Männer, Männlichkeit und Liebe (eBook)

Der Wille zur Veränderung | »Männer können nicht lieben, wenn ihnen die Kunst zu lieben nicht beigebracht wurde.«

(Autor)

eBook Download: EPUB
2022 | 1. Auflage
200 Seiten
Elisabeth Sandmann Verlag
978-3-945543-84-9 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Männer, Männlichkeit und Liebe - Bell Hooks
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'Männer können nicht lieben, wenn ihnen die Kunst zu lieben nicht beigebracht wurde. Es ist nicht wahr, dass Männer sich nicht ändern wollen. Wahr ist, dass viele Männer Angst vor Veränderung haben. Um lieben zu können, müssen Männer imstande sein, sich von ihrem Wunsch zu verabschieden, andere zu beherrschen.'

bell hooks erforscht die Welt von Männern und Männlichkeit, um ihren Bedürfnissen und Verletzlichkeiten nachzuspüren, einschließlich der Angst vor Intimität und dem Verlust ihres vom patriarchalen System geprägten Platzes in der Gesellschaft. Sie stellt einfühlsam, feinsinnig und radikal dar, wie männliche Konditionierung Männer prägt und schädigt und ihnen den Zugang zu ihren Gefühlswelten verwehrt. Ihr Buch ruft auf zur Revolution der Werte, zum Abgesang auf traditionelle Männlichkeit und appelliert an uns alle, dem Ethos der Liebe zu folgen. Ein mutiger und wegweisender Text - die Wiederentdeckung einer großen Autorin.



bell hooks (1952-2021) war v.a. als Kritikerin von Rassismus, Kapitalismus und Patriarchat und als Vertreterin des Black Feminism bekannt geworden, und als Autorin zahlreicher Bücher. Seit Mitte der 1970er Jahre hatte sie verschiedene Lehraufträge und Professuren an US-amerikanischen Universitäten inne. Neben der Auseinandersetzung mit »Race«, Klasse und Geschlecht beschäftigte sie sich mit einer riesigen Bandbreite weiterer Themen, etwa mit Medien, Kunst und Erziehung. Das Pseudonym bell hooks ging auf den Namen ihrer Großmutter zurück, ihr ursprünglicher Name war Gloria Jean Watkins. Mit der Kleinschreibung des Namens wollte sie die Aufmerksamkeit weg von ihrer Person und hin zu den Inhalten ihrer Texte lenken.

Vorwort
Über Männer


Als Phyllis Cheslers Buch About Men (dt. Ausgabe: Über Männer) vor mehr als zehn Jahren erstmals erschien, war ich aufgeregt. Endlich, dachte ich, wird mir eine feministische Denkerin das „Mysterium Mann“ erklären. Damals hatte ich noch nie jemandem die Gefühle, die ich Männern gegenüber hegte, mitgeteilt. Ich war nicht dazu in der Lage gewesen, jemandem zu gestehen, dass ich Männer nicht nur nicht verstand, sondern dass ich Angst vor ihnen hatte. Chesler, so war ich mir sicher, würde durch ihre übliche kompromisslose und forsche Art weitaus mehr tun, als meine Ängste bloß zu benennen und zu erklären; sie würde Männer für mich „real“ machen. Männer würden zu Menschen werden, mit denen ich reden und arbeiten und die ich lieben könnte. Ihr Buch war eine Enttäuschung. Es war voll von Zitaten aus zahllosen Quellen und Zeitungsausschnitten über männliche Gewalt; es bot nur wenige Informationen. Es gab vereinzelte oder gar keine Erklärungen, keine Interpretation. Von da an war ich der Meinung, dass Frauen Angst davor haben, offen über Männer zu sprechen, dass wir Angst haben, unsere Beziehungen zu ihnen tiefer zu erforschen – was wir miterlebt haben als Töchter, Schwestern, Großmütter, Mütter, Tanten, Geliebte, gelegentliche Sexobjekte – und wir haben sogar Angst davor zuzugeben, wie wenig wir doch tatsächlich über Männer wissen. All das, was wir nicht wissen, intensiviert unsere Gefühle von Angst und Bedrohung. Und zweifellos kennen wir Männer nur unvollständig und unzureichend, wenn wir sie ausschließlich mit männlicher Gewalt, Gewalt an Frauen und Kindern, in Verbindung bringen.

Heutzutage bin ich verblüfft darüber, dass Frauen, die feministische Politik befürworten, so wenig über Männer und Männlichkeit zu sagen haben. In den frühen radikal-feministischen Schriften wurden Gefühle wie Zorn, Wut und sogar Hass gegenüber Männern zum Ausdruck gebracht, ohne einen sinnvollen Ansatz, Wege aufzuzeigen, um diese Gefühle aufzulösen, sich eine Kultur der Versöhnung vorzustellen, in der Frauen und Männer sich treffen und Gemeinsamkeiten finden können. Militanter Feminismus hat Frauen erlaubt, ihrer Wut über und ihrem Hass auf Männer ungehemmt Ausdruck zu verleihen; er verweigerte uns aber gleichzeitig die Möglichkeit, darüber zu sprechen, was es im Patriarchat überhaupt bedeutet, Männer zu lieben, zu wissen, wie wir diese Liebe ohne Angst vor Ausbeutung und Unterdrückung ausdrücken können.

Bis zu ihrem Tod war Barbara Deming eine der wenigen freimütigen Feminist:innen, die einen Raum schaffen wollten, in dem Frauen offen über ihre Gefühle gegenüber Männern sprechen könnten. Sie drückte die Sorge aus, dass das Hervorquellen weiblichen Zorns für andere Gefühle keinen Platz lasse, außer für das Gefühl „Männer sind hoffnungslose Fälle“ und stellte fest: „Es macht mir mehr und mehr Angst, dass Frauen an den Punkt kommen, dies zu fühlen, zu fühlen, dass das männliche Geschlecht insgesamt hoffnungslos ist.“ Deming hatte nicht das Gefühl, dass Männer unfähig sind, sich zu verändern, sich von ihrer männlichen Vormachtstellung zu verabschieden, aber sie empfand, dass es notwendig für Frauen ist, die Wahrheit darüber auszusprechen, wie wir über Männer denken:

„Ich glaube, der einzige Weg, der uns dahinführt, wohin wir kommen müssen, ist der, sich niemals zu weigern, der Wahrheit über unsere Gefühle ins Auge zu sehen, wenn sie in uns hochkommen – auch wenn wir wünschen, sie wären nicht wahr. Wir müssen uns also die Wahrheit eingestehen, dass wir uns manchmal wünschen, unsere eigenen Väter, Söhne, Brüder, Liebhaber wären nicht da. Aber diese Wahrheit existiert neben einer anderen Wahrheit: der Wahrheit, dass dieser Wunsch Schmerz verursacht.“

Während manche Feminist:innen verzweifelt über unsere kollektive Unfähigkeit waren, Massen von Männern zum feministischen Denken zu bekehren, empfanden es andere Frauen so, dass der Feminismus ihnen die Erlaubnis gab, Männern gegenüber gleichgültig zu sein, sich von männlichen Bedürfnissen abzuwenden.

Als die zeitgenössische Frauenbewegung ihren Höhepunkt erreichte, insistierten viele Frauen darauf, dass sie es leid waren, Energie für Männer zu verschwenden; sie wollten, dass Frauen ins Zentrum aller feministischen Debatten gerückt werden. Feministische Denker:innen, darunter auch ich, die Männer mit ins Gespräch einbinden wollten, wurden in der Regel als „männerfreundlich“ etikettiert und abgelehnt. Wir waren die, die „mit dem Feind schliefen“. Wir waren die Feminist:innen, denen man nicht vertrauen konnte, da wir uns um das Schicksal von Männern bekümmerten. Wir waren die Feminist:innen, die ebenso wenig an die Überlegenheit der Frauen glaubten wie an die der Männer. Als die Frauenbewegung sich weiterentwickelte, wurde die Tatsache offensichtlich, dass Sexismus sowie sexuelle Ausbeutung und Unterdrückung sich nicht verändern würden, solange Männer nicht Teil des feministischen Widerstands waren; doch die meisten Frauen hatten immer noch kein echtes Interesse daran, verstärkt Diskurse über Männlichkeit zu führen.

Die Erkenntnis, dass der feministische Fokus stärker auf Männer gerichtet werden müsse, führte nicht zu einer Produktion von mehr weiblichen Schriften über Männer. Dieser Mangel vertieft mein Gefühl, dass Frauen nicht offen über Männer sprechen können, weil wir so gut in der patriarchalen Kultur sozialisiert sind, über das Thema Männer zu schweigen. Aber es ist mehr, als dass wir zum Verstummen gebracht wurden, wir wurden als Hüter:innen ernster und schwerwiegender Geheimnisse sozialisiert – insbesondere von jenen, die alltägliche Mechanismen männlicher Dominanz offenlegen könnten, wie männliche Macht in unserem Privatleben ausgeübt und aufrechterhalten wird. Tatsächlich war das radikal-feministische Etikettieren aller Männer als Unterdrücker und aller Frauen als Opfer, ein Weg, die Aufmerksamkeit von der Realität der Männer und unserer Unwissenheit über Männer abzulenken. Männer kurzerhand als Unterdrücker zu bezeichnen und sie abzulehnen, bedeutete, dass wir niemals die Lücken in unserem Verständnis von Männern in Worte fassen oder auf komplexe Weise über Männlichkeit sprechen mussten. Wir mussten also nicht darüber sprechen, wie unsere Furcht vor Männern unsere Perspektive verzerrte und unser Verständnis blockierte. Männer zu hassen war einfach nur ein anderer Weg, Männer und Männlichkeit nicht ernst zu nehmen. Es war schlichtweg einfacher für Feminist:innen, über das Hinterfragen und Verändern des Patriarchats zu reden als über Männer zu sprechen – darüber, was wir wussten und nicht wussten, über die Art und Weise, wie Männer sich ändern sollten. Besser ist es, einfach den Wunsch zu äußern, dass Männer verschwinden, dass sie tot sind und weg.

Barbara Deming formulierte diesen Wunsch eindrücklich, als sie über den Tod ihres Vaters schrieb:

„Es ist Jahre her. Es war an einem Wochenende auf dem Land und er hatte draußen mit Hacke und Schaufel gearbeitet, um ein neues Beet anzulegen. Er hatte einen Herzinfarkt und fiel auf die gelockerte Erde, in den Dreck. Wir riefen die Sanitäter, und sie versuchten ihn zu reanimieren, aber es gelang ihnen nicht. Ich lag halb auf dem Boden neben ihm und schlang meine Arme um seinen Körper. Mir wurde klar, dass es das erste Mal in meinem Leben war, dass ich mich in der Lage fühlte, den Körper meines Vaters wirklich zu berühren. Ich hielt ihn fest – mit all meiner Liebe – und mit all meinem Schmerz, meiner Trauer zugleich. Und der Schmerz, die Trauer rührten teilweise daher, dass mein geliebter Vater im Sterben lag. Aber auch daher, weil ich bereits wusste, dass ich mich durch seinen Tod freier fühlen würde. Ich betrauerte, dass es so weit kommen musste. Es ist ein Schmerz, den ich schwer in Worte fassen kann. Darüber, dass das einzige Mal, als ich mich frei genug fühlte ihn zu berühren, ohne mich von seiner Macht über mich bedroht zu fühlen, der Moment war, in dem er leblos dalag – es war unerträglich für mich. Und ich glaube, es gibt kaum eine Frau, die nicht einen ähnlichen Schmerz kennt. Daher ist es eine zu starke Vereinfachung, die Wahrheit auszusprechen, dass wir Männern manchmal den Tod wünschen – wenn wir nicht gleichzeitig die Wahrheit aussprechen, der sehr viel schwerer ins Auge zu sehen ist (wenn wir versuchen, unsere eigenen Kräfte zu finden, selbstbestimmte Frauen zu sein): die Wahrheit, dass dieser Wunsch für uns unerträglich ist. Er zerreißt uns.“

Als junge Frau in ihren Zwanzigern, die noch nicht in ihrer Kraft war, wünschte ich vielen Männern in meinem Leben den Tod. Meine Sehnsucht nach dem Tod meines Vaters begann in meiner Kindheit. Sie war meine Antwort auf seine Wut, seine Gewalt. Ich träumte immer davon, dass er weg war, tot und weg.

Der Tod war der Ausweg aus der Angst, die durch die Ankündigung ausgelöst wurde „Warte, bis dein Vater nach Hause kommt“. Meine Angst vor Bestrafung war so intensiv, seine Macht über uns so real. Wenn ich als kleines Mädchen in meinem Bett lag und darauf wartete, die große Wut in seiner Stimme zu hören, den eindringlichen Ton seiner Befehle, dachte ich immer: „Wenn er doch nur sterben würde, dann könnten wir leben.“ Später, als erwachsene Frau, die zu Hause auf den Mann in ihrem Leben wartete, der in den meisten Fällen ein fürsorglicher Partner war, aber manchmal auch in heftige Wutanfälle ausbrach, dachte ich ähnlich: „Vielleicht wird er einen Unfall haben und sterben, vielleicht wird er nicht nach Hause kommen, und ich werde frei sein und leben können.“ Frauen und Kinder auf der...

Erscheint lt. Verlag 7.3.2022
Übersetzer Daphne Nechyba
Sprache deutsch
Themenwelt Sachbuch/Ratgeber Geschichte / Politik Politik / Gesellschaft
Sozialwissenschaften Politik / Verwaltung
Schlagworte Black History Month • Feminismus • Gefühle • Geschlechtergerechtigkeit • Innenleben • Jungs • neues Buch • Patriarchat • Sei kein Mann • Stereotyp • toxische männlichkeit • will to change
ISBN-10 3-945543-84-3 / 3945543843
ISBN-13 978-3-945543-84-9 / 9783945543849
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