Abenteuer eines Fotoreporters (eBook)

(Autor)

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2022 | 2. Auflage
258 Seiten
Books on Demand (Verlag)
978-3-7562-6861-0 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Abenteuer eines Fotoreporters - Klaus Brenning
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Werdegang eines reisenden Fotoreporters. Spannende Stories vermitteln einen Einblick in die weltweite Arbeit für Illustrierte und Zeitungen.

Klaus Brenning, geb. 1944 in Bad Essen. Aufgewachsen in Bremen. Hatte schon von der Kindheit an den Wunsch zu reisen. Kam nach einer kaufmännischen Lehre als Autodidakt zur beruflichen Fotografie. Bis 2010 tätig für verschiedene Zeitschriften und Zeitungen.

AUF SEE


1964

Nach dem Abschluss der Banklehre habe ich den Beruf sogleich aufgegeben, und das sicherlich nicht zum Bedauern der Finanzwelt. Ich will zur See fahren, selbstverständlich auf Großer Fahrt. Diesen Wunsch habe ich seit frühester Kindheit. Mein Vater ist davon nicht begeistert, aber er erzählt es seinem Freund, einem Kapitän beim Norddeutschen Lloyd. Er will mich auf eine Reise nach Yokohama mitnehmen, als Deckshelfer auf seinem Frachter. Die erste Reise, sechs Wochen lang, bis nach Japan! Zuvor muss ich nur eine Hürde nehmen: Die Untersuchung beim Seeamtsarzt. Beim Prüfen meiner Augen fällt er die Axt: “Nee min Jung, dat geit nich.”

Ein Schlag ins Kontor, aus der Traum, bin ich verdammt zum Leben als Landratte? Das Seefahrtsbuch für Große Fahrt habe ich in der Tasche, nur darf ich keine nautische Tätigkeit ausüben. Dafür müssen die Augen völlig okay sein. Ich tröste mich mit einer Heuer als Helfer in der Messe auf einem Frachter der Reederei URAG.

Bald sitze ich im Zug nach Rotterdam und melde mich dort im Hafen beim Bootsmann der ‘Griesheim’, einer ziemlichen Rostlaube. Er ist ab jetzt mein Boss und sagt: “Pack mit an”. Ich reihe mich ein bei den Matrosen, die Proviant im Gänsemarsch die Gangway hochtragen, wie ich sie in den Piratenfilmen im Bahnhofskino als Ersatz für langweilige Schulstunden sah.

Die ‘Griesheim’ ist ein Frachter älteren Typs: Mittschiffs ist die Zentrale mit der Kommandobrücke und dem Ruderhaus. Dahinter sind eine Funker Kabine und die Kabinen des Kapitäns und der Offiziere, Bereiche, die off Limits für mich sind. Ein Deck tiefer ist die Offiziersmesse. Das größte Interesse der Crew gilt der Kombüse. Unter Deck schlägt das Herz des Frachters im Maschinenraum: Dieselmotoren, laute Kolosse, die die Heckschraube über eine Welle antreiben. Vor der Brücke sind zwei Ladeluken, am Bug ist die höher gebaute Back. Achtern vom Mittelschiff reicht das Deck mit einer Luke bis zum Heck mit der Deckskajüte. Darin ist die Matrosenmesse, mein künftiger Arbeitsplatz.

Abends heißt es Leinen los und wir legen ab. Mein Job beginnt in der Kombüse, wo ich den Smutje kennen lerne, einen hageren Typen mit gerötetem Gesicht, unter der Nase hängt ein Tropfen, in der Hand eine Flasche Becks. Der Küchenjunge, ein blasser Hungerhaken, gibt mir Tabletts mit Tellern voller Abendbrot und zwei Kannen mit Kaffee und Tee. Die balanciere ich über Deck bis zur Achterkajüte. Um in die Messe zu kommen, stakse ich über ein 30 cm hohes Schwallbrett, wende mich nach links und wiederhole das Manöver über ein zweites Brett, geschafft. Neun Matrosen sitzen an schmalen Tischen auf Bänken. Sie sprechen wenig: “Salz, Kaffee.” Nach ihrer Mahlzeit trage ich das Geschirr zur Kombüse, wo es gespült wird.

Das Schiff schleicht auf der Schelde Richtung Ärmelkanal. Es nieselt, in der Dunkelheit sehe ich auf dem Wasser und an den Ufern die roten, grünen und blauen Lichtsignale von Bojen und Baken, die die Fahrrinne und Untiefen markieren. Manche erkenne ich nur undeutlich oder sehe sie doppelt. Mir leuchtet ein, dass man als Seemann intakte Augen braucht.

Mein erster Tag ist vorbei, nach einem tiefen Schlaf in meiner gemütlichen Koje beginnt der Alltag auf See. Wir fahren durch die Biskaya mit südlichem Kurs nach Las Palmas auf Gran Canaria. Nach dem Frühstück fege ich die Messe aus, putze die Messingarmaturen und die Geländer des Niedergangs, unten mache ich die Koje vom Bootsmann und hole Nachschub für den Kühlschrank neben der Messe. Wenn die Matrosen Hunger haben, können sie sich jederzeit daraus bedienen. Der Bootsmann ist ein ruhiger Typ, er gibt den Matrosen und mir Anweisungen. Zu mir sagt er: “Das hier ist nichts für Dich. Du gehörst an Land.” Das will ich natürlich nicht hören..

Wenige Tage später kommt ein Herbststurm auf, Windstärke 8 bis 9, weil die ‘Griesheim’ ohne Ladung mit Ballast fährt, liegt sie hoch im Wasser. Deshalb schlingert und rollt das Schiff durch die Wogen; läuft eine große auf uns zu, so hebt sich das Schiff und ich kann vor mir über das ganze Deck und die vorderen Aufbauten schauen. Es geht auf und ab, den ganzen Tag und die folgende Nacht hindurch. Das Essen muss ich trotzdem servieren, morgens, mittags und abends. Wegen des Regens und der Gischt bedecke ich die Tabletts mit Tüchern, das ungewohnte Jonglieren über das schräge Deck ist heikel, geht aber gut. Die Seeluft und die ungewohnte Arbeit zeigen Wirkung: Ich bin müde und habe Muskelkater in den Beinen. Erst allmählich wachsen mir Seebeine. Nachts drücke ich einen Arm und ein Bein gegen die Seitenbretter der Koje zum Ausgleich der Schiffsbewegungen. Das gibt Halt, aber richtiger Schlaf geht anders. Mitten in der Nacht höre ich über mir in der Messe Geräusche. Ich sollte nachsehen, was los ist, aber ich bin zum Aufstehen zu müde. Am Morgen klärt sich das Rätsel auf: Die Tür des Kühlschranks steht offen, in der Messe rutscht und rollt alles munter hin und her: Würste, Käse, die Butterdose und zwei Marmeladengläser.

Während des Sturms meiden einige Männer die Messe. Sie sind gestandene Seeleute, aber trotzdem seekrank und müssen sich übergeben. Dass mir das erspart bleibt, verdanke ich wohl meiner älteren Schwester Ute. Als ich acht Jahre alt war, fuhren unsere Eltern mit uns nach Helgoland. Das Schiff war ein umgebautes Minenboot der Reichsmarine. Auf der Rückfahrt in der Nordsee kreuzten sich die Wellen: “Kabbelwasser”. Das Boot rollte, viele Passagiere kotzten hemmungslos in Tüten, in Eimer und aufs Deck. Überall stank es und mir war übel. Ute sagte: “Stell Dir vor, Du fährst auf dem Freimarkt Achterbahn, das macht doch Spaß!” Das habe ich nie vergessen und bin nie wieder seekrank geworden.

Nach dem Sturm sagt ein Matrose: “Du hast Dich gut gehalten”. Ein Lob, immerhin. Das Wetter klart auf und es wird warm, neben dem Bug tauchen Delfine auf und springen elegant über die Wellen, sieben an der Zahl, die habe ich noch nie gesehen, irgendwie toll. Ein Matrose wirft ihnen leere Kartons zu, die sie mit den Nasen in die Luft stupsen und sich zuspielen wie beim Wasserball. Ich hole aus meiner Kabine eine alte Kamera von meiner Mutter, eine Voigtländer mit Balgen. Ich habe keine Ahnung wie man Fotos macht und knips auf gut Glück ein paar Aufnahmen auf Rollfilm. Später nach dem Entwickeln sehe ich, dass nur ein Bild was geworden ist.

Nach zwei Tagen passieren wir an Backbord den Leuchtturm auf dem spanischen Kap Finistère. Ich genieße die Morgendämmerung an Deck, außer unserem Diesel ist es ruhig. Die meisten Männer schlafen noch. Ich trinke Kaffee und rauche eine zollfreie Camel; für 5 DM habe ich eine Stange beim Bootsmann gekauft. Die Matrosen klopfen meistens Rost und streichen Schutzfarbe auf; auf der Griesheim wird nur noch das nötigste repariert. Allmählich komme ich mit den Männern ins Gespräch, darunter mit dem Maschinisten. Er wirkt wie ein Südländer mit seinen dunklen geölten Haaren und einer Tolle wie Elvis; ich finde, dass er aussieht wie ein Gangster. Er lädt mich ein in seine Kabine und dort stehen viele Regale mit Büchern, es mögen wohl hunderte sein. Eine wahre Leseratte.

Manchmal kommt er abends in die Matrosenmesse, packt einen Stuhl, setzt sich rittlings darauf und erfindet Western Stories, alle lauschen ihm gebannt. Ich habe ihm von der Banklehre erzählt, während der ich einige Wochen in der Vegesacker Filiale arbeitete. Das interessiert ihn und er quetscht mich nach Einzelheiten aus. Sucht er eine berufliche Veränderung? Er revanchiert sich mit seinen Erinnerungen an Bremen, wo er früher in Häuser einbrach, darunter in meiner Nachbarschaft bei Jeffs; mit ihrem Sohn Peter habe ich mit 13 Jahren im Rickmers Park die ersten Lucky Strikes gepafft und auf dem Dachboden seines Elternhauses heimlich mit dem Schrotgewehr seines Vaters ein paar Patronen verballert. Dieser, ein ehemaliger US-Admiral, bestrafte ihn streng. Er musste drei Stunden in der Ecke stehen und hatte Hausarrest. Ich kam ungeschoren davon.

Bald erreichen wir den Hafen von Las Palmas, wo wir wegen einer defekten Maschine mehrere Tage liegen. Ich habe viel Freizeit, in einer Hafenbar trinke ich meinen ersten Cuba Libre, 30 Pfennig das Glas. Eines Abends kommt Matrose Leila zurück an Bord, unterm Arm ein Boxer Hündchen, das mit seinem zerknautschten Maul so hässlich aussieht wie sein Herrchen. Er bekommt einen Schuhkarton als Koje.

Wir laden Erz, dann fahren wir gen Rotterdam, unterwegs ist auch der Boxer seekrank. Er legt sich in der Messe vor die Heizung und kotzt. Die Matrosen nörgeln über das Essen, es braut sich was zusammen. Der Smutje will Frieden schließen und brät eines Mittags Hähnchen, die er in Las Palmas gekauft hat. Leider sind sie mickrig und als ich sie serviere, entlädt sich die Wut der Matrosen. Sie eilen zur Kombüse. Dort fliegen die Teller und fliegen die Hühnchen, diese posthum zum ersten Mal. Eins trifft den Smutje, der ausrutscht und sich die Hand an einem heißen Wasserkessel verbrüht....

Erscheint lt. Verlag 24.5.2022
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Biografien / Erfahrungsberichte
Sachbuch/Ratgeber Freizeit / Hobby Fotografieren / Filmen
Schlagworte Abenteuer • Biografie • Fotojournalismus • Global • Reisen
ISBN-10 3-7562-6861-6 / 3756268616
ISBN-13 978-3-7562-6861-0 / 9783756268610
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