Basketballspiele werden im Kopf entschieden (eBook)
206 Seiten
Meyer & Meyer (Verlag)
978-3-8403-3811-3 (ISBN)
Prof. Dr. Daniel Memmert ist geschäftsführender Institutsleiter am Institut für Trainingswissenschaft und Informatik an der Deutschen Sporthochschule Köln. Seine Arbeitsschwerpunkte liegen in der Bewegungswissenschaft, in der Sportpsychologie und in der Sportinformatik. Er besitzt Trainerlizenzen in den Sportarten Fußball, Tennis, Snowboard sowie Ski alpin und ist Autor von Lehrbüchern zum modernen Fußballtraining. Außerdem kooperiert er mit nationalen und internationalen Profiklubs, mit der deutschen Nationalmannschaft sowie DAX-Unternehmen und organisiert den ersten internationalen Weiterbildungs-Masterstudiengang 'Spielanalyse'. Prof. Dr. Stefan König ist Professor am Sportzentrum sowie Direktor des Forschungszentrums für Sekundarbildung der Pädagogischen Hochschule Weingarten. Von 1995 bis 2006 war er Akademischer Direktor und Leiter der Studiengänge am Institut für Sportwissenschaft der Universität Tübingen. Seine Arbeitsschwerpunkte liegen in der Trainingswissenschaft (Effekte von Trainingsprozessen im Schul-, Breiten- und Gesundheitssport), in der Schulsportforschung (Wirkungen von Sportunterricht, Schulsportkonzepte), in der Sportspielforschung (Vermittlungskonzepte, Taktik, Führungsverhalten) sowie im Bereich der Forschungsmethodologie.
Prof. Dr. Daniel Memmert ist geschäftsführender Institutsleiter am Institut für Trainingswissenschaft und Informatik an der Deutschen Sporthochschule Köln. Seine Arbeitsschwerpunkte liegen in der Bewegungswissenschaft, in der Sportpsychologie und in der Sportinformatik. Er besitzt Trainerlizenzen in den Sportarten Fußball, Tennis, Snowboard sowie Ski alpin und ist Autor von Lehrbüchern zum modernen Fußballtraining. Außerdem kooperiert er mit nationalen und internationalen Profiklubs, mit der deutschen Nationalmannschaft sowie DAX-Unternehmen und organisiert den ersten internationalen Weiterbildungs-Masterstudiengang "Spielanalyse". Prof. Dr. Stefan König ist Professor am Sportzentrum sowie Direktor des Forschungszentrums für Sekundarbildung der Pädagogischen Hochschule Weingarten. Von 1995 bis 2006 war er Akademischer Direktor und Leiter der Studiengänge am Institut für Sportwissenschaft der Universität Tübingen. Seine Arbeitsschwerpunkte liegen in der Trainingswissenschaft (Effekte von Trainingsprozessen im Schul-, Breiten- und Gesundheitssport), in der Schulsportforschung (Wirkungen von Sportunterricht, Schulsportkonzepte), in der Sportspielforschung (Vermittlungskonzepte, Taktik, Führungsverhalten) sowie im Bereich der Forschungsmethodologie.
3KOGNITIONEN IM BASKETBALL
Übertragen auf das Sportspiel (z. B. Basketball), finden sich in Tab. 1 elementare Kognitionen aus biopsychologischer, evolutionspsychologischer, entwicklungspsychologischer und kognitionspsychologischer Perspektive, die in eine lose Verbindung zu basistaktischen Kompetenzen gebracht werden können, welche wiederum in verschiedenen Sportspielen von wahrscheinlich grundlegender Bedeutung sind.
Tab. 1: Darstellung elementarer Kognitionen hinsichtlich verschiedener Teildisziplinen, die als kognitive Grundlage zur Bewältigung basistaktischer Aufgabenstellungen im Sportspiel dienen könnten (aus: Memmert, 2004a, S. 137).
Neben solchen sportspielübergreifenden basalen Kognitionen, wie „Lücken ausnutzen“ (vgl. Kap. 4), wurden in der Sportwissenschaft auch seit vielen Jahren komplexere Kognitionen diskutiert.
In Anlehnung an die Paradigmen aus der Psychologie wurde ein Prozessmodell des Ablaufs menschlicher Entscheidungshandlungen entwickelt (Memmert, 2013, 2017a, b; Memmert & Roth, 2003; Roth & Hossner, 1999), das die Kognitionen Antizipation, Wahrnehmung, Aufmerksamkeit, Kreativität, Spielintelligenz und Gedächtnis beinhaltet (vgl. Abb. 1).
Dieses Modell ist vorrangig für Sportspiele entwickelt worden, da beim Schwimmen oder in der Leichtathletik Kreativität oder Aufmerksamkeit keine so zentrale Rolle spielen wie etwa im Basketball. Denn: In den Sportspielen werden viele verschiedene Lösungsmöglichkeiten benötigt, um an das Ziel zu gelangen.
Konkreter für den Basketball bedeutet dies: Weil Spieler eine Situation aufgrund ihrer Vorerfahrungen, die im Gedächtnis abgelegt sind, antizipieren, werden einzelne Umweltfaktoren unbewusst oder bewusst wahrgenommen, und es wird ihnen Aufmerksamkeit geschenkt.
Nach der bewussten bzw. extrem oft unbewussten geistigen Generierung einer bestimmten Zahl von Lösungsvarianten, die im Lösungsraum des Gedächtnisses präsent sind, wird schließlich eine Best-Lösung oder eine kreative Idee ausgewählt. Dies kann an folgender Sequenz aus der NBA veranschaulicht werden.
Praktisches Beispiel von Kognitionen im Weltklasse-Basketball (siehe https://www.youtube.com/watch?v=i3VjVOtqsOY – 0:30 bis 0:50)
Nach einem erfolgreichen Defensiv-Rebound der Denver Nuggets (blau) nimmt der ballbesitzende Spieler (Nummer 77) einen freien Mitspieler (Nummer 4) auf der rechten Außenspur wahr und spielt diesen direkt an. Nummer 4 leitet den Ball sofort und spielintelligent auf Nummer 0 in der Mittelspur weiter.
Dieser Pass ist so getimt, dass der neue Ballbesitzer mit einem Dribbling in die Zone schneiden und zum Korb ziehen kann. Anstelle eines Wurfs spielt er den Ball jedoch nach hinten zum in die Lücke schneidenden Spieler Nummer 00, der den Fast Break mit einem Dunk erfolgreich abschließt.
Spieler Nummer 77 profitiert in dieser Spielszene von seinem Arbeitsgedächtnis, in dem abgelegt ist, dass nach einem Rebound die Außenspuren besetzt sind; er kann deshalb das Spiel sehr schnell eröffnen und Nummer 4 hat die Möglichkeit, das Spiel wieder in die Mitte zu Nummer 0 zu verlagern. Alternative Möglichkeiten für Nummer 0, wie ein Bodenpass zu Nummer 4 zurück oder ein Pass auf die linke Außenspur, wären bei einer etwa zentraleren Verteidigung möglich gewesen.
Akzentuiert werden im Folgenden die kognitiven Faktoren Antizipation, Wahrnehmung, Aufmerksamkeit, Spielintelligenz, Kreativität sowie Gedächtnisprozesse, die für die erfolgreiche Lösung taktischer Situationen im Basketball verantwortlich zeichnen (Abb. 1).
Die Darstellung der einzelnen psychologischen Prozesse folgt dabei einem weitestgehend akzeptierten zeitlichen Ablauf, wobei im realen Kontext nicht notwendigerweise alle perzeptiv-kognitiven Phasen durchlaufen werden müssen. Alle sechs Kognitionen wurden auch in zahlreichen wissenschaftlichen Basketballstudien in den letzten Jahren untersucht (Basevitch, Boiangin, Sáenz-Moncaleano, & Tenenbaum, 2020) und gelten insbesondere für die Praxis als relevant (siehe die Beiträge von Memmert & Leitner, 2019 und Memmert & König, 2022).
Abb. 1: Überblick über die zentralen kognitiven Leistungsfaktoren, die allen Handlungen im Basketball zugrunde liegen (Memmert, 2013; 2017a, b). Nicht notwendigerweise müssen bei der Generierung basketballspezifischer Situationslösungen alle perzeptiv-kognitiven Phasen durchlaufen werden.
3.1Antizipation
In vielen Sportspielen spielt Antizipation eine herausragende Rolle (Smith, 2016; Williams & Jackson, 2019), insbesondere im Basketball (Aglioti, Cesari, Romani, & Urgesi, 2008; Wu et al., 2013). Hier müssen die Spieler beispielsweise in Bruchteilen von Sekunden entscheiden, wem sie den Ball passen oder welche Räume sie aufsuchen. Dazu müssen sie die Bewegungen der Mit- und Gegenspieler sowie die Richtung des Balls vorhersehen.
Deshalb hat sich die Forschung in den Sportspielen differenziert mit den entsprechenden latenten oder offensichtlichen Hinweisreizen der Akteure beschäftigt, die für die Antizipation der Handlungsabsichten der gegnerischen Athleten herangezogen werden können (vgl. zusammenfassend Loffing, Cañal-Bruland & Hagemann, 2014).
Li und Feng (2020) untersuchten die vier zeitlichen Phasen (die Schussphase, Anstiegsphase, Hochpunkt, Fallphase) beim Basketball-Freiwurf. Experten haben bessere Antizipation als Nichtsportler in der letzten, fallenden Phase, aber nicht für die anderen drei davor. In Bezug auf die Genauigkeit der Trefferergebnisse konnten Basketballexperten genauere Vorhersagen als Nichtsportler machen, wenn sie die Würfe in der späten Zeitphase beurteilen mussten.
Während in vielen Sportspielen gezeigt wurde, dass Experten frühere und präzisere Vorhersagen z. B. der Wurfrichtung, basierend auf Hinweisen, die sie aus der Bewegung eines Gegenspielers entnehmen, treffen können (gute allgemeine Übersichten finden sich bei Brenton & Müller, 2018; Farrow & Abernethy, 2007; Loffing, Cañal-Bruland, & Hagemann, 2014; Williams & Ward, 2003), gibt es derartige Studien beispielsweise im 1 gegen 1 im Basketball kaum (Fujii, Shinya, Yamashita, Kouzaki, & Oda, 2014).
Dies könnte damit zusammenhängen, dass die Interaktion Torwart-Feldspieler im Fußball oder Handball eine größere Bedeutung hat und zudem in sportwissenschaftlichen Settings leichter zu untersuchen ist. Somit konnten solche „Torhüterstudien“ zeigen, dass verschiedene Teile des Körpers als antizipationsrelevante Regionen („Information-Rich Areas“ – Magill, 1998) eingeordnet und zur Ableitung von Hinweisen für nachfolgende Aktionen genutzt werden können (für einen allgemeinen Überblick Cauraugh, & Janelle, 2002).
Im Basketball (wie auch in anderen Sportspielen) ist die antizpatorische Vorwegnahme der Aktion des Gegenspielers (unter anderem 1 gegen 1) wichtig. Fujii et al. (2014) untersuchten, welche spezifischen Informationen für Verteidiger relevant sind und wie Verteidiger diese Informationen verarbeiten, um die Laufrichtung ihrer Gegner zu bestimmen. Die Ergebnisse zeigen, dass Verteidiger Informationen über Position und Geschwindigkeit des Massenschwerpunkts und des Kontaktfußes der Angreifer extrahieren.
In der Regel werden sportspezifische, antizipationsrelevante Informationen über filmbasierte Simulationen oder, weitaus seltener, über Trainingseinheiten vor Ort mit einem Livemodell unterrichtet. Die ersten Ergebnisse aus dem Basketball (unter anderem Fujii, Shinya, Yamashita, Kouzaki, & Oda, 2014; Aglioti, Cesari, Romani, & Urgesi, 2008) können verwendet werden, um Trainingsprogramme zu entwerfen sowie zu testen, ob sie zur Verbesserung der Antizipation von Sportlern, insbesondere von Anfängern (für einen guten allgemeinen Überblick, Loffing, Hagemann, & Farrow, 2017), genutzt werden können.
Eine besonders wichtige Frage ist, wie die Antizipation durch verschiedene Trainingsmethoden gefördert werden kann (vgl. Farrow & Abernethy, 2002; Williams, Ward, & Chapman, 2003). Welche Instruktionsform ist die vielversprechendste, um das Erlernen von Antizipationen zu erleichtern?
Memmert et al. (2009) testeten verschiedene Trainingsbedingungen (Prinzip „vom Leichten zum Schweren”, Kontext-Interferenz-Bedingungen und Feedbackeffekte) auf die Verbesserung der Antizipation. Es zeigt sich, dass ein variables, randomisiertes und mit wenig Feedback behaftetes Training von Vorteil ist.
Andere Studien haben explizites, implizites und kontrolliertes, exploratives Lernen evaluiert. Jackson und Farrow (2005) präsentieren einen Überblick über die verschiedenen Ansätze zur Ausbildung von Antizipation und diskutieren die möglichen Vorteile implizierter Lernmethoden.
Außerdem konnte nachgewiesen werden, dass eine sportartspezifische...
Erscheint lt. Verlag | 12.9.2022 |
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Verlagsort | Aachen |
Sprache | deutsch |
Themenwelt | Sachbuch/Ratgeber ► Sport ► Ballsport |
Schlagworte | Basketball • Dennis Schröder • dirk bauermann • Dirk Nowitzki • lebron james • Leistung • Leistungssteigerung • Mentaltraining • Michael Jordan • NBA • shaq • Steven Curry • Technik • Training • Übungen |
ISBN-10 | 3-8403-3811-5 / 3840338115 |
ISBN-13 | 978-3-8403-3811-3 / 9783840338113 |
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