Der Depression davongelaufen -  Sebastian Thiel

Der Depression davongelaufen (eBook)

Ich will doch nur durchkommen
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2021 | 2. Auflage
140 Seiten
Books on Demand (Verlag)
978-3-7557-4705-5 (ISBN)
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Seit mehr als 30 Jahren ist Sebastian Thiel Marathonläufer und Triathlet. Fast von Beginn an berichtet er in Briefen an einen Freund von seinen Wettkämpfen; angefangen von einem Extremlauf über knapp 70 Kilometer in den Schweizer Bergen, über Ironman-Triathlons bis hin zu Teilnahmen am Triple-Ultra-Triathlon, bei denen er 11,4 Kilometer schwamm, 540 Kilometer Rad fuhr und 126,6 Kilometer lief. In den Briefen schreibt Sebastian Thiel nicht nur über die sportlichen Aspekte wie Zeiten und Platzierungen, sondern mehr auch über sehr persönliche Dinge, die ihn zur Teilnahme an diesen extremen Ausdauerbelastungen motivieren. Im vorliegenden Bericht schreibt er über seine Vorbereitung und Teilnahme am Deutschlandlauf. Allerdings erkrankte er in der Vorbereitung an einer Depression, so dass der Lauf und das Laufen im Allgemeinen erstmal in den Hintergrund rückten.

Sebastian Thiel lief 1989 mit 14 Jahren seinen ersten Marathon. Drei Jahre später nahm er zum ersten Mal an einem Triathlon teil und absolvierte seinen ersten Ultralauf. Mit 18 Jahren war er in der Welt der Extremsportler angekommen, lief Jahr für Jahr Marathons und nahm an Ironman-Triathlons teil. Bis heute (Dezember 2021) ist er 124 Mal mindestens die klassische Marathondistanz innerhalb eines Wettkampfes gelaufen. Zu seinen größten Erfolgen gehören die Teilnahmen an Double- und Triple-Ultra-Triathlons.

Nach der Depression

Berlin, den 11. Mai 2020

Lieber B.!

Was für ein geiler Lauf! 13 Kilometer, ohne einmal auf die Uhr zu gucken. Am Ende ein sehr passabler Schnitt für meinen derzeitigen Trainingszustand und fünf Minuten schneller, als ich mir zwischendurch überlegt hatte. Das ganze bei acht Grad und Regen. Mitte Mai.

Über alles, was sich sonst ereignet hat, hoffentlich bald mal mehr. Aber 13 Kilometer im Regen einfach nur laufen und genießen: Ich bin schon wieder nah dran an dem, was ich will und was mich glücklich macht.

Dein S.

Berlin, den 19. Mai 2020

Sei geduldig mit dir selbst!

Berlin, den 8. Juni 2020

Lieber B.!

Ich erinnere mich, dass ich Dir 1997 während meines Zivildienstes aus Usingen geschrieben habe, dass mich einige Ereignisse, die auf der Welt geschehen in einer Art und Weise erschüttern, dass man sie nicht nahe an sich heranlässt, um sie überhaupt ertragen zu können. Aus diesem Grund verblassen sie dann und das Erinnern an sie fällt schon nach kurzer Zeit schwer. Aber das schlechte Gewissen plagt einen, und um einerseits gegen sein eigenes schlechtes Gewissen anzukommen und um andererseits auch mit diesen Dingen klarzukommen, muss man schwimmen, Rad fahren und laufen so weit und so lange es überhaupt geht.

Das jüngste Ereignis in dieser Hinsicht ist die Corona-Krise, das Covid-19-Virus oder wie auch immer man das alles, was seit gut drei Monaten passiert, bezeichnet. Ich glaube, aus diesem Grund habe ich Dir so wenig geschrieben, obwohl sich doch in meinem (sportlichen) Leben einiges getan hat.

Wenn ich Dir schreibe, sollte ja immer ein sportliches Ereignis im Mittelpunkt stehen. Eines davon habe ich letzte Woche zusammen mit Rupert erlebt. Wir haben eine dreitägige Deutschland-Tour auf dem Fahrrad unternommen. Im Herbst hatten wir uns unterhalten, was wir in diesem Jahr zusammen machen könnten. Letztes Jahr sind wir beim Spreewald-Radmarathon über 200 Kilometer mitgefahren, im Jahr davor beim Rennen Eschborn-Frankfurt durch den Taunus. Da es wegen der Corona-Krise solche Rennen zurzeit nicht gibt und auch im Hinblick auf meinen Lauf, schlug ich vor, in drei Tagen von Berlin nach Walldorf zu unserer Schwester zu fahren. 600 Kilometer aufgeteilt in Etappen à 250, 200 und 150 Kilometer.

Wochenlang hatten wir bestes Wetter, aber für unsere drei Tage war schlechtes Wetter vorausgesagt. Trotzdem starteten wir am Donnerstag zur ersten Etappe. An den Rennrädern hatten wir nur eine Satteltasche, in der Wäsche für den Abend war. Die Radklamotten wollten wir abends auswaschen und hofften, dass sie am nächsten Tag wieder trocken sein würden.

Die Voraussetzungen konnten ungleicher nicht sein. Schon bei den Radrennen in den letzten beiden Jahren war Rupert deutlich schneller als ich gewesen. Nun aber war das Ungleichgewicht durch meine Krise noch erheblicher. Im Januar, als ich meinen ersten vorsichtigen Lauf über 4,4 Kilometer gemacht hatte, unternahm ich am nächsten Tag eine kleine Radtour. Ich fuhr auf dem Mauerweg einmal am Teltowkanal hin und zurück. Da kann nicht viel passieren. Aber mich kostete es schon enorm viel Kraft, nur geradeaus zu fahren. Ein paar Mal war ich so unsicher, dass ich stehen bleiben wollte, bevor ich mit dem Rad umfiel. Doch ich überwand mich. Denn ich hatte das Gefühl, wenn ich es nicht schaffte, mit dem Rad einfach nur ein Stück geradeaus hin- und zurückzufahren, dann würde ich in Zukunft noch viel mehr Probleme im Alltag und mit allem haben. So fuhr ich an diesem Tag im Januar 15 Kilometer in einem Schnitt von 22 km/h. Du weißt, ab Ende Januar ging es wieder aufwärts, aber bis in den März hinein setzte ich mich trotzdem nur auf den Hometrainer. Ende März und Anfang April fuhr ich dann jeweils etwas über 20 Kilometer in einem ähnlichen Schnitt, war aber immer noch sehr unsicher und wacklig auf dem Fahrrad. Danach traute ich mich das erste Mal, mit dem Rennrad zu fahren. So trafen Rupert und ich uns auch zu Ostern bei unseren Eltern. Ich war von zu Hause aus dorthin gefahren und stolz auf die Radtour über 35 Kilometer in einem Schnitt von etwa 26 km/h, während er am Vormittag eine 90-Kilometer-Radtour mit einem Schnitt von über 30 km/h unternommen hatte.

Also blieb ich in seinem Windschatten, als wir um sechs Uhr starteten. Wir hatten Glück, denn am Donnerstag regnete es noch kaum. Wir kamen bis zur Elbe gut voran, machten zweimal eine etwas längere Pause und erreichten Sömmerda nach 248 Kilometern mit einer Fahrzeit von 9:47 Stunden. Das Bier abends schmeckte hervorragend.

Am Freitag aber schafften wir unser Soll nicht. Statt bis in den Spessart nach Steinau an der Straße kamen wir nur bis Roßbach. Statt 200 Kilometer fuhren wir nur 150, brauchten dafür aber auch fast sieben Stunden, denn es regnete oft und war maximal 15 Grad warm. Sicherlich spielte auch meine Fitness eine Rolle, aber die äußeren Umstände machten es uns eben auch nicht leicht. Um dann am Samstag bei unserer Schwester in Walldorf pünktlich einzutreffen, fuhren wir morgens mit dem Zug bis Frankfurt und von dort noch einmal 100 Kilometer, für die wir etwas mehr als viereinhalb Stunden unterwegs waren.

Wenn ich an die ersten flachen Kilometer bis zur Elbe denke und dann an die Weinberge rund um Heidelberg, habe ich schon einen kleinen Eindruck einer Deutschlandreise. Insofern war es auch eine schöne Testfahrt im Hinblick auf den Deutschlandlauf. Aber zum Glück habe ich auch noch über ein Jahr Zeit, um fitter zu werden.

Dein S.

Berlin, den 23. Juni 2020

Lieber B.!

Gestern habe ich das Ergebnis der Wiederholung meines Langzeit-EKGs erhalten. Wenn Du Dich erinnerst, im Februar wurde es gemacht, und es hatte Anzeichen für ein Vorhofflimmern gegeben. Nicht schlimm, aber wenn man gerade mit dem Kopf nicht auf dem Höchststand ist, belastet es. Die Tage bis zur Wiederholung im April habe ich gezählt. Dann kam der Anruf, dass das Langzeit-EKG wegen der Corona-Krise verschoben werden muss. Nun hatte ich letzte Woche endlich den Termin und in den Tagen zwischen Messung und Auswertung war der Kopf doch wieder schwer belastet. Man weiß erst, wie fit man mental ist, wenn man es nicht mehr ist. Aber zu guter Letzt ist jetzt alles in Ordnung. Es war kein Vorhofflimmern mehr zu erkennen und es gibt keinen Verdacht mehr darauf. Da jetzt auch meine Therapeutin drei Wochen im Urlaub ist, habe ich mal drei Wochen keinen Termin wegen Gesundheit oder Psyche. Ich hoffe, ich feiere das bald mit dem ersten Marathon des Jahres.

Dein S.

Berlin, den 6. Juli 2020

Lieber B.!

Gestern bin ich zum ersten Mal im Training einen Marathon gelaufen. Davor war ich außerhalb eines Wettkampfes nie weiter als 36 Kilometer gelaufen, auch nicht in Vorbereitung auf einen Ultralauf. Es war aber nicht nur mein erster Trainingsmarathon, sondern auch mein erster Marathon nach der Depression, dem Burn-out, der Angststörung oder was auch immer es war und immer noch ist.

Die Etappen der Radtour vor vier Wochen mit Rupert hatten wir auf komoot geplant. Dieses Planen habe ich danach auch fürs Laufen übernommen. Statt immer wieder die gleichen Strecken zu laufen, bin ich dadurch vor zwei Wochen zum ersten Mal 25 Kilometer über Grünau, Schmöckwitz und Eichwalde gelaufen. Diese Runde hatte ich auf 21 Kilometer verkürzt, damit Anja mich in der zweiten Runde mit dem Fahrrad von zu Hause aus begleiten konnte. Letztes Wochenende war ich 30 Kilometer gelaufen und wegen der Hitze morgens um 6 Uhr gestartet. Gestern sollte es zwar auch 27 Grad werden, aber bewölkt bleiben, sodass ich acht Uhr als Startzeit wählte. Ende November, kurz vor meiner Krise, hatte ich mir übrigens in Anbetracht der Dinge, die ich mir für die nächste Zeit vorgenommen habe, einen Trinkrucksack gekauft. Zum ersten Mal benutzt habe ich ihn allerdings erst vor drei Wochen.

Bevor ich den Trinkrucksack dann fertig machte, aß ich ein Brötchen und trank eine Tasse Kaffee. Außerdem nahm ich vier Gels mit. Anja sollte später Iso, Cola und Bananen dabeihaben. Ich war bereit und startete komoot auf dem Handy, welches ich dann in einer Tasche am rechten Arm verstaute. Außerdem startete ich LiveTrack an meiner neuen Laufuhr, damit Anja wusste, wo genau ich mich immer befand. Punkt acht Uhr stand ich schließlich vor der Haustür und begann meinen Marathon.

Manchmal allerdings ahnt man schon beim Umziehen, dass es kein optimaler Tag wird. Mit den ersten Schritten kann sich das zwar auch geben, aber in der Regel wird es eher bestätigt. Meine neue Laufuhr meldet auf dem ersten Kilometer meinen sogenannten Leistungsstand. Ob ich das nach 30 Laufjahren brauche, ist eine andere Frage. Jedenfalls schwankte diese Zahl in den vorangegangenen zehn Läufen, die ich mit dieser Uhr gemacht hatte, zwischen null und plus zwei, was bedeutet, dass ich okay bin. Gestern vermeldete sie dann minus vier. So beschissen, wie minus vier es meiner Meinung nach ausdrückt, fühlte ich mich aber eigentlich gar nicht. Kopflastig ist das dann schon. Noch vor dem Loslaufen hatte ich überlegt, auf meinen Puls zu gucken. Doch da ich ohnehin nicht das beste Gefühl hatte, ließ ich es sein. Nun hatte ich also doch eine Kopflast.

Nach dem ersten Kilometer lief ich durch eine Kleingartenanlage zum Teltowkanal. Zwei Läufer begegneten mir und grüßten...

Erscheint lt. Verlag 28.12.2021
Sprache deutsch
Themenwelt Sachbuch/Ratgeber Sport
ISBN-10 3-7557-4705-7 / 3755747057
ISBN-13 978-3-7557-4705-5 / 9783755747055
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