Die Liebe an miesen Tagen (eBook)

Spiegel-Bestseller
Roman

(Autor)

eBook Download: EPUB
2023 | 1. Auflage
384 Seiten
DuMont Buchverlag
978-3-8321-8277-9 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Die Liebe an miesen Tagen -  Ewald Arenz
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Vom ersten Moment an wissen Clara und Elias, dass sie füreinander bestimmt sind. Damit ändert sich alles: Elias kann nicht länger verdrängen, dass er mit seiner Freundin in einem falschen Leben steckt. Und Clara begreift, dass es Zeit wird, das selbst gewählte Alleinsein aufzugeben. Auf das wilde Glück der ersten Tage folgt die erste Bewährungsprobe, und die beiden zweifeln und kämpfen mit- und umeinander. Kann man, nicht mehr ganz jung und beladen mit Lebenserfahrung, noch einmal oder überhaupt zum ersten Mal die Liebe finden und leben? »Ewald Arenz ist erneut ein wunderbares Buch gelungen. Feinfühlig erzählt er in >Die Liebe an miesen Tagen< von großen, wilden Gefühlen.« ANDREA GERK, NDR KULTUR

EWALD ARENZ, 1965 in Nürnberg geboren, hat englische und amerikanische Literatur und Geschichte studiert. Er arbeitet als Lehrer an einem Gymnasium in Nürnberg. Seine Romane und Theaterstücke sind mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet worden. >Alte Sorten< (DuMont 2019) stand auf der Liste »Lieblingsbuch der Unabhängigen« 2019 und sowohl als Hardcover wie als Taschenbuch auf den Spiegel-Bestsellerlisten. Sein Roman >Der große Sommer< (DuMont 2021) war 2021 »Lieblingsbuch der Unabhängigen«. Diese
Spiegel-Bestseller

3

Der Hof war leer, die Eltern auf dem Feld. Sie ging durch den Stall ins Haus; die hintere Tür war nie zu. In der Stadt schlossen sie immer alle Türen ab, das hatte sie am Anfang gewundert. Aber dann auch wieder nicht. Die waren sich ja alle fremd. Hier schlossen sie immer nur die Haustür zu, wenn sie weggingen. Das Wertvolle war ja nicht im Haus, sondern in den Ställen und Scheunen, und die konnte man eh nicht alle zusperren.

In der Küche war es fast wärmer als draußen. Sie befühlte das Wasserschaff – es war noch heiß. Also hatte die Mutter gekocht, und das hieß, dass sie auf keinem der weiter entfernt liegenden Felder waren, wenn sie zu Mittag hatten heimkommen können. Der Geruch nach Holzfeuer – das hatte ihr gefehlt in der Stadt. Die ewige Hitze in der Küche nicht. Aber die Mutter würde niemals einen elektrischen Herd wollen. Nicht, weil sie gegen das Neue war. Schließlich hatten sie jetzt auch eine Melkmaschine. Aber das Holz kostete sie nichts. Der Strom schon.

Sie ging kurz nach oben auf ihre Stube. Alles wie immer. Das Bett frisch bezogen. Hier war es gleich kühler, weil die Mutter das Fenster musste aufgetan haben, bevor sie aufs Feld gegangen war. Sie nahm ein Buch aus dem Regal, das ihr der Vater gezimmert hatte, als es immer mehr geworden waren. Sturmhöhe. Das hatte sie immer gemocht. So voller Kraft. Und darin auch eine, die auf einem Hof groß geworden war. Sie wog das Buch in der Hand, ohne es aufzuschlagen. Alte Geschichten.

Sie trat ans Fenster. Über dem hohen Scheunendach der Kirchturm. Nie war der Blick anders gewesen. Der weiche Glockenschlag hatte von Anfang an die Tage ihrer Kindheit gezählt und ihre Mädchenjahre. Das Abendläuten im Winter um sechs, im Sommer um acht. Der Vater im Stall nahm dann die Mütze ab und betete ein schnelles Vaterunser, obwohl er vom Pfarrer nicht viel hielt. Ob er an etwas glaubte? Wahrscheinlich tat er es nur, weil alle es taten. Weil es Herkommen war, und wenn man einmal anfing, das Hergekommene zu lassen, dann flog alles auseinander. Sie lächelte. Ja. Wahrscheinlich war es hier so. Wenn man das Hergekommene ließ, dann flog alles auseinander.

Sie sah noch einmal auf das Buch. Da war es auch so, dass alles auseinandergeflogen war. Sie stellte es zurück ins Regal zu den anderen. Obwohl das Buch schon so alt war: Diese Geschichte hatte sie immer berührt.

Es hielt sie nicht im Haus. Das Dorf war nachmittagsstill und die Gassen fast so leer wie an einem Sonntag. Sie holte sich das Fahrrad der Mutter aus der Scheune. Als sie auf die Hauptstraße abbiegen wollte, musste sie warten. Der Postbus kam und fuhr die Haltestelle an. Es war trotz der Jahre in der Stadt immer noch genug Dorf in ihr, dass sie nicht gleich weiterfuhr, als der Bus an ihr vorbei war, sondern dass sie wartete, bis alle ausgestiegen waren. Diese selbstverständliche Neugier, die es hier gab. Vielleicht konnte man es gar nicht Neugier nennen. Vielleicht war es ein selbstverständliches Wissenwollen. Wer kam und wer ging? In der Stadt gab es viel zu viele Menschen, da interessierte es niemanden, aber hier? Hier war es wichtig.

Sie hatte die Unterarme auf den Lenker gestützt und sah den Schmied Walter aussteigen und die Betty vom Hörnleinshof. Die war wohl beim Arzt gewesen, so wie sie sich aufgeputzt hatte, obwohl sie doch schon über fünfzig war. Es hieß, dass sie gerne zum Arzt ging und öfter als eigentlich nötig.

Ich habe das alles noch im Kopf, dachte sie ärgerlich. Wozu? Was geht’s mich an, wenn die Hörnleins Betty gern zum Arzt geht. Ihr Mann … na, jeder wusste, dass der nicht gegen sie aufkam. Gerade, dass er nicht kleiner war als sie, aber ganz sicher nicht so stark. Wenn die aufs Feld fuhren, dann saß er hinten auf dem Traktor.

Sie schüttelte unwillig den Kopf über sich. Jetzt dachte sie doch weiter und wollte das gar nicht. Sie hob sich aus dem Sattel und wollte los, als der Wilhelm hinter dem anfahrenden Bus auftauchte. Er sah sie und hob nach einem kurzen Zögern die Hand als Zeichen des Wiedererkennens.

»Roberta. Bist du wieder da oder nur auf Urlaub?«

Er sah nicht mehr so sehr wie der Junge aus, den sie in Erinnerung hatte.

»Die Lehre ist vorbei. Ich bin jetzt wieder auf dem Hof. Die Eltern brauchen mich da. Und du? Studierst du jetzt?«

Er schüttelte den Kopf.

»Noch nicht. Meine Mutter hat es eigentlich gewollt, weil ich dann nicht zum Militär hätte müssen, aber ich hab gedacht …« Er zögerte einen Augenblick, als ob er nachdächte, dann machte er sich gerade. »Ich mache gerade Zivildienst. Im Krankenhaus.«

»Du hast verweigert?«

Sie kannte niemanden im Dorf, der verweigert hätte. Man schloss die Schule ab, man machte seine Lehre, und dann ging man zum Bund. Wenn sie ein Junge gewesen wäre … sie überlegte einen Augenblick. Ja, vielleicht. Vielleicht auch nicht. Sie hatte sich noch nie Gedanken darüber gemacht. Es betraf sie nicht.

»War es schwer?«

Wilhelm schüttelte den Kopf.

»Der Papa hat mir geholfen. Allein hätte ich es nicht schreiben können. Die Anhörung war streng, aber sie haben mich dann doch durchgelassen.«

Wie selbstverständlich er »Papa« sagte. Sie hatte den Vater niemals anders als »Vater« genannt. Sie musste lächeln und sah für einen Augenblick nach unten, weil er es nicht sehen sollte. Aber er hatte es schon bemerkt.

»Was denn?«, fragte er höflich.

»Nichts. Ich fahre zum Steinbruch«, sagte sie schnell, weil sie nicht wusste, wie sie hätte erklären sollen, dass es … so seltsam zärtlich klang, wie er vom Herrn Pfarrer sprach.

»Ah.« Er wandte sich zum Gehen. »Na, es ist schön, dass du wieder da bist, Roberta.«

Er ging, die Hände in den Hosentaschen, mitten auf der Gasse in Richtung Pfarrhaus. Er war immer ein bisschen komisch gewesen, zwischen scheu und wild, der Wilhelm.

Sie stieg endgültig auf und trat in die Pedale; auf einmal in Eile, aus dem Dorf herauszukommen, bevor sie mit noch jemandem reden musste.

In der Kastanie am Ortsausgang bildeten sich allmählich die Blütenkerzen. Noch kein Nektar, deswegen schwärmten die Bienen woanders. Sie war lange nicht mehr mit dem Rad gefahren. In der Stadt hatte sie keins gehabt und zur Schneiderei sowieso immer die Tram nehmen müssen. Der Fahrtwind war schon sommerlich weich und der Himmel immer noch hoch, obwohl es bald auf den Abend zugehen würde. Auf dem Feld neben ihr waren die Rüben bereits aufgelaufen und würden bald gehackt werden müssen. Wenn der Vater welche angebaut hatte. Auf dem Feld draußen an der Teufelsmauer sicher nicht, da war der Boden sandig.

Sie schüttelte den Kopf, ärgerlich über sich selbst. Morgen war Zeit genug für diese Gedanken, heute war sie noch frei.

Auf dem Feldweg, der von der Landstraße abbog, standen Pfützen in den Schlaglöchern, die immer wiederkamen, auch wenn man sie noch so oft mit Ziegelschutt auffüllte. Es musste geregnet haben. Sie wich den größten Lachen aus, aber ab und zu rollte sie doch spritzend durch und hob dann rasch die Füße von den Pedalen. Hier waren sie oft gewesen. Wilhelm auch manchmal. Dieses eine Mal war er auf jeden Fall dabei gewesen. Komisch, dass es sie trotzdem immer wieder hierherzog. Alle paar Monate, wenn es daheim zu viel wurde, eine Zeit lang sogar fast jede Woche. Vom Dorf kam keiner hierher, außer vielleicht die Jäger, aber die waren nachts da oder in der Frühe.

Es war schön, dass alles blühte. Blühen versprach die Frucht, sah schön aus und bedeutete noch keine Arbeit. Die war noch weit weg. Das Äpfelauflesen und die Kartoffelernte und das Rübenhacken und … und schon wieder waren ihre Gedanken bei der Arbeit, dabei rollte sie eben an den Holunderhecken vorbei, die so dunkelsüß dufteten. Zum Steinbruch ging es leicht hügelan. Er lag unterhalb des Waldes, der über die Jahre immer näher an seine Kante herangewachsen war, seit der Steinbruch aufgelassen wurde. Kurz davor gabelte sich der Weg, und sie entschied sich für den breiteren, der steil bergab ging; da, wo früher die Fuhrwerke direkt in den Bruch gefahren sein mussten, um die Steine aufzuladen. Dort unten hatten sie immer gespielt, wenn sie es ungesehen aus dem Hof geschafft hatte. Räuber und Schander. Indianer. Krieg. Die Amis hielten im Herbst immer ihre Manöver im Wald ab, und manchmal hatten sie Patronenhülsen gefunden, aus denen sie sich dann Cowboygürtel bastelten. Und einmal eine Handgranate, aber die hatten sie versteckt, weil der Wolfgang gesagt hatte, dass sie zu gefährlich war. Cowboy hatte sie nie sein dürfen. Indianerin eben. Aber Räuber schon. Dagegen konnten sie nichts sagen.

Sie lehnte das Rad an einen der riesigen Blöcke, die hier immer noch herumlagen. Wenn sie den Steinbruch heute so ansah, dann kam es ihr vor, als hätten sie von einem Tag auf den anderen mit der Arbeit aufgehört. Nach der letzten Sprengung vielleicht. Ein paar der Brocken waren schon rechteckig zugerichtet, aber sie waren nicht mehr abgeholt worden.

Von den Steinen ging eine Hitze aus, die gar nicht zum späten April passen wollte. Viel wuchs nicht hier unten. Ein paar Disteln. Steinbrech natürlich. Und da, wo sich im Laufe der Zeit angewehtes Laub gesammelt hatte, ein paar Brennnesselinseln.

Sie hatten ihnen den Steinbruch immer verboten, streng sogar. Wegen der losen Steine und der Abbruchkante, hatten die Eltern gemeint. Der alte Satzinger wiederum hatte behauptet, da läge noch Munition aus dem Krieg. Und der Bürgermeister hatte irgendwann ein Schild am Zaun anbringen lassen: Betreten verboten. Einsturzgefahr. Was genau hätte einstürzen sollen, war ihnen nie klar gewesen. Aber vor dem Sommerkeller am Rand des Bruchs hatten sie von sich aus schon Angst gehabt. Keiner...

Erscheint lt. Verlag 16.1.2023
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Romane / Erzählungen
Sachbuch/Ratgeber Gesundheit / Leben / Psychologie Partnerschaft / Sexualität
Schlagworte Alleinsein • Alter • Altersunterschied • altes Haus • Alte Sorten • Angst • Atmosphärisch • Bamberg • Beiges Cover • Bestsellerautor • Cover Frühstück • Cover mit Kaffee • Cover mit Zeitung • Demenz • der große sommer • Deutsche Literatur • Einsamkeit • Fahrrad • Falsches Leben • Familie • Fotografin • füreinander bestimmt • Geschwister • Gewinner • Große Liebe • Hamburg • Herzklappe • Krankenhaus • Lebenserfahrung • Liebe finden • Liebe im Alter • liebe leben • Liebesgeschichte • Liebe zulassen • Mut • Realitätsflucht • Schuldgefühle • Sehnsucht • Sex • Theater • Tochter • Wildes Glück • woche der unabhängigen Buchhandlungen • Woche des unabhängigen Buchhandels • WuB 21
ISBN-10 3-8321-8277-2 / 3832182772
ISBN-13 978-3-8321-8277-9 / 9783832182779
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