Geschichten, die das Denken herausfordern (eBook)

Eine praktische Anleitung zum Philosophieren

(Autor)

eBook Download: EPUB
2022
192 Seiten
Kösel-Verlag
978-3-641-29460-1 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Geschichten, die das Denken herausfordern - Elke Wiss
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Durch Geschichten die Welt verstehen lernen
Die praktische Philosophin und Bestsellerautorin Elke Wiss hat 17 moderne Märchen über die täglichen Kämpfe und Fragen des Lebens geschrieben. Durch die Arbeit mit diesen Geschichten, zu denen vertiefende Fragen bereitstehen, können wir unser eigenes Denken hinterfragen, das Zuhören lernen und tiefere, bedeutungsvolle Gespräche führen. So können wir auf kreative Weise zu einer offenen, sokratischen Grundhaltung finden.

Machen wir es also wie Sokrates - üben wir uns im Dialog und im Fragen stellen.

Dies ist ein Buch, das Spaß macht, leicht zu lesen ist und gleichzeitig dazu herausfordert, eigene Meinungen und Überzeugungen zu analysieren, entwickeln und auf den Prüfstand zu stellen.

Elke Wiss, geboren 1986 in den Niederlanden, ist Theatermacherin und praktische Philosophin. Sie schreibt und leitet Performances und gibt Schulungen und Workshops in praktischer Philosophie und der Kunst, Fragen zu stellen. Elke Wiss führt als Coach sokratische Diskussionen innerhalb von Organisationen durch und gibt individuelle philosophische Konsultationen. Ihr Buch »Sokrates in Sneakern« wurde in den Niederlanden zu einem Bestseller.

EINLEITUNG

WANN MUSS MAN ETWAS ERLÄUTERN?

»Und jetzt laden wir Sie ein, sich zu entspannen,
nehmen Sie doch Platz.«

Lumière, Die Schöne und das Biest 

Meine Oma war eine fantastische Geschichtenerzählerin. Wenn sie aus einem Märchenbuch vorlas, hing ich an ihren Lippen. Sie erzählte uns auch oft von früher, und kaum dass sie eine Geschichte abgeschlossen hatte, baten meine Schwester und ich sie immer, uns noch eine Geschichte zu erzählen. Mit geschlossenen Augen lauschte ich ihrer Stimme und gelangte so in spannende Fantasiewelten, in denen ich alles Mögliche erlebte. Dank der Erzählkunst meiner Oma bin ich von klein auf versessen auf Geschichten. Vor allem auf Märchen. Meine Eltern nahmen mich und meine kleine Schwester oft mit in einen Freizeitpark; der Märchenwald dort war mein Lieblingsort. Fasziniert lauschte ich der Musik, die aus den Pilzen kam, ich wollte unbedingt das Ende jeder Geschichte hören, starrte wie gebannt auf die roten Schuhe, tauchte in Frau Holles Brunnen und fand den Drachen mit der Schatztruhe richtig gruselig. Abgesehen von unseren Erlebnissen im Märchenpark haben wir zu Hause stundenlang Zeichentrickfilme geschaut: Dornröschen, Schneewittchen, Dumbo, Bambi, Dschungelbuch, Donald Duck, Die kleine Meerjungfrau, Der König der Löwen, die Schöne und das Biest – ich habe sie verschlungen. Mein Vater saß oft neben uns auf dem Sofa oder im Kino, ganz entspannt und lachte dabei lauter als meine Schwester und ich zusammen. Geschichten, ob in Filmen, Büchern oder den Erzählungen meiner Oma, haben mich berührt und geprägt. Wenn ich Geschichten und Märchen lauschte, war es einen Moment lang so, als ob ich selbst nicht existieren würde. Durch diese Geschichten entdeckte ich Welten, die ich nicht kannte. Und immer nahm ich ein wenig von der Magie dieser mir fremden Welten in mein »wirkliches Leben« mit zurück.

Auch heute, wo ich erwachsen bin und als Theatermacherin und Schriftstellerin arbeite, greife ich oft auf die Märchen und Geschichten zurück, in die ich früher schon völlig eintauchen konnte. Während ich eine Inszenierung erarbeite, gibt es immer wieder Momente, in denen ich während einer Probe ein Märchen- oder Geschichtenbuch ins Spiel bringe. Geschichten haben etwas Magisches. Durch die Figuren erlebt und fühlt man all das, was einem im alltäglichen Leben manchmal weniger leicht zugänglich ist.

Wenn man sich in einer Geschichte verliert, entdeckt man Welten, die die eigene bereichern können. Man begegnet Figuren, die anders sind als man selbst, die die Dinge anders angehen. Geschichten bieten einem andere Perspektiven auf die Welt als nur die eigene.

Deshalb wollte ich dieses Buch schreiben, ein Buch, das die wichtigsten Wesensmerkmale meiner Arbeit als Theatermacherin und praktische Philosophin in sich vereint: das Erzählen schöner Geschichten und das Führen guter Gespräche. Geschichten zu lesen, kann unser Denken erweitern, und es kann uns dazu einladen, die Dinge anders zu betrachten als bisher. Mit diesem frischen Blick haben wir dann die Möglichkeit, andere, vielleicht etwas nuancenreichere, tiefsinnigere und pointiertere Gespräche zu führen als vorher. Ich glaube, wir profitieren von Geschichten, die unser Denken herausfordern. Wir möchten Gespräche führen, in denen es um etwas geht. Wir möchten uns gern in etwas vertiefen, etwas erforschen und erkunden, in unserem Denken spielerisch und kreativ sein. Doch die Tendenz, in Gesprächen vor allem überzeugen, gewinnen und eigene Ansichten zum Besten geben zu wollen, ist manchmal hartnäckig.

Wenn wir uns beim Weihnachtsessen mit Onkel Harry in eine Diskussion verwickeln, der sich wieder einmal über »die üble Diskussion darum, ob Pippi Langstrumpfs Vater nun weiter als ›Negerkönig‹ bezeichnet werden darf«, auslässt und meint, dass »sie« einfach nicht »so herumnörgeln und die Finger von unserer Tradition lassen sollten«, dass »jeder, der daran etwas auszusetzen hat, gern in sein eigenes Land zurückgehen kann«, ist es schwierig, offen zu bleiben und Fragen zu stellen, statt zu versuchen, Onkel Harry von seinem verkehrten Weltbild abzubringen.

In einer Sitzung, in der ein wichtiger Beschluss gefasst werden soll, in der sich zwei Meinungen konträr gegenüberstehen, neigt man häufig dazu, vor allem den eigenen Standpunkt immer wieder mit anderen Worten zu wiederholen – bei jeder Runde etwas vehementer als zuvor.

In einem Klassenzimmer, in dem ein Schüler mitten in einer heftigen Diskussion ruft: »Leute, die sich nicht gegen Corona impfen lassen, sind einfach ein Haufen Egoisten!«, ist es schwierig, nach den Argumenten und Vorannahmen hinter dieser Aussage zu fragen. Gewöhnlich präsentieren die meisten lieber ihre eigenen Ansichten in der Hoffnung, ihr Gegenüber damit auf andere Gedanken zu bringen. Das gelingt natürlich nur selten; schließlich sind wir selbst meistens wenig geneigt, die Ansicht eines anderen zu übernehmen, nur weil dieser laut genug das Gegenteil von dem verkündet, was wir selbst behaupten.

Ich glaube, dass die Welt davon profitieren würde, wenn wir das besser machen würden – wenn wir unsere Gedanken klarer formulieren könnten, wenn wir uns trauen würden, tiefergehende Fragen zu stellen, und verschiedene Perspektiven erkunden könnten. Auch wenn wir lernen würden, weitsichtiger, umfassender, kreativer und innovativer zu denken, als wir es heute für gewöhnlich tun. Und vor allem, wenn wir den Mut hätten, daran zu zweifeln, dass wir recht haben. Wenn wir einmal nicht in fast jedem Gespräch unsere eigene Meinung, unser eigenes Ich in den Vordergrund stellen würden. Wenn wir nicht nur darauf aus wären, unsere eigene Meinung kundzutun, sondern eher fragen und untersuchen wollten.

Dieses Buch hilft Ihnen dabei, Ihr eigenes Denken auf eine eigenwillige und spielerische Weise zu schärfen. Seit es die Menschheit gibt, teilen wir Geschichten miteinander. Geschichten über wahre Begebenheiten, lustige Anekdoten, erfundene Geschichten, Geschichten über Götter, mythologische Figuren, Zauberer, Ritter und Prinzessinnen. Wir verbinden uns miteinander, indem wir uns Geschichten erzählen und einander zuhören. Ich bin mir sicher, dass Sie, genau wie ich, schon manch unterhaltsamen Abend mit Freunden verbracht haben, an dem Sie schöne Geschichten ausgetauscht haben. Die Geschichte eines Freundes kann trösten (»Gott sei Dank bin ich nicht der Einzige«) oder etwas lehren (»Echt jetzt? Ich wusste gar nicht, dass man das auch so sehen kann«). Wenn wir in eine Geschichte (einen Roman, eine Serie, ein Märchen, eine Volkserzählung, eine Anekdote) eintauchen, lernen wir Figuren und Charaktere kennen, die anders denken und handeln als wir selbst. Das kann uns überraschen, bewegen, verwirren und auf neue Ideen bringen. Geschichten fordern uns dazu heraus, die eigene Realität aus einer etwas anderen Perspektive zu betrachten. In Geschichten können wir entdecken, wer wir sind, und wer oder was wir sein könnten – und das kann mehr sein, als wir dachten. Darauf zielt dieses Buch ab: Es will Ihnen spielerische Geschichten und Fragen liefern, die Sie trösten, erhellen, inspirieren und herausfordern; es soll Ihnen Themen an die Hand geben, über die Sie selbst nachdenken oder die Sie als Ausgangspunkt für ein angenehmes Gespräch mit Freundinnen und Freunden, Kolleginnen und Kollegen oder Familienmitgliedern benutzen können.

Die Geschichten in diesem Buch habe ich selbst geschrieben. Ich habe sie mit Fragen versehen, die das Denken schärfen und herausfordern sollen. Ich wollte Geschichten schreiben, die ich selbst gerne lesen würde, die mich trösten, mich zum Schmunzeln oder mich auf spannende Gedanken bringen. Aber auch Geschichten, die etwas in Bewegung setzen oder mich mit meinen eigenen unbequemen Fragen und Ideen konfrontieren. Die Geschichte von Henry und seiner Eitelkeit konfrontiert mich zum Beispiel mit meinen eigenen Unsicherheiten in Bezug auf Aussehen und Schönheit. Die Geschichte von Hein und den Lavendelfeldern gibt mir Trost und hilft mir, mehr Klarheit in meine Gedanken über den Tod zu bekommen. Die Geschichte über die Stille erinnert mich daran, dass es bei mir selbst noch einiges zu entwickeln gibt: Stille zuzulassen und bewusst zu suchen. »Tu me manques« (Du fehlst mir) konfrontiert mich mit dem intensiven Gefühl, einen geliebten Menschen zu vermissen, und erinnert mich daran, dass ich meinen Lieben öfter sagen sollte, wie viel sie mir bedeuten. Jede Geschichte bot mir eine neue, überraschende Perspektive und lieferte mir Fragen, die mich zum Weiterdenken und Erkunden meiner eigenen Ideen und Gedanken anregten. Die verschiedenartigen Fragen nach jeder Geschichte helfen mir auch, mein Denken weiter zu schärfen und zu entwickeln. Ich hoffe, dass diese Geschichten und ihre Fragen das Gleiche auch bei Ihnen bewirken.

Wie dieses Buch aufgebaut ist –
Gibt es so etwas wie eine korrekte Gliederung?

Sie können sich natürlich eine Geschichte aussuchen, die Sie gerade anspricht; Sie können sich in diese Geschichte hineinversetzen und an den Fragen dazu arbeiten. Tun Sie das ruhig jetzt schon, wenn Ihnen der Sinn danach steht. Wenn Sie allerdings zunächst mehr Hintergrundinformationen über das Philosophieren im Allgemeinen, über das Philosophieren anhand von Geschichten und einige konkrete Kunstgriffe dafür haben möchten, um etwas strukturierter damit zu arbeiten,...

Erscheint lt. Verlag 2.11.2022
Illustrationen Barbara van den Berg
Übersetzer Bärbel Jänicke
Zusatzinfo Mit ca. 40 Illustrationen
Sprache deutsch
Original-Titel En ze filosofeerden nog lang en gelukklig
Themenwelt Sachbuch/Ratgeber Gesundheit / Leben / Psychologie Lebenshilfe / Lebensführung
Schlagworte 2022 • Ajahn Brahm • Coaching • Die Kuh, die weinte • eBooks • Fragen stellen • Füttere den weißen Wolf • Gesprächsführung • Kommunikation • Kommunikationsmodelle • Märchen • Märchen für Erwachsene • Neuerscheinung • Philosophie • Praktische Philosophie • Psychologie • Ratgeber • schweppe long • Sokrates in Sneakern • Stoiker • Stoizismus
ISBN-10 3-641-29460-6 / 3641294606
ISBN-13 978-3-641-29460-1 / 9783641294601
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