Abgelenkt (eBook)

Wie uns die Konzentration abhandenkam und wie wir sie zurückgewinnen. Der New York Times Bestseller. Für alle, die ihre Aufmerksamkeit und ihren Fokus wieder finden wollen

(Autor)

eBook Download: EPUB
2022 | 1. Auflage
368 Seiten
Riva Verlag
978-3-7453-2018-3 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Abgelenkt -  Johann Hari
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Warum haben wir unsere Fähigkeit verloren, uns zu konzentrieren? Was sind die Gründe dafür? Und am wichtigsten: Lässt sich Aufmerksamkeit wieder antrainieren? Um diese und viele weitere spannende Fragen zu beantworten, hat Johann Hari über drei Jahre lang Forschungen betrieben. Er hat vom Silicon Valley über eine Favela in Rio bis zu einem Büro in Neuseeland mit den weltweit führenden Experten und Fachleuten gesprochen, 12 entscheidende Gründe, die für den Verlust unserer Aufmerksamkeit verantwortlich sind, entlarvt und zeigt Wege auf, wie wir unseren Fokus endlich wieder zurückgewinnen.

Johann Hari ist New York Times-Bestellerautor und schreibt unter anderem für den Guardian und die Huffington Post. Von Amnesty International UK wurde er zweimal als Zeitungsjournalist des Jahres ausgezeichnet. Er ist gern gesehener Gast bei Fernsehdiskussionen und tritt regelmäßig als Sprecher bei TED-Veranstaltungen auf. Seine Vorträge wurden bislang mehr als 78 Millionen Mal aufgerufen.

Johann Hari ist New York Times-Bestellerautor und schreibt unter anderem für den Guardian und die Huffington Post. Von Amnesty International UK wurde er zweimal als Zeitungsjournalist des Jahres ausgezeichnet. Er ist gern gesehener Gast bei Fernsehdiskussionen und tritt regelmäßig als Sprecher bei TED-Veranstaltungen auf. Seine Vorträge wurden bislang mehr als 78 Millionen Mal aufgerufen.

Einleitung


Walking in Memphis


Als er neun Jahre alt war, entwickelte mein Patensohn eine kurze, aber wahnsinnig intensive Elvis-Presley-Besessenheit. Er fing an, Jailhouse Rock aus voller Kehle zu singen, intonierte all die tiefen Töne und ließ sogar seine Hüften kreisen wie der King selbst. Er wusste nicht, dass dieser Stil mittlerweile zur Lachnummer mutiert war, und so sang er mit der herzergreifenden Aufrichtigkeit eines Heranwachsenden, der glaubt, cool zu sein. In den kurzen Pausen, die er einlegte, bevor er wieder anfing zu singen, wollte er alles (»Alles! Alles!«) über Elvis wissen, und so erzählte ich ihm den groben Umriss dieser inspirierenden, traurigen, dummen Geschichte.

Elvis wurde in einer der ärmsten Städte in Mississippi geboren – an einem weit, weit entfernten Ort, erzählte ich. Er kam als Zwilling auf die Welt, doch sein Zwillingsbruder starb ein paar Minuten nach der Geburt. Seine Mutter erklärte dem kleinen Elvis, dass sein Bruder seine Stimme hören könne, wenn er jede Nacht zum Mond singen würde, und so sang und sang Elvis. Er begann, öffentlich aufzutreten, gerade als das Fernsehen seinen Siegeszug antrat – und wurde so mit einem Schlag berühmter als je ein anderer Mensch zuvor gewesen war. Überall, wo Elvis hinkam, rasteten die Leute aus und kreischten, sodass seine Welt irgendwann einer Folterkammer voller Geschrei glich. Er zog sich in einen selbst gebauten Kokon zurück, in dem er seine Besitztümer als Ersatz für seine verlorene Freiheit verherrlichte. Für seine Mutter kaufte er einen Palast, den er Graceland nannte.

Den Rest der Geschichte behandelte ich nur flüchtig – den Abstieg in die Sucht, das schwitzende, Grimassen schneidende Auftreten in Vegas, den Tod im Alter von 42 Jahren. Immer wenn mein Patensohn – den ich im Folgenden Adam nennen werde, da ich einige Details geändert habe, damit er nicht identifiziert werden kann – Fragen zum Ende der Geschichte stellte, brachte ich ihn stattdessen dazu, mit mir im Duett Blue Moon zu singen. You saw me standing alone, sang er mit seiner zarten Stimme, without a dream in my heart. Without a love of my own.

Eines Tages sah Adam mich sehr ernst an und fragte: »Johann, nimmst du mich mit nach Graceland?« Ohne wirklich nachzudenken, stimmte ich zu. »Versprichst du es mir? Versprichst du es wirklich?« Ich bejahte. Und ich verschwendete nie wieder einen Gedanken daran, bis eines Tages alles aus dem Ruder lief.

Zehn Jahre später war Adam verloren. Er hatte mit 15 die Schule abgebrochen und verbrachte praktisch seine gesamte Zeit zu Hause, wo er nur mit leerem Blick auf verschiedene Bildschirme starrte – auf sein Handy, auf dem unendlich viele WhatsApp- und Facebook-Nachrichten eintrudelten, und auf sein iPad, auf dem er sich YouTube-Clips und Pornos ansah. In manchen Momenten konnte ich in ihm immer noch Spuren des fröhlichen kleinen Jungen sehen, der Viva Las Vegas sang, aber es war, als wäre seine Persönlichkeit in viele kleine, unzusammenhängende Fragmente zerfallen. Es fiel ihm schwer, sich länger als ein paar Minuten mit einem Gesprächsthema zu befassen, ohne auf einen Bildschirm zu starren oder abrupt das Thema zu wechseln. Er schien mit der Geschwindigkeit von Snapchat umherzuschwirren, irgendwohin, wo ihn nichts Stilles oder Ernstes erreichen konnte. Er war intelligent, vernünftig, freundlich – aber es war, als könne nichts in seinen Gedanken einen Halt finden.

In dem Jahrzehnt, in dem Adam zum Mann geworden war, schien diese Zerrissenheit bis zu einem gewissen Grad vielen von uns zu widerfahren. Das Lebensgefühl des frühen 21. Jahrhunderts bestand in der Empfindung, dass unsere Fähigkeit zur Aufmerksamkeit – zur Konzentration – Risse bekam und dann verloren ging. Ich konnte spüren, wie es mir erging – ich kaufte stapelweise Bücher und sah sie schuldbewusst aus einem Augenwinkel an, während ich, wie ich mir vormachte, nur noch einen einzigen Tweet abschickte. Ich las immer noch viel, aber mit jedem Jahr, das verging, fühlte es sich mehr und mehr an, als würde ich in eine Abwärtsspirale geraten. Ich war gerade 40 geworden, und wo auch immer meine Generation zusammenkam, beklagten wir uns über unsere verlorene Konzentrationsfähigkeit, als wäre sie ein Freund, der eines Tages auf hoher See verschwunden und seitdem nicht mehr gesehen worden war.

Eines Abends, als wir auf einem großen Sofa gammelten und jeder von uns auf seinen unaufhörlich dröhnenden Bildschirm starrte, sah ich Adam an und spürte ein leises Grauen. So können wir doch nicht weiterleben, dachte ich.

»Adam«, sagte ich leise. »Lass uns nach Graceland fahren.«

»Was?«

Ich erinnerte ihn an das Versprechen, das ich ihm vor so vielen Jahren gegeben hatte. Er konnte sich weder an diese Blue Moon-Tage noch an mein Versprechen erinnern, aber ich konnte sehen, dass der Gedanke, diese betäubende Routine zu durchbrechen, etwas in ihm auslöste. Er sah zu mir auf und fragte, ob ich es ernst meine. »Ja«, antwortete ich, »aber es gibt eine Bedingung. Ich bezahle diese Reise über viertausend Meilen. Wir fliegen nach Memphis und nach New Orleans – und wir fahren durch den ganzen Süden, wohin du willst. Aber ich kann das nicht tun, wenn du nur auf dein Handy starrst, wenn wir dort ankommen. Du musst mir versprechen, dass du es nur noch abends einschaltest. Wir müssen in die Realität zurückkehren. Wir müssen uns wieder mit etwas verbinden, das uns wichtig ist.« Er versprach es, und ein paar Wochen später hoben wir von London Heathrow ab, in das Land des Delta-Blues.

Wenn man an den Toren von Graceland ankommt, gibt es dort kein menschliches Wesen mehr, dessen Aufgabe es ist, einen herumzuführen. Man bekommt ein iPad in die Hand gedrückt, steckt sich kleine Ohrstöpsel in die Ohren, und das iPad sagt einem, was man tun soll – nach links gehen, nach rechts gehen, vorwärts gehen. In jedem Raum erzählt einem das iPad mit der Stimme eines längst vergessenen Schauspielers etwas über das Zimmer, in dem man sich gerade befindet, und auf dem Bildschirm erscheint ein Foto des Raums. Auf diese Weise liefen wir also allein durch Graceland und starrten dabei auf unsere iPads. Wir waren umgeben von Kanadiern und Koreanern und Menschen aller Nationen mit leeren Gesichtern, die nach unten blickten und nichts um sich herum wahrnahmen. Niemand schaute lange auf etwas anderes als auf seinen Bildschirm. Ich beobachtete die anderen, während wir weitergingen, und wurde dabei immer angespannter. Gelegentlich wandte jemand seinen Blick vom iPad ab, und in diesen Momenten spürte ich ein Aufflackern von Hoffnung, und versuchte, Augenkontakt mit diesem Menschen herzustellen, mit den Schultern zu zucken und zu sagen: Hey, wir sind die Einzigen, die sich umsehen, wir sind diejenigen, die Tausende von Meilen gereist sind und beschlossen haben, die Dinge, die vor uns liegen, tatsächlich zu betrachten – aber jedes Mal, wenn dies geschah, stellte ich fest, dass dieser Mensch den Kontakt zum iPad nur unterbrochen hatte, um sein Handy zu zücken und ein Selfie zu machen.

Als wir den Jungle Room erreichten – Elvis’ Lieblingsraum in der Villa –, plapperte das iPad munter vor sich hin, als ein Mann mittleren Alters, der neben mir stand, sich umdrehte, um etwas zu seiner Frau zu sagen. Vor uns standen die großen künstlichen Topfpflanzen, die Elvis gekauft hatte, um diesen Raum in seinen persönlichen künstlichen Dschungel zu verwandeln. Die falschen Pflanzen standen immer noch an Ort und Stelle und ließen ihre Blätter traurig herunterhängen. »Schatz«, sagte der Mann, »das ist unglaublich. Schau mal.« Er wedelte mit dem iPad in ihre Richtung und begann dann, mit dem Finger darüber zu streichen. »Wenn du nach links wischst, kannst du den Jungle Room auf der linken Seite sehen. Und wenn du nach rechts wischst, siehst du den Jungle Room auf der rechten Seite.« Seine Frau blickte ihn kurz an, lächelte und begann dann, auf ihrem eigenen iPad zu wischen.

Ich beobachtete sie. Sie wischten hin und her und betrachteten die verschiedenen Dimensionen des Raums. Ich lehnte mich vor. »Aber Sir«, sagte ich, »es gibt eine altmodische Form des Swipens, die Sie hier durchführen können. Sie müssen nur den Kopf drehen. Denn wir sind hier. Wir sind im Jungle Room. Sie müssen ihn sich gar nicht auf Ihrem Bildschirm ansehen. Sie können ihn direkt vor Ihren Augen sehen. Hier. Sehen Sie.« Ich winkte mit der Hand, und die künstlichen grünen Blätter raschelten ein wenig.

Der Mann und seine Frau wichen ein paar Zentimeter von mir zurück. »Sehen Sie!«, sagte ich mit lauterer Stimme als beabsichtigt. »Begreifen Sie es denn nicht? Wir sind hier. Wir sind wirklich hier. Sie brauchen Ihren Bildschirm nicht. Wir sind im Jungle Room.« Sie verließen eilig den Raum und warfen mir kopfschüttelnd einen Blick zu, als sei ich ein armer Irrer. Und ich spürte, dass mein Herz plötzlich schneller schlug. Ich drehte mich zu Adam um, bereit mit ihm über...

Erscheint lt. Verlag 16.10.2022
Verlagsort München
Sprache deutsch
Themenwelt Sachbuch/Ratgeber Gesundheit / Leben / Psychologie Lebenshilfe / Lebensführung
Schlagworte Ablenkung • ADHS • ADHS Erwachsene • Aufmerksamkeit • Deutsch • Fokussieren • Konzentrationsspiele • Konzentration steigern • Konzentrationstraining • konzentration übungen • Lernstrategien • Manipulation • Medikamente • mindset bücher • Neurowissenschaft • optimieren • Schärfen • Stolen Focus • stress abbauen • Tabletten • Übungen
ISBN-10 3-7453-2018-2 / 3745320182
ISBN-13 978-3-7453-2018-3 / 9783745320183
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