Vergebung - Die befreiende Kraft des Neuanfangs (eBook)

Spiegel-Bestseller
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2022 | 1. Auflage
192 Seiten
bene! eBook (Verlag)
978-3-96340-158-9 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Vergebung - Die befreiende Kraft des Neuanfangs -  Margot Käßmann
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Die bekannte Theologin Margot Käßmann weiß, wie schwer es ist, zu vergeben, wenn einem Unrecht getan wurde. Und doch ist es der einzige Weg, Frieden zu finden. Denn die Wut und der Schmerz schaden vor allem uns selbst - und nicht dem Täter oder der Täterin. In diesem Buch zeigt die Bestseller-Autorin Wege auf, wie Vergebung gelingen kann. Gerade als Christinnen und Christen dürfen wir wissen: Am Ende leben wir alle von Vergebung! Vergeben zu können ist eine der schwierigsten Herausforderungen, vor der wir stehen. Jeder Mensch erfährt im Laufe seines Lebens Leid, das ihm andere Menschen zufügen. Manchmal ist der Groll so stark, dass er uns zu überwältigen droht: die Verletzungen beim Scheitern einer Ehe, der Ärger über den Bruder, der uns tiefes Unrecht zugefügt hat. Oft bemerken wir das überwältigend negative Gefühl erst, wenn es schon zu spät ist: ein Elternteil ist verstorben, und wir spüren ungeklärte Konflikte, die uns auf der Seele lasten. Der innere Friede geht verloren, und stattdessen bestimmen uns Wut und Ärger. Einfühlsam vermittelt Margot Käßmann, wie es gelingen kann, zu verzeihen und sagt: »Auch wenn es uns sehr schwer fällt zu verzeihen: Immer wieder habe ich erfahren, wie gut es tut, wenn es gelingt. Nur so können wir wieder frei werden!«

Margot Käßmann, Jahrgang 1958, ist eine der bekanntesten kirchlichen Persönlichkeiten Deutschlands. In und nach ihrer Zeit als hannoversche Landesbischöfin und Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland gewann sie mit ihrer offenen und geradlinigen Art die Wertschätzung und Sympathien vieler Menschen. Sie ist Mutter von vier erwachsenen Töchtern und Großmutter von sieben Enkelkindern.

Margot Käßmann, Jahrgang 1958, ist eine der bekanntesten kirchlichen Persönlichkeiten Deutschlands. In und nach ihrer Zeit als hannoversche Landesbischöfin und Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland gewann sie mit ihrer offenen und geradlinigen Art die Wertschätzung und Sympathien vieler Menschen. Sie ist Mutter von vier erwachsenen Töchtern und Großmutter von sieben Enkelkindern.

Den eigenen Eltern vergeben


Der Mann hat seine Kindheit in schrecklicher Erinnerung. Er war der Älteste von fünf Geschwistern, sie lebten in einer engen Dreizimmerwohnung. Der Vater trank ständig zu viel Alkohol, verlor dadurch immer wieder den Arbeitsplatz. Das Geld war permanent knapp, so lange er denken kann. Am schlimmsten aber war, dass der Vater unberechenbar daherkam. War er betrunken, konnte er weinerlich sein oder plötzlich brutal zuschlagen. Es gab Schläge mit der Hand, mit der Faust, mit dem Gürtel – für die Kinder, aber auch für die Mutter. Der Junge war völlig verzweifelt. Der Vater war ihm kein Vorbild, die Mutter konnte er nicht wirklich schützen, die kleinen Geschwister nur ab und an. Zweimal floh er mit Mutter und Geschwistern ins Pfarrhaus. Der Pfarrer versuchte, mit dem Mann zu reden, aber es änderte sich nichts. Als der Vater früh starb, konnte der Junge, der inzwischen ein junger Mann war, keine Trauer, sondern nur Erleichterung empfinden. Er hasste seinen Vater für das, was er ihm in seiner Kindheit angetan hatte.

Inzwischen ist aus dem Jungen von damals ein älterer Mann geworden. Jahrzehnte konnte er nur mit Bitterkeit und Verachtung an seinen Vater denken. Inzwischen kommen andere Fragen. Warum war der Vater so? Was hat er als junger Soldat im Krieg erlebt?

Ihm wurde klar, dass er eigentlich so gut wie gar nichts über den Vater wusste, Gespräche über persönliche Fragen hatte es nie gegeben.

Wenn er all das betrachtet, wird der Mann rückblickend milder, verständnisvoller. Wirkliche Vergebung ist das noch nicht, aber es sind Schritte auf dem Weg dahin. Die Gedanken an den Vater werden versöhnlicher. Er versucht, ihn zu verstehen.

Vergebung kann ein langer Prozess sein. Sie ist kein Vorgang, der plötzlich geschieht. Mein Eindruck ist: Wenn wir älter werden, stellt sich tatsächlich das ein, was »Altersmilde« genannt wird. Wir können eher nachvollziehen, warum die Eltern damals auf eine bestimmte Art und Weise gehandelt haben. Das bedeutet nicht, dass etwa das brutale Prügeln eines Vaters gerechtfertigt wird. Es geht eher darum, sich in die Person hineinzuversetzen, um das Geschehen zu begreifen.

*

Ich habe mit großem Interesse die Bücher von Sabine Bode – über Kriegskinder, Nachkriegskinder, Kriegsenkel – gelesen. Sie schreibt: »Wie nicht anders zu erwarten, ist der Blick der Nachkriegskinder auf die Eltern, die häufig schon tot sind, milder geworden. Man zeigt Verständnis für deren Entsetzen über lange Haare, kurze Röcke, laute Musik und Knutschen in der Öffentlichkeit. Keine Frage, man hat den kaum vom Krieg erholten Erwachsenen viel zugemutet. Aber bereut wird es nicht. Die Zeit war überreif, darum war die Veränderung so radikal …«1 Ich kann das inzwischen gut nachvollziehen.

Die Jahre ab 1945 waren für die große Mehrheit der Deutschen entsetzlich schwer. Millionen hatten ihre Heimat verloren, nahezu jede Familie hatte Tote oder Vermisste zu betrauern, die Städte waren zerstört, die Winter waren hart, es ging ums Überleben. So fühlten sie sich als Opfer des Krieges, vielleicht auch der Nationalsozialisten, und konnten schlicht keinen Blick auf eigene Schuld werfen. Nach den Schrecken des Krieges ging es um Wiederaufbau, Nach-vorn-Schauen, das Leben genießen, so gut das möglich war. »Nur nicht zurückblicken«, war für viele die Devise.

Und gleichzeitig waren die Menschen natürlich geprägt von der Ideologie des Nationalsozialismus. Ehre, Pflicht, Treue – damit waren sie aufgewachsen. Der 1934 erschienene und in Millionenauflage verbreitete Erziehungsratgeber Die deutsche Mutter und ihr erstes Kind, geschrieben von der Ärztin Johanna Haarer (19001988), hatte geraten, Kinder nicht zu verwöhnen, nicht mit ihnen spielen, nicht zu viel Gefühle zu zeigen. Anstand und Ordnung hatten einen hohen Rang. Der ganze Freiheitsaufbruch der 20er-Jahre war von den Nationalsozialisten hinweggefegt worden. Und ihre auf enge Rollenzuschreibungen reduzierte Familienideologie wie ihre Werteskala spiegelten sich später auch in der Enge der 50er-Jahre wider.

Der Nachkriegsgeneration in der Bundesrepublik erschien das erdrückend. Sie stellte die Elterngeneration infrage, rieb sich an ihr, provozierte. „Wo wart ihr denn im Krieg?“, fragten sie. „Es kann nicht sein, dass ihr nichts mitbekommen habt vom Holocaust! Ihr gehört zu den Tätern, selbst wenn ihr nur geschwiegen habt!“ So kam es Ende der 60er-Jahre zu massiven Auseinandersetzungen und Verwerfungen. Mit langen Haaren, dem Ablegen der BHs, Rock ’n’ Roll und Kriegsdienstverweigerung forderten die jungen Leute die Alten heraus. Heute schmunzeln wir manchmal im Rückblick, aber die Emotionen waren tiefgreifend und heftig. Die Kriegsgeneration fühlte sich infrage gestellt und reagierte auf das Aufbegehren mit massiver Abwehr. Sie hatte nicht gelernt, über Konflikte zu reden, und sie war nicht bereit, sich den Anfragen zu stellen.

In meiner eigenen Familie waren die Debatten gewiss nicht so heftig wie in anderen Zusammenhängen. Aber ich habe auch aufbegehrt, wollte freier leben als meine Eltern. Heute denke ich: Wahrscheinlich hätte ich meine Mutter anders wahrgenommen, hätte ich mir klargemacht, was sie im Krieg erlebt hat. Die Infragestellung aller Überzeugungen, die sie als junge Frau hatte, die Einsamkeit im Internierungslager in Dänemark – ohne zu wissen, ob andere aus der Familie überlebt haben –, das hat sie natürlich geprägt. Und mein Vater? Er wurde, gerade achtzehn geworden, als Soldat ausgebildet und war es bis zu seinem 24. Lebensjahr, dann kam er in amerikanische Kriegsgefangenschaft. Wir haben ihn als Jugendliche nicht gefragt, was er erlebt hat. Als ich sechzehn war, starb er.

Meinen Vater habe ich als stets liebevoll und zugewandt in Erinnerung. Und ich bin traurig, dass ich so wenig über ihn weiß. Auch ich bin inzwischen natürlich altersmilde geworden gegenüber den eigenen Eltern, so wie Sabine Bode das beschreibt. Aber mir ist klar: Mein Vater war Soldat im Krieg. Und auch er wird getötet haben. Ich hoffe, er war nicht an Massakern beteiligt. Doch ich weiß es nicht.

 

Wenn ich Freundinnen und Freunde frage, die in Ostdeutschland aufgewachsen sind, sagen sie, deutsche Kriegsschuld sei bei ihnen zu Hause überhaupt kein Thema gewesen. Die Führung der DDR erklärte ihr Land zum besseren deutschen Staat, die Schuldigen waren im Westen. Neben der innerdeutschen Grenze existierte schon vor der Abriegelung gegenüber dem Westen auch eine Mauer des Schweigens.

Mit Kriegsende waren die Schrecken des Krieges ja nicht ausgelöscht, Täter waren immer noch Täter und Opfer immer noch Opfer. Und die Ideologie des Nationalsozialismus, mit der ein ganzes Volk indoktriniert worden war, hatte sich nicht in Luft aufgelöst. Da waren Mütter, die Vergewaltigung ertragen hatten, Väter, die vergewaltigt und gemordet hatten. Und alle versuchten jetzt, irgendwie damit weiterzuleben. Darüber sprechen konnten sie nicht.

Ich frage mich, was das mit den Menschen gemacht hat. Deutsche Soldaten haben beispielsweise beim Massaker in Babyn Jar in der Ukraine nahe Kiew innerhalb von nur zwei Tagen mehr als 33000 Juden ermordet. Kinder, Frauen und Männer wurden erschossen. Lebende Menschen mussten sich auf die Leichen anderer legen. Viele Mädchen und Frauen wurden vor der Erschießung von den deutschen Soldaten vergewaltigt. Angeschossene, noch lebende Menschen wurden beim Sprengen der Ränder der Schlucht lebendig begraben. Die Kleider der Ermordeten wurden anschließend mit 137 Lkw an die NS-Volkswohlfahrt übergeben.

Wenn ich mir in Erinnerung rufe, was ich dazu gelesen und gehört habe, packt mich das Grauen. Und ich überlege auch: Die Männer, die das getan haben, kamen ja teilweise zurück »nach Hause«! Was macht es mit einem Mann, wenn er eine Frau zwingen kann, sich nackt auszuziehen, sie vergewaltigt und anschließend erschießt, ohne dass das irgendeine Konsequenz für ihn hat? Kann er je wieder normale Sexualität leben? Verfolgen ihn nicht in seinen Albträumen ein Leben lang die Schreie der Opfer?

Oder wenn ich an den Vater des Jungen denke, von dem ich erzählt habe: Musste der Vater sich mit Alkohol betäuben, um das alles zu vergessen, zu verdrängen? Hat er den Hass auf sich selbst in Gewalt an Frau und Kindern umgesetzt? Hat er um sich geschlagen, um zu vergessen?

 

Sabine Bode zeigt in ihren Büchern, dass auch die Generation der Kriegsenkel von den Erfahrungen der Großeltern geprägt ist. Die Traumata wirken fort bis in die Generation meiner Kinder. Auch heute gibt es Kriege. Und die Geflüchteten aus der Ukraine, aus Syrien und Afghanistan, die bei uns Schutz suchen, bringen ihre Traumata mit. Es ist wichtig, sich das bewusst zu machen, Worte dafür zu finden.

*

Vergeben heißt nicht gutheißen dessen, was geschehen ist, das festzuhalten, ist mir wichtig. Vergebung soll nicht beschönigen, was Täter anderen angetan haben. Aber sie kann es einordnen, sich annähern, vielleicht begreifen, wie es zu den Taten kam. Das ist gewiss nur mit zeitlichem Abstand möglich, nicht in einer akuten Situation. Und vielleicht auch manchmal erst nach dem Tod – beispielsweise dem der Eltern. Dann kann offen thematisiert werden, was damals geschah.

In ihrem Buch Verstehen statt verurteilen zeigen der katholische Mönch und Seelsorger Anselm Grün und der...

Erscheint lt. Verlag 9.9.2022
Verlagsort München
Sprache deutsch
Themenwelt Sachbuch/Ratgeber Gesundheit / Leben / Psychologie Lebenshilfe / Lebensführung
Schlagworte alte Konflikte hinter sich lassen • Alte Wunden heilen • Aufatmen • Befreiung • Beziehungen verbessern • Bibelverse • Christliche Lebensführung • christliche Ratgeber • christliche Werte • die Kraft geben • Eltern vergeben • Enttäuschung • Familien • Familienkonflikte • Feinden vergeben • Feindesliebe • Freundschaft • gebete die mut machen • gefühle und emotionen • Geschwister • Geschwisterkonflikte • Geschwister Streit • Glück • Hoffnung • innere blockaden lösen • Inneren Frieden finden • innerlich frei werden nach verletzung • Jesus • Jesus-Botschaft • Konflikte in der Familie • Konflikte lösen • Konfliktlösung • Kränkung • Lebenshilfe • Lebenshilfe Buch • lebenshilfe bücher • Lebensratgeber • lebensweisheiten bücher • Loslassen • Lüge • Margot Käßmann • margot käßmann bücher • mit Gefühlen umgehen • mut machen und kraft geben • Mutter vergeben • nach Trennung vergeben • nach Verrat vergeben • negative Gefühle • Positiv denken • Ratgeber Familie • Ratgeber Vergebung • Scheidung • Schmerz • Schuld • Seelische Wunden heilen • sich selbst verzeihen • Streit in der Familie überwinden • Trennung • Umgang mit schwierigen Menschen • Unrecht • Vater vergeben • veränderung neue wege • vergangenheit loslassen • vergeben lernen • Vergebung • vergebung bibel • Vergebung nach Scheidung • vergebung und Neuanfang • Verletzung • Verrat • Verzeihen • Verzeihen Buch • Verzeihen können • verzeihen lernen • Verzeihung • Wunden
ISBN-10 3-96340-158-3 / 3963401583
ISBN-13 978-3-96340-158-9 / 9783963401589
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