2 Prozent 2. Chance 2. Leben -  Bernhard Baumgartner

2 Prozent 2. Chance 2. Leben (eBook)

Der lange Weg zurück
eBook Download: EPUB
2022 | 1. Auflage
Buchschmiede von Dataform Media GmbH (Verlag)
978-3-99139-632-1 (ISBN)
Systemvoraussetzungen
5,99 inkl. MwSt
  • Download sofort lieferbar
  • Zahlungsarten anzeigen
Der Autor selbst von einer schweren Coronainfektion betroffen, sowie seine Frau schildern den Weg von der Entstehung der Krankheit (Pathogenese) bis zur Erlangung von Gesundheit (Salutogenese). Momente des Zweifelns an der Genesung werden aufgearbeitet, die Widerstandsfähigkeit (Resilienz), die jeder Mensch in sich trägt, wird beschrieben. Ziel des asiatischen Gesundheitsverständnisses ist, Einstellung sowie Verhalten zu festigen, als Basis, genesen zu können.

Autor

Im Krankenhaus St. Johann in Tirol – Bernhard erzählt

Wir hoffen immer, und in allen Dingen ist besser hoffen als verzweifeln.

(J. W. von Goethe)

Mein gesundheitlicher Zustand verschlechterte sich sehr rasch. Den starken Husten und das hohe Fieber konnten wir zu Hause nicht mehr verantwortlich behandeln und wir beschlossen, dass ich mich dem Krankenhaus unserer Nachbargemeinde St. Johann in Tirol anvertraute. Ich verbrachte vorerst einige Tage zur Beobachtung auf der Normalstation. Allerdings verschlechterten sich meine Symptome täglich derart, dass ich auf die Intensivstation verlegt werden musste.

Es begann eine lange Reise, um das Covid-19-Virus zu bekämpfen. Meine Erinnerungen an die ersten Tage sind mir noch fragmentarisch verfügbar. Nachdem mein Istzustand durch Blutanalysen, Computertomographien und Lungenröntgen festgestellt worden war, begann die Therapie. Kann mich noch an die erste Intubation erinnern, dann begann offenbar ein langer Tiefschlaf.

In regelmäßigen Zeitintervallen wachte ich aus dem Koma auf, meine ungläubigen Augen richteten sich auf die Pflegschaft und manchmal auch auf die anwesende Ärzteschaft, die rund um mein Intensivbett zu beraten schienen, was zu tun sei. Ich konnte nicht einordnen, was tatsächlich mit mir passierte. Die künstliche Beatmungsmaschinerie, unzählige Schläuche an beiden Händen, ein zentraler Venenkatheter, ZVK, zur Verabreichung der Medikationen und Nahrung durch die Nase in den Magen, etc. ließen mich wieder in den Komazustand zurückfallen. Hatte mit Angstschüben zu kämpfen, alles und jedes schien gegen mich zu sein. Wusste nicht, dass ich mich wegen der erforderlichen Therapie voll in die Hände der Ärzte- und PflegerInnenschaft begeben hatte. War bis zu diesem Zeitpunkt nie krank gewesen, hatte in meinem Leben drei Grippevorfälle und ein paar kleine Eingriffe gehabt. War zum Glück auch auf meinen weltweiten Reisen nie krank gewesen, außer nach drei Tagen in Indien – dort hatte ich die Heimbakterien der indischen Speisen nicht sonderlich vertragen. Meine Freunde hatten meine Magen- und Darmverstimmung mit lokalen Hausmitteln behandelt und schon war wieder alles in Ordnung gewesen.

Bewegungsmöglichkeiten, außer dem flachen Liegen auf dem Rücken, gab es keine. Die Pflegschaft, immer zu dritt oder zu viert, drehte mich in regelmäßigen Abständen nach beiden Seiten – nach links und nach rechts –, um eine Entzündung des Rückens und des Steißbeines zu vermeiden. Ich habe jedoch keine oder nur punktuelle Erinnerungen an diese notwendigen Aktivitäten des Pflegepersonals. Äußerst lückenhaft zeigten sich meine Selbstbeobachtungen während der ersten Woche. Ein kurzes Aufwachen, viel Verwunderung, warum ich überhaupt hier war und in welchem Zustand sich mein Körper befand.

So verbrachte ich offenbar Wochen des „Darniederliegens“ im Krankenhaus. An die Weihnachtsfeiertage 2020 habe ich keine Erinnerung, ich muss dieses wunderbare Familienfest wohl verschlafen haben. Ein Besuch meiner lieben Frau Brigitte war wegen des Lockdowns prinzipiell nicht möglich, allerdings durfte sie mich am Weihnachtsabend besuchen. Ich kann mich aber nicht daran erinnern.

Die Feststimmungen, um das neue Jahr zu begrüßen, registrierte ich nicht. Laut den späteren Erzählungen des Pflegepersonals verlangte ich während meiner wachen Momente immer das Öffnen der Fenster – offensichtlich war mir ständig sehr warm.

So vergingen Tage und Wochen im Tiefschlaf ohne nachweisbare Verbesserung meines Krankheitsbildes. Noch schlimmer: Es verschlechterte sich von Tag zu Tag – so die Ärzteschaft später in Gesprächen. Und wieder eine Lungenentzündung – die Lunge war zusammengeklappt. Was dagegen tun?

Die Therapiemaßnahmen wurden verstärkt. Zusätzliche Medikamente und eine intensivere Beatmung. Zu diesem Zeitpunkt gab es noch keine ausreichende und hinreichende Erfahrung mit schweren Coronafällen. Ein Luftröhrenschnitt wurde notwendig. Eine Kanüle bildet den Verschluss und das „Loch im Hals“ dient zur Absaugung von immer wiederkehrendem zähem Schleim aus den beiden Lungenflügeln. Ein sehr wertvoller und hilfreicher medizinischer Eingriff, der das Abhusten der zähflüssigen Masse wesentlich erleichtert. Während die umsichtigen Pfleger und Pflegerinnen mir einen Schlauch in den Hals steckten, was sich als wiederkehrendes Ritual manifestierte, wurde mir laufend bewusster, wo ich mich befand, warum ich da war und wie mein tatsächlicher Gesundheitszustand aussah. Wer sich vor allem um meine Situation und Pflege so intensiv kümmerte, die Krankenschwestern und Krankenpfleger, machten eine hervorragende und verantwortungsvolle Arbeit – und das täglich, auch am Wochenende.

Auf meine Frage an das Pflegschaftspersonal, wie lange ich noch da sein müsse und wann ein Ende absehbar sei, erhielt ich von der Ärzteschaft keine konkrete Antwort. Nach zwei Monaten auf der Intensivstation war es offenbar noch zu früh, solche Fragen zu stellen. Stattdessen wurde mir erklärt, dass wegen der Coronainfektion ein Kunststoff-Stent im Gallenbereich gesetzt wurde. Künstliche Ernährung in Kombination mit Corona hatte das Problem mit der Galle ausgelöst. Der Gallengang funktionierte nicht mehr. Auch daran fehlt mir jede Erinnerung. Während dieser Komaphase blieben mir zwei Geschichten bis heute präsent, die mich noch immer beschäftigen. Die Ärzte erklärten mir, dass es mit der damals erforderlichen medikamentösen Behandlung zu solchen Erfahrungen kommen könne. Die beiden Geschichten hatten ein ähnliches Ende:

1. Ich war auf einem Passagierschiff mit zahlreichen Menschen an Bord weltweit unterwegs. Wir fuhren viele Hafenstädte an. Allerdings wurden mit jedem Anlegen die Passagiere weniger. Die uns verlassen hatten, waren alle krank. Erinnere mich noch an einige Anlaufhäfen, konnte die Umgebung wiedererkennen und freute mich, die Städte wiederzusehen. Die Reise dauerte auf Basis meiner subjektiven Beobachtung eine geraume Zeit. Die Menschen an Bord des Schiffes wurden immer weniger. Der Kapitän geleitete sie alle von Bord, allerdings kamen sie nicht am Land an. Jedenfalls sah ich keine Menschen mit festem Boden unter den Füßen. Ich war der letzte Passagier, der Kapitän kam mit seinem Team und sagte mir unmissverständlich: „Auch Sie müssen jetzt gehen.“

2. Ich saß vor dem Laptop und gab „St. Johann in Tirol“ in die Suchmaschine ein. Ich klickte auf das angezeigte Symbol und ein Bild der Marktgemeinde mit voller Textseite erschien in hellem Licht. Nach einigen Sekunden blieb nur der Schriftzug der Gemeinde über. Anstelle des Textes erschien ein kleiner schwarzer Kreis. Durch mehrmaliges Anklicken auf die Überschrift vergrößerte sich jedes Mal diese schwarze Fläche, bis sich der schwarze Kreis automatisch langsam vergrößerte. Am Ende war die gesamte Bildschirmfläche schwarz. Langsam erschien ein weißer Schriftzug: „Du bist angekommen.“

Solche Bilder geben einem zu denken und ich bin sehr dankbar, dass ich meine schwere Coronainfektion überlebt habe.

Natürlich treten neben einer schweren körperlichen Erkrankung seelische Themenbilder auf und dadurch wird die Lebensqualität sehr beeinträchtigt.

Ich hatte ein persönliches Treffen in einem Unternehmen im März geplant und wollte diese Veranstaltung auf keinen Fall versäumen. Ich wusste allerdings nicht genau, in welchem gesundheitlichen Zustand ich mich befand.

In diesen Situationen bewegen wir uns auf eine ungewohnte, noch nicht erlebte Ecke im Leben zu, die Karl Jaspers als „Grenzsituation“ definiert. Nach seiner Darstellung sind wir immer in verschiedenen Situationen, die sich wandeln, und Gelegenheiten treten auf. Werden diese versäumt, kehren sie nicht wieder, allerdings kann man selber an der Veränderung der Situation arbeiten. Trifft diese Aussage auch im Krankheitsfall zu? Denn diese Situationen bleiben in ihrem Wesen bestehen, „auch wenn ihre augenblickliche Erscheinung anders wird und ihre überwältigende Macht sich in Schleier hüllt: Ich muss sterben, ich muss leiden, ich muss kämpfen, ich bin dem Zufall unterworfen, ich verstricke mich unausweichlich in Schuld“ (Karl Jaspers: Von der Weite des Denkens – Eine Auswahl aus seinem Werk, Piper, 4. Aufl., 2017, S. 11). Jaspers benennt diese Situationen, die er auch als Grundsituationen beschreibt, als Grenzsituationen. Dabei können wir nicht darüber hinaus, wir können sie nicht ändern. Er meint eine Situation, die zur Grenzsituation wird, „wenn sie das Subjekt durch radikale Erschütterung seines Daseins zur Existenz erweckt“ (ibd.). Wir können die Augen verschließen, das Leiden hinnehmen, wie es ist, und uns ergeben. Wir reagieren rational auf Grenzsituationen, nicht wie gedacht durch einen Plan oder eine Berechnung, um das Leid zu überwinden oder zu lindern, sondern nach Karl Jaspers „durch eine ganz andere Aktivität, das Werden der...

Erscheint lt. Verlag 16.11.2022
Sprache deutsch
Themenwelt Sachbuch/Ratgeber
ISBN-10 3-99139-632-7 / 3991396327
ISBN-13 978-3-99139-632-1 / 9783991396321
Haben Sie eine Frage zum Produkt?
EPUBEPUB (Ohne DRM)
Größe: 4,3 MB

Digital Rights Management: ohne DRM
Dieses eBook enthält kein DRM oder Kopier­schutz. Eine Weiter­gabe an Dritte ist jedoch rechtlich nicht zulässig, weil Sie beim Kauf nur die Rechte an der persön­lichen Nutzung erwerben.

Dateiformat: EPUB (Electronic Publication)
EPUB ist ein offener Standard für eBooks und eignet sich besonders zur Darstellung von Belle­tristik und Sach­büchern. Der Fließ­text wird dynamisch an die Display- und Schrift­größe ange­passt. Auch für mobile Lese­geräte ist EPUB daher gut geeignet.

Systemvoraussetzungen:
PC/Mac: Mit einem PC oder Mac können Sie dieses eBook lesen. Sie benötigen dafür die kostenlose Software Adobe Digital Editions.
eReader: Dieses eBook kann mit (fast) allen eBook-Readern gelesen werden. Mit dem amazon-Kindle ist es aber nicht kompatibel.
Smartphone/Tablet: Egal ob Apple oder Android, dieses eBook können Sie lesen. Sie benötigen dafür eine kostenlose App.
Geräteliste und zusätzliche Hinweise

Buying eBooks from abroad
For tax law reasons we can sell eBooks just within Germany and Switzerland. Regrettably we cannot fulfill eBook-orders from other countries.

Mehr entdecken
aus dem Bereich