Eine muss die Erste sein (eBook)

Wie ich zur Pionierin im deutschen Rettungsdienst wurde
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2022 | 1. Auflage
240 Seiten
Eden Books - ein Verlag der Edel Verlagsgruppe
978-3-95910-362-6 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Eine muss die Erste sein -  Doris Mayer-Frohn,  Waltraud Mayer
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»Wir brauchen hier keine Weiber« - von solchen Sprüchen ließ sich die junge Waltraud Mayer nicht entmutigen, als sie 1979 als eine der ersten Frauen in Deutschland in den Rettungsdienst einstieg. Aus der Perspektive der einzigen Frau auf der Rettungswache gibt sie Einblick in den Alltag im Rettungsdienst und räumt mit dem Klischee auf, Frauen seien für den Knochenjob nicht hart genug. Sie erzählt von ihren Anfängen, den Herausforderungen, die auf sie warteten, und den Hindernissen, die sie in der damals reinen Männerwelt überwinden musste. Für sie war das erste Mal am Steuer eines Rettungswagens zwar ein Sprung ins kalte Wasser, doch es fühlte sich an wie ein Sechser im Lotto. Über dreißig Jahre ist sie mit dabei, wenn im Landkreis Lindau und im Allgäu Not am Mann ist - bei Verkehrsunfällen, häuslichen Unglücken und sogar bei einem Tötungsdelikt mit internationalen Komplikationen, der später als »Im Namen meiner Tochter - Der Fall Kalinka« mit Sebastian Koch und Daniel Auteuil in den Hauptrollen verfilmt wurde. Heute steigt der Anteil an Frauen unter Notfallsanitäter*innen stetig - dank Vorreiterinnen wie Waltraud Mayer.

Doris Mayer-Frohn (geb. 1961) hat eine pädagogische Ausbildung absolviert und studierte Jura in Frankfurt. Sie lebt mit ihrem Mann in Bad Sachsa, arbeitet in einer pädagogischen Einrichtung als auch in einem Museum. Für »Eine muss die Erste sein« hat sie die Erinnerungen ihrer Mutter aufgeschrieben.

Doris Mayer-Frohn (geb. 1961) hat eine pädagogische Ausbildung absolviert und studierte Jura in Frankfurt. Sie lebt mit ihrem Mann in Bad Sachsa, arbeitet in einer pädagogischen Einrichtung als auch in einem Museum. Für »Eine muss die Erste sein« hat sie die Erinnerungen ihrer Mutter aufgeschrieben. Im Jahr 1979 wagte sich Waltraud Mayer (geb. 1944) in eine Männerdomäne vor. Über dreißig Jahre übte sie den Knochenjob einer Fahrerin im Unfallrettungsdienst und Krankentransport aus. Sie war die erste Rettungsdienstmitarbeiterin, die der Kreisverband Lindau unter Vertrag nahm, und gehörte zu den ersten Frauen überhaupt, die hauptamtlich im Bayerischen Roten Kreuz eingestellt wurden. Waltraud Mayer hat drei erwachsene Kinder und lebt am Bodensee.

On tour


In meiner ehrenamtlichen Zeit war ich über weite Strecken mit dem Krankentransportwagen (KTW) unterwegs. Bei diesen Fernfahrten beförderten wir Patienten, um sie von Krankenhaus zu Krankenhaus zu verlegen, oder wir überführten kranke Urlauber sicher und schnell in ihre Heimatstädte. Ich kann mich nicht mehr an die Anzahl dieser Einsätze erinnern, aber da kamen im Laufe der Jahre einige Kilometer zusammen. Auf solchen Fahrten erlebt man nahezu alles, und es sind vor allem die außergewöhnlichen Ereignisse, die man nicht mehr vergisst. Manchmal wusste man nicht, ob man lachen oder weinen sollte.

Eine Fahrt mit Hindernissen hatten wir zu bewältigen, als wir einen Patienten von einer Rehaklinik mit dem KTW nach Wesselburen bringen sollten, eine Stadt in Schleswig-Holstein, etwa hundert Kilometer nördlich von Hamburg gelegen. Wir brachen am frühen Morgen auf. Bei dieser etwa tausend Kilometer weiten Strecke wechselten Heinz und ich uns mit dem Fahren ab. Wir waren schon seit über fünf Stunden unterwegs und hatten den Platz bereits getauscht. Heinz saß am Steuer, während ich hinten den Patienten betreute. Plötzlich, auf der A7 kurz hinter Hannover, rief Heinz: »Herrgott, das Auto reagiert ganz anders. Ich glaube, ich muss rechts ranfahren, Waldi. Da ist etwas mit den Reifen.«

Mir schwante nichts Gutes. Allerdings hatten wir keinen Knall oder andere Geräusche gehört, was aber auch kein Wunder war, diese Autos waren nicht leise. Heinz hielt mit eingeschalteter Warnblinklichtanlage und Blaulicht auf dem Seitenstreifen. Dann stieg er aus, um den Schaden zu begutachten. »Hinten rechts ist der Reifen geplatzt«, verkündete er angespannt, nachdem er die Heckklappe geöffnet hatte. »Es bleibt uns nichts anderes übrig, wir müssen das Rad wechseln.«

Dazu mussten wir allerdings erst einmal die Trage mitsamt dem Patienten aus dem Wagen befördern. Auf der viel befahrenen Autobahn kein ungefährliches Unternehmen.

»Wir bringen Sie kurz an die Luft«, erklärte ich dem Mann.

Er sah mich nur an und sagte nichts. Allerdings machte er große Augen, als wir ihn mit der Trage aus dem Fahrzeug brachten und so nahe wie möglich an die Leitplanke schoben. Wir befanden uns in einem gefährlichen Umfeld, Autos und Lastwagen rauschten an uns vorbei, und ich hoffte sehr, dass uns die Panne nicht lange aufhalten würde. In diesem Moment stoppte ein Autofahrer zehn Meter hinter uns und stieg aus. »Guten Tag«, grüßte er, »kann ich behilflich sein?«

»Gern«, antwortete Heinz. »Wir haben eine Reifenpanne.«

Der Mann holte sein Bordwerkzeug einschließlich Radkreuzschlüssel und Wagenheber aus seinem Kofferraum. Heinz wollte ihm helfen, aber er winkte nur ab. »Lassen Sie mich mal machen.«

In kürzester Zeit befreite er das Ersatzrad aus seiner Halterung, bockte das Auto mit dem Wagenheber auf, löste die Schrauben des defekten Rades und montierte das Ersatzrad. »Fertig«, meinte er und zog die Muttern fest.

Heinz musste nur noch das platte Rad verstauen. Wir strahlten beide. »Vielen Dank«, sagten wir anerkennend und verabschiedeten uns mit einem herzlichen Händedruck.

Er lächelte. »Keine Ursache.«

Wir waren schwer beeindruckt von diesem hilfsbereiten Menschen.

Nun konnte es weitergehen Richtung Norden. Der Patient, der auf der ganzen Fahrt noch kein Wort gesprochen hatte, schlief, und ich döste vor mich hin. Ich war ganz in Gedanken versunken, als auf der Hamburger Stadtautobahn völlig unerwartet die Heckklappe aufging. Der Schreck war groß. Auch das noch!

»Oh nein«, schrie ich. »Heinz, die Klappe ist auf!«

»Mist, ich kann hier nirgends anhalten.«

Die Strecke war stark befahren, hatte nur zwei Fahrbahnen und keinen Standstreifen. Heinz drosselte das Tempo, und ich packte mit beiden Händen die Trage, in der Angst, der Patient könnte mir auf die Straße rutschen. Der alte Herr verspürte den Luftzug der offenen Tür und wachte auf. Mit wässerigen Augen sah er mich entsetzt an.

»Es ist alles nicht so schlimm«, beruhigte ich den Patienten. »Ich halte Sie!«

Nach einer Viertelstunde konnten wir aufatmen. »Da ist eine Ausfahrt«, rief Heinz erleichtert und blinkte. »Ich suche eine Stelle zum Anhalten.«

Er bremste ab und nahm mit verringerter Geschwindigkeit die unübersichtlichen Kurven. Meine Knöchel waren schon weiß vom Umklammern der Trage, und ich schwitzte Blut und Wasser. Auf einem Autohof stieg Heinz aus dem Wagen und knallte die Heckklappe zu. Zum Glück blieb sie auf dem Rest des Weges geschlossen.

Endlich waren wir am Ziel unserer Reise angekommen. Wesselburen lag vor uns, auf dem flachen Land schon von Weitem zu sehen. Der Ort lag eingebettet in Wiesen und Felder, umgeben von Streuobstbäumen. Die Hauptstraße führte uns direkt zum Marktplatz ins Zentrum. Vor der stimmungsvollen Kulisse einer Kirche standen unzählige Menschen. Sie winkten und jubelten uns zu, als sie auf uns aufmerksam wurden.

»Was ist denn hier los?«, fragte ich verblüfft und winkte aus dem offenen Seitenfenster zurück.

»Da wird gerade ein Film gedreht«, sagte Heinz. »Schau mal, Waldi, da sind die Kameras.«

Ich lachte, und als wir langsam an der Szenerie vorbeifuhren, fiel niemandem auf, dass unser Einsatz nicht geplant war – die Zuschauer dachten, wir gehörten als Darsteller dazu. Das fanden wir amüsant.

Wir bogen in die nächste Straße ein und parkten vor einer Apotheke. Das Apothekerehepaar erwartete uns bereits und begrüßte uns mit Handschlag. Sie freuten sich, ihren Vater unbeschadet in Empfang nehmen zu können.

Dann gönnten wir uns erst mal eine Mahlzeit. Wir aßen in dem Hotel, in dem wir eigentlich Zimmer für die Übernachtung reserviert hatten. Weil es erst früher Nachmittag war und es lange hell bleiben würde, entschieden wir, die Heimfahrt gleich anzutreten. Die Wirtsleute hatten nichts dagegen. So beendeten wir unser verspätetes Mittagessen, verließen das Lokal und stiegen wieder in den Wagen. Wir fuhren auf dem gleichen Weg zurück. Auf der A7, in Höhe Kirchheim, waren wir hundemüde und übernachteten in einem Motel.

»Das war eine Fahrt mit Überraschungen«, sagte ich gut gelaunt, als wir am nächsten Tag weiterfuhren.

»Kann man wohl sagen«, lachte Heinz.

Da kam mir eine andere Reise in den Sinn, eine, zu der ich absolut unerwartet gekommen war.

Wenn Rotkreuzler reisen


Es wurde großer Wert darauf gelegt, dass alle Mitglieder, Frauen wie Männer, an den BRK-Kolonnenabenden teilnahmen. Jeden Montag trafen wir uns, um unser Können und Wissen zu verbessern beziehungsweise auszubauen und gemeinsame Zeit zu verbringen. Einen dieser Abende werde ich nie vergessen.

Zu diesem Zeitpunkt war ich schon seit gut einem Jahr im RTW unterwegs und gut im Team der Männer integriert. Mein Mann und ich trafen pünktlich um neunzehn Uhr im großen Unterrichtssaal des Rotkreuzhauses ein. Ich kann mich nicht mehr erinnern, wie viele Mitglieder anwesend waren, aber der Raum war voll besetzt. Nachdem man sich begrüßt hatte, setzten wir uns und warteten darauf, dass die Veranstaltung begann. Paul, der Wachleiter, eröffnete die Versammlung. An diesem Tag hatten wir Besuch von einem Mediziner. Nachdem Paul den Arzt vorgestellt hatte, begann dieser mit einem Lehrvortrag. Das genaue Thema habe ich leider vergessen, aber ich erinnere mich, dass im Anschluss einige Fragen und eine kurze Diskussion folgten.

Der Abend näherte sich bereits dem Ende, als der Wachleiter aufstand. »Ein Programmpunkt ist noch offen«, verkündete er und schaute feierlich in die Runde. »Manche von euch stecken überdurchschnittlich viel Zeit in diese ehrenamtliche Tätigkeit, ohne dafür entlohnt zu werden.«

Nun hatte er alle Blicke und sämtliche Aufmerksamkeit auf sich gezogen.

»Ich habe eine gute und eine schlechte Nachricht«, fügte er fröhlich hinzu. »Um zu zeigen, wie wichtig das Ehrenamt für die Gesellschaft ist, und den freiwilligen Helfern zu danken, möchte Dr. Franz Heubl, unser bayerischer Minister für Bundesangelegenheiten, einen großen Empfang in der Bayerischen Landesvertretung in Bonn geben. Zu diesem dreitägigen Ereignis werden stellvertretend je zwei Vertreter der örtlichen Hilfsorganisationen eingeladen. Um der Gerechtigkeit willen möchte man vom Roten Kreuz eine Frau und einen Mann teilnehmen lassen.« Er machte eine bedeutungsvolle Pause. »Das Los soll entscheiden.«

Ein Raunen ging durch die Reihen. »Du meine Güte, das ist ja toll«, sagte jemand neben mir.

Von weiter hinten hörte man eine Stimme: »Ich war noch nie in Bonn.«

Die Stimmung wurde schlagartig ausgelassen und heiter. Jeder hoffte auf sein Glück bei der Auslosung. Auch ich ließ mich von der Woge der Begeisterung anstecken.

»Ich bitte um Ruhe, damit wir fortfahren können«, sagte Paul. »Ich schlage vor, dass sich Frauen und Männer zusammensetzen.«

Großes Stühlerücken setzte ein, bis sich Frauen und Männer an dem langen Tisch gegenübersaßen. In der Zwischenzeit wurden Zettel gekennzeichnet, gefaltet und in zwei Körbe verteilt. Ungeduldig warteten wir, bis es endlich losging.

In meiner Reihe wurde angefangen zu ziehen. Meine Sitznachbarin griff in das Körbchen und faltete das Stück Papier sorgfältig auseinander. »Leider eine Niete.« Enttäuscht riss sie das Los entzwei. Ich war als Zweite dran. Ohne hinzusehen, fasste ich einen der Zettel. »Volltreffer!« Die Glücksfee meinte es gut mit mir, ich hatte einen der beiden begehrten Plätze gezogen.

Zu meiner Verblüffung stieß mein Losglück bei den Frauen auf wenig Zustimmung. Sie hatten mir meinen Wechsel...

Erscheint lt. Verlag 4.2.2022
Verlagsort Hamburg
Sprache deutsch
Themenwelt Sachbuch/Ratgeber Geschichte / Politik Politik / Gesellschaft
Sozialwissenschaften Politik / Verwaltung
Schlagworte 1970er • 70er • 70er-Jahre • Allgäu • Bayern • Berufsmemoir • Bodensee • Buch • Eden Books • Erfahrungen • Erfolgsgeschichte • Erinnerungen • erste Frau • female empowerment • Feminismus • Frauenpower • Frauenquote • Generationen • Historische Erzählung • Im Namen meiner Tochter • Knochenjob • Krankenhaus • Krankentransport • Krankenwagen • Lindau • Männerdomäne • Medizin • Memoir • Notfall • Notfallhilfe • Repräsentation • Rettung • Rettungsdienst • Rettungssanitäterin • Sachbuch • Sanitäter • Tatsachen • Tatsachenbericht • Unfallrettung • Unfallrettungsdienst
ISBN-10 3-95910-362-X / 395910362X
ISBN-13 978-3-95910-362-6 / 9783959103626
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