Deutsche Gerechtigkeit - Roman Grafe

Deutsche Gerechtigkeit

Prozesse gegen DDR-Grenzschützen und ihre Befehlsgeber

(Autor)

Buch | Hardcover
368 Seiten
2004 | 2. Auflage
Siedler (Verlag)
978-3-88680-819-9 (ISBN)
24,90 inkl. MwSt
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"Mord bleibt Mord - auch wenn er befohlen wird!" Mit diesem Satz hatte der Berliner Senat in den sechziger Jahren gegen die Todesschüsse an der Mauer protestiert. Doch nach der Wiedervereinigung Deutschlands 1990 endeten die meisten Prozesse gegen DDR-Grenzschützen mit Bewährungsstrafen oder Freisprüchen.
Roman Grafe, der bereits mit "Die Grenze durch Deutschland" eine "faszinierende Chronologie" ("Neue Zürcher Zeitung") der Jahre 1945 bis 1990 an der innerdeutschen Grenze vorlegte, geht den Verhandlungen nach: Anklageschriften, Erklärungen, Urteile und historische Dokumente, Interviews mit polizeilichen Ermittlern, Staatsanwälten und Richtern, mit Tätern und Opfern und deren Angehörigen, Fotos und die Gerichtszeichnungen von Christine Böer lassen ein beklemmendes Bild entstehen. Selbst oberste Befehlshaber verurteilte man wegen Totschlags an "Republikflüchtlingen" nur zu milden Haftstrafen. Kaum einer von ihnen übernahm die juristische oder moralische Verantwortung für sein Handeln. Was sich nicht leugnen ließ, wurde ideologisch verklärt oder verharmlost. Rechtsanwälte verteidigten nicht die Täter, sondern die Taten.
Grafe zeigt auf, was getan und was unterlassen wurde bei dem Versuch, die Toten und Verletzten an der Westgrenze der DDR zu sühnen, und er macht deutlich, wo nach dem 9. November 1989 - fernab der politischen Rhetorik - die eigentlichen "Deutschstunden" stattfanden: in den Gerichtssälen.

Roman Grafe, geboren 1968 im Nordosten der DDR, reiste nach mehreren vergeblichen Anläufen im Januar 1989 nach Bayern aus. Nach einem Journalistikstudium in der Schweiz dokumentierte er seit 1995 für den Hörfunk und die "SDZ" Prozesse gegen DDR-Grenzschützen und ihre Befehlsgeber.

_Ich war sprachlos, ich sagte wirklich nichts, sch_ttelte nur immer den Kopf, dachte, das ist doch unm_glich. Man kann doch einen solchen Konflikt nicht mit Steinen und Stacheldraht l_sen. Es ist unfa_ar, die Primitivit_dieses Einfalls. Einfach eine Grenze ausheben, zumachen, dichtmachen und dann schie_n auf das, was l_t._
HORST KR_ER,_Die Mauer_

Chris Gueffroy, geboren 1968, erschossen 1989

Die Mutter h_rt, wie ihr Sohn erschossen wird. Sie sitzt an diesem Sonntagabend in ihrem Wohnzimmer und bl_ert in einem Buch. Die Wohnung in der S_dostallee 218 ist zwei Kilometer von der Mauer entfernt. Kurz vor Mitternacht hallen Sch_sse durch die klare Winternacht, wieder einmal. Karin Gueffroy zuckt zusammen, verdr_t es, wieder einmal.
Zweieinhalb Stunden lang sind die Kellner Chris Gueffroy und Christian Gaudian am Abend des 5. Februar 1989 durch die Ost-Berliner Kleingartenanlage _Gem_tlichkeit III_ geschlichen, bis zur Mauer. Sie haben Grenzposten beobachtet und auf einen g_nstigen Augenblick gewartet.
Gegen 23.30 Uhr klettern die jungen M_er an der Britzer Allee _ber die _Hinterlandmauer_ in den grell ausgeleuchteten Grenzstreifen. Sie zw_en sich durch den Stacheldraht des Signalzauns und l_sen dabei Alarm aus. Eine Rundumleuchte beginnt sich zu drehen. Als die Fl_chtenden den Fahrzeug-Sperrgraben _berwunden haben, rufen Soldaten: _Halt! Stehenbleiben!_ Sie rennen weiter zum letzten Grenzzaun, werden beschossen. Der Versuch, den Metallgitterzaun mit Hilfe eines Wurfankers zu _berwinden, scheitert. Mehrere Kugeln treffen den Zaun, dicht neben den beiden. Sie sehen in Kopfh_he rote Lichtblitze und versuchen, dem Feuer der Maschinenpistolen zu entkommen. Schlie_ich stellt sich Chris Gueffroy mit dem R_cken an den Zaun, verschr_t die H_e vor dem Bauch und l_ seinen Freund die _R_erleiter_ hochsteigen. Christian Gaudian hat seine H_e bereits an der Oberkante des Zauns, als Chris Gueffroy, von einer Kugel im Herzen getroffen, zusammenbricht.

Chris Gueffroy, der letzte erschossene Fl_chtling an der Berliner Mauer

Am 7. Februar l_et bei Karin Gueffroy ein Freund ihres Sohnes. _Haben Sie vorgestern die Sch_sse geh_rt?_ fragt er. _ _Die haben wir alle geh_rt_, sagt sie. _ _Chris und Christian wollten es versuchen . . ._ _ _Nein, das glaube ich nicht._
Am Abend dieses Tages wird Karin Gueffroy ins Ost-Berliner Polizeipr_dium Keibelstra_ gefahren, _zur Kl_ng eines Sachverhalts_. Sie denkt, da_man ihren Sohn an der Grenze festgenommen hat und er hier in einer Zelle sitzt. Nach anderthalb Stunden Vernehmung sagt ein Uniformierter: _Ihr Sohn hat ein Attentat auf eine milit_sche Einheit begangen. Ihr Sohn ist vor wenigen Stunden gestorben._
_Chris war einer von den Geraden, er hat seine Meinung offen vertreten_, sagt Karin Gueffroy. _Der Beschi_in der Gastronomie hat ihn angewidert. Es ist zu korrupt in diesem Staat, hat er gesagt. Mutti, alt werde ich hier nicht._ Zwanzig Jahre alt ist er geworden.
_Manchmal war er wie ein junges, wildes Pferd, das man nicht anbinden kann_, sagt Karin Gueffroy bei der Vernehmung. Einige Wochen darauf greift ein Vernehmer den Satz noch einmal auf: _Was macht man mit jungen, wilden Pferden, die man nicht einfangen kann?_ _ _Man erschie_ sie einfach?_ Der Mann nickt.

Karin Gueffroy, die Mutter

Chris Gueffroy war der letzte DDR-Fl_chtling, der an der Berliner Mauer erschossen wurde. Sie f_t neun Monate nach seinem Tod. Im Januar 1990 stellt seine Mutter beim Generalstaatsanwalt in Ost-Berlin Strafanzeige gegen Unbekannt. Zehn Jahre danach werden die f_r die T_tung Chris Gueffroys direkt Verantwortlichen fast alle verurteilt sein: der Todessch_tze, der Kompaniechef und der Regimentskommandeur, Befehlsgeber im Kommando der Grenztruppen und im Verteidigungsministerium, oberste Schreibtischt_r im Nationalen Verteidigungsrat und im SED-Politb_ro.
Eine Flut ungekl_er F_e

Ermittlungen
3.

Zusatzinfo mit ca. 90 s/w-Abbildungen und Zeichnungen von Christine Böer
Verlagsort München
Sprache deutsch
Maße 135 x 215 mm
Gewicht 592 g
Themenwelt Sachbuch/Ratgeber Geschichte / Politik Zeitgeschichte ab 1945
Schlagworte DDR • DDR, Deutsche Geschichte, Deutschland • Deutsche Geschichte • Deutschland • Mauerschützenprozesse (DDR)
ISBN-10 3-88680-819-X / 388680819X
ISBN-13 978-3-88680-819-9 / 9783886808199
Zustand Neuware
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