Praktikum! (eBook)

Flucht und Migration, globaler Welthandel, Klimawandel, Bevölkerungsalterung, Pandemien und die Entwicklung künstlicher Intelligenz: Unsere Gesellschaft steht vor großen Herausforderungen, dringliche und komplexe Probleme in unserer Berufs- und Lebenswelt zu lösen. Im Zeitalter der Globalisierung, der internationalen Vernetzung, der Pluralisierung unserer Gesellschaft und des fortschreitenden technologischen Wandels sind die oben beschriebenen Kernkompetenzen von Geisteswissenschaftler*innen zukunftsweisend.

In sozial heterogenen, interkulturellen und oft virtuellen Projektteams müssen Menschen verantwortlich zusammenarbeiten und Konflikte lösen können. Deshalb stehen vor allem sozial-kommunikative Kompetenzen ganz oben auf der Wunschliste von Unternehmen. Sie sorgen für Verständigungsprozesse in der Begegnung innerhalb solcher gemischter Teams: Um komplexe Probleme lösungsorientiert angehen zu können, muss Wissen aus verschiedenen Bereichen interdisziplinär zusammengeführt werden. Hier sind Fähigkeiten gefragt, sich in andere Wissenskulturen hineinzuversetzen und über verschiedene Disziplinen hinweg Verständnisbrücken zu bauen. Dies gilt insbesondere für die Interaktion und den Brückenbau zwischen analoger und digitaler Informationswelt. In einer Befragung äußerten 87,8 Prozent der Unternehmen die Ansicht, dass die kommunikativen und kooperativen Kompetenzen bei Geisteswissenschaftler*innen besonders stark ausgeprägt seien.

Die bereits 2003 von der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) identifizierten zehn „Future Work Skills“ formulieren die grundlegendsten und bedeutsamsten Kompetenzanforderungen ab 2020, um in komplexen Gesellschaften mit den Veränderungen der Arbeitswelt umgehen zu können. Wir stellen sie Ihnen hier zusammen:

Sensemaking – Fähigkeit, tiefere Bedeutungen erkennen oder stiften zu können. Diese Fähigkeit unterscheidet den Menschen von Maschinen oder Künstlicher Intelligenz, die immer mehr Prozesse übernehmen

Social Intelligence – Fähigkeit, Gefühle und Stimmungen beurteilen und angemessen darauf reagieren zu können

Novel and Adaptive Thinking – Fähigkeit, in unerwarteten und in nicht routinemäßigen Situationen angemessen kreativ zu reagieren

Cross-cultural Competency – Differenzen abbauendes, verständnisvolles und anpassungsfähiges Miteinanderumgehen in interkulturellen Kontexten

Computational Thinking – kluges und einfallsreiches computerunterstütztes Denken

New-media Literacy – kritischer Umgang mit Medien

Transdisciplinarity – in anderen Disziplinen denken und sich verständigen können

Design Mindset – bei Innovationsprozessen staunend und fasziniert in eine andere Gedankenwelt eintauchen können

Cognitive Load Management – Fähigkeit, innerhalb großer Informationsmengen Wichtiges von Unwichtigem zu unterscheiden

Virtual Collaboration – Fähigkeit, in virtuellen Teams zu arbeiten

Wir wollen Sie nun dazu anregen, mit diesen zehn Skills zu arbeiten.

Weil es uns so wichtig erscheint, möchten wir abschließend noch auf die digitale Kompetenz besonders eingehen: Kundenbedürfnisse müssen problemorientiert analysiert werden, damit sie in digitale Produkte eingearbeitet werden können, technische/digitale Funktionen müssen verständlich vermittelt werden, damit Anwender*innen sie möglichst störungsfrei nachvollziehen und nutzen können, Medieninhalte müssen kritisch hinterfragt und digital überprüft werden und schließlich entstehen durch Künstliche Intelligenz sicherheitsbezogene und ethische Fragen, die sorgfältig bedacht und geklärt werden müssen.

Geisteswissenschaftler*innen können für diese komplexen Prozesse die richtigen Fragen stellen und als verständige Übersetzer*innen zwischen Anbieter- und Nutzeranliegen fungieren. Sie müssen sich allerdings gute Kenntnisse im Umgang mit digitalen Werkzeugen erarbeitet haben, darauf weisen aktuelle Studien dringend hin. Dazu gehören Grundkenntnisse zu Datenschutz/Datensicherheit, Anwendungen von Internet, Social Media, spezialisierter Software und Datenbanken sowie grundlegende Statistikkenntnisse. Mit dem Begriff „data literacy“ wird die Kompetenz beschrieben, Daten erfassen, erkunden, managen, kuratieren, analysieren, visualisieren, interpretieren, kontextualisieren, beurteilen und anwenden zu können. Sie wird über alle Studienrichtungen hinweg immer wichtiger. In dem noch jungen Arbeitsbereich der Digital Humanities, in dem literarische Texte und Sprachkorpora digital aufbereitet und ausgewertet werden, liegt für Geisteswissenschaftler*innen eine neuartige und beruflich vielversprechende Entwicklungsmöglichkeit dieser besonderen Kompetenz. In der Corona-Pandemiezeit hat auch der Bildungssektor einen digitalen Modernisierungsschub erfahren und neue Kompetenzentwicklungen ermöglicht: Studierende sind in der Nutzung von digitalen Kooperations- und Seminartools fit geworden.

In Bewerbungsunterlagenchecks stellen wir jedoch immer wieder fest, dass geisteswissenschaftliche Bewerber*innen ihr Licht unter den Scheffel stellen und viel zu bescheiden davon ausgehen, dass ihr hochschulischer Umgang etwa mit Studienmanagementsystemen, E-Learning-Plattformen oder Bibliotheksdatenbanken, mit digitalen Video- und Telefonkonferenztools, aber auch ihre private Nutzung von Social Media, Blogs oder sogar Twitteraccounts selbstverständlich seien und nicht gesondert ausgeflaggt werden müssten. Das Gegenteil ist der Fall! In einer großen Zahl von Praktikumsausschreibungen werden genau diese Kenntnisse gesucht, hier ein Beispiel eines Online-Shops, der eine aufgeschlossene geisteswissenschaftliche Kommunikationsweise als Expertise sucht, um Kund*innen digital anzuwerben: