei gearbeitet. Zunächst 18 Jahre bei der Schutzpolizei und anschließend 26 Jahre als Kriminalbeamter beim Landeskriminalamt.

1977 begann ich meinen polizeilichen Werdegang mit dem kleinsten Dienstgrad als Polizeiwachtmeister und bin am 01.07.2021 als Kriminalhauptkommissar in den Ruhestand gegangen.

20 Jahre meiner Zeit als LKA Beamter habe ich im Bereich der Organisierten Kriminalität gearbeitet. Die letzten 6 Jahre habe ich schließlich bei einer ganz besonderen Dienststelle verbracht. Hier ging es nicht um die Verfolgung von Straftaten, sondern um die Bewertung und Einschätzung von Gefährdungssachverhalten. Opfer, zumeist Frauen, von Häuslicher Gewalt, Stalking, Gewalt im Namen der Ehre, aber auch gefährdete Personen aus dem Bereich der Organisierten Kriminalität, bekamen hier endlich eine Unterstützung, die es so vorher noch nicht gegeben hatte. Bislang drehte sich alles nur um die Täter. Opfer blieben meist mit ihren Problemen, Ängsten und oft traumatischen Erfahrungen auf der Strecke. Täter standen fast immer im Mittelpunkt. Sie hatten meist namhafte und teure Rechtsanwälte, die nur darauf aus waren, die Frauen als unglaubwürdig darzustellen. Im Prozess ging es meist um die ach so schlimme Vergangenheit des Täters, um Schuldausschließungsgründe usw. Wie oft habe ich das live bei Gerichtsterminen erlebt. Das Leid der Opfer spielte meist nur eine untergeordnete Rolle. Ja, es ist die Aufgabe dieser Rechtsanwälte, das Beste für ihre Mandanten herauszuholen, aber es war halt oft ein ungleicher „Kampf“ zwischen Täter und Opfer. Frauen, die durch eine Hilfsorganisation vertreten wurden, waren dabei noch ganz gut aufgestellt. Aber ich kenne viele Fälle, und einige werden hier später noch Erwähnung finden, in denen die Frauen ganz auf sich alleine gestellt waren. Von daher war es gut, dass eine Dienststelle ins Leben gerufen wurde, die diesen Frauen zumindest eine Hilfestellung und ein paar wichtige und praktische Ratschläge für ihren weiteren Weg geben konnte.

Als ich 2015 mit meiner Arbeit bei dieser Dienststelle begann, konnte ich noch nicht ahnen, wie sehr mir diese Arbeit gefallen wird und was ich in den Folgejahren alles bewegen kann. Ich hatte nicht die geringste Vorstellung wie sehr ich Frauen helfen kann und sie mit meiner Hilfe einen Neuanfang nach schlimmsten Gewalterfahrungen, sei es physische, aber auch psychische Gewalt, starten können. Ich hatte nie das Selbstverständnis, dass ich die Welt retten kann. Ganz sicher nicht. Aber ich wollte meinen kleinen Beitrag dazu leisten. Heute weiß ich – es waren die intensivsten und für mich persönlich wertvollsten Dienstjahre. Aber – aller Anfang war schwer.

Ich kann mich noch gut erinnern, als ich als „Frischling“ bei den ersten sogenannten Sicherheitsgesprächen dabei saß und mir anschauen sollte, wie solche Gespräche mit Opfern oder gefährdeten Personen geführt werden, was unsere Dienststelle anbieten kann und wohin die „Reise“ vielleicht gehen könnte. Ich hatte natürlich auch meine Vorstellungen, wurde aber zunächst auf den Boden der behördlichen Vorgaben zurückgeholt. Das klang doch meist alles sehr theoretisch und hatte so gar nichts mit echten Lösungen und praktischer Hilfe zu tun. Na klar – die Vorgaben der Behördenleitung waren eindeutig. Diese Dienststelle sollte den Kollegen auf den Polizeiabschnitten mit Rat und guten Tipps zur Seite stehen, sollte die Gefährdungssachverhalte noch einmal separat beleuchten, aber das war es eigentlich auch schon. Ein Sicherheitsgespräch mit dem Opfer war meist schon der einzige praktische Part, den wir leisten sollten. Ein doch ziemlich schlecht ausgestatteter Bauchladen wie ich finde.

OK. Es war sicherlich ein erster Schritt, Opfern von Straftaten oder gefährdeten Menschen mehr Aufmerksamkeit zu schenken und ihnen zumindest ein wenig zur Seite zu stehen. Aber das war nicht das, was ich mir unter echter Hilfe vorstellte. Aber wenn man neu auf einer Dienststelle ist, kann man natürlich als „normaler“ Mitarbeiter nicht gleich ankommen und alles verändern wollen. Es braucht etwas Zeit, ein bisschen Fingerspitzengefühl und in meinem Fall dann auch noch einen Teampartner, der ähnlich tickt. So lernte ich erst mal ein wenig das normale Handwerkszeug, knüpfte erste Kontakte zu Hilfseinrichtungen und baute mir mein eigenes kleines soziales Netzwerk auf.

Ab Herbst 2016 änderte sich dann meine Herangehensweise an bestimmte Gefährdungssachverhalte elementar. Der eben schon erwähnte Teampartner „Wolle“ hielt Einzug in mein Büro und fortan wurden die Vorgänge anders bearbeitet. Jetzt kam der Spruch eines bekannten Comedians zum Tragen:

„Nicht Quatschen – Machen!“ – Aktive Hilfe war angesagt und hatte oberste Priorität.

Es war natürlich nicht immer ganz einfach, bestimmte Dinge am Chef vorbei zu lancieren, aber auch darin bekamen wir Routine und unsere Fantasie und Ideen waren grenzenlos. Ich möchte an dieser Stelle allerdings deutlich betonen, dass unser Chef uns immer sein Vertrauen schenkte und uns immer wieder machen ließ. Ich kann jetzt, nachdem ich mich im Ruhestand befinde, aus vollster Überzeugung sagen – wir haben unseren Chef nie hintergegangen, getäuscht oder ihn bei seinen Vorgesetzten in Bedrängnis gebracht. Wir waren immer loyal und haben alles nach bestem Wissen und Gewissen gemacht. An erster Stelle standen immer die Frauen und ihre Familien – die Opfer schrecklicher Straftaten. Nur um ihren Schutz und ihre Zukunft ging es uns. Dafür setzten wir unsere Kraft und Zeit ein.

Wichtig ist mir an dieser Stelle aber ebenso, dass natürlich alle anderen Kolleginnen und Kollegen auch immer ihr Bestes gegeben haben und heute noch geben. Jeder versucht mit seinen Mitteln und Ressourcen, Gefährdungen zu minimieren und bestenfalls zu beseitigen. Dabei stehen die Opfer (meist Frauen) immer an Nr. 1.

Aber – und das ist ein großer Unterschied. Ich habe in einigen Fällen mehr als „nur“ die normale Polizeiarbeit geleistet. Auf Grund meiner Berufs- und Lebenserfahrung gab es ein paar Fälle, bei denen ich anders, d.h. mit meinem speziellen und persönlichen Engagement an die Sache herangegangen bin. Ja, ich habe beispielsweise meine private Handynummer an gefährdete Frauen weitergegeben, damit man mich im Notfall auch außerhalb der Dienstzeit erreichen kann. Ich habe bei Umzügen geholfen, habe private Kontakte für etwaige Hilfe genutzt, habe Frauen bei der Suche nach einem Arbeits- oder Ausbildungsplatz geholfen, habe Frauen zu vermeintlich gefährlichen Terminen begleitet, kurz – ich war Tag und Nacht für sie erreichbar. Wie oft habe ich von Kollegen gehört – „Was, du hast deine private Handynummer rausgegeben? Das geht doch gar nicht.“ Oder das Unverständnis bei den Kollegen, als ich zusammen mit „Wolle“ einer Frau bei einem spontanen Umzug am Wochenende geholfen habe. Schnelle Hilfe war da erforderlich. Für uns war es selbstverständlich, sogar mit unseren Partnerinnen, in unserer privaten Zeit, dieser Frau zu helfen und beim Umzug mit anzupacken. Wir haben keine Sekunde gezögert und natürlich auch keine Überstunden geltend gemacht! Alles Dinge, die für andere Kollegen undenkbar waren, was ich durchaus verstehen kann. Im Allgemeinen gilt nun mal: Dienst ist Dienst und Privat ist Privat. Nicht so bei mir. Vielleicht habe ich ein sogenanntes Helfersyndrom. Mag sein. Egal. Ich bin wie ich bin und das ist gut so.

Ich habe während meiner Zeit bei dieser Dienststelle an drei Seminaren beim Institut für Psychologie und Bedrohungsmanagement in Frankfurt/Main teilgenommen.

Alle drei Seminare:

-2017 Partnergewalt und Stalking (Verhaltens- und Sicherheitsberatung)

-2018 Tötungsdelikte und schwere Gewalt durch Intimpartner (Prävention und Fallmanagement)

-2019 Gewaltvorhersage und Fallmanagement bei Stalking

waren Voraussetzung, um ein Zertifikat als Präventionsmanager im Bereich Stalking und Intimpartnergewalt zu erhalten. Diese Seminare waren vor allem deshalb wichtig, weil man dort Kolleginnen und Kollegen aus anderen Bundesländern kennenlernte, aber auch Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen von Frauenhäusern, sozialen Einrichtungen, Psychologen – einfach eine Vielzahl an Menschen, die alle nur das eine Ziel haben – Frauen und Opfern von Beziehungsstraftaten zu helfen und zu unterstützen. Der Besuch der Seminare zeigte mir auch, und das machte mich schon ein bisschen stolz, dass Berlin in Sachen Opferarbeit und Umgang mit Gefährdungssachverhalten sehr gut aufgestellt ist. Kaum zu glauben, aber Berlin war mal nicht das Schlusslicht und wurde nicht von anderen nur mitleidig belächelt. Im Gegenteil. Wer erinnert sich nicht an den Ausspruch des damaligen Berliner Bürgermeister Klaus Wowereit – Berlin ist arm, aber sexy.

Die Berliner Polizei war jedoch nicht nur arm, sondern auch ziemlich unsexy. Ob es die aus meiner Sicht unattraktiven Uniformen oder Einsatzanzüge waren, der extrem veraltete Fuhrpark an Dienstfahrzeugen, eine Technik, die den Ansprüchen einer modernen Hauptstadt Polizei so gar nicht gerecht wurde oder...

Erscheint lt. Verlag 30.11.2022
Sprache deutsch
Themenwelt Sachbuch/Ratgeber Gesundheit / Leben / Psychologie Partnerschaft / Sexualität
ISBN-10 3-7568-4971-6 / 3756849716
ISBN-13 978-3-7568-4971-0 / 9783756849710
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