Genug geschluckt! (eBook)

Psychopharmaka erfolgreich und dauerhaft absetzen
eBook Download: EPUB
2022 | 1. Auflage
224 Seiten
Verlagsgruppe Droemer Knaur
978-3-426-46348-2 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Genug geschluckt! -  Dr. Peter Ansari,  Mahinda Ansari
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Raus aus der Medikamentenfalle  - Wege, Informationen und Tipps zum erfolgreichen Absetzen von Psychopharmaka Anhaltende Schlaflosigkeit, Panikattacken, Brainzaps, innere Unruhe, Psychosen: Psychopharmaka-Entzug gehört zum Schlimmsten, was ein Mensch erleben kann. Vor allem, weil es die Menschen unvorbereitet trifft und sie mit ihren Schwierigkeiten völlig allein sind. Das Thema 'Absetzen' ist bisher noch nicht im medizinischen Alltag angekommen. Menschen, die ihre Medikamente reduzieren oder absetzen möchten, erhalten kaum Hilfe und nur wenig Informationen. Sie setzen ihre Medikamente viel zu schnell ab und geraten dadurch in entsetzliche Krisen. Die Absetzexperten Dr. Peter Ansari und Mahinda Ansari setzen auf einen Sanften Entzug. Sie wissen aus jahrelanger Erfahrung, dass nur ein sehr langsames, schrittweises Reduzieren zum Erfolg führt. Ihr Ratgeber zeigt ganz genau, wie es funktioniert. Er enthält individualisierbare Absetzpläne, weist auf Schwierigkeiten hin und erklärt, was nach dem erfolgreichen Absetzen zu beachten ist.

Dr. Peter Ansari hat an der Universitätsklinik in Hamburg und an der Charité in Berlin in der Gehirnforschung gearbeitet. Er hat 10 Jahre über Antidepressiva geforscht und darüber an der medizinischen Hochschule Hannover seine Doktorarbeit verfasst.

Dr. Peter Ansari hat an der Universitätsklinik in Hamburg und an der Charité in Berlin in der Gehirnforschung gearbeitet. Er hat 10 Jahre über Antidepressiva geforscht und darüber an der medizinischen Hochschule Hannover seine Doktorarbeit verfasst. Mahinda Ansari ist Diplom- Sprecherzieherin und war für den SWR und die ARD als Moderatorin tätig. Heute arbeitet sie als Heilpraktikerin in der Nähe von Hamburg. Gemeinsam mit ihrem Mann betreut sie in einer Gemeinschaftspraxis Menschen mit seelischen Erkrankungen.

Leben mit Depressionen


Es gibt ein klinisches Lexikon für Ärzte, den Pschyrembel. Darin findet man die wissenschaftlichen Definitionen der meisten Erkrankungen. Eine Depression ist dort folgendermaßen beschrieben: »(kommt aus dem Lateinischen deprimere, depressus niederdrücken, herabziehen) affektive Störung, die insbesondere durch gedrückte Stimmung, Interessenverlust und verminderte Leistungsfähigkeit gekennzeichnet ist.«23 Danach folgt die Auflistung der verschiedenen Depressionstypen.

Diese Beschreibung zeigt bereits das gesamte Dilemma. Übersetzt würde das bedeuten, man könnte sein gesamtes Leben in gehobener Stimmung, Begeisterung, Lebendigkeit und stets bei voller Leistungsfähigkeit verbringen, ansonsten wäre man krank und als depressiv einzustufen.

Das ist absurd. Es gibt kein Leben ohne gedrückte Stimmung, Interessenverlust und verminderte Leistungsfähigkeit. Wir sind keine dauergrinsenden Roboter. Wir sind Menschen mit Gefühlen. Wir dürfen uns auch mal schlecht fühlen, und wir dürfen auch mal eine ganze Zeit lang nicht funktionieren.

Die große Schwierigkeit in der Behandlung von Depressionen ist die Abgrenzung zum Krankhaften. Wann sind die Symptome adäquates, menschliches Verhalten, und ab wann beginnt eine behandlungsbedürftige Erkrankung? Die Entscheidung darüber fällt dem Arzt und auch dem Patienten meist recht schwer. Ein wichtiges Anzeichen ist hier die erkennbare Ursache. Gibt es einen Grund für meine gedrückte Stimmung? Beispielsweise den Verlust der Arbeit, von Angehörigen, Trennung, Scheidung, Umzug, eine chronische Erkrankung, emotionale Überforderung, Überarbeitung oder Ähnliches. Wenn ja, dann sollte man der Seele die Zeit der gedrückten Stimmung geben, um die Verletzung zu verarbeiten.

Manchmal braucht die Seele sehr viel Zeit, und das ist nur schwer auszuhalten. Wer kann schon eine Verminderung seiner Leistungsfähigkeit über mehrere Monate seinem Arbeitgeber oder der Familie vermitteln? Und hier beginnt der berühmte Teufelskreis. Der Betroffene möchte, dass die mit einer Depression einhergehenden Symptome so schnell wie möglich wieder verschwinden. Es baut sich ein Widerstand gegen die Situation auf, die das Leid extrem verschärft. Wird der Widerstand aufgegeben, erlischt häufig auch das Leid. Ein anderer Teufelskreis entsteht durch Ängste, die eine Depression häufig begleiten. Das Leben erscheint dem Depressiven wie ein nicht zu bewältigender Berg. Die Angst, den ganzen Anforderungen des modernen Lebens nicht mehr zu genügen, kann sich lähmend auswirken und die Depression verstärken.

Es gibt jedoch auch Menschen, die eine schwermütige Grundstruktur besitzen. Sie sind nachdenklicher und nehmen das Leben schwerer als ihre Mitmenschen. Viele große Schriftsteller litten an Depressionen und haben darüber berichtet wie Hermann Hesse, Daphne Merkin, Andreas Salomon, Anton Tschechow, Silvia Plath, Ernest Hemingway und viele andere. Unzählige bedeutende Kunstwerke verdanken wir den Schmerzen der Schwermut.

Aber auch nicht zur Schwermut neigende Menschen können Depressionen erleiden. Das kann jedem zu jeder Zeit seines Lebens passieren. Viele, die ihr ganzes Leben niemals depressiv geworden sind, kommen mit den Herausforderungen des Alterns und Sterbenmüssens nicht zurecht und entwickeln erstmals im hohen Alter Depressionen. Dagegen gefeit ist wirklich niemand.

Wir möchten noch einmal in aller Deutlichkeit mit dem Irrtum aufräumen, bei einer Depression läge ein biochemisches Ungleichgewicht vor, das mit Medikamenten behoben werden kann. Diese Theorie wurde in den letzten Jahrzehnten von unterschiedlichen Forschern aus verschiedenen Ländern widerlegt. So schön und so befreiend diese Theorie sein mag, wahr ist sie leider nicht.

Die Konzentration der Neurotransmitter von depressiven Patienten gab zu keinem Zeitpunkt während der Erkrankung noch nach der Besserung ein einheitliches Bild. Dennoch wird immer noch an diesem Medizinirrtum festgehalten. Davor glaubte man über Jahrhunderte, die Melancholie, so hieß die Krankheit früher, würde von einem Zuviel an schwarzer Galle verursacht (gr. melagcholía [Schwarzgalligkeit]). Auf dieser Theorie basierten damals viele grausame Therapien, an denen Ärzte auch zweihundert Jahre nach den ersten Leichensezierungen festhielten, obwohl diese eindeutig ergeben hatten: Es gibt im menschlichen Körper gar keine schwarze Galle.

Genauso ist es auch heute. Die Mediziner wissen, dass es keine Biochemie der Depression gibt, und trotzdem halten sie an ihren Fehlbehandlungen fest. Nie wurden mehr Antidepressiva verschrieben als heute. Die Idee ist wohl zu schön, um sich davon zu verabschieden. Der Patient leidet an einer Depression. Dagegen haben wir Tabletten. Auch vielen Patienten gefällt die Theorie, ihr Leiden hätte organische Gründe. Es entbindet sie erst einmal davon, sich eingehender damit zu befassen oder Veränderungen in ihrem Leben vorzunehmen. Das kann für den Patienten sehr entlastend sein. Da Antidepressiva viele Nebenwirkungen haben, bei 80 Prozent der Patienten die Sexualität beeinträchtigen und oft nur schwer wieder abzusetzen sind, raten wir hier, nicht in den falschen Zug einzusteigen. Die Depression ist eine Herausforderung, die einer Reise gleicht, die zu sich selbst führt. Wenn Sie sich gleich am Anfang in den falschen Zug setzen, werden Sie nie ankommen können.

Es kann dennoch einigen Menschen eine Hilfe sein, für eine kurze Zeit Tabletten, sogar Antidepressiva, einzunehmen, wenn es aus dem depressiven Leiden keinen Weg hinaus zu geben scheint. Allein die Vorstellung, wirksame Medikamente zu erhalten, kann den Antrieb steigern und so das Fundament für eine Besserung legen. Wenn man den Zug zum rechtzeitigen Absetzen nicht verpasst, kann diese Umleitung richtig und nötig sein.

Es gibt noch einen zweiten Irrtum, der mit dem Glauben an das Vorliegen eines biochemischen Ungleichgewichts einhergeht, dass nämlich eine Depression wie aus dem Nichts über den Betroffenen herfällt. Manchmal muss man genau hinschauen, aber eine Depression kommt nie aus dem Nichts!

Bei der ersten erlebten Manifestation einer Depression ist die Ursache meist klar erkennbar. Im Leben des Betroffenen ist etwas Schmerzliches geschehen, oder er stand lange Zeit unter Stress, was die Krise auslöste. Auf die schmerzliche Situation reagiert er mit niedergedrückter Stimmung und Antriebslosigkeit. Er kann sich nicht vorstellen, dass dieser Zustand je enden wird. In den allermeisten Fällen tut er das aber irgendwann. Denn ein typisches Kennzeichen der Depression ist, dass sie auch wieder verschwindet.

Im Gehirn sind in der depressiven Zeit hartnäckige Gedankenmuster entstanden, die sich im Verlauf des weiteren Lebens ungefragt wieder einstellen können. Die Folgeanlässe können weitaus lapidarer ausfallen als bei der Erstmanifestation. Das kann beim Betroffenen den Eindruck erwecken, die Depression sei diesmal aus dem Nichts entstanden. Wenn man genauer hinschaut, finden sich jedoch immer Auslöser, welche die negativen Gedankenschleifen wieder aktivieren. Das kann ein böser Kommentar eines Mitmenschen, eine körperliche Erkrankung oder bloße Erschöpfung sein. Eine zweite Episode kann dann den Glauben verfestigen, alles sei schlecht und sinnlos. Und weil der Anlass dem Betroffenen so nebensächlich vorkommt, erscheint hier die Illusion, die Depression wäre tatsächlich aus dem Nichts gekommen. Denn welcher normale Mensch bekäme von einem kränkenden Satz oder einer Grippe eine Depression? Die Antwort: der Depressive eben.

Vor jeder Episode gibt es Auslöser, seien sie auch noch so geringfügig, die ihn wieder in den Sumpf der dunklen Gedanken ziehen. Das Problem ist, wir glauben unseren negativen Gedanken. Das ist ein allgemein menschliches Problem. Wir alle glauben unseren Gedanken, obwohl wir sicher wissen, dass wir sie nicht kontrollieren können. Der Depressive ist seinen negativen Gedankenspiralen hilflos ausgeliefert. Wenn er jedoch lernt, ein wenig beiseitezutreten und skeptisch zu betrachten, was sein Gehirn da gerade fabriziert, wird er erkennen: Irgendwann ist die depressive Märchenstunde auch wieder vorbei.

Der Betroffene bemerkt, es gibt Menschen, die ihm helfen, und er beginnt, langsam wieder am Leben teilzunehmen. Es ist eine fast unmenschliche Anstrengung, aus den in Jahrzehnten angebahnten, negativen Gedankenmustern komplett auszusteigen. Der Betroffene muss sich dazu völlig umprogrammieren. Immer wieder bedient sich sein Gehirn dieser gut ausgebauten Gedankenautobahn. Sich aus diesen negativen Bahnen zu befreien bedeutet zunächst, rechtzeitig gegenzusteuern mit dem Ziel, diese Autobahn irgendwann ganz stillzulegen. Die buddhistische Weisheitslehrerin Ayya Khema beschreibt das so:

»Je öfter man den unheilsamen, unzufriedenen Gedanken erlaubt, sich häuslich niederzulassen, desto mehr wird der Geist von Negativitäten in Anspruch genommen. Eines Tages kann er sich vielleicht gar nicht mehr ändern, weil er derartig an die unzufriedenen und unheilsamen Gedanken gewöhnt ist. Sie haben bereits tiefe Furchen gezogen, sodass es schwierig ist, die Gedanken umzuwandeln. Je schneller man anfängt, negative Gedanken fallen zu lassen, desto leichter macht man es seinem eigenen Geist, frei zu werden.«24

Es gibt auch Betroffene, die sich in sehr unerfreulichen Lebensbedingungen mit wenigen Perspektiven befinden. Da haben die depressiven Gedankenspiralen natürlich ein leichteres Spiel, denn die Situation ist vielleicht wirklich aussichtslos. Hier hilft es,...

Erscheint lt. Verlag 1.4.2022
Illustrationen Anna Ansari
Verlagsort München
Sprache deutsch
Themenwelt Sachbuch/Ratgeber Gesundheit / Leben / Psychologie
Schlagworte Abhängigkeit Medikamente • Abhängigkeit Psychopharmaka • Absetzen von Psychopharmaka • ADHS • ADHS-Medikamente • Antidepressiva absetzen • Ausstieg aus der Depression • Beruhigungsmittel • Biochemie der Depression • Depression • depression-heute • Depressionsforschung • Dr. Peter Ansari • Entgiftung • Entzugserscheinungen • Für Patienten • für Therapeuten • Geistige Gesundheit • Genug geschluckt • Hilfe bei Depressionen • Lithium • Mahinda Ansari • Medikamente absetzen • Medikamente loswerden • medikamentenabhängig • Medikamentenabhängigkeit • Medikamentenreduzierung • Medikamente reduzieren • medizinische Selbsthilfe • Neuroleptika • ohne Psychopharmaka gesund • ohne Psychopharmaka leben • ohne Schlaftabletten schlafen • Psychopharmaka • Psychopharmaka absetzen • Ratgeber Gesundheit • Ratgeber Sachbuch • sanfter Entzug von Medikamenten • Schlafmittel absetzen • Schlaftabeltten absetzen • Schlaftabletten • schritt für schritt • Selbsthilfe Medikamente • Stufenplan zum Absetzen von Medikamenten • tablettenabhängig • Tabletten absetzen • Umgang mit Depressionen • weniger Medikamente
ISBN-10 3-426-46348-2 / 3426463482
ISBN-13 978-3-426-46348-2 / 9783426463482
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