Pflanzen-Lovestory (eBook)
206 Seiten
Löwenzahn Verlag
978-3-7066-2932-4 (ISBN)
Janet Glausch wühlt, sät und erntet nicht nur gerne im eigenen Garten. In ihrem Zuhause stapeln sich haufenweise kleine weiße Tütchen, randvoll gefüllt mit samenfestem Saatgut. Und auch online ist die Autorin ziemlich umtriebig: von Bauerngartenpflanzen über Wildpflanzen bis hin zu alten Gemüsesorten vertreibt die Leipzigerin Saatgut in allen Formen und Farben.
Janet Glausch wühlt, sät und erntet nicht nur gerne im eigenen Garten. In ihrem Zuhause stapeln sich haufenweise kleine weiße Tütchen, randvoll gefüllt mit samenfestem Saatgut. Und auch online ist die Autorin ziemlich umtriebig: von Bauerngartenpflanzen über Wildpflanzen bis hin zu alten Gemüsesorten vertreibt die Leipzigerin Saatgut in allen Formen und Farben.
KISS ME, HONEYBEE ODER: WIE VERMEHREN SICH EIGENTLICH PFLANZEN?
Hast du dich das auch schon gefragt? Wenn du Minze in deinem Garten anpflanzt, weißt du es vermutlich. Die hat Weltherrschaftsfantasien und überwuchert innerhalb kürzester Zeit alles, was Rang und Boden hat. Aber im Ernst: Wenn du dir deine Lieblingstomate nicht in der Gärtnerei deines Vertrauens als zarte Pflanze abholst, hast du wahrscheinlich schon mit Samen zu tun gehabt. Sie sind die Basis für eine Ausbeute, für die du jeden Tag am liebsten ständig in den Garten laufen würdest, weil die Früchte in den sattesten Farben schillern und der Geschmack so unglaublich anders ist als das, was gemeinhin als gutes (weil makelloses) Gemüse verkauft wird.
Die Vermehrung durch Samen ist die eine Sache. Bei manchen Pflanzen funktioniert das aber nicht, sie werden über einzelne Pflanzenteile wie Stecklinge, Sprossknollen oder Ausläufer vermehrt. Das ist also die zweite (und manchmal einzige) Möglichkeit, um aus einer Pflanze mehrere zu machen. Klingt erst mal ziemlich komplex? Keine Sorge, wir werden die einzelnen Vermehrungsmethoden in diesem Buch unter die Lupe nehmen. Bist du bereit? Dann lass uns loslegen!
WAS DAS GANZE MIT OMA EMMA ZU TUN HAT
Aber bevor wir mit den theoretischen Basics der Pflanzenvermehrung starten, möchte ich dir kurz Oma Emma vorstellen – sie war es nämlich, die mich mit den Grundlagen der Gemüsegärtnerei vertraut gemacht hat. Wenn ich an Oma Emma denke, sehe ich eine kleine alte Frau mit silbergrauen und lässig aufgesteckten Haaren, immer mit irgendeinem Gartengerät in der Hand über eines ihrer gepflegten Beete gebeugt. Ich sehe, wie sie knackige Karotten aus der Erde zieht, ein Körbchen mit frisch gepflückten Himbeeren füllt. Ich sehe, wie sie die leuchtend roten Tomaten, die an den Rispen hängen, in die Hand nimmt und ihren Reifegrad prüft – und dabei immer mal wieder ganz nebenbei einen Seitentrieb ausbricht, weil dieser der Pflanze die Kraft nimmt, die bereits ausgebildeten Früchte ausreifen zu lassen. Ich sehe sie mit einem großen grünen Salatkopf zum Haus zurückkommen, dem weltbesten, dem zartesten und aromatischsten Salat übrigens, den wir je gegessen haben (bevor ich anfing, selber welchen anzubauen, versteht sich – Spaß beiseite).
Ein paar ihrer Salatpflanzen ließ sie immer stehen, bis sie in Blüte gingen, und zwar nicht, wie ich anfangs dachte, für die Hühner, die immer die Gemüseabfälle bekamen, sondern um Saatgut für die nächste Saison zu gewinnen. Ich erinnere mich an den Duft des warmen Minztees, der auf der Küchenplatte zog und den wir mit Himbeersirup (natürlich ebenfalls selbstgemacht) genossen. Ich sehe Kräuter und Samen auf ausgelegten Laken in der Scheune trocknen, die Kellerregale sind gefüllt mit Mostflaschen und Eingekochtem, und ja – da stehen auch die Kisten mit den kleinen Saatkartoffeln, die Oma Emma aus der eigenen Ernte las, um sie im nächsten Frühjahr auf dem Acker auszubringen. Ich habe viel von ihr gelernt, sie wird dir in diesem Buch auch immer mal wieder begegnen. Und wie du merkst, sind wir bereits mittendrin in der Thematik: Pflanzenvermehrung, juhu!
WENN PFLANZEN SICH FORTPFLANZEN
Wie funktioniert also die Pflanzenvermehrung? Fangen wir mal mit dem Grundsätzlichen an: Es gibt zwei Varianten der Vermehrung. Bei der einen Variante wächst aus Pflanzenteilen eine neue Pflanze heran, bei der anderen aus einem Samen. Alles klar so weit?
Wird eine Pflanze geteilt oder werden einzelne Pflanzenteile zur Weitervermehrung genutzt, spricht man von vegetativer oder ungeschlechtlicher Vermehrung. Mutter- und Tochterpflanzen sind dann genetisch identisch, die Klone der Mutterpflanzen wachsen zu selbstständigen Pflanzen heran. Vom alten Salbeistrauch im benachbarten Garten z.B. kannst du einen leicht verholzten Trieb abknapsen und ihn als Steckling in ein Töpfchen mit feuchter Erde stecken. Hier wird er Wurzeln ausbilden und zu einer neuen Pflanze heranwachsen.
Erdbeerpflanzen bilden im Sommer Ausläufer. Das sind oberirdisch waagerecht wachsende Seitentriebe, an denen neue Pflänzchen wachsen, die in der Erde anwurzeln. Die kannst du von der Mutterpflanze abtrennen und direkt einpflanzen.
Auch Kartoffeln lassen sich vegetativ vermehren: Aus den Augen der Kartoffelknollen (keine Angst, die heißen nur so; die „Augen“ sind die kleinen buckligen Einkerbungen auf der Kartoffelschale, die genau genommen Knospen sind) wachsen unter Einwirkung von Wärme und Feuchtigkeit, also wenn die Kartoffeln auf dem Acker ausgebracht werden, eigenständige, genetisch identische Pflanzen heran.
VON ELTERNPFLANZEN UND GEMÜSEBABYS: GENERATIVE VERMEHRUNG
Immer dann, wenn Samen ins Spiel kommen, spricht man von generativer oder geschlechtlicher Vermehrung. Die Zellen eines Pollenkorns und eine Eizelle verschmelzen miteinander und geben ihr Erbgut an den Nachkömmling weiter. Das Samenkorn, das so entsteht, ist den Elternpflanzen sehr ähnlich, denn es hat Eigenschaften beider, allerdings in neuer Kombination – es entsteht also ein genetisch neues Individuum. Die einzelnen Nachkommen unterscheiden sich genauso: Sie sind sich ähnlich, aber nicht identisch.
Der kleine, feine Unterschied ...
Einer der Vorteile der Saatgutvermehrung besteht darin, dass die Pflanzen über kleine genetische Veränderungen in der Lage sind, sich bestimmten Standortansprüchen oder veränderten Umweltbedingungen anzupassen. Kein Wunder also, wenn bei mir in Leipzig in kalten und nassen Sommern neben Tomatensorten aus Russland vor allem die Sorten aus ökologischen Freilandtomaten-Züchtungsprojekten die besseren Karten haben. Wenn du Samen einer bestimmten Tomatensorte aussäst, wird kaum eine der Pflanzen genetisch zu hundert Prozent der anderen entsprechen. Aber sie werden sich sehr stark ähneln. Sorteneigenschaften ändern sich nicht schlagartig, sondern über längere Zeit und Generationen hinweg.
ES VERMEHRT SICH, ES VERMEHRT SICH NICHT: SAMENFESTE VS. HYBRIDE SORTEN
Allerdings – und das ist extrem wichtig: Saatgutvermehrung funktioniert nur mit samenfestem Saatgut! Du kannst Samen der samenfesten Sorte Rote Bete ‚Rote Kugel‘ ernten und wieder anbauen, die Nachkommen werden die gleichen sortentypischen Eigenschaften haben. Samen der Hybridsorte Rote Bete ‚Boro F1‘ hingegen sind nicht nachbaufähig, sie müssen jedes Jahr nachgekauft werden.
Hybridsorten entstehen aus der Kreuzung zweier künstlich erzeugter Inzuchtlinien1, wobei nur Linien weitergeführt werden, die besonders ertragreich und resistent gegen Krankheiten sind. Die Pflanzen wachsen dann sehr einheitlich heran. Sie gedeihen an verschiedenen Standorten, es gibt kaum noch Unterschiede in Größe, Form und Reifezeit. Das bringt gewisse Vorteile für die Produzent*innen: Wenn alle Früchte einer solchen Hybridsorte gleich groß sind, lassen sie sich auch besser verpacken, transportieren und verkaufen. (Die klassischen Tomaten, Gurken und Salate aus dem Supermarkt kennen wir alle.) Diese Merkmale zeigen sich aber nur in der ersten Generation. (Generationen werden mit dem Buchstaben F durchnummeriert. Die erste Generation ist also F1.) Schon in der nächsten Generation (F2) spalten sich die äußerlich einheitlichen Kulturen wieder in eine Vielzahl unterschiedlicher Pflanzenformen mit verminderter Leistung auf und die positiven Eigenschaften verschwinden.
Anbauen, ernten, repeat: Das ist das Motto bei samenfestem Saatgut.
Hybridsorten werden seit 1920 entwickelt, meist mit biotechnologischen Methoden in den Labors der Saatgutproduzenten, seit 1990 wird hier auch mit Gentechnik gearbeitet. Samenfeste Pflanzensorten hingegen sind durch Züchtung über Jahrhunderte entstanden. Darunter gibt es unendlich viele alte und historische gärtnerische (d.h. nicht professionelle) Sorten, Lokalsorten und Neuzüchtungen.
Ursprünglich wurde nur über Auslese gezüchtet, dabei wählt man die geeignetsten Pflanzen aus und vermehrt diese weiter. Um 1900 begann man mit der Kreuzungszüchtung, bei der es darum geht, die Merkmale von verschiedenen Pflanzen zu vereinen. Alte Sorten bringen häufig weniger Ertrag und brauchen etwas mehr Pflege, dafür punkten sie aber mit einmaligen Aromen, Formen und Farben.
Biologische Neuzüchtungen nutzen die alten samenfesten Sorten, um aus ihnen Sorten zu entwickeln, die sich an ihren Standort anpassen können und den Anforderungen der Zukunft genügen. Damit haben sie erhöhte Überlebenschancen und können sich besser reproduzieren. Weltweit verschwinden immer mehr samenfeste Sorten vom Markt (laut einer Schätzung der Welternährungsorganisation FAO2 in den letzten 100 Jahren ca. 75 Prozent aller landwirtschaftlich genutzten Arten!), während der Anteil der Hybridsorten steigt. Es gibt aber weltweit immer mehr Initiativen, Vereine und Verbände, die sich darum bemühen, die Vielfalt unserer Kulturpflanzen zu erhalten. Und auch jede*r einzelne*r Gärtner*in, der*die alten Sorten sorgsam weitervermehrt, trägt dazu bei, diese wertvollen genetischen Ressourcen in die Zukunft zu...
Erscheint lt. Verlag | 15.5.2023 |
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Verlagsort | Innsbruck |
Sprache | deutsch |
Themenwelt | Sachbuch/Ratgeber ► Natur / Technik ► Garten |
Schlagworte | Gartentipps • Gemüse selber ziehen • generative Pflanzenvermehrung • Pflanzen vermehren durch Ableger • Pflanzen vermehren durch Teilung • Pflanzen vermehren leicht gemacht • Pflanzen vermehren Steckling • Saatgut aufbereiten • Saatgut sammeln • Saatgut selbst gewinnen • Stecklinge vermehren Anleitung • Stecklingsvermehrung • vegetative Pflanzenvermehrung |
ISBN-10 | 3-7066-2932-1 / 3706629321 |
ISBN-13 | 978-3-7066-2932-4 / 9783706629324 |
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