Im Dorf der Schmetterlinge (eBook)

Vom Aufbruch in mein bestes Leben - Eine Erzählung | »Nur wer sich selbst kennt, wird auch sein bestes Leben finden!« Michaela Wiebusch
eBook Download: EPUB
2022 | 1. Auflage
208 Seiten
dtv Deutscher Taschenbuch Verlag
978-3-423-44072-1 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Im Dorf der Schmetterlinge -  Michaela Wiebusch,  Rita Erz
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Die Nacht, die alles veränderte Eigentlich geht es Jule gut - wären da nicht die Wechseljahre. Nacht für Nacht liegt sie wach, kämpft mit Hitzewallungen, den Ansprüchen an sich selbst und ihrer Angst vor dem Altern. Nach einem heftigen Streit mit ihrem Mann schläft Jule erschöpft ein und erwacht an einem Bach. Ein Wegweiser verheißt »Mein bestes Leben«  und sie beschließt, diesem Weg zu folgen. In einem Dorf trifft sie auf außergewöhnliche Bewohner, die ihr dabei helfen, mehr über sich selbst herauszufinden. Sie begegnet prächtigen Schmetterlingen und panischen Angsthasen, wird konfrontiert mit ihren Sorgen, Ängsten und Sehnsüchten. Von da an hat Jule neuen Mut und Schwung. Sie sieht nun vieles anders. Und sie weiß jetzt, wie sie ihr neues Leben angehen muss.

Michaela Wiebusch, 1971 geboren, ist Schauspielerin ( >Stauffenberg<, >Zerv - Zeit der Abrechnung<, >Ein starkes Team<, >Wochenendrebellen<), Psychologische Beraterin und Paarberaterin. Sie lebt mit ihrer Familie in Berlin.

Michaela Wiebusch, 1971 geboren, ist Schauspielerin ( ›Stauffenberg‹, ›Zerv - Zeit der Abrechnung‹, ›Ein starkes Team‹, ›Wochenendrebellen‹), Psychologische Beraterin und Paarberaterin. Sie lebt mit ihrer Familie in Berlin.

Die Nacht


Ich wachte auf und wusste im ersten Moment nicht, ob ich überhaupt schon geschlafen hatte. Die Stille und die Dunkelheit waren so vollkommen, dass sie mir fast den Atem raubten. Eine Hitzewelle schoss durch meinen Körper, und der Schweiß trat mir auf die Stirn. Ich warf die Bettdecke zurück und hoffte, der laue Sommerwind, der durch das offene Fenster strich, würde mich ein wenig erfrischen. Doch im nächsten Moment fröstelte mich. Rasch zog ich die Decke wieder hoch bis zur Nasenspitze. Seit Wochen ging das nun so. Ich wachte fast immer zur gleichen Zeit auf und fand bis in die frühen Morgenstunden keinen Schlaf mehr.

Manchmal lag ich bis zum Klingeln des Weckers wach und starrte stundenlang an die Decke, während mir die immer gleichen Gedanken durch den Kopf schossen. »Was bringt die Zukunft? Was wird aus Stefan und mir? Was aus Tilda? Hoffentlich passiert unserer Tochter nichts in Kanada. Was wird aus der Menschheit in Anbetracht der vielen Katastrophen? Was ist mit meinem Beruf? Wie lange braucht man mich noch? Bin ich womöglich schon in absehbarer Zeit überflüssig?« Ich fühlte mich so hilf- und schutzlos, so zerbrechlich, wie ich in solchen Momenten auch mein Leben und manchmal gar die ganze Welt empfand. Woran glaubte ich eigentlich? Wer war ich? Mir fiel auf, dass ich mir fremd geworden war, wenn ich mich überhaupt jemals wirklich gekannt hatte. Wo wollte ich mit meinem Leben noch hin?

Als ich nun in jener lauen Sommernacht wach lag, dachte ich an den vergangenen Abend, an den Streit mit Stefan. Es war nicht der erste in den letzten Monaten gewesen, aber der vielleicht heftigste. Meine Dünnhäutigkeit hatte dieses Mal das Fass zum Überlaufen gebracht.

»Du kümmerst dich hier um nichts«, hatte ich Stefan nach einem längeren Wortgefecht vorgeworfen. »Und dir fällt auch nicht auf, was ich hier alles leiste. Weil es dich nämlich nicht interessiert. Ganz zu schweigen davon, dass ich nie auch nur ein Dankeschön von dir dafür bekomme.«

Er reagierte verletzt und einsilbig. »Und was ist mit mir? Mir dankt ja auch keiner.« Danach war er wütend auf sein Rennrad gesprungen und einfach davongerauscht. Er hatte das Radfahren kurz nach dem Fünfzigsten für sich entdeckt, und inzwischen war aus dieser Passion fast so etwas wie eine Manie geworden. In fast jeder freien Minute saß er auf dem Sattel. Bisher hatte er das Rad allerdings noch nie benutzt, um vor mir zu fliehen.

Traurig war ich allein zurückgeblieben und hatte den ganzen Abend weinend verbracht. Früher war er bei solchen Gelegenheiten in seinem Zimmer verschwunden. Er musste in dieser Nacht erst spät nach Hause gekommen sein, denn als ich ins Bett ging, war er noch nicht wieder zurück.

Beunruhigt richtete ich mich auf und tastete nach seinem Körper, um erleichtert festzustellen, dass er neben mir lag. Manche Männer, die nach einem Streit das Haus verlassen haben, sollen ja nie wieder zurückgekommen sein. Traute ich Stefan so etwas wirklich zu? Kannte ich ihn gut genug, um das beurteilen zu können? Kannte man einen Menschen jemals gut genug?

Meine suchende Hand weckte ihn kurz auf.

»Was ist los? Kannst du nicht schlafen?«, nuschelte er und drehte sich, ohne meine Antwort abzuwarten, auf die andere Seite.

Gleich danach hörte ich seine regelmäßigen Atemzüge. Er war eingeschlafen. Aber er war wieder da. Immerhin.

Ich spürte die Erleichterung, aber auch den leisen Ärger darüber, dass er unseren Streit offenbar schon vergessen hatte, denn sonst hätte er sich schließlich nicht einfach umgedreht und selig weitergeschlummert, während ich keine Ruhe fand. Typisch, ich war mal wieder diejenige, die sich alles zu Herzen nahm, während er nur eine Runde mit dem Rad drehen musste, um sich abzureagieren.

Ich fragte mich, wohin er im Dunkeln wohl gefahren war, und dabei durchzuckte mich der Gedanke, dass Stefan ein Verhältnis haben könnte. »Absurd«, dachte ich. Oder war die Idee doch nicht so absurd? Gab es da etwas, das ich nicht wusste? Eine andere, eine jüngere Frau? War seine Leidenschaft für den Radsport nur vorgeschoben, um eine ganz andere, verborgene Leidenschaft zu vertuschen?

Ich spürte Panik in mir aufsteigen, und mein Herz klopfte so laut, dass es meine Angst, schon bald vor den Trümmern unserer Ehe zu stehen, wie wild befeuerte. Ich ging ins Bad und ließ mir kaltes Wasser übers Gesicht laufen, um mich zu beruhigen. Das Wasser tat gut, der Blick in den Spiegel eher nicht. Die durchwachten Nächte hatten Spuren hinterlassen. Mein Gesicht sah müde und abgeschlafft aus. Die Haut: fahl und glanzlos. Die Lider: schwer und dunkel gerändert.

Ich ließ den Kopf hängen. War meine Ehe am Ende? Hatte Stefan meine ständige Gereiztheit nun endgültig satt? War ich für ihn nur noch eine Belastung? Unentspannt und unattraktiv, am Ende gar unerträglich?

Andererseits traf nicht mich allein die Schuld daran, dass wir in letzter Zeit öfter stritten. Stefan interessierte sich nicht mehr so für mich wie früher. Ständig wich er mir aus. Meine Sorgen und Gedanken wollte er überhaupt nicht hören. Und wenn es um ihn ging, dann hüllte er sich in Schweigen. Er ließ mich an seinem Leben kaum mehr teilhaben. Das, was uns früher einmal verbunden hatte, ein reges Interesse aneinander, aber auch ein stilles Verstehen, war vom Alltag geschluckt worden. Es war, als würden wir nicht mehr in die gleiche Richtung schauen.

An schlechten Tagen dachte ich sogar, er würde mich nicht mehr lieben. Schlimm war, dass ich das an meinen noch schlechteren Tagen sogar irgendwie nachvollziehen konnte. Wenn ich in den Spiegel blickte, dann mochte ich mich selbst auch nicht mehr sonderlich. Ein müdes und abgekämpftes Gesicht schaute mich an. Ich kam mir alt, verbraucht und irgendwie schwer vor.

Reflexhaft griff ich in den Spiegelschrank und kramte die Schachtel Baldriantabletten hervor, ein leichtes, rein pflanzliches Beruhigungsmittel, das ich seit zwei Monaten immer nahm, wenn ich nicht schlafen konnte – also eigentlich jede Nacht. Allerdings ließ es allmählich in seiner Wirkung nach. Ich musste nun schon mehrere Tabletten auf einmal nehmen, um innerlich ruhiger zu werden.

Ich hielt inne. Wollte ich das wirklich? Immer mehr davon nehmen, bis ich schließlich zu den harten Schlafmitteln greifen musste? War das die Lösung? Gab es überhaupt eine Lösung?

Ich fühlte mich von Stefan ungeliebt und unverstanden. Wir waren hilflos, sprachlos, und ich wusste nicht einmal, warum oder seit wann das so war. Wir lebten nur noch nebeneinander her, jeder für sich, zwei einsame Inseln. Und wir waren nicht in der Lage, an unsere glücklichen Zeiten anzuknüpfen. So hatte ich mir mein Leben nicht vorgestellt.

Ich setzte mich auf den Toilettendeckel, lehnte die Stirn an das kühle Waschbecken und atmete tief ein und aus, als könnte ich meine Gedanken wegpusten. Bisher hatte ich eine Ehekrise immer für etwas gehalten, das andere betraf, aber nicht mich selbst. Wieder kamen mir die Tränen. Die Tabletten hielt ich immer noch in meiner verschwitzten Hand.

Mit dem Auszug von Tilda war es zwischen mir und Stefan schwieriger geworden. Das war vor etwas mehr als zwei Jahren gewesen, als unsere Tochter zum Studieren nach Kanada gegangen war. Ausgerechnet Kanada. Es war klar, dass wir sie fortan nur noch einmal im Jahr zu sehen bekommen würden, wenn überhaupt. Ich hatte mich in die Arbeit gestürzt, um das Loch zu stopfen, das in meinem Leben entstanden war. Es kam mir vor wie gestern, dass ich mit meinem Kind im Sandkasten gespielt hatte. Fast zwanzig Jahre lang stand Tilda im Mittelpunkt unseres Lebens. Wir lachten mit ihr, wenn sie sich freute, wir litten mit ihr, wenn es ihr nicht gut ging. Mit ihr und durch sie sahen wir die Welt mit anderen Augen. Wir fühlten uns ebenso jung und lebendig wie unser Kind. Wir waren ein glückliches Kleeblatt.

Dann war das alles plötzlich vorbei. Wir waren raus. Ich war raus. Als Tilda ins Flugzeug gestiegen war, hatte sich in mir ein Gefühl der Einsamkeit und Leere ausgebreitet. Aber ich wollte es nicht zulassen, wollte bloß nicht darüber nachdenken, was da mit mir passierte. Also nahm ich mir Arbeit mit nach Hause und stand selbst an Wochenenden für Fortbildungen zur Verfügung. Hauptsache Ablenkung. Eine erstaunlich lange Zeit gelang es mir auch, mich abzulenken. Bis zu dem Tag, ab dem ich nicht mehr richtig schlafen konnte.

Als ich nun im Bad saß und über all das nachdachte, fasste ich einen spontanen Entschluss. Ich warf die Tabletten ins Waschbecken und drehte das Wasser auf, bis die kleinen Pillen im Abfluss verschwanden. Schluss damit! So konnte es nicht weitergehen. Aber was war die Alternative? Wach bleiben?

Der Rat meiner Freundin Sonja kam mir in den Sinn. Sie schwor darauf, bei Schlaflosigkeit ein Glas lauwarme Milch zu trinken. Babys würden danach ja auch immer selig schlummern, meinte sie.

Ich bereitete mir etwas lauwarme Milch zu, setzte mich damit an den Küchentisch und dachte mit Sorge an den bevorstehenden Tag. Ich arbeitete in der Presseabteilung eines großen Medienunternehmens, und mein Chef war der Meinung, dass die Außenwirkung der kompletten Abteilung vom Auftreten jedes einzelnen Mitarbeiters abhing. Mit meinen verschwollenen Augen und meinem verheulten Gesicht würde ich kein besonders gutes Aushängeschild sein. An einem Tag wie diesem versuchte ich möglichst nicht aufzufallen. Dennoch war ich mir nicht sicher, ob mein Chef nicht schon längst gemerkt hatte, dass ich seit einigen Monaten oft gestresst und gedanklich abwesend war. Dabei gab ich mich kompetent,...

Erscheint lt. Verlag 16.3.2022
Illustrationen Gisela Goppel
Verlagsort München
Sprache deutsch
Themenwelt Sachbuch/Ratgeber Gesundheit / Leben / Psychologie Lebenshilfe / Lebensführung
Schlagworte Älter werden • Ängste • Aufbruch • Ehekrise • Eigentlich wollte ich mich selbst entfalten • Energie • Erzählung • Fabel für Frauen • Frauengesundheit • Gefühlswelt • Hitzewallungen • innere Stimme • John Strelecky • Katja Burkard • Keine Panik • Kraft • Lebenshilfe • Lebensmitte • Lebensmut • Lebenssinn • Liebe • menopause • Midlife Crisis • Midlife-Crisis • Mimi Fiedler • narrative Lebenshilfe • Perspektiven • Sheila de Liz • Specht Cupido • Stimmungsschwankungen • Stress • Tessa Randau • Umbruch • Wechseljahre • Wechseljahre Beschwerden • Wechseljahrsbeschwerden • Women on Fire • Zweifel
ISBN-10 3-423-44072-4 / 3423440724
ISBN-13 978-3-423-44072-1 / 9783423440721
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