Der Placebo- und Nocebo-Effekt: Illusion, Fakten und die Realität: Wie positive oder negative Gedanken die Gesundheit und unser Leben beeinflussen -  Hartmut Schröder,  Marlen Schröder,  Elisabeth Grunwald

Der Placebo- und Nocebo-Effekt: Illusion, Fakten und die Realität: Wie positive oder negative Gedanken die Gesundheit und unser Leben beeinflussen (eBook)

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2022 | 1. Auflage
170 Seiten
Crotona Verlag
978-3-86191-254-5 (ISBN)
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Der Placebo- und Nocebo-Effekt | Illusion, Fakten und die Realität
Wie positive oder negative Gedanken die Gesundheit und unser Leben beeinflussen
Ein neuer Blick auf die Placebo-Forschung!
Welche Auswirkungen positive oder negative Gedanken
auf die Gesundheit und unser Leben haben!
Das Wort Placebo – zunächst ein Fachwort der medizinischen Forschung – ist aus dem Sprachgebrauch nicht mehr wegzudenken. Im Kontext von Studien bezeichnet es einerseits eine Scheinarznei bzw. ein Medikament ohne Wirkstoffe und wird andererseits im öffentlichen Verständnis mit Täuschung in Verbindung gebracht. Eine Wirkung kann ein Placebo eigentlich gar nicht haben, und in Studien ist er auch nur eine reine Messgröße. Das Wort Placebo-Effekt zeigt jedoch, dass es eine durch ein Placebo hervorgerufene physiologische Wirkung geben kann; und solch ein Placebo kann sogar nicht nur zu positiven Effekten führen, sondern er kann auch negative (unerwünschte) Wirkungen erzeugen. Aus diesem Grund bildete sich in der Medizin ergänzend zum Begriff Placebo der Begriff Nocebo heraus. Die Wirkmechanismen sind durch die Forschung für beide Begriffe längst erfasst. Belegt ist ihre Existenz aber nicht nur für Medikamente, sondern auch für Operationen und andere medizinische Interventionen. Darüber hinaus wirken Placebos und Nocebos sogar außerhalb der Medizin: In der Musik und im Sport sowie ganz besonders in der Werbung und im Konsum. Die Bedeutung der Begriffe Placebo und Nocebo geht daher weit über die Medizin hinaus.
Die Autorinnen und der Autor schließen mit ihrem wegweisenden Buch eine große Lücke in der modernen Gesundheitsforschung. Sie zeigen Wege auf, um die Geist-Körper-Forschung auf eine neue Grundlage zu stellen.
Die Wissenschaft, aber vor allem auch jeder Einzelne, findet in diesem Werk wertvolle Ansätze, um die tiefgreifende Macht des eigenen Denkens neu zu bewerten. Jeder Gedanke beeinflusst das menschliche Wohlbefinden!

2: Die folgenreiche Geschichte eines Wortes


„Jedes Wort ist ein Wort der Beschwörung.

Welcher Geist ruft – ein solcher erscheint.“

 

Novalis (1772 - 1801)7

Wörter erzählen Geschichten


 

Menschen schaffen Wörter, damit sie die Welt besser verstehen und sich miteinander verständigen können. Sie bezeichnen Objekte und Sachverhalte, indem sie ihnen Namen geben oder Wörter zuordnen. Mithilfe der Sprache können sie über die Objekte und Sachverhalte nachdenken und kommunizieren. Die Aneignung der Welt hat sehr viel mit Sprache zu tun. Wörter beeinflussen uns dabei, wie wir die Welt sehen und deuten, was wir denken.

 

Haben Menschen aber erst einmal ein Wort in die Welt gesetzt, so führt es rasch eine Art Eigenleben, denn es beeinflusst Menschen seinerseits. Worte sind keineswegs starre Gebilde oder nur Namen für Dinge, Lebewesen und Zusammenhänge zwischen diesen. Sie bedeuten etwas, das hochkomplex sein kann. Worte berühren Menschen auf eine bestimmte Weise und lösen Gefühle aus. Fast jedes Wort entwickelt sich im Laufe seiner Nutzung. Es kann immer wieder neue Bedeutungen (Inhalte) ausdrücken und Verbindungen mit anderen Wörtern eingehen. Ein Wort kann sogar gleichzeitig mehrere Bedeutungen haben. Es kann Nebenbedeutungen annehmen und auf ganz andere Bereiche außerhalb seiner ursprünglichen Herkunft übertragen werden. Schließlich kann ein Wort von einer Wortart zu einer anderen wechseln, so dass aus einem Verb ein Substantiv wird. Als bloße Form bleibt es dann zwar gleich, aber die Möglichkeiten, etwas auszudrücken, erweitern sich.

 

Dies beschreibt auch den Weg der lateinischen Wortform placebo. Placebo ist ein besonders interessantes Beispiel für die Weiterentwicklung und Verbreitung eines Wortes zwischen einerseits Kontinuität und andererseits Bedeutungswandel. Die Geschichte dieses Wortes, das sich auf vielen Umwegen einen festen Platz im Deutschen und anderen Einzelsprachen erobert hat, soll im Folgenden erzählt werden; denn die Kenntnis dieser Geschichte wird helfen, die in der Einleitung bereits geschilderten Verwirrungen aufzulösen.

Von der Liturgie über die Abwertung im allgemeinen Sprachgebrauch bis zur Sprache der Medizin


 

Wir verfolgen nun die Geschichte des Wortes bis in das 13. Jahrhundert zurück. Zum sicheren Wissen über das Wort Placebo gehört, dass es aus dem Lateinischen stammt und die Wortform placebo dort für die 1. Person Singular Futur I des Verbes placere steht. Seine ursprünglichen Bedeutungen sind: ‚Ich werde gefallen‘, ‚ich werde belieben‘ und ‚ich werde gefällig sein‘. Über diese Bedeutungen im Wortschatz des Lateinischen hinaus erfährt das Wort in der mittelalterlichen Liturgie der Katholischen Kirche eine besondere Verbreitung; denn der letzte Vers des Wechselgesangs der Totenmesse lautet im Kirchenlatein: „Placebo Domino in regione vivorum“ – „Ich werde wohlgefällig sein vor dem Herrn im Lande der Lebenden“. Seit dem 13. Jahrhundert wird diese Totenvesper daher kurz auch als Placebo bezeichnet. Das Wort war damit jedermann bekannt. Allerdings nicht in seiner ursprünglichen Bedeutung (wie im Latein), sondern als Ausdruck für etwas, das Trauernde zu verrichten hatten. Damit transformierte es in seinem Gebrauch im Deutschen (und anderen Sprachen) vom Verb zum Substantiv, was sich bis heute so erhalten hat.

 

Gesungen wurde das „Placebo Domino“ von den Hinterbliebenen. Die Totenvesper war durch die Kirche vorgeschrieben und erforderte wohl nicht nur Zeit von den Trauernden, sondern wurde von einigen wahrscheinlich auch als Last empfunden. Eine Änderung der Liturgie ermöglichte es daher, gegen ein Entgelt Stellvertreter für den „Placebo-Dienst“ zu beauftragen. Diese nannte man auch Placebo-Sänger, und es entstand die Redewendung, für jemanden ein Placebo singen. Die ursprüngliche Bedeutung des Wortes in der Liturgie bestand zwar weiter, wurde aber durch die neue Nebenbedeutung im täglichen Sprachgebrauch überdeckt. Das Wort ging nun seinen eigenen Weg. Es wurde fortan auch in abwertender Bedeutung verwendet. Ein bezahlter Placebo-Sänger singt ja im Auftrag und für jemand anderen gegen Bezahlung. Es geht um Ersatz auf Kosten der Echtheit. Der Ersatz-Sänger gilt nicht als authentisch. Man unterstellt ihm, dass er Trauer nur heuchelt. Die eigentlich positive Bedeutung des Wortes, das Placebo zur Erinnerung an den Toten zu singen, wird nun durch die eher abwertenden Bedeutungskomponenten Täuschung, Ersatz, Scheinheiligkeit und Schmeichelei begleitet, die sich im Sprachgebrauch durchsetzen. Ein bislang positiv besetztes Wort erhält die Bedeutungskomponenten des Vorwurfs sowie der Abwertung zugeschrieben, die auch außerhalb des Bezuges auf das Singen der Totenvesper Gebrauch finden.

 

Vor dem Hintergrund dieser Entwicklung erhält das Wort im 18. Jahrhundert in den anglophonen Ländern Eingang in die Sprache der Medizin. Ärzte benutzen es in Berichten sowie Veröffentlichungen. Gebrauch und Bedeutung des Wortes sind aber keineswegs einheitlich. Bringt es einerseits doch immer noch die Totenvesper zum Ausdruck, andererseits aber auch die Täuschung und den Ersatz.

 

Mit seiner Aufnahme in das Fachwörterbuch „Motherby‘s New Medical Dictionary“ im Jahr 1785 erhält das Wort schließlich einen sichtbaren Ausdruck in der Medizin der damaligen Zeit.8 Definiert wird es dort als ein alltägliches Medikament oder Verfahren („a common place medication or method“).9 Bis heute ist indes nicht klar, warum Placebo in diesem Wörterbuch so definiert worden ist – ohne Bezug auf Wohlgefallen, Ersatz oder Täuschung. Die überzeugendste Erklärung dafür liefert wohl der Pharmakologe Jeff Aronson. Er weist darauf hin, dass placere im Lateinischen auch ‚populär sein‘ bedeuten kann. So könnten mit Placebo in diesem Wörterbuch also Medikamente und Verfahren gemeint sein, die als ausreichend wirksam galten oder zumindest als wirksam empfunden wurden, um von den Leuten als beliebtes und bewährtes Heilmittel angenommen zu werden. In später erschienenen Wörterbüchern lässt sich allerdings eine Bedeutungsverschiebung feststellen. Der englische Arzt und Apotheker Joseph Fox (1758-1832) definiert 1803 in seinem „A New Medcial Dictionary“ Placebo auf eine neue Weise und nimmt die Bedeutungskomponente schmeicheln wieder auf: „An epithet given to any medicine adapted more to please than benefit the patient” – „Ein Beiname, der jeder Medizin gegeben wird, die mehr dazu geeignet ist, dem Patienten zu gefallen, als ihm zu nützen.“ Ähnlich definierte es dann auch 1811 der englische Arzt Robert Hoo­per (1773-1835) in „Hooper‘s Medical Dictionary“: „Any medicine adapted more to please than benefit the patient” – „Jede Medizin, die mehr dem Wohlbefinden als dem Nutzen des Patienten dient.“ Die Bedeutungskomponenten Gefälligkeit und Täuschung klingen hier schon deutlich an – der Nutzen für den Patienten wird bereits kritisch hinterfragt.

 

Die Gründe für diese Bedeutungsänderungen in den medizinischen Wörterbüchern sind bislang nicht geklärt. Jeff Aronson diskutiert mehrere Möglichkeiten, wobei er als Erklärung auch in Betracht zieht, dass an die früheren Bedeutungskomponenten Schmeicheln und Täuschen wieder angeknüpft worden ist. Ein Placebo könnte dann so verstanden werden, dass es sich um eine medizinische Intervention handelt, die dem Patienten schmeichelt, damit er glaubt, sie sei wirksam. Aronson folgert, dass auf diese Weise das Wort Placebo möglicherweise eine Transformation durchmachte: Es wandelte sich von einem beliebten Medikament mit einer nützlichen, wenn auch geringen Wirkung zu einem Medikament ohne jegliche Wirkung oder zu einem, auf das man sich nicht verlassen konnte. Aronson appelliert, dass durch weitere Studien zum Wortgebrauch vor 1785 sowie zur Jahrhundertwende (18./19. Jahrhundert) mehr Klarheit geschaffen werden sollte.

 

Nicht auszuschließen ist aber auch, dass die Bedeutungskomponenten Gefälligkeit und Täuschung im 18. Jahrhundert sowie bereits lange davor von Ärzten bewusst nicht öffentlich kommuniziert wurden, möglicherweise sogar verschwiegen worden sind. Ein Hinweis darauf findet sich jedenfalls in einer für die Placebo-Forschung interessanten Notiz des amerikanischen Mediziners O. H. Perry Pepper (1884-1962), die dieser 1945 veröffentlicht hat.10 Pepper weist darauf hin, dass Placebos im 19. und zu Beginn des 20. Jahrhunderts von Ärzten frei verschrieben wurden und das Wort im täglichen Gebrauch war. Bei seiner Beschäftigung mit der Entstehung des Begriffs wundert er sich aber, dass dieser in den Wörterbüchern erst so spät auftaucht. Er vermutet nämlich, dass die Verwendung von Arzneimitteln auf diese Weise so alt wie die Medizin selbst ist. Aber: „Die Verabreichung eines Placebos – wann, wie, was – scheint eine Aufgabe des Arztes zu sein, die, wie bestimmte Funktionen des Körpers, in höflicher Gesellschaft nicht erwähnt werden sollte.“ Pepper meint daher auch, dass die Definition von Placebo als ein alltägliches beziehungsweise populäres Medikament oder Verfahren in gewisser Hinsicht nur zu wahr ist.

 

So verwendete bereits vor dem Erscheinen der Wörterbücher von Fox (1803) und Hooper (1811) der schottische Arzt...

Erscheint lt. Verlag 1.5.2022
Sprache deutsch
Themenwelt Sachbuch/Ratgeber Gesundheit / Leben / Psychologie
Medizin / Pharmazie Naturheilkunde
ISBN-10 3-86191-254-6 / 3861912546
ISBN-13 978-3-86191-254-5 / 9783861912545
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