Hörgeschädigte Kinder spielerisch fördern (eBook)
207 Seiten
Ernst Reinhardt Verlag
978-3-497-61660-2 (ISBN)
Gisela Batliner ist Hörgeschädigtenpädagogin, Klinische Linguistin und Montessoripädagogin. Sie arbeitet als selbständige Sprachtherapeutin, Dozentin, Supervisorin und Autorin im Bereich der Hörfrühförderung. Weitere Informationen über die Autorin finden Sie unter <a href="http://www.batliner.de" target="_blank">www.batliner.de
1 Diagnose und Hörtechnik
Moderne Hörtechnik schafft die Grundlage dafür, dass Ihr Kind hören lernen und dadurch Sprache erwerben kann. Wenn erfahrene Fachleute gemeinsam individuelle Lösungen für Ihr Kind finden, wird es seine Hörtechnik optimal nutzen können. Auch Sie können im täglichen Umgang mit Hörgeräten und CI dazu beitragen, dass Ihr Kind seine „Lauscher“ oder „Hörlis“ gerne trägt und davon so gut wie möglich profitiert.
In diesem Kapitel werden ausgewählte Informationen zur Diagnostik sowie wichtige, alltagsrelevante Informationen zum Umgang mit Hörgeräten und CI gegeben. Im Serviceteil finden Sie Empfehlungen für Bücher und Internetseiten, wenn Sie sich darüber hinaus vertieft mit diesen oder ähnlichen Themen beschäftigen möchten: Wie funktioniert das normale Hören? Welche Hörtests gibt es und was bedeuten die Ergebnisse? Welche Formen von Hörschädigungen gibt es und wie kann man sie behandeln? Welche Ursachen kann eine Hörschädigung haben? Wie funktioniert ein Hörgerät oder ein CI?
Im Folgenden werden vor allem solche Aspekte rund um die Diagnostik und Hörtechnik berücksichtigt, die Eltern in der frühen Zeit oft beschäftigen, und die in Informationsbroschüren oder auf Internetseiten eher seltener zu finden sind.
Die erste Zeit nach der Diagnose ist immer eine Ausnahmezeit. Vielleicht haben Sie schon kurz nach der Geburt erfahren, dass der Verdacht auf eine Hörschädigung besteht, und wurden völlig unvorbereitet von dieser Nachricht getroffen. Oder Sie haben erst nach einer mühsamen Odyssee Gewissheit für Ihre Vermutung bekommen, dass irgendetwas nicht stimmt. Grundsätzlich gilt: Nur auf der Grundlage einer kompetenten Diagnostik können die richtigen medizinischen Maßnahmen entschieden und die richtige Hörtechnik ausgewählt und angepasst werden.
Ein Hörtest allein genügt nicht.
Was gehört zu einer guten Diagnostik? Egal, ob es sich um eine mittelgradige Schwerhörigkeit bei einem Schulkind handelt oder um den Verdacht auf Taubheit bei einem Säugling: Ein Hörtest allein reicht nicht aus! Eine kompetente Hördiagnostik umfasst immer mehrere Aspekte und wird von verschiedenen Fachdisziplinen (z. B. Pädaudiologie, Hörakustik, Logopädie, Entwicklungspsychologie) gemeinsam durchgeführt.
Eine kompetente Hördiagnostik umfasst
die Erhebung der Vorgeschichte mit den Beobachtungen der Eltern zum Hör- und Sprachverhalten des Kindes im Alltag sowie die Berücksichtigung eventueller Erkrankungen und Risikofaktoren für eine Hörschädigung,
die Prüfung der Sprach- und Gesamtentwicklung des Kindes,
die HNO-Untersuchung, u. a. mit der Überprüfung der Druckverhältnisse im Mittelohr durch eine Tympanometrie* und der Prüfung der Stapediusreflexe*,
subjektive Hörtests, wobei die Hörreaktionen des Kindes beobachtet werden,
objektive Hörtests, d. h. Messverfahren, bei denen das Kind selbst keine Angaben macht, sondern Geräte das Hörvermögen messen, wie z. B. bei einer BERA-Messung*. Die Interpretation der Ergebnisse übernehmen teilweise die Geräte, teilweise Fachleute, wie z. B. Pädaudiologen.
Fragen Sie nach: Wissen gibt Sicherheit.
Sie sind und bleiben die wichtigsten Fachleute für Ihr Kind: Fragen Sie daher so lange nach, bis Sie die Diagnose und die einzelnen Messergebnisse genau verstanden haben. Dieses Wissen hilft Ihnen, im Umgang mit Ihrem Kind wieder Sicherheit zu gewinnen. Lassen Sie sich die Details nach dem Gespräch mit dem Arzt, auch in der Frühförderstunde oder beim Hörakustiker erklären – jeder hat seinen eigenen Blickwinkel und deshalb andere Erfahrungsschwerpunkte.
Gespräche mit Eltern, die diese erste Zeit schon hinter sich haben, sind ebenfalls oft hilfreich. Sammeln Sie alle Unterlagen (Arztberichte, Audiogramme, Frühförder- oder Therapieberichte, Schriftverkehr mit der Krankenkasse oder mit Behörden zum Schwerbehindertenausweis): So können Sie zu Hause in Ruhe etwas noch einmal nachlesen oder den letzten Arztbrief in die nächste Frühförderstunde mitnehmen und darüber sprechen. Grundsätzlich stehen Ihnen alle Unterlagen zu Ihrem Kind zu.
Hörgeräte und Cochlea-Implantate (CI)
Die bilaterale Versorgung
Mit zwei Ohren hört man besser und anders.
Es ist kein Zufall, dass Menschen mit zwei Ohren geboren werden: Mit zwei Ohren hört man nicht nur besser – man hört damit auch anders und mehr. Eine optimale Versorgung mit Hörtechnik ist daher immer eine Versorgung beider Ohren (bilaterale Versorgung*), wenn eine beidseitige Hörstörung vorliegt. Das können je nach Hörschädigung ganz unterschiedliche technische Hörhilfen sein. In den meisten Fällen sind es bei Kleinkindern zwei Hörgeräte, zwei Cochlea-Implantate oder ein Hörgerät und ein Cochlea-Implantat. Letzteres ist eine sogenannte bimodale* Versorgung und wird durchgeführt, wenn ein unterschiedlicher Hörverlust auf beiden Ohren vorliegt. Früher nahm man an, dass die verschiedenen Höreindrücke von einem CI auf dem einen und einem Hörgerät auf dem anderen Ohr sich gegenseitig stören. Heute dagegen weiß man zuverlässig, u. a. aus Berichten Erwachsener, dass das nicht der Fall ist, sondern die unterschiedlichen Höreindrücke sich sehr gut ergänzen können.
Manchmal stellen sich Eltern die Frage, ob es nicht besser wäre, wenn schon operiert werden muss, gleich beide Ohren mit einem CI zu versorgen, um von Anfang an dem Kind eine maximale und technisch einheitliche Versorgung zu geben. Bedenken Sie dabei: Die technisch aufwändigste Versorgung ist nicht zwangsläufig die für Ihr Kind optimale. Wenn ein Ohr mit einem Hörgerät gut versorgt werden kann, ist die bimodale Versorgung mit Hörgerät und CI die optimale für das Kind: Die Höreindrücke ergänzen sich, operiert wird nur das eine Ohr, und sollte der Hörverlust zunehmen, bleibt die Möglichkeit der CI-Implantation für das zweite Ohr bestehen.
Hörgerät und CI ergänzen sich.
Mit zwei Ohren kann Ihr Kind …
entspannter hören und muss sich weniger konzentrieren,
hören, aus welcher Richtung ein Geräusch oder eine Äußerung kommt, und sich dadurch z. B. im Straßenverkehr oder im Gespräch mit mehreren Personen besser orientieren,
bei Umgebungsgeräuschen Sprache besser verstehen, weil es unwichtige Hintergrundgeräusche leichter ausblenden kann,
auch dann noch hören, wenn gerade auf einer Seite die Batterien gewechselt werden, oder wenn ein Gerät aufgrund technischer Probleme einmal ausfallen sollte.
Zukünftige Hörtechnik braucht aktivierte Nervenbahnen.
Eltern gehörloser Kinder überlegen sich manchmal, ob es nicht sinnvoll wäre, nur in einem Ohr ein CI zu implantieren und das andere frei und unversehrt zu lassen für zukünftige technische bzw. biotechnische Entwicklungen. Dieser Gedanke ist nachvollziehbar. Dagegen spricht jedoch, dass Kinder in den ersten Lebensjahren Sprache erwerben und von einer guten Sprachkompetenz ihr Leben lang profitieren. Für einen optimalen Spracherwerb brauchen sie ein beidohriges Hören. Fehlt die akustische Stimulation auf einer Seite, können degenerative Veränderungen des Nervensystems auftreten, die nicht mehr rückgängig zu machen sind, und eine spätere Nutzung auch neuester Technologien ausschließen.
Es sollten immer beide Geräte getragen werden.
Benötigen Kinder auf beiden Seiten ein CI, können diese entweder in einer einzigen oder in zwei aufeinanderfolgenden Operationen eingesetzt werden. Erfolgt die Versorgung des zweiten Ohres nicht sofort, sondern mit einem Abstand von einigen Monaten oder auch Jahren, wenn sich z. B. ein Ohr verschlechtert hat, erhalten Eltern manchmal die Anleitung, dem Kind zu Beginn ein bis zwei Stunden täglich nur das neue Gerät zu geben und das bisherige, gewohnte Gerät abzunehmen, damit das neu implantierte Ohr trainiert wird. Dies ist für Kleinkinder ausgesprochen irritierend und nicht unbedingt sinnvoll. Viele Kinder lassen es gar nicht zu, dass Ihnen das vertraute Gerät, mit dem sie schon hören können, weggenommen wird. Die Kinder werden dadurch stark verunsichert, weil sie mit dem neuen Gerät allein zunächst viel schlechter hören als mit dem gewohnten. Sie können nicht verstehen, warum die Eltern ihre Hörsituation bewusst verschlechtern und sich plötzlich anders verhalten als vorher: Bis zu diesem Zeitpunkt wurde dem Kind vermittelt, dass das CI etwas Positives ist, was es immer tragen soll. Die Eltern hatten sich über seine Hörentwicklung mit dem CI gefreut und plötzlich nehmen sie es ihm weg.
Eltern, die sich für die Operation des zweiten Ohres entschieden haben, möchten, dass das Kind das beidohrige Hören lernt: Dies gelingt aber nur, wenn auch beide Geräte ganztags getragen werden und das Gehirn somit lernt, die Höreindrücke von beiden Seiten zu verarbeiten. Die Erfahrung zeigt, dass sich das Hören auf dem zweiten Ohr bei Kleinkindern problemlos entwickelt, wenn immer beide Geräte getragen werden. Dies gilt auch für die Kombination von einem Hörgerät und einem später implantierten CI.
Auswahl von Hörgeräten und CI
Eltern fragen sich oft zu Beginn, ob es die richtige technische Versorgung für ihr Kind gibt. Wenn damit ein bestimmtes Hörgerät oder...
Erscheint lt. Verlag | 5.9.2022 |
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Reihe/Serie | Kinder sind Kinder |
Verlagsort | München |
Sprache | deutsch |
Themenwelt | Sachbuch/Ratgeber ► Gesundheit / Leben / Psychologie ► Familie / Erziehung |
Sozialwissenschaften ► Pädagogik ► Sonder-, Heil- und Förderpädagogik | |
Schlagworte | Ausdrucksentwicklung • CI • Cochlea-Implantat • Diagnose Hörschäschädigung • Dialogentwicklung • Elternratgeber • Förderung im Alltag • Förderung im Spiel • Früförderung von Kindern mit Hörschädigung • Hören • Hörentwicklung • Hörerwerb • Hörerziehung • Hörgeschädigtenpädagogik • Hörschädigung • HÖRTECHNIK • Kindergarten • Kita • Ratgeber für Eltern • Schrift in der frühen Förderung • Spracherwerb • Spracherwerb bei Hörschädigung |
ISBN-10 | 3-497-61660-5 / 3497616605 |
ISBN-13 | 978-3-497-61660-2 / 9783497616602 |
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