Meine schönsten Reisen (5) Stippvisiten -  Gerda Brömel

Meine schönsten Reisen (5) Stippvisiten (eBook)

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2022 | 1. Auflage
236 Seiten
Books on Demand (Verlag)
978-3-7562-7921-0 (ISBN)
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Neues aus Gerda Brömels Reisetagebüchern! Wie stets berichtet sie unterhaltsam, fesselnd und informativ: Antarktis, Brasilien, Baskenland, Indien, Japan, Kanada/USA, Libyen, Mexiko, Russland, Südkorea, Thailand. Um ein fremdes Land kennenzulernen, müsste man dort sein ganzes Leben zubringen. Wir Reisende behelfen uns mit "Stippvisiten", die uns jedoch nur einen flüchtigen Eindruck vermitteln können. Dennoch kehren wir bereichert um neue Erlebnisse, Erfahrungen und Begegnungen nach Hause zurück.

Gerda Brömel lebt in Mönkeberg an der Kieler Förde. Seit 30 Jahren schreibt sie Kurzprosa für Literaturzeitschriften, Anthologien und Jahrbücher. Sie hat 2 Romane veröffentlicht, außerdem zahlreiche Bücher mit Kurzgeschichten und Reiseberichten. Daneben arbeitet sie als Herausgeberin/Bearbeiterin von Texten anderer Autoren.

Antarktis

Nach insgesamt zweiundzwanzigstündigem Flug landen wir in Punta Arenas an der Magellanstraße (Chile). Es ist der 20. Februar 1992. Die Außentemperatur beträgt heute 15 °C, hier blühen gerade Lupinen, Hortensien, Rosen und Holunder.

Im Hafen erwartet uns die COLUMBUS CARAVELLE, ein nur 117 Meter langes Motorschiff, das mit rund hundert Passagieren die Antarktis besuchen wird. Auf dem Weg dorthin befahren wir zunächst die hier dreißig Kilometer breite Magellanstraße. Abends grüßen uns aus der Ferne die Lichter von Ushuaia (Argentinien).

Am nächsten Morgen sind wir schon auf dem Beagle-Kanal. An beiden Seiten der 240 Kilometer langen Wasserstraße erheben sich riesige Gletscher, deren größte nach Ländern benannt wurden. Die Berge sind schnee- und eisbedeckt, im unteren Bereich tragen sie großenteils dichten Baumbewuchs. Am Ufersaum erkennen wir vom Gletscher abgebrochene, sogenannte gekalbte Eisfelder. Hin und wieder scheint die Sonne durch fantastisch geformte graue Wolken, und einmal zeigt sich ein prächtiger Regenbogen. In Ufernähe entdecken wir einzelne Robben. Mit 12 °C ist es jetzt etwas kühler geworden.

22. Februar. Auf dem Weg zur Antarktischen Halbinsel ankert unser Schiff direkt vor Kap Hoorn. Hier sind für uns Ausbooten und ein Landgang geplant. Wegen des Sturms ist es allerdings fraglich, ob dies überhaupt möglich sein wird. Wir sind skeptisch. In einiger Entfernung von uns schaukelt sehr heftig ein Patrouillenboot der chilenischen Marine auf den Wellen. Nach einer Weile wird die See jedoch etwas ruhiger, unser Kapitän lässt das erste Zodiac-Schlauchboot zu Wasser.

Unmittelbar vor uns ragt der Felsen von Kap Hoorn steil auf. Wir erkennen das schräge Geschiebe des Gesteins, das zum Teil mit Gras und anderen Gewächsen bedeckt ist. Unterhalb des Felsens schwimmen ganze Ketten rötlich schimmernder Wasserpflanzen. Auf einer im Zickzack geführten einfachen Holztreppe mit weit auseinanderliegenden Stufen gelangen wir nach oben aufs Plateau. Hier steht mit einer bizarr anmutenden Antennen-Konstruktion auf dem Dach die von Wind und Wetter gezeichnete chilenische Wetterstation. Jeweils drei Männer versehen in der Bretterbude den Dienst. In ihrem Aufenthaltsraum sieht es recht spartanisch aus. Der rohe Holztisch mit einfachen Holzstühlen ist mit Wachspapier bedeckt. An diesem Ort zu arbeiten muss wirklich sehr eintönig sein, denn außer Funk haben die Leute keine Verbindung mit der übrigen Welt. Ich entdecke ein kleines Wandregal mit zerlesenen, doch akkurat ausgerichteten Büchern. Im Nebenraum befindet sich der Arbeitsraum, die »Funkbude«. Dort holt Heinrich sich die begehrten chilenischen Poststempel.

Kap Hoorn

chilenische Wetterstation

Über Holzstege – das Erdreich ist sehr matschig – gelangen wir von der Wetterstation zu einer winzigen hölzernen Kapelle. Sturm und Regen haben auch hier dem Holz ein bleiches, verwittertes Aussehen verliehen. Wir stemmen uns gegen den sehr starken Sturm, der mit Macht übers Plateau fegt. Das Fotografieren ist nahezu unmöglich, da der Apparat einfach nicht ruhig zu halten ist.

Ein kleiner Hubschrauberlandeplatz, ein Gedenkstein für die Cap-Horniers (1989 errichtet) und ein Leuchtturm, der zurzeit jedoch kein Feuer zeigt, sowie ein Gipfelkreuz sind alles, was man an diesem einsamen Ort an Zivilisation findet. Allerdings ist dies mehr, als wir erwartet haben.

Nach einer Weile klettern wir die Holzstufen wieder hinunter, diesmal rückwärts, um uns mit beiden Händen festhalten zu können. Wie schon vorher beim Aussteigen aus dem Zodiac müssen wir auch jetzt einige Schritte durch wadenhohes Wasser gehen. Wir tragen Gummistiefel, die uns die Reiseleitung zur Verfügung gestellt hat.

Inzwischen sind wir dabei, die gefürchtete Drake Passage zu überqueren. Es herrschen Sturmstärken neun bis zehn mit Seestärken sechs bis neun! Zum Glück sind Heinrich und ich absolut seefest. Was mich dennoch bei starkem Seegang immer aufs Neue ängstigt, ist das ohrenbetäubende Geräusch der Brecher, wenn sie gegen den Schiffsbug krachen und das Schiff für einen Augenblick zurückzuweichen scheint.

Nachts kippt in unserer Kabine alles Bewegliche um, mehrmals müssen wir aufstehen, um die Dinge zu sichern. Mit Karacho rutscht plötzlich sogar der schwere Fernseher einen Meter weit über den Wandtisch, nachdem er Stecker und Antennenkabel herausgerissen hat. Einmal kann Heinrich sich absolut nicht mehr halten: Beim starken Krängen erhöht eine Welle unversehens seinen Standpunkt am Fenster. Um nicht umzufallen, wird er gezwungen, »bergab« bis zur Kabinentür zu laufen, wo er beim Abbremsen hart mit der Handfläche aufschlägt.

Am nächsten Morgen erzählen Passagiere, sie seien mit ihren Betten von einer Ecke der Kabine in die andere gerutscht. Auch unsere Tischgenossin, die alte Frau B., berichtet davon. Doch sie habe unwillkürlich lachen müssen, als ihr Mann plötzlich so ungewohnt stürmisch samt Bett auf sie zukam!

Nachmittags entdecken wir in einiger Entfernung schon die ersten größeren Eisberge, wobei ein Tafeleisberg besonders imposant wirkt.

Am Morgen des 24. Februar fahren wir dann direkt durch ein riesiges Feld kleinerer Eisberge. Da unser Schiff die Eisklasse 1A besitzt, machen ihm die hier unvermeidlichen kleineren Karambolagen mit dem Eis nichts aus. Das Südpolarmeer selbst ist noch offen bei einer Temperatur von etwas über null Grad.

Heute werden wir zum ersten Mal antarktischen Boden betreten, dazu geht unsere COLUMBUS CARAVELLE vor Peterman's Island auf Reede. Bei strahlendem Sonnenschein und tiefblauem Himmel herrscht absolute Windstille. In wenigen Tagen geht der antarktische Sommer zu Ende. Auf der Insel liegen zirka 20 cm Neuschnee. Über felsiges Ufer klettern wir an Land. Hier rutsche ich sofort auf rötlichem Pinguinkot aus und setze mich auf den Hosenboden – zum Glück ohne schlimme Folgen. Ein schwacher Geruch nach Zoo oder Bauernhof hängt über dem Eiland.

Überall sehen wir die kleinen Eselspinguine, deren Küken noch in der Mauser sind. Die restlichen Federn ihres grauen Kinderkleids lassen sie in unseren Augen recht drollig aussehen: Einige tragen noch eine kleine graue »Kappe« oder einen »Hahnenkamm«, andere einen »Rucksack« oder eine »Hose«. Wir beobachten, wie die jüngsten dieser Küken geatzt werden. Dabei ziehen sie aus dem aufgesperrten Schnabel des Elternteils ihr Futter. Entzückend sind auch die Pinguinspuren auf dem Neuschnee, nachdem die Tiere den Abhang heruntergewatschelt und -gerutscht sind.

Wir wandern ein Stück den Hügel hinauf, schlagen oben einen großen Bogen um den Gletschersee, der zum Teil von einem Schneehang überdacht wird, und gehen zu unserem Ausgangspunkt zurück. An einer Stelle entdecken wir auch eine Gruppe der größeren schwarzen Adelie-Pinguine, an anderer Stelle große Raubvögel, die bedrohlich auf unsere Köpfe hinunterzustoßen scheinen: Damit warnen uns diese Skuas, einem Nest auf dem etwas höher gelegenen Felsen zu nahe zu kommen. Einige Male schrecke ich zusammen, als von der gegenüberliegenden Bucht ein dumpfes Donnern und Knacken zu hören ist: Gletscher und Eis arbeiten, sie grollen und ächzen.

Als wir zurück an Bord sind, erfahren wir, dass das Schiff wegen des eisigen Untergrunds nicht hat ankern können, sondern während der Stunden unseres Landgangs »gehalten« werden musste. Eine großartige seemännische Leistung! Dies auch, wenn man berücksichtigt, dass hierbei sicher modernste technische Hilfsmittel eingesetzt werden konnten.

Nachmittags liegt unser Schiff vor Port Lockroy auf Reede, mit einem Zodiac setzen wir über zur Insel. Das Wetter ist nicht mehr ganz so strahlend, aber immerhin ist es trocken. Vorm Landgang unternehmen wir noch mit dem Schlauchboot eine »Panorama-Fahrt«. Wir beobachten, wie sich auf größeren Eisschollen und kleineren Eisbergen fette Pelz- und andere Robben räkeln. Bizarr geformte, mit tiefen Einkerbungen versehene mittelgroße Eisberge schimmern fantastisch blau bis grün. Unser Zodiac-Steuermann umfährt geschickt das Treibeis, das oft tief ins Wasser hinunterreicht. Dennoch gibt es einige Male einen Zusammenstoß, wenn es ihm nicht rechtzeitig gelingt, den Außenbordmotor hochzureißen.

Port Lockroy ist eine verlassene britische Forschungsstation. Davon zeugen verrostete Öltonnen und die Reste eines mittelgroßen Schiffs. Ein Schild mit der Aufschrift »UK Expedition of Bagshawe and Lester Waterboat Point Winter 1921/1922« und der Hinweis »Historic Site« verkünden, dass es sich hier um einen schützenswerten Ort handelt. Den Pinguinen ist dies gleichgültig. Sie haben die historische Stätte besetzt und fühlen sich hier ganz offensichtlich sehr wohl.

Abends verspricht unser russischer Kapitän für die nächsten Tage »bad weather«, wobei er entschuldigend lächelt. Über Nacht bleibt die COLUMBUS CARAVELLE noch im Schutz der Insel vor Anker.

Am nächsten Morgen hat unser Schiff...

Erscheint lt. Verlag 13.4.2022
Sprache deutsch
Themenwelt Sachbuch/Ratgeber
ISBN-10 3-7562-7921-9 / 3756279219
ISBN-13 978-3-7562-7921-0 / 9783756279210
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