Das Kreuz mit dem Kreuz -  Inge Wressnig

Das Kreuz mit dem Kreuz (eBook)

Ein Buch zum Nachdenken
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2022 | 1. Auflage
myMorawa von Dataform Media GmbH (Verlag)
978-3-99129-683-6 (ISBN)
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Das Buch ist eine philosophische Entdeckungsreise zum Thema Glaube: Wir können nicht wissen, ohne zu glauben.

Studium der Philosophie. 1980-2011 arbeitete sie in freier Praxis als Transaktionsanalytikerin für Lebensberatung, als Systemische Familientherapeutin, Systemische Supervisorin, Coach (Sozialbereich, Wirtschaft) und NLP Practitioner; sie machte eine Ausbildung für Systemische Aufstellungsarbeit für Familien, Organisationen, Gruppen; außerdem eine Weiterbildung in Emotionaler Reintegration und Hypnotherapie; zudem war sie Trainerin für Sozial- und Lebensberater/innen bei Steigls (Steirische Gesellschaft für Sozial und Lebensberatung); 2016 machte sie den Abschluss der Meisterklasse für Malerei bei Prof. Christian Ludwig Attersee. 2017 erschien 'Der Balancierer. Mein Leben mit Epilepsie' und 2020 'Welten Werte Wende'.

Trauma

Mia saß zu Hause vor dem Fernsehschirm. Ihr Herz klopfte, die Beine zitterten. Ein Rauschen im Kopf, eine Mischung aus Schwindel und Ekel.

Sie erkannte seine gierigen, blitzblauen Augen und erregten Lippen hinter dem Holzgitter des Beichtstuhls und hörte den Satz: „Wir können zwar nicht heiraten, aber wir können …“

Ein Schüttelfrost durchfuhr ihren Körper. Es waren Warnzeichen, die sie kannte.

Der Rektor, der Bote Gottes und Mahner des Herrn, war Mias Beichtvater und Seelenarzt zugleich. Sie erinnerte sich an den Verlust ihres Willens und die Fähigkeit „Nein“ zu sagen, an den Kampf gegen den absoluten Gehorsam der Schwestern und Priester während ihrer Zeit auf dem Weg zu Gott im Kloster.

Jetzt durfte ihr Körper nicht unter Stress geraten. Das Trauma musste zurückgehalten werden. Nur nicht in Panik geraten. Mia stand auf, ging in die Küche, goss Wasser in den Wasserkessel und ließ den Teebeutel: „Die Harmonie für Körper Geist und Seele“ in ihre Tasse gleiten. Sie erinnerte sich an ihre erste Kneipp-Kur mit dem Werbeslogan: „Aus der wohligen Ruhe neue Kraft schöpfen.“ Barfuß spazierte sie durch den Garten, ließ Wasser über ihr Gesicht rinnen und stellte ihre Füße für 20 Minuten in kaltes Wasser. Dann holte sie sich ihren Tee und ließ sich auf ihre Couch sinken, um die neuesten Nachrichten einzusaugen.

Die Krisenmanager der Regierung erschienen auf dem Bildschirm ihres Fernsehers. Die politischen Akteure gaben ihr Bestes.

Tränen stiegen in Mia hoch. Innerlich bedankte sie sich für deren Einsatz, ihren Mut, dem Gesundheitssystem den Vorrang zu geben. Die zarte Sicherheit und Hoffnung, ein Bett in der Klinik zu bekommen, falls das Virus sie erwischte, gab ihr Kraft.

Damals im Kloster hatte es niemanden gegeben, der auf ihre geistig-seelisch-körperliche Gesundheit geachtet hatte.

„Georg, wo bist du?“, rief sie in den ersten Stock hinauf. Keine Antwort. Sie öffnete die Eingangstür, um sich zu vergewissern, dass Georgs Auto da war. Es war weg.

Mias Ehemann und sein Auto waren weg.

Georg hatte das „Gaspedal“ durchgetreten, während sein „Motor im Kopf“ auf Hochtouren lief.

Mia kannte diese Momente von sich sehr gut. Kampf nach außen, Flucht nach innen. Innerlich ein Zustand wie in Trance, ein Erstarrungsreflex.

Flucht nach außen, die Suche nach einem sicheren Platz.

Mias Geschmacksnerven reagierten zufrieden auf den ersten Kontakt mit ihrem Tee. Eine zweite Tasse folgte. Sie stieg auf die „Bremse“. Ihr „Motor“ fuhr jetzt mit niedrigeren Touren. Niedrige Drehzahlen sind spritsparend – doch wer untertourig fährt, kann dem Motor schaden.

Schaden wollte sie sich in diesem Moment nicht. Sie musste ihre vielen Fragen loswerden und Antworten finden.

Die Wahl fiel auf Mimi.

Mimi wohnte gleich um die Ecke. Für Mimi war ihr momentanes Befinden immer wichtiger, als all die Befunde, Diagnosen, die Mia jemals serviert bekommen hatte.

Sie wählte Mimis Telefonnummer.

„Mimi, hast du Zeit? Kannst du einen Sprung vorbeikommen, es geht mir nicht gut.“

„Mach ich. Ich bin gleich da. Sorg gut für dich.“

Mia konzentrierte sich auf Mimis Besuch. Sie holte Saft und Sprudelwasser aus der Garage, Kekse und frische Erdbeeren.

Als Mia ihr die Tür öffnete, nahm Mimi sie in ihre Arme. Sie beobachtete genau, ob Mia wusste, wo sie in ihrer inneren Welt stand. Ob ihr „Überlebens-Ich“ aktiv war oder dieses von ihrem „Trauma-Ich“ verdrängt worden war.

Mimi kontrollierte Mias Blick, berührte mit der rechten Hand ihre Schulter. Da rollten Tränen über Mias Wangen.

„Gestern, am Morgen, da hat Georg noch gelacht. Er hat sich auf den Bauernmarkt gefreut. Er liebt die vielen Farben, Gerüche, die unterschiedlichen Dialekte der Bäuerinnen und Bauern. Wenn er von ihnen erzählt, strahlt er. Sie sind Kaufleute, wie er. Sie verstehen etwas von ihrem Geschäft. Singend war er aus dem Badezimmer gekommen, noch ohne Unterhose, aber im zart-rosa Button-down-Hemd, das er sich selbst gebügelt hatte. Eine Leidenschaft von ihm, die ich nicht teile. Es war zu früh und kein Kaffee da. Ich schlüpfte noch einmal unter die Decke und erinnerte Georg daran, dass er seine FFP2-Maske nicht vergessen darf.

,Ich bin ja kein Trottel!‘, schrie er mich an.

,Es könnte ja auch eine Liebesbotschaft sein, die ich dir zurufen möchte‘, brüllte ich zurück.

‚Deine Bemutterung halt ich nicht aus!‘

,Und ich halte deine tiefe Überzeugung, dass alle Menschen, vor allem ich, dir nur Böses wollen, nicht aus! Beklage dich bei denen, die dir Böses angetan haben, und lass mich in Ruh!‘

Ich schleuderte mich aus dem Bett, musste mich am Schreibtisch festhalten. Der Teppich unter meinen Füßen spielte ein gelb-grün-orangeschwarzes Farbenspiel. Das Bild an der Wand, eine Collage mit Unterwasserpflanzen, zog mich immer tiefer in meinen inneren Meeresboden hinab, in meine Sehnsucht, geliebt, gewürdigt zu werden.

Den Krach, den Georg verursachte, als er seine Schlafzimmertür zuknallte, erschreckte nicht nur ihn, sondern auch mich. So laut wollte er nicht sein, so unkontrolliert nicht agieren. Irgendetwas ging mit ihm durch.

Kindheitserinnerungen?

Nein, Ehemann einer Frau zu sein, die sich wehrte, die in gewissen Momenten stärker sein konnte als er.

Es gab kein Zurück. Seine inneren verletzten, aggressiven Helfer trieben ihn vorwärts.

,Ich halte es mit dir nicht mehr aus! Verschwinde!‘, brüllte er in die Eingangshalle, während er die Stiegen ins Parterre eilte.

‚Verschwinde du‘, kam meine prompte Antwort. Ein kurzes Zucken in Georgs Schultern und weg war er.“

Schluchzend wandte sich Mia an Mimi.

„Glaubst du, er kommt wieder?“

„Das glaube ich schon. Komm, wir lassen es uns in der Zwischenzeit gutgehen, wir gehen zu mir nach Hause. Ein ‚Tapetenwechsel‘ kann nicht schaden.“

In Mimis Wohnzimmer ließen sich beide auf die bequeme Sitzbank sinken.

Die grünen Hügel von gegenüber erstrahlten im Frühlingslicht. Gelbe Forsythien, ein Kirschbaum, der seine ersten Blütenblätter öffnete, lachte durch das Fenster.

„Die Muße“ von Picasso blickte von der gegenüberliegenden Wand auf sie.

Gelassenheit, loslassen, nichts tun, Zeit zum Sein, einfach nur Sein. Im Kontakt mit sich und dem Gegenüber sein, in Liebe verbunden.

„Kaffee oder Tee, worauf hast du Lust?“

„Einen Espresso, und du?“

„Ich auch. Möchtest du etwas zum Knabbern?“ „Ja, hast du was Süßes?“

Mimi kramte in ihrer Keks-Lade. Sie holte eine Jahrhundertwende-Silberschale aus dem Kasten und füllte sie mit verschiedenen Köstlichkeiten. „Stell dir vor“, begann Mimi, „unsere Familie hat über Nacht Nachwuchs bekommen.“

„Wie das?“

„Lucy, unsere Katze, hat in der Nacht in Birgits Bett, neben ihren Füßen, drei Kätzchen geboren.“

„Darf ich sie sehen?“

„Ja, komm, wir schauen, wie es ihnen geht.“

„Ein kleines Wunder.“

Mia erinnerte sich an Casper. Die Blätter tanzten im Wind, die Zweige und Äste schwangen sich ein oder aus. Ölbaumblätter, Föhren, Palmen, Zypressen, Feigen, Kiwi spendeten Schatten in der südlichen Sommerhitze. Nackt saß er damals auf Mias Oberschenkeln. Die weichen Ärmchen, Beinchen. Der Kuss auf das Köpfchen fühlte sich samtig an. Zartheit, Zärtlichkeit, Zauber der Natur. Vier Monate war er alt, Casper, der Erstgeborene von Louis und Marie. Er war ein Zauberkünstler. Haut auf Haut, Herz zu Herz im Sammelbecken der Liebe, wärmte er Mia. Die Temperatur stimmte, das Gefühl von Geborgenheit, des Vertrauens, der Zuwendung und des Geliebt-Seins hatten ihr damals geholfen, sich verbunden, geschützt, sich beschützt vor den Gefahren der Welt zu erleben.

Mimi zog ihre Denkerfalten hoch und dachte an ihre Kindheit. „Meine Mutter hat mir einmal erzählt, dass Katzenmütter sogar den Kot und den Urin ihrer Babys auffressen. Für mich war das Popo-Putzen der Kinder mit Papierwindeln schon eine Überwindung. Im Spiel mit den Kleinen können Katzenmütter aber ganz schön grob werden. Sie schnappen und beißen nach ihnen, dass es einem angst und bange wird.“

„Georg, verhält sich ähnlich“, meinte Mia.

Irgendwie war Mia auch stolz darauf, Georg mit seinem Macho-Gehabe, das sie gut von ihm kannte, konfrontiert zu haben. Haben wir überhaupt einen freien Willen? Wie hatte Ringel schon vor 100 Jahren gemeint: Nur wer sich selbst erkennt, wird reif für die Begegnung mit anderen.

„Erfolg ist nur das, was auch einem anderen zugute kommt“, meinte Mimi etwas...

Erscheint lt. Verlag 17.2.2022
Sprache deutsch
Themenwelt Sachbuch/Ratgeber
ISBN-10 3-99129-683-7 / 3991296837
ISBN-13 978-3-99129-683-6 / 9783991296836
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