Auf einen Drink mit Descartes (eBook)

Überlebenstipps für den Alltag von den größten französischen Philosophen

(Autor)

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2023 | 1. Auflage
192 Seiten
Goldmann (Verlag)
978-3-641-29426-7 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Auf einen Drink mit Descartes -  Marie Robert
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Wie gehe ich mit meinem tyrannischen Chef um? Wie überlebe ich eine öffentliche Blamage? Die Kindermeute ist außer Rand und Band - wie bewahre ich einen kühlen Kopf? Kann ich jemals meine Schüchternheit überwinden? Muss ich einen Gang runterschalten, um in meinem eigenen Tempo zu leben? Marie Robert bietet Tipps und Trost von berühmten Philosophinnen und Philosophen für alle möglichen Alltagsprobleme. Anhand von zwölf emotional fordernden Situationen zeigt sie Wege auf, wie wir uns unseren Zweifeln und Fragen stellen und selbst schwierige Lebenslagen spielend meistern.

Marie Robert lehrt Philosophie und Französisch an der Universität sowie am Gymnasium. Zudem gründete sie in Marseille eine eigene Grundschule mit angegliedertem Kindergarten, die nach der Montessori-Pädagogik ausgerichtet sind.

Ihre Kinder haben Sie schon so lange bearbeitet – nun ist es wohl an der Zeit nachzugeben. In den letzten Monaten haben die drei raffinierte Strategien entwickelt, Sie vom lange aufgeschobenen Besuch im Freizeitpark zu überzeugen. Ihre Tochter hat Ihren empfindlichsten Knopf gedrückt: Sie hat solche Sehnsucht nach einer Zauberwelt! Ihr jüngster Sohn hat sich mit seinen Freunden verglichen, die alle die Fahrgeschäfte in- und auswendig kennen – im Gegensatz zu ihm. Vollends überzeugt waren Sie aber erst, als Ihr ältester Sohn Sie an etwas erinnert hat: Sie hatten ihm den Freizeitparkbesuch zu seinem zehnten Geburtstag versprochen, und er ist bald volljährig. Diesmal fühlen Sie sich bereit, die perfekte Mutter zu spielen, die sich so sehr aufopfert, dass sie einen ganzen Samstag zwischen Tausenden Besuchern und Menschen in Disneyfiguren- und sonstigen Kostümen verbringt. Glückliche Kinder bedeuten Ruhe im Karton, und ein paar Loopings in der Achterbahn verleihen der Föhnfrisur schließlich auch mehr Volumen.

Die gekauften Tickets hängen am Kühlschrank, und Ihre Kinder zählen die Tage, bis es so weit ist. Sie beobachten Ihre Sprösslinge mit einem zarten Lächeln. Diesen Ausflug werden die drei ganz sicher ihr Leben lang in guter Erinnerung behalten! Endlich kommt der lang ersehnte Tag. Im Auto studieren Ihre Kids gewissenhaft den Plan des Freizeitparks und beginnen zu debattieren, was als Erstes dran ist. Ihr Ältester schreit: »Bist du irre? Klar gehen wir direkt zur Grubenbahn!« Die Aufregung nimmt ein wenig überhand, daher bitten Sie Ihre Kinder, leiser zu sprechen.

Kaum angekommen stürmen Ihre Kinder schon durch das Tor und rennen zur ersten Attraktion. Sie können ihnen noch so oft zurufen, dass sie sich nicht so beeilen müssen, sie sind schon außer Hörweite. Ein Schild am Eingang zum ersten Fahrgeschäft zeigt die Wartezeit an: vierundsiebzig Minuten. Ein Glück, das wird sie etwas beruhigen. Aber da haben Sie die Rechnung ohne Ihre Tochter gemacht! Nach einer Viertelstunde fragt sie winselnd, warum die Zeit so langsam vergeht, und fleht Sie an, ihr einen Glitzerhaarreif zu kaufen. Zunächst weigern Sie sich, einem Frustkaufimpuls nachzugeben, als aber Ihr jüngster Sohn anfängt, seine Schwester am Pferdeschwanz zu ziehen, weil er es cool findet, sie zu ärgern, geben Sie nach.

Sie lächeln zwar noch, aber allmählich kriegen Sie schlechte Laune. Der Gedanke, dass der Tag gerade erst begonnen hat, ist wenig hilfreich.

Der Älteste, der während der ganzen Wartezeit sein Handy nicht einmal aus der Hand legt, schlägt nach einer Stunde vor, über einen Zaun zu springen, um zehn Plätze Vorsprung zu gewinnen. Sie sind empört und erinnern ihn an die Grundregeln des höflichen Umgangs, an den Respekt gegenüber den Mitwartenden. Es beschleicht Sie das Gefühl, dass nur Ihre Kinder sich danebenbenehmen, und Sie fragen sich leicht verwirrt, wer sie wohl erzogen hat. Die letzten Minuten in der Warteschlange zaubern endlich allen ein Lächeln ins Gesicht. Triumphierend besteigen Sie einen Waggon der Grubenbahn und sind bereit, sich die Lunge aus dem Leib zu schreien. Der Nervenkitzel ist tatsächlich ganz nett, doch nach eineinhalb Minuten heißt es: Das war es schon, alle aussteigen und schnell zum Ausgang. Es fällt Ihnen schwer, sich von diesem Spagat zwischen ewiger Wartezeit und Minimalspaß zu erholen. So in Gedanken versunken nehmen Sie gar nicht richtig wahr, wie der Jüngste Sie warnt: »Mama, mir geht’s nicht gut.« Und prompt ist es zu spät – Ihr Kind, grün wie eine Zeichentrickfigur, übergibt sich auf Ihre Handtasche. Die Geschwister beeindruckt dieser Zwischenfall überhaupt nicht, sie sind schon damit beschäftigt, die nächste Attraktion zu finden, um sie auf ihrer Wunschliste abzuhaken.

In der zweiten Warteschlange erholt sich der Junge mit der Übelkeit und zwar so schnell, dass er nach ein paar Minuten vorgibt, auf der Stelle zu verhungern. Deshalb muss er sofort alles haben, was die Zuckerindustrie feilbietet. Während er also genüsslich einen Schokoriegel nach dem anderen verspeist, halten Sie ihm eine Moralpredigt wegen der gesundheitlichen Schäden. Aber wozu? Wind kommt auf, und Sie spüren, wie Ihre Prinzipien buchstäblich weggeweht werden. Was für ein gemütlicher Tag hätte es werden können, wären Sie einfach in Ihrem Wohnzimmer geblieben. So endet Ihr Vormittag mit einem Hin und Her zwischen Fahrgeschäften, Toiletten und Ermahnungen. Das Kinderparadies – ein Fegefeuer für Eltern.

Nach einem Mittagessen, bei dem Ihre Kinder eine Pommesschlacht anfangen, beschließen Sie, den Nachmittag in der Welt der Prinzessinnen zu verbringen, wo alle Geschichten mit einem Happy End ausgehen. Da es nun aber in Strömen regnet, amüsieren sich Ihre Kinder erst einmal mit Pfützenhopping. Die Musik, die aus jeder Ecke dröhnt, scheint nur komponiert worden zu sein, um Sie zu stressen, was auch bestens funktioniert. Ihre Tochter verliert ihren neuen Glitzerhaarreif, obwohl Sie ihr gesagt haben, sie solle gut darauf aufpassen. Ihre Söhne nutzen die Gelegenheit, um sich mit Lichtschwertern zu bekämpfen. Jetzt sind es Ihre Nerven, die Achterbahn fahren. Sie haben das Gefühl, alles falsch gemacht zu haben. Weder dieser Tag noch das Mutterdasein haben etwas Märchenhaftes an sich. Ihre Kinder machen nur Blödsinn, und Sie fragen sich ernsthaft, was bloß einmal aus ihnen werden soll.

Die ganze Prinzessinnenwelt ist in Fifty Shades of Rosa gehalten. Ihre beiden Jungs stöhnen permanent wegen all des »Babyzeugs«, das ihnen verständlicherweise weniger gefällt als der Nervenkitzel der Achterbahnen. In ihrer Langeweile haben sie nichts Besseres zu tun, als einem Mitarbeiter im Prinzenkostüm die Krone zu klauen. Der Ordnungsdienst taucht auf und bittet Sie, Ihre Kinder »etwas besser im Zaum zu halten«. Das ist der eine Satz zu viel, der ultimative Affront, der Ihr ganzes erzieherisches Versagen entlarvt. Ihre Halswirbelsäule, vom ruckartigen Anhalten und Beschleunigen der Spaßbahnen bereits böse malträtiert, versteift sich nun völlig. Sie können Ihren Zorn nicht mehr zurückhalten, Sie schreien wütend herum und schwören vor allen Besuchern und lebensgroßen Disneyfiguren des Parks, hier niemals wieder herzukommen. Erschöpft sinken Sie auf eine Bank und fühlen sich, als hätten Sie sich in eine Hexe verwandelt. Während die zwei Jüngeren ihr Eis aufessen, wirft Ihr Ältester Ihnen einen einfühlsamen Blick zu und sagt: »Mama, was ist denn los mit dir? Wir hatten so einen tollen Tag!«

Kurz verspüren Sie den Drang, die drei einfach hier zurückzulassen.

Was sagt Rousseau dazu?


Selbstverständlich ist ein Mann, der seine fünf Kinder in ein Heim gesteckt hat, weil er meinte, sich nicht adäquat um sie kümmern zu können, nicht das beste Vorbild in Erziehungsfragen. Jean-Jacques Rousseau, Autor des gewichtigen Buches Vom Gesellschaftsvertrag oder Prinzipien des Staatsrechtes war aber gleichzeitig der Denker, der unsere Sicht auf die Kindheit am stärksten verändert hat. Denn er betrachtete sie in ihrer Singularität, und nicht als Vorstufe zum Erwachsenenleben. In seiner Abhandlung Émile oder Über die Erziehung bezeichnet sich Rousseau als Pionier der Pädagogik. Wenn Sie also die nächsten Samstage mit Ihrem Nachwuchs nicht nur überleben, sondern sich auch wirklich amüsieren wollen, dann sollten Sie Rousseau zu Ihrem Verbündeten machen.

Werden Sie von Gefühlen überwältigt? Können Sie Ihre Wut nicht mehr zurückhalten? Das dürfte vor allem daran liegen, dass Sie denken, Ihre Kinder nicht im Griff zu haben. Sie sind launisch, zanken sich, werden frech, hören nicht auf Sie und benehmen sich daneben. Eigentlich sollte es ein wunderschöner Tag werden, doch Sie haben das Gefühl, der Ausflug in den Freizeitpark fördere die schlimmsten Verhaltensweisen Ihrer Kinder zutage. Den ganzen Tag über haben Sie sich nur geärgert. Und da Sie für ihre Erziehung verantwortlich sind, geben Sie sich selbst die Schuld. Wie sehr Sie sich auch bemühen – reden, verhandeln, tadeln, anschreien –, Ihr Nachwuchs hat auf Durchzug geschaltet. Sie haben jegliche Kontrolle verloren. Und genau hier kommt Rousseau ins Spiel, denn er hat klargemacht: Wir wollen Kinder unter Kontrolle halten, damit sie sich besser in die Welt der Erwachsenen einfügen.

In Émile oder Über die Erziehung zeichnet der Philosoph originell und präzise das Porträt eines imaginären Schülers namens Émile, der als Waise geboren wurde. Das Buch stellt seine Erziehung von der Wiege bis zum Erwachsenenalter dar. Rousseau behandelt zunächst die Zeit im Kleinkindalter, wobei er kein Detail auslässt – von der Ernährung bis zur idealen Badetemperatur. Er geht auf das Alter ein, in dem Émile zu sprechen beginnt und sich seine Sinne und sein Verstand entwickeln. Dann behandelt er das Knabenalter bis zum zwölften Lebensjahr, in dem er schneller wächst als seine Bedürfnisse. Und schließlich gelangt er zum »kritischen Moment« der Pubertät. Wie Sie sehen, lässt Rousseau keine Phase aus und spricht alle Themen an, die auch Ihren Nachwuchs betreffen.

Doch all diese Themen, die Rousseau behandelt, laufen immer auf die Grundannahme hinaus, das Kind sei autonom. In dieser Hinsicht ist sein Blickwinkel wirklich bahnbrechend, vor allem für das 18. Jahrhundert. Nach dem Verständnis des Philosophen ist das Kind ein vollwertiges Individuum und kein verlängerter Arm seiner Eltern. Rousseau hat sich auch deshalb so viele Gedanken über die Freiheit des Einzelnen gemacht, um sie auf die Erziehung anwenden zu können. Er stellte jedoch fest, dass Erziehung meist darin besteht, die Kinder zu zwingen, sich an Regeln zu halten oder sich Fertigkeiten anzueignen, die von...

Erscheint lt. Verlag 22.2.2023
Übersetzer Nadine Lipp
Sprache deutsch
Original-Titel Descartes pour les jours de doute - et autres philosophes inspirants
Themenwelt Sachbuch/Ratgeber Gesundheit / Leben / Psychologie Lebenshilfe / Lebensführung
Schlagworte 2023 • Alltagsphilosophie • Auf einen Kaffee mit Kant • Camus • Denker • eBooks • Geschenkbuch • Neuerscheinung • Philosophie • Philosophie Bestseller • Philosophie Einführung • Philosophie für Dummies • Philosophische Hintertreppe • Philosophische Lebenshilfe • Rousseau • Sartre • Simone de Beauvoir • Voltaire
ISBN-10 3-641-29426-6 / 3641294266
ISBN-13 978-3-641-29426-7 / 9783641294267
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